Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 22.08.2002, Az.: 8 U 50/02

Ansehung der Erstellung eines Anstrichs ohne vorherige vertraglich nicht geschuldete Grundierung als untauglich für den gewöhnlichen Gebrauch; Voraussetzungen der Haftung unter dem Gesichtspunkt der arglistigen Täuschung; Verjährungsvoraussetzungen für einen Anspruch aus § 13 Nr. 7 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B)

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
22.08.2002
Aktenzeichen
8 U 50/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 30367
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2002:0822.8U50.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 12.02.2002 - AZ: 7 O 2180/00

Fundstellen

  • BauRB 2004, 38 (Volltext mit amtl. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2004, 30-31

In dem Rechtsstreit
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 08. August 2002
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12. Februar 2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt nicht 20.000,-- Euro.

Gründe

1

I.

Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen einer mangelhaften Werkleistung der Beklagten.

2

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

3

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

4

Mit ihrer zulässigen Berufung rügt die Beklagte, dass Gewährleistungsansprüche verjährt seien. Arglistig habe sie nicht gehandelt. Hilfsweise wendet sie sich gegen die Schadenshöhe.

5

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

7

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

9

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete, mithin zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

10

Eventuell bestehende Schadensersatzansprüche der Klägerin aus § 13 Nr. 7 VOB/B sind verjährt.

11

Der von den Parteien geschlossene Werkvertrag umfasst lediglich die Anstricharbeiten, nicht aber eine vorherige Grundierung des anzustreichenden Mauerwerks. Das folgt aus dem Angebot der Beklagten vom 19. Oktober 1995, das eine Grundierung nicht vorsieht. Abgerechnet hat die Beklagte diese Leistung ebenfalls nicht. Weitere Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien vereinbart haben, dass die Wandfläche vor dem Anstrich grundiert werden sollte, liegen nicht vor. Insbesondere kann entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass eine etwa notwendige Grundierung im Regelfall auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Angebot Leistungsinhalt des Werkvertrags werden sollte. Die Parteien haben unstreitig die Geltung der Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teile A, B und C, vereinbart. Ausweislich der VOB/C (ATV DIN 18 299) gehören jedoch lediglich sog. Nebenleistungen auch ohne Erwähnung im Vertrag zur vertragsgemäßen Leistung. Nach der ATV DIN 18 363 Abschnitt 4.1.5 unterfällt bei Maler- und Anstricharbeiten das Ausbessern kleiner Putz- und Untergrundbeschädigungen den Nebenleistungen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen H... war im hier zu entscheidenden Fall überhaupt keine tragfähige Grundlage für einen Anstrich auf der Fassadenfläche vorhanden. Es hätte mithin eine vollständige Grundierung erfolgen müssen. Diese fachlich notwendigen umfassenden Vorarbeiten hätten dann Gegenstand einer weiteren oder ergänzenden Vereinbarung über besondere Leistungen nach ATV DIN 18 363 Abschnitt 4.2.1 sein müssen. Entsprechende zusätzliche Leistungen der Beklagten wären zudem zu vergüten gewesen. Gemäß § 4 Nr. 3 VOB/B hätte die Beklagte zwar die Pflicht gehabt, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass ein fachgerechter Anstrich ohne Grundierung nicht möglich ist (vgl. ATV DIN 18 363 Abschnitt 3.3.1.2.2). Das ändert aber nichts daran, dass ohne eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung die Grundierung nicht zum vertraglichen Leistungssoll gehört.

12

Infolge des Verstoßes gegen die Hinweispflicht des § 4 Nr. 3 VOB/B ist die Beklagte allerdings nicht von der Gewährleistung frei geworden, § 13 Nr. 3 VOB/B. Sie muss sich auch vorhalten lassen, ein Werk erstellt zu haben, von dem sie hätte wissen müssen, dass es unter den vereinbarten Voraussetzungen (Anstrich ohne vorherige Grundierung) nicht fachgerecht erstellt werden konnte und daher untauglich für den gewöhnlichen Gebrauch war. Der daraus resultierende Schadensersatzanspruch der Klägerin ist jedoch gemäß § 13 Nr. 4 VOB/B verjährt.

13

Die Anstricharbeiten der Beklagten waren spätestens im Mai 1996 abgeschlossen; ihre Leistungen hat sie mit Rechnungen vom 17. November 1995 und 20. Mai 1996 abgerechnet. Die Klägerin hat die Leistung sodann ersichtlich in Benutzung genommen. Es gilt deshalb die Abnahmefiktion des § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B. Im Übrigen durfte die Beklagte mindestens auf Grund der Zahlung des Werklohns davon ausgehen, dass die Klägerin ihre Werkleistung als im Wesentlichen vertragsgemäß billigte. Die Verjährung der Gewährleistungsansprüche der Klägerin trat damit spätestens im Juni 1998 ein. Zu Gunsten der Klägerin kann weiter unterstellt werden, dass die schriftliche Mängelanzeige gemäß Schreiben vom 25. März 1997 - die Beklagte bestreitet den Zugang dieses Schreibens - nach § 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B zu einer einmaligen Verlängerung der Verjährungsfrist geführt hat; das hätte zur Folge, dass die Verjährungsfrist erst Ende März 1999 abgelaufen gewesen wäre. Das Schreiben vom 30. Oktober 1998, dessen Zugang die Beklagten ebenfalls bestreitet, ist rechtlich ohne Bedeutung; denn zum einen kann die Verjährung durch schriftliche Mängelanzeige nur einmal verlängert werden, zum anderen war - bei fehlendem Zugang der Mängelanzeige vom 25. März 1997 - zum Zeitpunkt des Zugangs die Verjährungsfrist bereits abgelaufen. Weitere verjährungsunterbrechende oder verjährungshemmende Maßnahmen vor der Klageerhebung im September 2000 sind dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen.

14

Eine Haftung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der arglistigen Täuschung, die die Geltung der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB zur Folge hätte, scheidet aus. Es ist schon fraglich, ob die Rechtsprechung zum arglistigen Verschweigen eines Mangels (vgl. dazu Werner Pastor, Der Bauprozess, 9.Aufl., RdNr. 2325 ff) hier überhaupt anwendbar ist. Denn die fehlende Grundierung kann der Klägerin nur unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verletzung von Prüfungs- und Hinweispflichten gemäß § 4 Nr. 3 VOB/B vorgeworfen werden; zum vertraglichen Leistungsumfang gehörte die Grundierung, wie bereits ausgeführt, nicht. Es geht hier also anders als in den höchstrichterlich entschiedenen Fällen nicht darum, dass die Beklagte einen ihr bekannten Mangel der Klägerin nicht mitgeteilt hat, obwohl sie nach Treu und Glauben und insbesondere im Hinblick auf dessen Bedeutung zur Offenbarung verpflichtet gewesen wäre. Unabhängig davon fehlt es jedenfalls an einer Arglist seitens der Beklagten.

15

Das folgt daraus, dass bei Offenkundigkeit des Mangels ein arglistiges Verhalten von vornherein ausscheidet (vgl. OLG Hamm SFH § 638 BGB Nr. 65). Es fehlt deshalb stets an einem arglistigen Verschweigen, wenn der Mangel für alle Baubeteiligten offenkundig sein musste. Das war hier nach den Feststellungen des Sachverständigen H... ohne weiteres der Fall. Es liegt nahe, dass die Beklagte als Fachfirma ohne weiteres hätte erkennen müssen, dass ein Anstrich ohne vorherige Grundierung nicht mangelfrei herzustellen war. Das gilt aber genauso für die Klägerin, die ein Bauunternehmen betreibt. Bei der Ausschreibung der Malerarbeiten, dem Vertragsschluss mit der Klägerin, der Abnahme und der Rechnungsprüfung hätte die Klägerin auf Grund des bei ihr vorauszusetzenden Fachwissens genauso wie die Beklagte erkennen müssen, dass vor dem Anstrich Grundierungsarbeiten erheblichen Umfangs erforderlich waren. Jedenfalls lag dies angesichts des im Gutachten des Sachverständigen H... beschriebenen desolaten Zustandes des alten Mauerwerks auf der Hand. Damit entfällt die Grundlage für eine Arglisthaftung der Beklagten.

16

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 543 Abs. 2 ZPO,

17

26 Nr. 8 EGZPO.