Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.05.2006, Az.: 14 K 431/04

Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Festsetzung einer Eigenheimzulage bei der Anschaffung von Genossenschaftsanteilen; Begriff der "geleisteten Einlage" im Sinne des § 17 S. 3 Eigenheimzulagengesetz (EigZulG); Umfang des Geschäftsguthabens einer Genossenschaft; Hinzuziehung der Begriffe "Einlage" und "Entnahme" im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Eigenheimzulage; Anspruchsmindernde Berücksichtigung von Verlustanteilen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage im Sinne des § 17 S. 3 EigZulG

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
11.05.2006
Aktenzeichen
14 K 431/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 16596
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2006:0511.14K431.04.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 07.12.2006 - AZ: IX B 111/06

Fundstellen

  • DStR 2006, VIII Heft 47 (Kurzinformation)
  • DStRE 2007, 354-356 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 2006, 1317-1318 (Volltext mit amtl. LS)
  • NWB direkt 2006, 7
  • Jurion-Abstract 2006, 228622 (Zusammenfassung)

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, wie sich die Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Eigenheimzulage bei der Anschaffung von Genossenschaftsanteilen ermittelt.

2

Der Kläger trat am ... in die Baugenossenschaft ... (Genossenschaft) ein und übernahm zwei Geschäftsanteile zu jeweils 10.000 DM. Die Genossenschaft erfüllt die gemäß § 17 Satz 2 EigZulG erforderlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Eigenheimzulage. In § 42 ihrer Satzung heißt es, dass die Mitgliederversammlung über die Verlustdeckung zu beschließen habe, wenn die Genossenschaft einen Bilanzverlust ausweise. Insbesondere müsse die Mitgliederversammlung darüber beschließen, in welchem Umfang der Verlust durch Verminderung der Geschäftsguthaben oder Heranziehung der gesetzlichen Rücklagen zu beseitigen sei. ....

3

Der Kläger zahlte anlässlich seines Beitritts an die Genossenschaft ein einmaliges Eintrittsgeld i.H.v. 200 DM, das die Genossenschaft in ihre Kapitalrücklage einstellte, sowie fortlaufend monatlich 153 DM. Die monatlichen Zahlungen verbuchte die Genossenschaft, wie mit dem Kläger vereinbart, zum überwiegenden Teil auf die Geschäftsanteile des Klägers und behielt den Restbetrag als Entgelt (Agio) für die Stundung der Einzahlungsverpflichtung des Klägers ein.

4

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte gegenüber dem Kläger, wie von ihm beantragt, Eigenheimzulage für seine Genossenschaftsbeteiligung jährlich fest und berücksichtigte in diesen Bescheiden als Bemessungsgrundlage zur Berechnung des Fördergrundbetrags i.S.d. § 17 Satz 4 Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) die bis zum Zeitpunkt der Festsetzung vom Kläger auf seine Geschäftseinlage geleisteten Einzahlungen. Diese Bescheide sind bestandskräftig geworden.

5

Anfang November 2003 beschloss die Genossenschaft zu Deckung ihres Bilanzverlustes in ihrer jährlichen Generalversammlung, die Geschäftsanteile ihrer Genossen gemäß § 42 ihrer Satzung mit jeweils 1.525 DM (780 EUR) zu belasten. Die Genossenschaft buchte daraufhin am 4. November 2003 einen Verlustanteil i.H.v. insgesamt 3.051 DM (1.560 EUR) vom Geschäftsguthaben des Klägers ab. Am 31. Dezember 2003 betrug das Geschäftsguthaben des Klägers ...

6

Der Kläger beantragte daraufhin beim FA, wie in den Vorjahren, die Eigenheimzulage ab 2003 neu festzusetzen. Mit Bescheid vom ... setzte das FA gegenüber dem Kläger die Eigenheimzulage ab 2003 gemäß § 11 Abs. 2 EigZulG neu fest und berücksichtigte dabei als Bemessungsgrundlage zur Berechnung des Fördergrundbetrags sein Geschäftsguthaben zum 31. Dezember 2003. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Bei der Berechnung der Eigenheimzulage müsse nicht nur sein Geschäftsguthaben, sondern zusätzlich auch der Verlustanteil berücksichtigt werden, den die Genossenschaft von seinem Geschäftsguthaben abgebucht habe. Nach § 17 Satz 3 EigZulG seien die tatsächlich von ihm geleisteten Einzahlungen als Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen. Der ihm zugewiesene Verlustanteil habe die von ihm geleisteten Einzahlungen nicht gemindert. Mit Einspruchsbescheid vom .... wies das FA den Einspruch gegenüber dem Kläger als unbegründet zurück. Für die Höhe der Eigenheimzulage seien nicht die jährlichen Zahlungen des Klägers, sondern die Höhe der geleisteten Einlage auf die Genossenschaftsbeteiligung maßgebend. Die Verlustverrechnung mit dem Geschäftsguthaben des Klägers führe daher zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage.

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Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Fördergrundbetrags sei nach § 17 Satz 3 EigZulG ausdrücklich die geleistete Einlage des Genossen, unabhängig davon, wie die Genossenschaft diese Beträge verwende. Hierfür spreche auch § 4 Abs. 1 Satz 5 Einkommensteuergesetz (EStG), der eine Legaldefinition der Einlage enthalte. Einlagen seien demnach nur alle Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen und sonstige Wirtschaftsgüter), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt habe. Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung sei dieser Einlagenbegriff des Einkommensteuergesetzes auch für die Bemessungsgrundlage des § 17 Satz 3 EigZulG anzuwenden. Verlustzuweisungen könnten demnach im Rahmen des § 17 Satz 3 EigZulG nicht einlagemindernd berücksichtigt werden. Andernfalls hätte der bilanzielle Erfolg der Genossenschaft Einfluss auf die Höhe der ihm zustehenden Eigenheimzulage, obwohl derartige wirtschaftliche Überlegungen dem Eigenheimzulagengesetz fremd seien. Die Verrechnung des Verlustes mit seinem Geschäftsguthaben sei ausschließlich ein Vorgang auf der Vermögensebene der Genossenschaft, mit dem er nichts zu tun habe. Durch die Verlustumlage habe die Genossenschaft lediglich buchtechnisch eine bilanzielle Veränderung ihres Kapitalausweises erreicht, ohne dass sich jedoch ihre Bilanzsumme verändert habe. Er selbst habe zudem durch die Verlustverrechnung auch nichts von seinen Einzahlungen zurückerhalten, so dass auch keine Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG vorläge. Darüber hinaus seien zusätzlich auch noch das von ihm geleistete Eintrittgeld sowie seine laufenden Zahlungen für die Stundung seiner Einzahlungsverpflichtung anspruchserhöhend zu berücksichtigen, so dass sich die Bemessungsgrundlage zur Berechnung des Fördergrundbetrags um weitere 959,86 DM (490,77 Euro) erhöhe.

8

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Eigenheimzulagebescheids vom ... sowie unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom ... bei der Berechnung des Fördergrundbetrags als Bemessungsgrundlage (geleistete Einzahlungen) zusätzlich einen weiteren Betrag von 4.010,86 DM (2.050,72 EUR) zu berücksichtigen und die Eigenheimzulage ab 2003 dementsprechend heraufzusetzen.

9

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Es hält auch im vorliegenden Klageverfahren an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest.

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Die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

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Zu Recht hat das FA im Rahmen der Neufestsetzung der Eigenheimzulage ab 2003 gemäß § 11 Abs. 2 EigZulG weder den Verlustanteil des Klägers i.H.v. 3.051 DM (1.560 EUR) noch das Eintrittsgeld sowie die laufenden Zahlungen für die Stundung seiner Einzahlungsverpflichtung i.H.v. insgesamt 959,86 DM (490,77 Euro) zusätzlich als Bemessungsgrundlage zur Berechnung des Fördergrundbetrags nach § 17 Satz 3 EigZulG berücksichtigt. Bemessungsgrundlage für die festzusetzende Eigenheimzulage sind nach § 17 Satz 3 EigZulG bei der Anschaffung von Genossenschaftsanteilen, abweichend von den allgemeinen Grundsätzen des Eigenheimzulagengesetzes, nicht die Anschaffungskosten des Genossenschaftsanteils, sondern die geleistete Einlage. Der Begriff der geleisteten Einlage in § 17 Satz 3 EigZulG knüpft an § 7 Nr. 1 Genossenschaftsgesetz (GenG) an (BFH-Urteil vom 29. November 2005, IX R 68/04, juris) und nimmt somit Bezug auf den Stand des Geschäftsguthabens des Genossen zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres des Förderzeitraums (Hildesheim, Eigenheimzulage, 1. Auflage 2000, Rz. 374). Nach § 7 Nr. 1 GenG muss die Satzung der Genossenschaft den Betrag, bis zu welchem sich die Genossen mit Einlagen beteiligen können (Geschäftsanteil), sowie die Einzahlungen auf den Geschäftsteil, zu welchen jeder Genosse verpflichtet ist, bestimmen. Das Genossenschaftsgesetz unterscheidet also zwischen der Geschäftseinlage (abstrakter/konstitutiver Geschäftsanteil) und dem Betrag, mit dem der Genosse tatsächlich wertmäßig an der Genossenschaft beteiligt ist (BFH-Urteil vom 29. November 2005, IX R 68/04, juris; Beuthien, GenG, 14. Auflage 2004, § 7 Rz. 1 ff.). Das Geschäftsguthaben ist eine variable Größe und setzt sich zusammen aus den auf den jeweiligen Geschäftsanteil geleisteten Einzahlungen sowie aus den Gewinnzuweisungen der Genossenschaft, die nicht an den Genossen ausgezahlt werden, sondern von der Genossenschaft entsprechend § 19 Abs. 1 Satz 3 GenG auf den Geschäftsanteil gebucht werden, und den Verlustabschreibungen, die die Genossenschaft vom Geschäftsguthaben abschreibt (Beuthien, GenG, § 7 Rz. 4). Zur Bemessungsgrundlage i.S.d. § 17 Satz 3 EigZulG gehören demnach zunächst sämtliche Geldeinzahlungen des Genossen auf seinen Geschäftsanteil (BFH-Urteil vom 29. November 2005, IX R 68/04, juris), so dass sich die Bemessungsgrundlage im Laufe des Förderzeitraumes sukzessiv erhöht, wenn der Genosse, wie im Streitfall, seine Einlageverpflichtung ratenweise erfüllt. Darüber hinaus gehören zur Bemessungsgrundlage auch Gewinngutschriften, die von der Genossenschaft entsprechend § 19 Abs. 1 Satz 3 GenG auf den Geschäftsanteil gebucht werden (Wacker, EigZulG, 3. Auflage 2001, §17 Rz. 35; Hildesheimer, Eigenheimzulage, Rz. 375; Erhard in Blümich, EStG/KStG/GewStG, Lieferung 87, Stand September 2005, § 17 EigZulG, Rz. 26). Verluste, die vom Geschäftsguthaben abgeschrieben werden, sind dementsprechend anspruchsmindernd zu berücksichtigen (Wacker, EigZulG, § 17, Rz. 35).

14

1.

Nach diesen Grundsätzen mindert der dem Kläger zugewiesene Verlustanteil i.H.v. 3.051 DM (1.560 EUR) die Bemessungsgrundlage zur Berechnung des Fördergrundbetrags, da die Genossenschaft diesen Verlustanteil des Klägers am 4. November 2003 entsprechend dem Beschluss ihrer Generalversammlung von seinem Geschäftsguthaben abgebucht hat. Der Senat vermag sich in diesem Zusammenhang nicht der Auffassung des Klägers anzuschließen, dass die Verrechnung des auf ihn entfallenden Verlustanteils mit seinem Geschäftsguthaben lediglich ein Vorgang auf der Vermögensebene der Genossenschaft ist, der auf die von ihm geleisteten Einzahlungen i.S.d. § 17 Satz 3 EigZulG keinen Einfluss haben könne. Ein Vorgang auf der Vermögensebene der Genossenschaft liegt bei der Verlustverteilung nur dann vor, wenn die Genossenschaft entweder den Verlust durch die Auflösung von gesetzlichen oder freien Kapitalrücklagen deckt oder ihn als Verlustvortrag in das nächste Geschäftsjahr übernimmt, da nur diese Vorgänge keinen Einfluss auf die Höhe der Geschäftsguthaben der Genossen haben (vgl. Beuthien, GenG, § 19 Rz. 10). Verrechnet die Genossenschaft jedoch ihren Verlust mit den Geschäftsguthaben ihrer Genossen, so führt dies zu einer Verminderung der Geschäftsguthaben und damit auch zu einer Minderung der bis zu diesem Zeitpunkt bereits vom Genossen erbrachten Einzahlungen, da die Genossenschaft hierdurch ihren Verlust unter Schonung ihrer Rücklagen unter ihre Genossen verteilt. Dieser Vorgang kann bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Satz 3 EigZulG, ebenso wie Gewinnzuweisungen, die auf die Geschäftsguthaben der Genossen verbucht werden, nicht unberücksichtigt bleiben, da der Begriff der geleisteten Einlage im Sinne des § 17 Satz 3 EigZulG, wie oben bereits dargelegt, an die Terminologie des Genossenschaftsrechts anknüpft und genossenschaftsrechtlich die Gewinn- und Verlustverteilung gemäß § 19 GenG grundsätzlich den gleichen Regeln unterworfen ist.

15

Auch aus § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG, der eine Legaldefinition der Einlage enthält, und aus § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG, der den Tatbestand der Entnahme regelt, ergibt sich, entgegen der Auffassung des Klägers, für den Streitfall nichts anderes. Die Begriffe "Einlage" und "Entnahme" sind ertragsteuerliche Begriffe, die bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG oder bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG von Bedeutung sind. Darum geht es hier jedoch nicht. § 17 EStG regelt vielmehr ausschließlich die staatliche Subventionierung des genossenschaftlichen Wohnungsbaus (Wacker, EigZulG, § 17 Rz. 2). Um die Höhe dieser staatlichen Subventionen im Einzelfall konkret zu ermitteln, kann daher nicht ohne eine ausdrückliche Regelung auf allgemeine ertragsteuerliche Grundsätze und Begriffe der Gewinnermittlung zurückgegriffen werden. Die Auslegung des Begriffs der "geleisteten Einlage" in § 17 Satz 3 EigZulG ist vielmehr, wie oben bereits dargelegt, anhand der Terminologie des Genossenschaftsrechts auszurichten.

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Zu Unrecht geht der Kläger in diesem Zusammenhang auch davon aus, dass der ihm zugewiesene Verlustanteil bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage i.S.d. § 17 Satz 3 EigZulG schon deshalb nicht anspruchsmindernd berücksichtigt werden dürfe, da andernfalls die Höhe der Eigenheimzulage in systemwidriger Weise vom wirtschaftlichen Erfolg der Genossenschaft abhinge. Die Bemessungsgrundlage i.S.d. § 17 Satz 3 EigZulG bemisst sich auch in diesem Fall nicht, wie der Kläger meint, nach der Höhe des Gewinns oder Verlustes, den die Genossenschaft erwirtschaftet hat, sondern ausschließlich nach der Höhe des Geschäftsguthabens des Genossen und damit nach dem Betrag, den der jeweilige Genosse als eigenes privates Kapital der Genossenschaft zur Verfügung gestellt hat und mit dem er tatsächlich wertmäßig an der Genossenschaft beteiligt ist.

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2.

Entsprechend den oben dargelegten Grundsätzen sind auch das vom Kläger geleistete Eintrittsgeld sowie die weiteren laufenden Zahlungen für die Stundung seiner Einzahlungsverpflichtung i.H.v. insgesamt 959,86 DM (490,77 Euro) keine geleisteten Einlagen i.S.d. § 17 Satz 3 EigZulG. Diese Beträge hat der Kläger nicht, wie von § 17 Satz 3 EigZulG vorausgesetzt, auf seinen Geschäftsanteil i.S.d. § 7 Nr. 1 GenG geleistet. Vielmehr hat die Genossenschaft diese Beträge, wie mit dem Kläger vereinbart, in ihre allgemeine Kapitalrücklage eingestellt. § 17 Satz 3 EigZulG erfasst jedoch, wie oben bereits dargelegt, nur Geldeinzahlungen des Genossen auf seinen Geschäftsanteil, nicht jedoch auch sonstige Anschaffungskosten seiner Beteiligung, wie z.B. Nebenkosten des Erwerbs der Mitgliedschaft in der Genossenschaft oder Entgelte für die Stundung seiner Einzahlungsverpflichtungen (vgl. Wacker, EigZulG, § 17 Rz. 35).

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).