Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 19.08.2002, Az.: 8 W 85/02

Reisekostenerstattung für einen postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten bei Zumutbarkeit der Bestellung eines Rechtsanwalts am Ort des Oberlandesgerichts

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
19.08.2002
Aktenzeichen
8 W 85/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 32655
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2002:0819.8W85.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 18.07.2002 - AZ: 13 O 60/02

Fundstellen

  • MDR 2002, 1457-1458 (Volltext mit red. LS)
  • NJW 2003, 1539 (amtl. Leitsatz)
  • NJW-RR 2003, 428 (Volltext mit red. LS)

In dem Kostenfestsetzungsverfahren
...
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 19. August 2002
beschlossen:

Tenor:

  1. I)

    Das Verfahren wird gemäß § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO dem Senat zur Entscheidung übertragen.

  2. II)

    Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Osnabrück vom 18.7.2002 insoweit aufgehoben, als die Reisekosten und das Abwesenheitsgeld über einen Betrag von 55,- EUR hinaus abgesetzt worden sind. In diesem Umfang wird das Kostenfestsetzungsverfahren zur erneuten Behandlung unter Beachtung der Rechtsauffassung des

    Oberlandesgerichts an das Landgericht Osnabrück zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird.

    Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 126,37 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Mit ihrer gemäß den §§ 11 Abs. 1, 21 Nr. 2 RpflG i. V. mit den §§ 104 Abs. 3, 569 Abs. 1 und 2 ZPO zulässigen sofortigen Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Osnabrück vom 18.7.2002 begehrt die Klägerin, die ihrer Prozeßbevollmächtigten durch das Auftreten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Osnabrück am 8.3.2002 entstandenen Reisekosten in Höhe von 529,81 EUR und ein Abwesenheitsgeld von 30,68 EUR festzusetzen. Die Rechtspflegerin hat diese Kosten bis auf eine Informationspauschale von 55,- EUR mit der Begründung abgesetzt, dass es der Klägerin zuzumuten gewesen sei, einen Anwalt am Ort des Landgerichts zu beauftragen.

2

Das Rechtsmittel führt in der Sache bezüglich der Absetzung der Reisekosten und des Abwesenheitsgeldes über den Betrag von 55 ,- EUR hinaus zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und in diesem Umfang zur Zurückverweisung des Kostenfestsetzungsverfahrens an das Landgericht Osnabrück zwecks erneuter Behandlung (vgl. § 572 Abs. 3 ZPO).

3

Die Reisekosten der R... Prozessbevollmächtigten der Klägerin nach Osnabrück zum Verhandlungstermin vom 8.3.2002 und das Abwesenheitsgeld sind grundsätzlich gemäß § 91 Abs. 2 S. 1 2. Halbsatz ZPO erstattungsfähig. Denn nach § 78 Abs. 1 ZPO in der seit dem 1.1.2000 geltenden Fassung war die R... Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor dem Landgericht Osnabrück postulationsfähig und ihre Zuziehung war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Klägerin notwendig.

4

Die Neufassung des § 78 Abs. 1 ZPO hat in Bezug auf die Erstattung der Reisekosten eines beim Prozessgericht nicht zugelassenen, wenngleich postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten einer Partei zu einer uneinheitlichen Rechtsprechung geführt (vgl. den Meinungsstand bei Zöller - Herget, ZPO, 23. Aufl., Rz. 13 zu § 91 ZPO, Stichwort: "Reisekosten des Anwalts"). Der Senat folgt der Meinung (vgl. grundlegend: OLG Frankfurt MDR 2000, 1215 f. [OLG Frankfurt am Main 31.07.2000 - 6 W 126/00][OLG Frankfurt am Main 31.07.2000 - 6 W 126/00]), wonach sich nach der Neufassung des § 78 Abs. 1 ZPO die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines beim Prozessgericht nicht zugelassenen, wenngleich postulationsfähigen Prozeßbevollmächtigten einmal nicht nach § 91 Abs. S. 2 S. 2 ZPO, sondern nach § 91 Abs. 2 S. 1 2. Halbsatz ZPO richtet. Denn der Ausschluss der Erstattung von Reise - und Abwesenheitskosten nach § 91 Abs.2 S. 2 ZPO ist nur für den am Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts angeordnet. Zum anderen kann nunmehr die "Notwendigkeit" der Zuziehung eines nicht beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts nicht mehr unter Hinweis auf eine obligatorische Einschaltung eines beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts verneint werden. Vielmehr ist allein auf die Sicht einer vernünftigen, kostenorientierten Prozesspartei abzustellen. Gegen diesen Grundsatz einer möglichst kostengünstigen Prozessführung hat die Klägerin im vorliegenden Fall nicht verstoßen.

5

Aus der Sicht der Klägerin war es vernünftig und am kostengünstigsten, die an ihrem Geschäftssitz residierende Rechtsanwältin mit der Führung des Prozesses und der Terminswahrnehmung zu beauftragen. Denn diese hat die Vorkorrespondenz mit der Beklagten geführt und verfügte daher über eine größere Sachkenntnis als ein beim Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt. Bei Beauftragung eines beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts wäre es notwendig gewesen, diesen selbst persönlich zu informieren. Denn im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um eine typischerweise zum normalen Geschäftsbetrieb der Klägerin gehörende Routineangelegenheit, sondern um einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht schwierigen Sachverhalt. Unter diesen Umständen wären im vorliegenden Fall bei Beauftragung eines beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts als Unterbevollmächtigten mit der Terminswahrnehmung angesichts der notwendigen Informationsreise eines Bevollmächtigten der Klägerin höhere Kosten entstanden als bei der Beauftragung der R... Prozeßbevollmächtigten mit der Prozessführung und Wahrnehmung des Termins vor dem Landgericht Osnabrück.

6

Es ist allerdings zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten für die Flugreise von Stuttgart nach Münster und zurück i.S. von § 28 Abs. 2 Nr. 2 BRAGO angemessen sind. Diese Prüfung wird gemäß § 572 Abs. 3 ZPO der Rechtspflegerin übertragen.

7

Der Rechtspflegerin wird auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen. Denn es hängt von der Höhe der festzusetzenden Reisekosten ab, inwieweit noch Kosten des Beschwerdeverfahrens entstehen werden (vgl. Nr. 1953 KV).