Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 03.04.2003, Az.: 1 A 1409/01

Eigentum; Familiengrabstätte; Friedhof; Grabstätte; gutgläubiger Erwerb; Hofgrundstück; Interessentenfriedhof; Nutzungsrecht; Realverband; Realverbandsgesetz; Sondernutzungsrecht; unselbständiger Realverbandsanteil; Untrennbarkeit

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
03.04.2003
Aktenzeichen
1 A 1409/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 47967
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Bei Nutzungsrechten an Grabstätten handelt es sich um unselbständige Verbandsanteile i.S.v. § 8 RealverbandsG mit der Folge, dass das Nutzungsrecht an der Grabstätte vom jeweils herrschenden Grundstück untrennbar ist. Vereinbart ein Realverband bei Übertragung der Friedhofsaufgaben auf einen Rechtsnachfolger mit diesem die Fortgeltung bisherigen Rechts, kann der Inhaber des Grabstättennutzungsrechts die fortbestehende Untrennbarkeit von Grabstättennutzungsrecht und Eigentum am herrschenden Grundstück nicht einseitig aufheben.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten um die Nutzungsberechtigung an der aus etwa zwanzig Gräbern bestehenden Familiengrabstätte B. auf dem Friedhof in I..

2

Die einzelnen Grabstellen auf der Familiengrabstätte B. sind von Norden nach Süden angeordnet. Am südlichen Ende wurde das Ehepaar K. beigesetzt. Die Grabstelle neben Frau K. in nördlicher Richtung ist frei geblieben. Dann folgen die Eltern der Beigeladenen zu 1), die Eheleute H.. Im Übrigen hat die Grabstätte noch vierzehn weitere Plätze zur Verfügung. Diese Plätze sind frei bzw. mit älteren Rechten belegt, bei denen die Ruhezeit abgelaufen ist.

3

Der Friedhof in I. wurde im Jahr 1821 angelegt. Für die Anlegung des Friedhofs gaben die damaligen I. Hofgrundstückseigentümer private Grundstücksflächen ab und erhielten dafür eine dementsprechend maßstabsmäßige Grabstätte auf dem Friedhof. Dem Eigentümer des Grundbesitzes B., I.-R. Nr. 30 (heute E. 5) standen daraus Nutzungsrechte an der Grabstätte auf dem Friedhof zu. Eigentümer des Friedhofes war zum damaligen Zeitpunkt die Interessentenschaft der „Gesamtheit der Beteiligten der Verkoppelung der Feldmark I. Amts T. Hannoverschen Anteils“.

4

Nach dem Inkrafttreten des Realverbandgesetzes vom 04. November 1969 ging die oben genannte Interessentenschaft in den „Realverband der Gesamtheit der Beteiligten der Verkoppelung der Feldmark I. Amts T. Hannoverschen Anteils“ über.

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Aufgrund einer Vereinbarung zwischen diesem Realverband und der Gemeinde I. vom 14./27. April 1972, vom Landkreis Verden am 28. April 1972 genehmigt, wurde die Gemeinde I. Eigentümerin des Friedhofsgrundstücks. Der Realverband wurde anschließend aufgelöst. Die weitere Handhabung hinsichtlich des Friedhofs regelt § 4 der oben genannten Vereinbarung. Danach sollen sich die Rechtsverhältnisse an dem derzeitigen Interessentenfriedhof auch nach der Übertragung auf die politische Gemeinde I. nach dem bisherigen Recht und Herkommen richten.

6

Mit Gebietsänderungsvertrag vom 28. März 1972 wurden die Gemeinden B., E., I. und O. zur Gemeinde B. zusammengeschlossen. § 8 des Vertrages legt fest, dass die neugebildete Gemeinde B. das Vermögen und die Aufgaben der Realverbände in den bisherigen Gemeinden übernimmt. Daraufhin wurde die Gemeinde B. als Eigentümer des Friedhofsgrundstücks eingetragen. Nach § 2 des Gebietsänderungsvertrages bildet die Gemeinde B. mit den Gemeinden T., E., R. und M. die Samtgemeinde T..

7

Als Alleinerbe nach J. F. H. B. wurde der Kläger Eigentümer des beim Amtsgericht A. im Grundbuch von I. Band 7 Blatt 238 eingetragenen Grundstücks B., I.-R. Nr. 30 und damit Inhaber des Sondernutzungsrechts an der Familiengrabstätte B..

8

Mit notariellem Kaufvertrag vom 08. September 1975 veräußerte der Kläger Hof - und Gebäudeflächen des B. - Flurstück 18/2 und 18/3 der Flur 7 der Gemarkung I. (heute E. 5) - an C. und P. K. und Wolfgang H.. § 5 des Kaufvertrages schließt die Übertragung der Friedhofsrechte aus:

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„Die Friedhofsrechte der Familie K., die hinsichtlich des Hofes I. Nr. 30 bestehen, werden durch diesen Vertrag nicht berührt; sie gelten also als nicht mitübertragen. Rechte und Pflichten, soweit sie sich aus Rezessen oder ähnlichen Satzungen ergeben und soweit sie den Kaufgegenstand nicht unmittelbar betreffen, werden vom Käufer nicht übernommen, verbleiben also beim Resthof.“

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Nach dem Verkauf wurde für die beiden verkauften Flurstücke 18/2 und 18/3 beim Amtsgericht A. ein eigenes Grundbuchblatt angelegt, Band 7, Blatt 359 des Grundbuchs von I.. Der Kläger ist nach wie vor Eigentümer früher mit dem Hofgrundstück verbundener landwirtschaftlicher Flächen, die weiterhin im Grundbuch von I. Band 7, Blatt 238 eingetragenen sind.

11

Am 02. Februar 1976 starb ein Onkel des Klägers, Herr K.. Mit Zustimmung des für die Beklagte tätigen Friedhofsausschusses wurde er auf der Grabstätte B. beigesetzt.

12

Im Jahr 1987 erwarben die Beigeladenen das Eigentum an dem Hofgrundstück B. von den Parteien K. und H..

13

Am 14. Dezember 1997 verstarb der Vater der Beigeladenen zu 1), Herr W. H.. Am 18. Dezember 1997 widersprach der Kläger der Beisetzung des Herrn H. in der Familiengrabstätte B.. Gleichwohl fand die Beisetzung wie vorgesehen statt. Der Friedhofsausschuss teilte dies dem Kläger mit formlosem Schreiben vom 25. August 1999 mit.

14

Am 04. Juli 1999 verstarb die Mutter der Beigeladenen zu 1), Frau H.. Mit Schreiben vom 08. Juli 1999 wandte sich der Kläger wiederum an den Friedhofsausschuss und  widersprach auch der Beisetzung von Frau H., die gleichwohl am 09. Juli 1999 auf der Familiengrabstätte B. neben ihrem Ehemann beigesetzt wurde.

15

Daraufhin legte der Kläger mit Schreiben vom 18. August 1999 Widerspruch gegen die Bestattung der Eheleute H. auf der Grabstätte B. ein und beantragte gleichzeitig die Umbettung der Eheleute H. auf einen anderen Teil des Friedhofs I.. Zur Begründung seines Widerspruchs führte der Kläger aus, er sei Nutzungsberechtigter der Grabstätte B. und deswegen durch die gegen seinen Willen erfolgte Zuweisung der Gräber für die Eheleute H. und die daraufhin vollzogene Bestattung in seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf ausschließliche Benutzung der Grabstätte verletzt. Die Friedhofsrechte seien mit Kaufvertrag vom 09. Juli 1975 nicht auf die damaligen Käufer übergegangen, da § 5 des Kaufvertrages den Übergang der Nutzungsrechte an der Grabstätte ausschließe und er deshalb die Nutzungsrechte nicht verloren habe. Der Ausschluss der Nutzungsrechte sei auch wirksam, da ein Vermerk im Grundbuch, nach dem das Nutzungsrecht untrennbar mit der Hofstelle verbunden wäre, nicht vorhanden sei. Aus dem gleichen Grund hätten die Beigeladenen das Nutzungsrecht auch nicht gutgläubig erwerben können. Da die Beigeladenen darüber informiert gewesen seien, dass der Kläger an seinem Nutzungsrecht festhalte, sei ihnen eine Umbettung des Ehepaars H. darüber hinaus zumutbar.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Widerspruch sei bereits unzulässig, da der Kläger als nicht Nutzungsberechtigter der Grabstätte „B.“ nicht geltend machen könne, durch die Bestattung der Eheleute H. in seinen Rechten verletzt zu sein. Das Nutzungsrecht an der Grabstätte stehe nicht dem Kläger, sondern den Beigeladenen zu. Seit Anlegung des Friedhofs sei das Nutzungsrecht an der Grabstätte immer beim jeweiligen Eigentümer des Hofgrundstücks geblieben, von dem ursprünglich Flächen für den Friedhof abgegeben worden seien. Die Untrennbarkeit der Grabstätte von dem Hofgrundstück könne nur durch eine gemeindliche Friedhofssatzung ausgeschlossen werden. Deshalb sei die Regelung in dem notariellen Kaufvertrag, welche die Übertragung der Friedhofsrechte ausschließe, unwirksam.

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Am 18. Oktober 2001 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung seines Fortsetzungsfeststellungsinteresses führt er aus, nur durch Feststellung der Rechtswidrigkeit der Genehmigungen der durchgeführten Bestattungen könnten die künftigen Nutzungsrechte an der Familiengrabstätte aufgeklärt werden. Diese Klärung sei erforderlich, da sich weitere Familienmitglieder vorbehalten wollten, auf dieser Familiengrabstätte beerdigt zu werden. Die Klage sei auch begründet, da er alleiniger Inhaber des Sondernutzungsrechts an der Grabstätte B. sei, so dass sich die gegen seinen Willen erfolgten Beisetzungen als rechtswidrig erwiesen. Zum einen sei er nach wie vor Eigentümer des Grundstücks, das im Grundbuch von I. Band 7 Blatt 359 eingetragen sei und auf dem das Sondernutzungsrecht an der Grabstätte B. beruhe. Das Sondernutzungsrecht sei nicht etwa mit einzelnen Flurstücken, auch nicht mit den Flurstücken 18/2 und 18/3 verbunden gewesen, so dass durch den Verkauf dieser Flurstücke auch nicht das Sondernutzungsrecht auf die jeweiligen Käufer hätte übergehen können. Zum anderen sei er Sonderrechtsinhaber, weil er sich aufgrund § 5 des Kaufvertrages vom 08. September 1975 die Rechte an der Grabstätte vorbehalten habe. Dass im Grundbuch die selbständige Übertragbarkeit nicht ausgeschlossen worden sei, spreche für die selbständige Übertragbarkeit des Nutzungsrechts an der Grabstätte. Auch stehe § 8 RealverbandsG einer selbständigen Übertragbarkeit des Grundstückes nicht entgegen. Zum einen finde das Realverbandsgesetz keine Anwendung, da der Realverband bereits vor Kaufvertragsabschluss aufgelöst worden sei. Das Eigentum an dem Friedhof sei somit vor Kaufvertragsabschluss auf die Gemeinde I., die kein Realverband sei, übertragen worden. Darüber hinaus lägen auch die Voraussetzungen des § 8 RealverbandsG nicht vor. Das Nutzungsrecht an der jeweiligen Grabstätte stelle keinen unselbständigen Verbandsanteil dar, da es entgegen der Ansicht der Beklagten gerade nicht stets dem jeweiligen Eigentümer eines Grundstückes zugestanden habe. Es habe insbesondere keine Handhabung dahingehend gegeben, dass die Grabstätte immer beim Hofgrundstück geblieben sei, ein neuer Eigentümer somit stets auch das Nutzungsrecht an der dazugehörigen Grabstätte erhalten habe.

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Der Kläger beantragt,

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festzustellen, dass die Genehmigung der Beklagten zur Bestattung der Eheleute H. in der Familiengrabstätte „B.“ und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 17. September 2001 rechtswidrig waren.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist der Ansicht, das Nutzungsrecht an der Grabstätte B. stehe dem Kläger nicht zu. Seit der Anlegung des Friedhofs sei die Grabstätte untrennbar vom dazugehörigen Hofgrundstück. Durch den Erwerb eines Hofes habe der Käufer gleichzeitig das Nutzungsrecht an der dazugehörigen Grabstätte erhalten. Zwar sei eine besondere vertragliche Festschreibung oder ein entsprechender Grundbucheintrag nicht erfolgt; diese Handhabung sei aber Usus gewesen und werde durch § 8 RealverbandsG untermauert. Nach dieser Vorschrift sei die Trennung von unselbständigen Verbandsanteilen von den dazugehörigen Grundstücken ausgeschlossen, wenn der Verbandsanteil dem jeweiligen Eigentümer eines Grundstückes zustehe und sich die Teilnehmerrechte bzw. -pflichten nach einem Wertmaßstab richteten. Beides sei hier der Fall. Bei der Auflösung des Realverbandes und der damit verbundenen Übergabe des Verbandsvermögens und der Verbandsaufgaben an die Gemeinde I. habe sich an der Untrennbarkeit von Hofgrundstück und Grabstelle nichts geändert. Nach § 4 der Übernahmevereinbarung zwischen dem Realverband und der Gemeinde I. sollten sich nämlich die Friedhofsrechte nach dem bisherigen Recht und Herkommen richten. Deshalb habe der Kläger beim Verkauf des Behrmannshofes im Jahr 1975 den Übergang der Nutzungsrechte an der Grabstätte nicht wirksam durch § 5 des notariellen Kaufvertrages ausschließen können. Die bisherige Friedhofshandhabung sei nur durch eine Friedhofssatzung abänderbar. Da den Beigeladenen bei Kauf des Hofgrundstücks im Jahr 1987 die Regelung in § 5 des Kaufvertrages vom 08. September 1975 nicht bekannt gewesen sei, hätten sie das Nutzungsrecht an der Grabstätte B. darüber hinaus auch gutgläubig erworben.

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Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

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Die Kammer geht zu Gunsten des Klägers davon aus, dass im Hinblick auf die beabsichtigte Beerdigung weiterer Familienmitglieder auf der Familiengrabstätte B. ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse besteht. Die danach zulässige Klage ist aber nicht begründet. Der Verwaltungsakt, mit dem im vorliegenden Fall die Beklagte die Bestattung der verstorbenen Eheleute H. genehmigt hat, und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 17. September 2001 erweisen sich als rechtmäßig.

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Die Beklagte war für die Gestattung der Beisetzung zuständig. Gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 8 Nr. 2 NGO liegt die Zuständigkeit für die öffentlichen Begräbnisstätten bei den Samtgemeinden.

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Die Gestattung der Beisetzung der Eheleute H. auf der Familiengrabstätte „B.“ wäre nur dann rechtswidrig und würde den Kläger in seinen Rechten verletzen, wenn der Kläger, der der Beisetzung nicht zugestimmt hat, Nutzungsberechtigter der Grabstätte B. war, da dem Berechtigten eines Sondergrabes ein subjektiv-öffentliches Recht auf ausschließliche Benutzung einer bestimmten Grabstelle durch sich und seine Angehörigen eingeräumt wird. Der Kläger war jedoch zum Zeitpunkt der Beisetzung der Eheleute H. nicht mehr Sonderrechtsinhaber der Grabstätte B.. Sonderrechtsinhaber der Grabstätte B. sind seit 1987 vielmehr die Beigeladenen.

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Zwar ist der Kläger als Alleinerbe des J. F. H. B. zunächst Eigentümer des Grundstücks I.-R. Nr. 30 (heute E. 5) und damit Inhaber des Sondernutzungsrechts an der Familiengrabstätte „B.“ geworden.

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Dieses Sondernutzungsrecht ist aber im Jahr 1975 mit dem Verkauf des oben genannten Hofgrundstücks an C. und P. K. sowie W. H. zunächst auf diese übergegangen. Die Regelung in § 5 des notariellen Kaufvertrages vom 08. September 1975, die den Übergang der Friedhofsrechte ausschließt, ist unwirksam. Der Kläger konnte durch die Regelung im Kaufvertrag die Untrennbarkeit von Eigentum am Hofgrundstück und Grabstättennutzungsrecht, die im Realverbandsgesetz geregelt und auch nach Auflösung des Realverbandes Bestand hat, nicht aufheben.

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Gemäß dem Rezess vom 05./06. Mai 1821, aus dem die bereits erwähnte Interessentenschaft hervorgegangen ist, erwarben bei der Anlegung des Friedhofs in I. die Eigentümer eines Hofgrundstück entsprechend der von ihnen für die Anlegung des Friedhofs abgegebenen Fläche eine maßstabsmäßige Grabstätte an dem neu angelegten Friedhof. Nach dem Inhalt dieses Nutzungsverhältnisses war der damalige Eigentümer der Hofstelle B. berechtigt, die Grabstätte B. auf dem I. Friedhof zu nutzen, da das Nutzungsrecht an einer Grabstätte an das Eigentum am Hofgrundstück gebunden war.

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Nach dem Inkrafttreten des Realverbandsgesetzes ging die oben genannte Interessentenschaft und damit auch das Eigentum an dem Friedhof in den „Realverband der Gesamtheit der Beteiligten der Verkoppelung der Feldmark I. Amts T. Hannoverschen Anteils“ über. Die bisherigen Inhaber eines Nutzungsrechts an einer Grabstätte waren als Verbandsanteilsinhaber weiterhin nach § 7 RealverbandsG an der Nutzung der Grabstätte berechtigt. Dabei war das Nutzungsrecht an der Grabstätte gemäß § 8 RealverbandsG vom Hofgrundstück untrennbar, da es sich bei dem Grabstättennutzungsrecht um einen unselbständigen Verbandsanteil handelt:

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Das Realverbandsgesetz unterscheidet zwischen unselbständigen Verbandsanteilen (§ 8 RealverbandsG) und selbständigen Verbandsanteilen (§ 9 RealverbandsG). Während unselbständige Verbandsanteile weder vom Eigentum getrennt werden noch Gegenstand besonderer Rechte sein können, können selbständige Verbandsanteile durch Rechtsgeschäft übertragen werden und Gegenstand besonderer Rechte sein. Der Verbandsanteil ist unter folgenden Voraussetzungen unselbständig:

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Er muss dem jeweiligen Eigentümer eines Grundstücks zustehen.

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Das Teilnahmemaß muss sich nach der Fläche oder einem Wertmaßstab des herrschenden Grundstücks richten.

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Beide Voraussetzungen liegen hier vor. Entgegen der Ansicht des Klägers steht seit Anlegung des Friedhofs in I. das Nutzungsrecht an der Grabstätte dem jeweiligen Eigentümer eines Grundstücks zu. Bereits mit Anlegung des Friedhofs waren die Nutzungsrechte gemäß dem Rezess von 1821 an das Eigentum eines Grundstücks gebunden. Anhaltspunkte dafür, dass nach Anlegung des Friedhofs von dieser Handhabung abgewichen worden ist, bestehen nicht. Allein aus dem Nichtvorhandensein von schriftlichen Dokumenten kann nicht auf eine abweichende Übung geschlossen werden. Hingegen spricht viel für die von der Beklagten behaupteten Handhabung. Nach dem Verkauf eines Hofgrundstücks und dem damit verbundenen Fortzug aus I. konnte zur damaligen Zeit wegen fehlender Mobilität eine ordnungsgemäße Grabpflege nicht gewährleistet werden.

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Da sich das Teilnahmemaß nach dem Flächenverhältnis der herrschenden Grundstücke, mit denen die Grabstätten verbunden sind, richtet, ist auch die zweite Voraussetzung des § 8 RealverbandsG gegeben.

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Bestätigt wird dieses Ergebnis - die Unselbständigkeit von Grabstättennutzungsrechten - durch die Kommentierung von Thomas/Tesmer, Das niedersächsische Realverbandsgesetz, 4. Aufl., § 8, Rn. 6. Danach sind die Verbandsanteile in Zweckvermögensverbänden anders als in Nutzvermögensverbänden ausnahmslos unselbständig. Dass ein Friedhof zum Zweckvermögen und nicht zum Nutzvermögen gehört, ergibt sich unmittelbar aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 RealverbandsG, der Friedhöfe als Beispiel für Zweckvermögen anführt.

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Dagegen stützt die vom Kläger herangezogene Kommentierung von Soergel zu Art. 164 EGBG, Rn. 4, die abweichende Ansicht des Klägers nicht. Nach der zitierten Kommentierung legt ein nicht im Grundbuch eingetragener Verbandsanteil lediglich den Schluss nahe, dass die Möglichkeit einer selbständigen Übertragbarkeit besteht, was aber gerade nicht im Umkehrschluss bedeutet, eine Trennung des Nutzungsrechts von dem Eigentum an einem Grundstück sei in jedem Fall zulässig. Ein entsprechender Grundbuchseintrag dient lediglich der Verhinderung eines sonst nicht ausgeschlossenen gutgläubigen Erwerbs von Rechten, ist aber nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für Bestimmungen, die die Untrennbarkeit von Grabstättennutzungsrechten und Eigentum am Hofgrundstück regeln.

40

Mit Auflösung des „Realverbandes der Gesamtheit der Beteiligten der Verkoppelung der Feldmark I. Amts T. Hannoverschen Anteils“ und Übergang des Friedhofsgrundstücks an die Gemeinde I. bzw. die später neu gebildete Gemeinde B. hat sich an der Unselbständigkeit der Grabstättennutzungsrechte nichts geändert. Der Realverband hat gemäß § 44 Abs. 1 RealverbandsG mit der Gemeinde I. am 14./27. April 1972 – vom Landkreis Verden am 28. April 1972 genehmigt - den vollständigen Rechts- und Aufgabenübergang auf die Gemeinde I. vereinbart. Die Gemeinde I. ist als Rechtsnachfolgerin in das zwischen Realverband und Eigentümern an Hofgrundstücken bestehende Nutzungsverhältnis eingetreten. Der Inhalt des bestehenden Nutzungsverhältnisses ist unverändert geblieben. Der Eigentümer des Hofgrundstücks soll weiterhin berechtigt sein, die jeweilige Grabstätte auf dem I. Friedhof zu nutzen. Dabei besteht auch die Untrennbarkeit von Hofgrundstück und Grabstättennutzungsrecht fort. § 8 RealverbandsG, der die Trennung des Grabstättennutzungsrechts vom Eigentum am Hofgrundstück ausschließt, findet sinngemäß weiterhin Anwendung: Nach § 4 der Vereinbarung zwischen Realverband und der Gemeinde I. „sollen sich die Rechtsverhältnisse an dem derzeitigen Interessentenfriedhof auch nach der Übertragung auf die politische Gemeinde I. nach dem bisherigen Recht und Herkommen richten“. Wie dargelegt verbietet das bisherige Recht die Trennbarkeit der Grabstätte von dem herrschenden Hofgrundstück.

41

Deshalb ist die Regelung in § 5 des Kaufvertrages vom 08. September 1975, welche die Übertragung der Friedhofsrechte ausschließt und damit eine Trennung des Eigentums am Hofgrundstück von den Nutzungsrechten an der Grabstätte bewirkt, unwirksam. § 5 des Kaufvertrages ändert den Inhalt des zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Nutzungsverhältnisses dahingehend, dass die Grabstätte „Behrmannshof“ nunmehr auch ein anderer als der Eigentümer der Hofstelle nutzen kann, und hebt damit die Untrennbarkeit von Eigentum am Hofgrundstück und Grabstättennutzungsrecht auf. Eine solche inhaltliche Änderung des bestehenden Nutzungsverhältnisses konnte der Kläger nicht einseitig ohne gesetzliche Grundlage herbeiführen. Ebenso wie die Begründung eines Rechtsverhältnisses ist auch die Aufhebung oder inhaltliche Änderung eines Nutzungsverhältnisses grundsätzlich nur durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen möglich. Da die Beklagte an der Änderung des Nutzungsverhältnisses nicht beteiligt war und einer Änderung auch nicht nachträglich zugestimmt hat, bleibt das Nutzungsverhältnis so wie es einmal begründet worden ist – mit der Abhängigkeit zwischen Nutzungsrecht und Eigentum am Hofgrundstück - bestehen. Die Gestattung der Beisetzung eines Onkels des Klägers im Jahr 1976 beinhaltet keine nachträgliche Zustimmung zur Nutzungsänderung. Es ist nicht mehr nachvollziehbar, ob die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt bereits Kenntnis von dem im September 1975 geschlossenen Kaufvertrag hatte.

42

Nach alledem konnte sich der Kläger das Grabstättennutzungsrecht nicht wirksam vorbehalten. Nur durch eine Satzung oder Verordnung des Friedhofsträgers, der berechtigt ist, Benutzungsbedingungen zu ändern, wenn und soweit die Verwirklichung des Anstaltszwecks derartige Änderungen erfordert, kann das Nutzungsrecht einseitig abweichend von den geltenden Bestimmungen geregelt werden (vgl. Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 7. Aufl., S. 182).

43

Die Erwerber des Hofgrundstücks B., H. und K., sind somit im Jahr 1975 Inhaber des Sondernutzungsrechts an der Grabstätte B. geworden. Dass der Kläger noch Eigentümer früher mit dem Hofgrundstück verbundener landwirtschaftlicher Flächen geblieben ist, steht dem Verlust der Nutzungsrechte an der Grabstätte nicht entgegen. Grundlage für die Nutzungsrechte am Friedhof sind nicht die landwirtschaftlichen Flächen, Grundlage bzw. herrschendes Grundstück ist vielmehr das Hofgrundstück. Ursprünglich tauchte die Frage nach dem herrschenden Grundstück nicht auf, weil die Hofgrundstücke mit den landwirtschaftlichen Flächen verbunden und zusammen in einem Grundbuchblatt eingetragen waren. Der Kläger veräußerte jedoch nur das Hofgrundstück B., für das ein neues Grundbuchblatt angelegt worden ist, während landwirtschaftliche Flächen in seinem Eigentum verblieben. Eine ausdrückliche Regelung darüber, ob bei einer derartigen Teilung das Hofgrundstück oder die landwirtschaftlichen Flächen die Grundlage für das Grabstättennutzungsrecht darstellen, gibt es nicht. Allein sachgerecht erscheint jedoch, das Grabstättennutzungsrecht mit dem Eigentumsrecht an der jeweiligen Hofstelle zu verbinden. Jede andere Regelung führte dazu, dass in I. lebende Einwohner kein Recht hätten, auf dem ursprünglichen Teil des Friedhofs beigesetzt zu werden, während Auswärtige, die nur noch Grundflächen in I. besitzen, ohne weiteres von ihrem Recht auf Beerdigung auf dem I. Friedhof Gebrauch machen könnten.

44

Nur diese Auslegung entspricht schließlich auch den Zielsetzungen des Realverbandsgesetzes. Zu den Aufgaben der Zweckvermögensverbände gehörte der Betrieb eines Friedhofs. Die Mitglieder des Zweckverbandes waren verpflichtet, die am Friedhof notwendigen Arbeiten wie etwa Wegeunterhaltung, Heckenpflege und Grünbetreuung vorzunehmen. Derartige Arbeiten konnten aber sinnvoll nur von Ortsansässigen wahrgenommen werden.

45

Dass letztlich auch der Kläger von dieser Handhabung in I. ausgeht, zeigt der zwischen ihm und den Parteien H. und K. geschlossene Kaufvertrag. Es  hätte keinen Anlass gegeben, den Übergang der Friedhofsrechte kaufvertraglich auszuschließen, wenn die Friedhofsrechte ohnehin nicht mit dem veräußerten Hofgrundstück, sondern untrennbar mit den beim Kläger verbliebenen landwirtschaftlichen Flächen verbunden wären. Die vom Kläger in den Kaufvertrag aufgenommene Regelung macht vielmehr nur Sinn, wenn das Hofgrundstück als herrschendes Grundstück angesehen wird.

46

Nach den Parteien H. und K. erwarben im Jahr 1987 die Beigeladenen das Eigentum an dem Hofgrundstück B. und damit das Sondernutzungsrecht an der Grabstätte B.. Als Alleinnutzungsberechtigte haben sie der Beisetzung des Ehepaars H. zugestimmt, so dass sich die Genehmigung der Bestattung der Eheleute H. als rechtmäßig erweist.

47

Das Gericht weist die Beteiligten darauf hin, dass es zur Vermeidung von Streitigkeiten in der Zukunft sinnvoll ist, die Voraussetzungen und den Umfang der Benutzung des Friedhofs durch eine Friedhofssatzung ausdrücklich zu regeln. Kraft seiner Autonomie ist der Friedhofsträger berechtigt, die Benutzungsbedingungen zu ändern, wenn die Verwirklichung des Anstaltszwecks derartige Änderungen erfordert. Eine solche Neuregelung darf natürlich nicht willkürlich sein, sondern muss sich in den Grenzen von Gesetz und Herkommen halten.

48

Der Kläger hat als Unterlegener die Kosten des Verfahrens nach  §§ 154 Abs. 1, 162 VwGO zu tragen. Billigem Ermessen i.S.v. § 162 Abs. 3 VwGO entspricht es hier, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da die Beigeladenen angesichts des ursprünglichen Klagevortrages gehalten waren, ihre Rechte durch Wahrnehmung am Termin wahrzunehmen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.