Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 16.04.2003, Az.: 3 A 530/01

Angola; Asyl; Asylantragsteller; Asylbewerber; Bakongo; Cabinda; politische Verfolgung; Rückkehrgefährdung; Verfolgung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
16.04.2003
Aktenzeichen
3 A 530/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48508
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Keine Anknüpfung an FLEC-FAC-Aktivitäten 1992 in der Enklave CABINDA nach Rückkehr nach Angola 1999 und nach unbehelligtem Aufenthalt bis 2000, schon gar nicht nach den Änderungen durch Savimbis Tod.

Tatbestand:

1

Der Kläger ist angolanischer Staatsbürger und wurde am ... 1971 in Uige geboren. 1990 kam er erstmals nach Deutschland. Nach Ablehnung seines Asylantrages klagte er zunächst dagegen, nahm die Klage aber zurück (Az.:3 A 315/92, Einstellung am 25. März 1992). Wieder in Angola ging er nach (erneutem) Kriegsausbruch im Anschluss an die Wahlen von 1992  mit seiner Familie in die Enklave Cabinda und arbeitete dort als Fahrer für die FLEC-FAC (Frente de Libertacao do Enclave de Cabinda - Forcas Armadas de Cabinda).

2

1995 reiste der Kläger erneut nach Deutschland und betrieb ein Asylfolgeverfahren, abgelehnt vom Bundesamt mit Bescheid vom 28. Februar 1996. Nachdem er mit der dagegen gerichteten Klage (Az.: 3 A 450/96) zunächst Abschiebeschutz nach § 53 AuslG erreicht hatte (Urteil vom 14. November 1997) nahm er während des von der Beklagten betriebenen Berufungszulassungsantrags seinen Asylantrag zurück. Das so erledigte Verfahren wurde unter Unwirksamkeitserklärung des erstinstanzlichen Urteils mit Beschluss vom 24. Februar 1999 eingestellt (Az.: NdsOVG -1 L 5747/97-).

3

Abermals und nunmehr allein - seine Frau und (Stief-)Kinder betrieben ihre Asyl(folge)verfahren hier fort - kehrte er nach Angola zurück. Der Kläger wurde in einem Im- und Exportgeschäft in Luanda tätig.

4

Erneut in Deutschland stellte er am 17. November 2000 einen (weiteren) Asylfolgeantrag und gab in der schriftlichen Begründung von diesem Tage und in seiner persönlichen Anhörung am 18. Dezember 2000 an: Während des letzten Aufenthalts in Angola habe er sich von Politik völlig ferngehalten und habe unbehelligt arbeiten und reisen können, letzteres mehrfach geschäftlich ins Ausland, nach Italien oder in die Nachbarländern von Angola. Erst am 15. Oktober 2000 sei er anlässlich eines geplanten Fluges nach Italien nach Passieren der Passkontrolle festgehalten worden. Zunächst ein Kriminalbeamter und dann bis zu 5 Beamte hätten ihn am Flughafen und später im Polizeigebäude verhört. Er sei nach seiner Mitgliedschaft in der MPLA (der Regierungspartei) befragt worden. Das habe er wahrheitsgemäß verneint und darauf verwiesen "nur noch Geschäfte und keine Politik zu machen". Deswegen sei er als regierungskritisch eingestuft worden und die Polizisten hätten zum Beleg auf die in seiner Wohnung gefundenen Zeitungen und Kassetten hingewiesen, insbesondere auf einen (deutschen)  Fernsehmitschnitt, mit welchem der Präsident Angolas, dos Santos, als korrupt bezeichnet wurde. Man habe ihm gesagt, dass seine frühere Tätigkeit für die FLEC-FAC nicht vergessen sei, verbunden mit der Mitteilung, dass alle anderen Mitglieder seiner Gruppe tot seien. Die Polizisten hätten ihn schließlich nach Hause begleitet. Einer, dem er 20 Dollar gegeben habe, habe ihn dann unmissverständlich gewarnt und gesagt, es wäre das beste das Land zu verlassen. Dem "Rat" folgend sei er über die Grenze nach Namibia gegangen, mit dem Bus weiter nach Windhuk und von dort mit der South African Airlines über Lissabon nach München gereist.

5

Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 20. April 2001 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab: Es sei nicht nachvollziehbar, dass die angolanischen Behörden ihn über ein Jahr unbehelligt arbeiten und ins Ausland reisen ließen und dann plötzlich wieder Interesse an ihm zeigten und das wegen möglicher Ereignisse, die jahrelang zurücklagen. Eine Änderung der früheren Entscheidungen zu § 53 AuslG bleibe außer Betracht, denn - nach damals aktuellem Lagebericht vom 15. November 2000 - bestehe eine individuelle konkrete Gefahr von Leib oder Leben bei Rückkehr nach Luanda nicht.

6

Mit seiner Klage vom 27. April 2001 bringt der Kläger vor: Es sei unverständlich, ihn einerseits ausführlich anzuhören, seine detaillierten Schilderungen von Ereignissen nach seiner letzten Rückkehr nach Angola zu protokollieren und daraus zu schließen, ein neues Verfahren sei nicht durchzuführen. Dass er ein unpolitischen Leben führte sei ihm in Angola nicht geglaubt worden. Vielmehr habe ihn seine frühere Tätigkeit für die FLEC-FAC wieder eingeholt. Diese habe er sogar 1997 dem Gericht so glaubhaft machen können, dass ihm Abschiebeschutz gewährt worden sei. Das könne jetzt nicht anders sein.

7

Wegen seiner Tätigkeit in der Enklave Cabinda sei er erneut verfolgt worden. Deswegen sei er als Asylberechtigter anzuerkennen. Die aus seiner Verfolgung abgeleiteten Rechte könne er nicht deswegen verlieren, weil seiner Frau und den (Stief-)Kindern inzwischen letztinstanzlich Abschiebeschutz versagt worden sei.

8

Der Kläger beantragt,

9

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. April 2001 zu verpflichten, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 AuslG vorliegen,

10

hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebehindernisse gem. § 53 AuslG vorliegen.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen

13

und nimmt Bezug auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid.

14

Der Beteiligte hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

15

Für das weitere Vorbringen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der zuständigen Ausländerbehörde (LK Stade) Bezug genommen. Ebenso wird verwiesen auf den Inhalt der beigezogenen Gerichtsakten (mit Beiakten) 3 A 315/92 und 3 A 450/96 mit OVG 1 L 5747/97 (den Kläger betreffend), 3 A 1306/99 mit OVG 1 LA 1070/01 (seine Kinder ... M und ... M betreffend), 3 A 1302/99 mit OVG 1 LA 1065/01 (seine Ehefrau ... H und seinen Sohn ... M betreffend) und 3 A 1307/99 mit OVG 1 LA 1067/01 (den Stiefsohn ... H betreffend).

16

Die Auskünfte des UNHCR vom 25. 02. 2003 an das VG Wiesbaden mit der Auskunft vom 28. 11. 2002 an das OVG des Landes Sachsen Anhalt, des UNHCR vom Oktober 2002 an EURASIL und der AA - Lagebericht - Angola - vom 07. 02. 2003 -Stand Januar 2003- wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, denn der Bescheid vom 20. April 2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt den Gründen des Bescheides und sieht daher insoweit von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).

18

Davon aufgrund des Klagevorbringens des Klägers - zuletzt bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung - abzuweichen, besteht kein Anlass. Dieses auch und gerade nicht im zeitlichen Zusammenhang und unter inhaltlicher Beachtung der aktuellen Auskunftslage über Angola (§ 77 Abs. 1 AsylVfG).

19

Den Kern der Begründung seines Folgeantrages (vgl. Anhörung vom 18. Dezember 2000), dass er im Oktober 2000 (ca. 1 ½ Jahre nach seiner 2. Rückkehr nach Angola) wegen seines Engagements für die FLEC-FAC in der Enklave Cabinda nach seiner ersten Rückkehr (1992) Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt war und weitere zu fürchten habe, hat die Beklagte nicht für nachvollziehbar gehalten und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG verneint. Die in der Anhörung beim Bundesamt geschilderten Vorgänge hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor Gericht so wiederholt. Selbst wenn dadurch seine Glaubwürdigkeit gewonnen hat, weil er nichts "aufgebauscht" und auf unvorbereitete Nachfragen spontan und widerspruchsfrei zum Vorbringen in der Anhörung geantwortet hat, folgt daraus nur, dass sich der Kläger -asylrelevant - verfolgt fühlt(e). Eine objektive Verfolgungslage belegt das gleichwohl nicht,  weder für den Ausreisezeitpunkt, noch für den  Zeitpunkt des Bescheides (20. April 2000), noch für den Zeitpunkt dieser mündlichen Verhandlung. Der Kläger ist nach eigenen Angaben zunächst am Flughafen, dann im Polizeigebäude und schließlich in seinem Hause verhört, aber eben nicht verhaftet worden. Wenn die Polizisten ihm seine Tätigkeit für die FLEC-FAC von 1992 vorgehalten und auf das Schicksal seiner damaligen (politischen) Gesinnungsfreunde hingewiesen haben sollten in dem Sinne, dass ihm gleiches bevorstehe, bliebe es bei objektiver Verfolgungslage ohne Erklärung, dass er nicht sogleich verhaftet worden ist und dass einer der Polizisten ihm erst nach einer "20-Dollar-Bestechung" zur Flucht geraten habe. Auch widerspricht es dem Ernst einer Fluchtsituation, sich zuvor bei seinem Arbeitgeber "abzumelden" und nachzufragen, warum er dort nicht weiter arbeiten könne. Das wiedererwachte Interesse der angolanischen Behörden an ihm ist auch nicht mit den bei ihm gefundenen regierungskritischen Zeitungsartikeln und der aus Deutschland mitgebrachten Videoaufzeichnung einer Fernsehsendung, in der die afrikanischen Staaten im allgemeinen und der Präsident von Angola im besonderen als korrupt bezeichnet werden, zu erklären. Denn dieses Material wurde erst nach seinem Festhalten auf dem Flughafen und erst bei weiteren Verhören in seinem Hause gefunden. Es war somit weder Anlass für das Hindern am Abflug, für das Verhör noch Anlass nach Auffinden des Materials zu einer Verhaftung.

20

Schon aus dem bei Bescheidung des Folgeantrages am 20. April 2001 aktuellen und dort zitierten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 15. November 2000 (dort S. 7) heißt es bezogen auf die FLEC:

21

"Soweit die Aktivisten der verschiedenen Fraktionen der FLEC nicht militärisch aktiv sind und sich nur politisch betätigen, sind sie keinen Repressionen ausgesetzt, auch wenn nicht auszuschließen ist, dass ihre Tätigkeit von den Sicherheitsbehörden beobachtet wird. Zum Teil vertreten die verschiedenen Fraktionen der FLEC ihre politischen Forderungen relativ offen und sind auch institutionell in Cabinda vertreten. Der Konflikt ist nach wie vor auf die Enklave Cabinda beschränkt".

22

Der Einschätzung ist das Nds OVG - soweit ersichtlich - seit Urteil vom 01. 03. 2001 - 1 L 649/00 (dort S. 11) gefolgt. Dieser folgt auch dieses Gericht.

23

Ob vor diesem Hintergrund und unter Beachtung dessen, dass der Kläger sich seit 1999 im Mutterland Angola (nicht in der Enklave Cabinda !) aufgehalten und sich von Politik ferngehalten hat und unbehelligt seinen Geschäften - verbunden mit Auslandsreisen - nachgehen konnte, letztlich mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht keine dem Kläger günstigere und geänderte Sach- und Rechtslage (gemessen am ersten Folgeantrag von 1995/96) angenommen wurde, die die Durchführung eines neuen Asylverfahrens bedingt hätte, kann letztlich offen bleiben. Denn jedenfalls und erst Recht nach dem Tode Savimbis ist nunmehr durch den Abschluss des Lusaka- Prozesses, d.h. die Umsetzung des Lusaka-Protokolls aus November 1994 - am 21. November 2002 "von einer echten Chance auf dauerhaften Frieden auszugehen" vgl. VG Aachen, Urteil vom 26. Februar 2003 - 7 K 1935/99.A - unter Berufung auf den Lagebericht des AA vom 7. Februar 2003. Im Lagebericht heißt es:

24

"Seit dem Ende der Kämpfe mit der UNITA findet die Lage in Cabinda vermehrt Aufmerksamkeit der angolanischen Öffentlichkeit. ... Von einer Verfolgung von FLEC-Angehörigen außerhalb Cabindas ist nichts bekannt.

25

Über die "Cabinda-Frage", d. h. die Frage der Autonomie der Region, wird in Angola offen diskutiert. Die privaten Printmedien ... lassen auch regierungskritische Stimme ... zu Wort kommen. Die in Angola regierende MPLA hat sich bereit erklärt, den "Fall Cabinda" im Wege eines Dialogs zu lösen und hält eine Autonomieregelung für denkbar. ... Der Gouverneur von Cabinda hat ... im Oktober 2002 ... mit ehemaligen FLEC-Mitgliedern (darunter dem ehemaligen Vorsitzenden der FLEC-Renovada sowie vormaligen Angehörigen der FLEC-FAC), die den bewaffneten Kampf aufgegeben haben, Gespräche geführt".

26

Dem steht - für den Kläger - nicht  entgegen, dass UNHCR im Oktober 2002 von "unfreiwilliger Rückkehr nach Cabinda " abgeraten hat (zitiert EURASIL Country Files 2002 Angola - 01 - E und Auskunft UNHCR an OVG Sachsen- Anhalt vom 28. 11. 2002 zu 2 L 376/95, zugleich am 25. 02. 2003 an VG Wiesbaden - 3 E 70/02.A 1). Denn der Kläger hat selbst erklärt, erst in einem unabhängigen Cabinda sich als Bakongo- Angehöriger als freier Mensch fühlen zu können und mit seiner Familie leben zu wollen. Dass die Zugehörigkeit zur Bakongo - Ethnie, auf die sich der Kläger erstmals beruft, staatliche Maßnahmen Angolas nicht beachtlich wahrscheinlich macht, entspricht der aktuellen Auskunftslage (vgl AA vom 07. Februar 2003 aaO S. 10), der die Rechtsprechung einhellig folgt (vgl. zuletzt OVG Sachsen-Anhalt Urteil vom 13. 02. 2003 - 2 L 376/95- )

27

Ein neues Asylverfahren oder eine neue Entscheidung nach § 51 AuslG herbeizuführen besteht nach alledem auch zum jetzigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) kein Anlass.

28

Nichts anderes gilt für eine begehrte neue Entscheidung zu Abschiebehindernissen nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG. Weder hat der Kläger dazu etwas vorgetragen, noch ist den zitierten aktuellen Auskünften zu entnehmen, dass dem Kläger bei Rückkehr (nach Luanda) eine erhebliche, individuelle und konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht (vgl. BVerwG, Urteil v. 23. 08. 1996, 9 C 144.95 = BVerwGE 99,324).