Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.05.2006, Az.: 10 V 239/05

Voraussetzungen einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten in der Steuerbilanz; Aussetzung der Vollziehung bei Festsetzung der Steuerschuld oder des Messbetrags des angefochtenen Steuerbescheids auf null Euro; Zulässigkeit von Rückstellungen für künftige Ausgaben bei Bestehen einer handelsrechtlichen Passivierungspflicht; Möglichkeit der Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten für die zeitlich nicht konkretisierte endgültige Entsorgung von Flugzeugersatzteilen; Hinreichende Konkretisierung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung als Voraussetzung für die Rückstellungsmöglichkeit dieser Verpflichtung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
22.05.2006
Aktenzeichen
10 V 239/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 33804
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2006:0522.10V239.05.0A

Fundstellen

  • AbfallR 2006, 192
  • NWB direkt 2006, 4
  • Jurion-Abstract 2006, 228624 (Zusammenfassung)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Aussetzung der Vollziehung kommt nicht in Betracht, wenn der angefochtene Steuerbescheid die Steuerschuld oder den Messbetrag auf Null DM/Euro festsetzt. Denn ein solcher Bescheid ist weder vollziehbar, noch belastet er den Steuerpflichtigen mit einer Steuerforderung.

  2. 2.

    Zu den Voraussetzungen einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten in der Steuerbilanz.

  3. 3.

    Rückstellungen, die künftige Ausgaben abbilden, sind steuerrechtlich nur zulässig, wenn nach handelsrechtlichen Grundsätzen Passivierungspflicht besteht.

  4. 4.

    Für Verpflichtungen, die sich aus öffentlichem Recht ergeben, können Rückstellungen nur gebildet werden, wenn die öffentlich-rechtliche Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist.

  5. 5.

    Die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten für die zeitlich nicht konkretisierte endgültige Entsorgung von Flugzeugersatzteilen kommt nicht in Betracht, solange eine Reaktivierung und ein Verkauf der Ersatzteile nicht definitiv ausgeschlossen werden kann.

  6. 6.

    Die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten im Hinblick auf eine zu erwartende Anordnung des Verfalls der Gewinne und zu erwartender Schadensersatzansprüche seitens der Geschädigten ist zulässig, wenn bei einer im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erstellten Bilanz zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung die Tat entdeckt und die Inanspruchnahme wahrscheinlich ist. Von der Justiz erwirkte Sicherungsmaßnahmen indizieren die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme.

Tatbestand

1

A.

Streitig sind Rückstellungen für die endgültige Entsorgung des gesamten Lagerbestandes und die drohende Anordnung des Verfalls des Vermögens gemäß § 73 des Strafgesetzbuches (StGB) kombiniert mit drohenden Schadenersatzansprüchen.

2

Die steuerlich beratene Antragstellerin (Ast) betreibt seit 1992 in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als eine von ca. 5.000 Firmen auf dem sog. "Surplus-Markt" weltweiten Handel mit Flugzeugteilen, die von verschiedenen Herstellern, Betreibern und Behörden als Restposten angekauft werden. Die zum Verkauf stehenden Flugzeugteile sind z.B. aufgrund von Veränderungen und Modellwechseln veraltetes Material, das von den jeweiligen Verkäufern ausgemustert und abgeschrieben ist. Die Verkäufer bieten die Teile auch nicht einzeln sondern in nur größeren Mengen in von ihnen zusammengestellten Sortierungen, sog. Losen, zum Verkauf an. Der Erwerb erfolgt über Ausschreibungen gegen Gebot, wobei das angebotene Ausschreibungslos immer komplett aufgekauft werden muss.

3

Die Ast sortiert aus den jeweiligen Losen die zur Zeit verkäuflichen Teile aus und veranlasst bei Bedarf zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Lufttüchtigkeit eine Überarbeitung der Komponenten durch Spezialbetriebe. Die meisten der erworbenen Teile können nach Ankauf nicht sofort weiterverkauft werden; ein Verkauf zu einem späteren Zeitpunkt ist aber auch nicht gänzlich ausgeschlossen, insbesondere solange nicht, als Exemplare des entsprechenden Flugzeugtyps noch existieren oder die Teile in anderer Form verwertbar sind. Die aktuell unverkäuflichen Teile werden von der Ast gelagert, ohne dass der Zeitpunkt des Verkaufs oder der endgültigen Entsorgung für die Ast konkret absehbar ist.

4

Die Ast hatte unter anderem auch Geschäftsbeziehungen zu der X-GmbH und deren Mitarbeitern unterhalten. Die X-GmbH hatte ihren Mitarbeitern bis ca. 1995 regelmäßig umfangreiche Bestände abgeschriebener und ausgesonderter Flugzeugteile gegen ein Entgelt weit unter dem Neupreis zum Weiterverkauf überlassen, statt diese einer möglicherweise kostenpflichtigen Verschrottung zuzuführen. In der Zeit von 1996 bis November 2000 hatte die Ast unter anderem von mehreren Mitarbeitern der X-GmbH in über 50 Einzellieferungen Flugzeugteile erworben, die diese bei ihrem Arbeitgeber entwendet hatten. Auch hierbei handelte es sich überwiegend um zur Verschrottung ausgesonderte Teile, es befanden sich aber auch Teile aus dem regulären Materialkreislauf sowie aus dem Reparatur- und Wartungsbereich darunter. Die Ast zahlte insgesamt 972.301 DM für die Ersatzteile, deren Neuwert sich auf ca. 6.995.267 DM belief. Im November 2000 kam es im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft erstmals zu einer Durchsuchung u.a. der Geschäftsräume der Ast, zur Inhaftierung der Gesellschafter und zur Pfändung von Vermögensgegenstände und Bankkonten, insbesondere der bei der B-Bank in Luxemburg befindlichen Konten. Die Maßnahmen wurden im Jahr 2004 teilweise wieder aufgehoben. Das Verfahren gegen die Gesellschafter endete im Februar 2005 zunächst mit einem Freispruch, der im Januar 2006 jedoch unter Zurückverweisung der Sache aufgehoben wurde. Eine erneute Entscheidung steht noch aus.

5

Bei der Durchsuchung hatte die Polizei ca. 8.400 Einzelteile einschließlich Klein- und Mengenteilen wie Schrauben, Beilagenscheiben etc. sichergestellt und ca. 5 v.H. der sichergestellten Teile von einem durch das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) lizenzierten Polizeibeamten begutachten sowie den Wert der begutachteten Asservate schätzen lassen. Die Schätzung des Wertes erfolgte auf der Grundlage der Einkaufspreise, soweit diese noch ermittelt werden konnten, unter Berücksichtigung von Wertminderungen durch fehlende Dokumente, überschrittene Lagerzeit, Wartungsmängel etc., nicht aber unter Berücksichtigung der Verkäuflichkeit am Markt. Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass die begutachteten Teile einen durchschnittlichen Wert von 86 v.H. des seinerzeitigen Einkaufspreises hatten.

6

Die X-GmbH teilte den Ast im August 2001 mit, dass ein bestehender Restauftrag storniert und die Geschäftsbeziehung bis auf weiteres "ruhen" werde, weil "im Falle einer Bestätigung des Verdachts Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe geltend gemacht werden müssten".

7

Die Ast hatte ihren Gewinn bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 1998 durch Einnahmeüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt, obwohl sie vom Antragsgegner (im Folgenden: Finanzamt -FA-) bereits im Jahr 1995 zur Erstellung einer Eröffnungsbilanz auf den 1. Januar 1996 und nochmals im April 1999 unter Hinweis auf die bestehende Buchführungspflicht zur Vorlage einer Eröffnungsbilanz auf den 1. Januar 1999 aufgefordert worden war.

8

Das FA hatte in den nach § 164 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Feststellungsbescheiden zunächst die von der Ast erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb berücksichtigt. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Jahres 1999 waren mit dem ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom xx geschätzt worden, weil die Ast keine Feststellungserklärung abgegeben hatte.

9

Im Zusammenhang mit den strafrechtlichen Ermittlungen erklärte die Ast, die in ihren Gewinnermittlungen bis dahin nur ein bei einer Sparkasse geführtes Konto angegeben hatte, im August 2001 im Rahmen einer ersten Selbstanzeige weitere Einkünfte und reichte u.a. eine Eröffnungsbilanz auf den 1. Januar 1998 ein. Sie errechnete unter Einstellung einer Rückstellung für Entsorgung in Höhe von 383.250 DM einen Übergangsverlust in Höhe von ./. xx DM.

10

Nachdem die Ast im Juni 2003 Bilanzen auf den 31. Dezember 1999 und auf den 31. Dezember 2000 eingereicht hatte, führte das FA zusammen mit dem Finanzamt für Fahndung und Strafsachen (FAFuSt) bei der Ast und ihren Gesellschaftern eine Außenprüfung durch. Hierbei traf der Prüfer unter anderem folgende Feststellungen:

  1. 1.

    Unter Einbeziehung der überwiegend in den Selbstanzeigen nacherklärten Guthaben auf verschiedenen betrieblichen Bankkonten erhöhten sich die Bestände auf den betrieblichen Geldkonten in den Jahren 1998 bis 2000 um jeweils etwa. 1,7 Mio. DM, allein der Bestand der auf den bei der B-Bank befindlichen Konten betrug zum 13. Juni 2001 umgerechnet ca. 4,7 Mio. DM.

  2. 2.

    Die Ast hatte den Warenbestand zum Bilanzstichtag (31. Dezember) im Jahr 1998 mit 168.500 DM, im Jahr 1999 mit 243.500 DM und im Jahr 2000 ebenfalls mit 243.5000 DM aktiviert; Inventuren hatte sie allerdings nie durchgeführt.

11

Außerdem hatte sie in den Abschlussbilanzen der Streitjahre Beträge in Höhe von insgesamt 1.826.250 DM in die Rückstellung für Entsorgung eingestellt und zusätzlich in der Abschlussbilanz 1999 erstmals eine Rückstellung für drohenden Verfall und Schadenersatzansprüche der X-GmbH in Höhe von 934.217 DM gebildet, die sie in der Bilanz auf den 31. Dezember 2000 auf insgesamt 9.998.202 DM erhöht hatte.

12

Der Betriebsprüfer vertrat die Auffassung, die Bildung einer Rückstellung für Entsorgung sei unzulässig, weil keine konkrete öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Entsorgung bestehe. Abgesehen davon habe die Ast seit ihrem Bestehen mit Ausnahme des Jahres 1998 keine Kosten für Abfallbeseitigung gebucht; auch dieses spreche gegen eine konkret bestehende Verpflichtung. Die Rückstellung sei deshalb in voller Höhe den Übergangsverlust vermindernd aufzulösen.

13

Nachdem der Prüfer im Zwischenbericht im Dezember 2003 wegen der drohenden Verfallsanordnung und der Schadenersatzansprüche in der Bilanz zum 31. Dezember 2000 noch eine Rückstellung in Höhe von ca. 4 Mio. DM für begründet gehalten hatte, war er aufgrund einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft M im September 2004 der Ansicht, dass die Rückstellung nur in Höhe von 1,786 Mio. DM begründet und im darüber hinausgehenden Umfang aufzulösen sei.

14

Aufgrund dieser und weiterer - zwischen den Beteiligten unstreitiger - Feststellungen ergab sich anstelle eines Übergangsverlustes ein Übergangsgewinn, wodurch sich der Gesamtgewinn in den Jahren 1998 und 1999 erheblich erhöhte und der Verlust im Jahr 2000 sich erheblich verminderte.

15

Das FA folgte der Ansicht des Prüfers und erließ im bereits anhängigen und bisher noch nicht abgeschlossenen Einspruchsverfahren für die Streitjahre nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Feststellungsbescheide, in denen der Gewinn für 1998 mit xx DM und für 1999 mit xx DM sowie der Verlust im Jahr 2000 mit ./. xx DM festgestellt wurden.

16

Unter demselben Datum ergingen in den ebenfalls noch anhängigen Einspruchsverfahren geänderte Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag, die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages und die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes. Auf der Basis dieser Beträge erfolgte die Zerlegung auf die beiden betroffenen Gemeinden nach dem von der Ast erklärten Maßstab. Die Feststellung eines vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1998 lehnte das FA ab, weil der auf den 31.12.1997 festgestellte Gewerbeverlust in 1998 vollständig verbraucht worden war. Auf den 31.12.2000 wurde der vortragsfähige Gewerbeverlust mit xx DM festgestellt.

17

Im November 2004 wies das FA die Einsprüche gegen die Bescheide vom 27. September 2004 über die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags für 1998 bis 2000 als unbegründet zurück. Soweit die Ast gegen die im Einspruchsverfahren erlassenen Änderungsbescheide erneut Einspruch eingelegt hat, hat das FA die Einsprüche mangels Beschwer als unzulässig verworfen, weil die Bescheide nach § 365 Abs. 3 AO zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden waren.

18

Das FA hat die im Einspruchsverfahren gestellten Anträge auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt und mit Vollstreckungsmaßnahmen begonnen.

19

Die Ast begehrt die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide in vollem Umfang, weil ihrer Ansicht nach bei Berücksichtigung der von ihr gebildeten Rückstellungen in keinem der Streitjahre ein Gewinn aus Gewerbebetrieb verbleibe und begründet dies im Wesentlichen wie folgt:

20

Zur Bildung der Rückstellung für Entsorgungsverpflichtungen trägt sie vor, spätestens bei Betriebsaufgabe obliege ihr die Verpflichtung zur Entsorgung des bis dahin nicht verkauften Lagerbestandes, weil sie dafür Sorge zu tragen habe, dass die Altteile nicht in Umlauf gelangten. Diese Verpflichtung ergebe sich aufgrund nationaler Bestimmungen, denen neben den Luftfahrzeugherstellern und den Luftfahrtunternehmern auch sie als Händlerin unterworfen sei. Soweit die Teile nicht veräußert werden könnten oder der Betrieb insgesamt an einen Nachfolger übergeben werden könne, seien die Ersatzteile mittels anzufertigender Spezialwerkzeuge unbrauchbar zu machen. Der Lagerbestand habe sich in der Zeit von Anfang 1998 bis Ende 2000 geschätzt anhand der Ankäufe auf ca. 6,6 bis 6,7 Mio. Teile belaufen. Der tatsächliche Bestand sei nicht bekannt, weil der durch zwischenzeitlichen Verkauf der Waren erfolgte Abgang nicht tatsächlich festgestellt worden sei; geschätzt betrage dieser 1 v.H. - 2 v.H. des Einkaufs. In der Hauptverhandlung seien von den als Sachverständige geladenen Mitarbeitern der X-GmbH die Kosten der Entsorgung mit ca. 10 EUR pro Flugzeugteil geschätzt worden. Die Ast. meint, die Entsorgungsverpflichtung sei eine ungewisse Verbindlichkeit im Sinne von § 249 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) für die auch steuerrechtlich gemäß R 31c Abs. 2 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) eine Rückstellung zu bilden sei. In der Eröffnungsbilanz auf den 1. Januar 1998 sei daher erstmalig eine entsprechende Rückstellung gebildet worden, die anschließend erhöht worden sei. Sie ist ergänzend der Ansicht, ihr Betrieb sei vergleichbar mit dem Betrieb eines Atomkraftwerks oder einer Braunkohlegrube und ihr sei im gleichen Umfang wie diesen Betreibern die Bildung entsprechender Rückstellungen zuzubilligen.

21

Die Rückstellung für drohenden Verfall/Schadenersatz habe wegen des seit November 2000 gegen ihre Gesellschafter anhängigen Strafverfahrens in den Abschlussbilanzen der Jahre 1999 und 2000 in Höhe von insgesamt 934.217 DM (1999) bzw. insgesamt 9.998.202 DM (2000) gebildet werden müssen, nachdem im Zusammenhang mit dem Strafverfahren im November 2000 ein Arrestbeschluss ergangen, die Konten gepfändet und im Mai 2001 die gesamten Konten zur Sicherung staatlicher Ansprüche auf den erweiterten Verfall beschlagnahmt worden seien. Eine Verurteilung sei zum damaligen Zeitpunkt wahrscheinlich gewesen, weil andere Mitbeschuldigte ebenfalls verurteilt worden seien. Mit einer Inanspruchnahme zum Bilanzstichtag 2000 sei somit zu rechnen gewesen.

22

Das zuständige Landeskriminalamt habe den Gesamtschaden zum Nachteil der X-GmbH auf der Grundlage der noch nachvollziehbaren Einkaufspreise mit 5,112 Mio. EUR (9.998.202,96 DM) beziffert und in diesem Umfang seien Schadenersatzansprüche der Geschädigten absehbar gewesen. Deshalb sei hinsichtlich der Höhe der Rückstellungen auf diese Schadenshöhe abzustellen. Vom Bundesgerichtshof (BGH) sei im Revisionsurteil der Schaden mit 6.995.267 DM beziffert worden. Auch dieses bestätige den Anspruch der Geschädigten in diesem Umfang. Die X-GmbH habe Ende 2001 die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen angekündigt. Dieses sei ein nachträglicher Umstand, der bei der Bilanzerstellung mit zu berücksichtigen sei. Die Schadenshöhe vermindere sich auch nicht etwa dadurch, dass der Hersteller im Ergebnis Aufwendungen zur Entsorgung der entwendeten Teile erspart habe.

23

Die Abzugsmöglichkeit der Aufwendungen bei Anordnung des Verfalls sei auch nicht nach § 12 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgeschlossen, vielmehr sei in den Einkommensteuerrichtlinien zu § 12 EStG (§ 12 EStG H 120 EStR) ausdrücklich geregelt, dass der Verfall von Tatentgelten eine Rechtsfolge vermögensrechtlicher Art ohne Strafcharakter sei. Damit sei auch der Betriebsausgabenabzug nicht ausgeschlossen.

24

Die Aussetzung sei nach Ansicht der Ast darüber hinaus geboten, weil die Vollziehung der angefochtenen Bescheide für sie eine unbillige Härte zur Folge hätte. Durch die Vollziehung drohten ihr wirtschaftliche Nachteile, die über die eigentliche Zahlung hinausgingen und die nicht oder nur sehr schwer wieder gutzumachen seien und ihre wirtschaftliche Existenz gefährdeten. Sie könne durch die Pfändung bzw. die Beschlagnahme der Konten und die Eintragung der Zwangshypothek in das Grundstück keine Kredite erhalten und nicht mehr an den Ausschreibungen teilnehmen. Dadurch sei sie nicht mehr handlungsfähig. Dieses werde auch durch Schreiben der Sparkasse belegt.

25

Vor einer Entscheidung des Gerichts sei die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung erforderlich, da eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts nur durch eine mündliche Verhandlung und Anhörung der beiden Gesellschafter gewährleistet werden könne.

26

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß

[...](1)

27

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

28

Der Antragsgegner meint, die Bildung einer Rückstellung für Entsorgung sei unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. September 2000 (I R 6/96 BStBl II 2001, 570) als steuerrechtlich unzulässige Aufwandsrückstellung zu qualifizieren, weil es sich um eigenbetrieblichen Aufwand handele und weder eine dahingehende behördliche Verfügung existiere noch im Falle des Unterlassens der Entsorgung verwaltungsrechtliche Maßnahmen angedroht worden seien.

29

Die Bildung der Rückstellung für Verfall/Schadenersatz sei allenfalls in der vom Betriebsprüfer auf der Grundlage der Mitteilung der Staatsanwaltschaft M anerkannten Höhe gewinnmindernd zu berücksichtigen. Es sprächen mehr Gründe gegen eine Inanspruchnahme der Ast und ihrer Gesellschafter als für eine solche, weil eine strafrechtliche Verfehlung nicht eindeutig nachweisbar und von der X-GmbH bis heute kein konkret bezifferter Schadenersatzanspruch geltend gemacht worden sei. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass die Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen nach zum Zeitpunkt des Bilanzstichtags vorliegenden objektiven Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns wahrscheinlich sein müsse, also mehr Gründe für als gegen eine Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen sprechen müssten, sei die Bildung einer Rückstellung bereits dem Grunde nach zweifelhaft, aber ohnehin frühestens zum 31. Dezember 2000 zulässig, weil erstmals im November 2000 Ermittlungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden stattgefunden hätten und vor Entdeckung der Tat eine Inanspruchnahme nach allgemeiner Auffassung generell unwahrscheinlich sei.

30

Die Ermittlung der Schadenshöhe anhand der Einkaufspreise sei unzutreffend, weil der Teilwert der entwendeten Teile aufgrund des teilweisen Ablaufs der Verwendungsdauer unter dem im Zeitpunkt der Anschaffung geltenden Einkaufspreis liege und ein Großteil der Teile von der GmbH abgeschrieben gewesen sei. Aus diesem Grund sei weder eine Rückforderung der nicht mehr verwendbaren Teile, noch eine der Höhe nach auf den Einkaufspreisen basierende Schadenersatzforderung wahrscheinlich.

31

Eine Aussetzung sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der unbilligen Härte der Vollziehung geboten, weil keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte bestünden.

Gründe

32

B.

Das auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide gerichtete Begehren der Ast ist in Bezug auf den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2000 und die Bescheide wegen Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages für die Jahre 1998 bis 2000 unzulässig und im Übrigen nur zum Teil begründet.

33

1.

Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung. Gemäß § 90 Abs. 1 FGO können Beschlüsse ohne mündliche Verhandlung ergehen. Die Möglichkeit, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden besteht auch dann, wenn die mündliche Verhandlung beantragt worden ist, weil das Gericht an einen solchen Antrag nicht gebunden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 6. Mai 1999 XI S 2/99, BFH/NV 1999, 1368). In diesem Zusammenhang ist mit zu berücksichtigen, dass das Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung ein summarisches Verfahren ist, bei dem der Prozessstoff auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen und präsenten Beweismittel beschränkt ist und weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das Gericht nicht erforderlich sind (Gräber/Koch FGO § 69 Rz. 121f), so dass bereits aus diesem Grunde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht angezeigt erscheint. Die Gewährung rechtlichen Gehörs erfolgt durch das Einräumen der Gelegenheit zur Stellungnahme, ein Recht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung lässt sich hiervon nicht ableiten (Tipke/Kruse Kommentar FGO § 90 Rz. 4).

34

Im Streitfall sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine mündliche Verhandlung geboten und der Sache dienlich erscheinen lassen. Das Begehren, die mündliche Verhandlung mit dem Ziel der vollständigen Aufklärung des Sachverhalts durchzuführen, rechtfertigt nicht die Anberaumung eines Verhandlungstermins, da die vollständige Aufklärung eines Sachverhaltes nicht Zweck eines Verfahrens zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist, in dem die Entscheidung lediglich aufgrund einer summarischen Prüfung und ohne Bindungswirkung für die Entscheidung in der Hauptsache ergeht. Vielmehr ist es Aufgabe der Antragstellerin, die Tatsachen so umfassend vorzutragen und glaubhaft zu machen, dass das Gericht aufgrund dieser Unterlagen seine Entscheidung treffen kann. Die Antragstellerin hat nichts Konkretes vorgetragen, aus dem sich abweichend von den oben dargestellten Grundsätzen die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung ergeben könnte. Sie hat auch hinreichend Gelegenheit gehabt, schriftlich zum Sachverhalt und zu ihrer Rechtsauffassung vorzutragen und von diesem Recht ausgiebig Gebrauch gemacht. Damit hatte sie auch in ausreichender Weise die Möglichkeit, ihr Recht auf rechtliches Gehör wahrzunehmen.

35

2.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermessbetragsbescheides 2000 und der Bescheide über die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages 2000 ist unzulässig.

36

2.1.

Ein zulässiger Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat unter anderem zur Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige durch den Bescheid, dessen Aussetzung er begehrt, beschwert ist, d.h. grundsätzlich durch eine zu hohe Steuerfestsetzung in seinen Rechten beeinträchtigt ist (vgl. § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). An einer Beschwer im oben genannten Sinne fehlt es in der Regel jedoch, wenn der angefochtene Bescheid die Steuerschuld oder den Messbetrag auf 0 DM/EUR festsetzt, weil ein Bescheid, der einen Steuer(mess)betrag in Höhe von 0 DM/EUR ausweist weder vollziehbar ist noch den Steuerpflichtigen mit einer Steuerforderung belastet.

37

So verhält es sich im Streitfall hinsichtlich der Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 2000 und die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages für 2000. In beiden Bescheiden beträgt der Gewerbesteuermessbetrag 0 DM, so dass diese Bescheide die Ast nicht beschweren.

38

2.2.

Des weiteren ist Voraussetzung, dass vorläufiger Rechtsschutz durch die Aussetzung der Vollziehung überhaupt erreichbar ist, d.h. im Hauptsacheverfahren ein Verwaltungsakt angefochtenen ist, dessen Vollziehung vorläufig ausgesetzt werden soll (Gräber/Koch Kommentar zur FGO, 6. Aufl. § 69 Rz. 33).

39

Der Antrag auf Aussetzung der Bescheide wegen Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages für 1998 bis 2000 ist, soweit die Unzulässigkeit nicht bereits ohnehin aus der fehlenden Beschwer folgt, auch deshalb unzulässig, weil die Bescheide nicht mehr mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs oder der Klage angefochten sind. Die insoweit anhängigen Einsprüche sind mit Einspruchsbescheid vom 29. November 2004, der an den im Einspruchsverfahren bevollmächtigten Rechtsanwalt wirksam bekannt gegeben wurde, als unbegründet zurückgewiesen worden und zwischenzeitlich bestandskräftig. Mit der bestandskräftigen Entscheidung über die Einsprüche ist die Grundlage für die eigenständige Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Sinne des § 69 FGO entfallen.

40

3.

Im Übrigen ist der Antrag zwar zulässig, aber nur teilweise begründet.

41

3.1.

Bei Zulässigkeit des Antrags soll die Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454 undvom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466). Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nur zum Teil gegeben.

42

3.2.

Der Antrag auf Aussetzung des Bescheides über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1998 ist schon deshalb unbegründet, weil selbst unter Einbeziehung der begehrten Rückstellung in Höhe von insgesamt 759.000 DM im Jahr 1998 noch ein festzustellender Gewinn in Höhe von __ DM verbliebe, so dass auch unter Berücksichtigung des Verlustes aus dem Jahr 1997 weiterhin die Voraussetzungen für die Feststellung eines vortragsfähigen Gewerbeverlustes nicht vorliegen.

43

3.3.

Die Voraussetzungen für die Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sind nur insoweit gegeben, als die Ast in der Bilanz zum 31. Dezember 2000 für drohende Verfalls- und Schadenersatzansprüche eine Rückstellung in Höhe von insgesamt 4.758.984 DM bilden, somit einen weiteren Betrag in Höhe von 2.972.984 DM zurückstellen kann. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Bildung einer höheren Rückstellung für drohende Verfalls-/Schadenersatzansprüche als auch für die Bildung einer Rückstellung für zu erwartende Entsorgungskosten nicht vor, weil die Ast nicht ausreichend konkret dargelegt hat, dass sie überhaupt ernsthaft mit dem Entstehen entsprechender weiterer Aufwendungen rechnen muss.

44

3.3.1.

Voraussetzung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten in der Steuerbilanz ist nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB entweder das Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen Verbindlichkeit bzw. die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach --deren Höhe aber ungewiss sein kann--, oder im Fall einer rechtlich noch nicht existierenden Verbindlichkeit, deren wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Weiterhin ist erforderlich, dass der Schuldner ernsthaft mit der Inanspruchnahme rechnen muss (Schmidt/Weber-Grellet Kommentar EStG 24. Aufl. § 5 Rz. 352; Blümich-Schreiber Kommentar EStG § 5 Rz. 791; Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust Kommentar EStG § 4,5 Rz. 870). In der Befolgung des die Bilanz bestimmenden Stichtagsprinzips sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die nach dem subjektiven Erkenntnisstand des sorgfältigen, d.h. fristgerecht bilanzierenden Kaufmanns am Bilanzstichtag (31. Dezember des jeweiligen Jahres) vorgelegen haben und spätestens bis zum Tage der Erstellung der Bilanz erkennbar geworden sind; nach dem Bilanzstichtag eintretende veränderte tatsächliche oder rechtsgestaltende Umstände bleiben generell unberücksichtigt (Schmidt/Weber-Grellet EStG 24. Aufl. § 5 Rz. 81 m.w.N.; BFH-Urteil vom 19. November 2003 I R 77/01, BFH/NV 2004, 271). Darüber hinaus darf kein steuerliches Abzugsverbot bestehen, das einem Abzug der betreffenden Aufwendungen als Betriebsausgaben entgegensteht (BFH-Urteil vom 6. April 2000 IV R 31/99, BFHE 192,64, BStBl II 2001, 536 m.w.N.)

45

3.3.2.

Rückstellungen, die künftige Ausgaben abbilden sind steuerrechtlich nur zulässig, wenn nach handelsrechtlichen Grundsätzen Passivierungspflicht besteht, weil diesen im Gegensatz zu anderen Rückstellungen keine Außenverpflichtungen zu Grunde liegen (Blümich-Schreiber EStG § 5 Rz. 791). Nach der Rechtsprechung des BFH können für Verpflichtungen, die sich aus öffentlichem Recht ergeben (Geld- oder Sachleistungsverpflichtungen) Rückstellungen gebildet werden, wenn die öffentlich-rechtliche Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist, weil sie auf ein bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums zielt und an die Verletzung der Verpflichtung Sanktionen geknüpft sind, so dass sich der Steuerpflichtige der Erfüllung der Verpflichtung im Ergebnis nicht entziehen kann (BFH-Urteile vom 8. November 2000 I R 6/96, BFHE 193, 399, BStBl II 2001, 570;vom 19. August 2002 VIII R 30/01, BFHE 199, 561, BStBl II 2003, 131;vom 19. November 2003 I R 77/01, BFHE 204, 135 undvom 25. März 2004 IV R 35/02, BFHE 206, 25). Dies soll regelmäßig bei Erlass einer behördlichen Verfügung oder bei Abschluss einer entsprechenden verwaltungsrechtlichen Vereinbarung der Fall sein; aber auch bei einem entsprechend konkreten Gesetzesbefehl soll sich allein aus dem Gesetz eine Verpflichtung ergeben können, die dann zur Bildung einer Rückstellung führen können soll. Ob der Steuerpflichtige aber ernstlich mit einer Inanspruchnahme aus der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung rechnen muss, kann nur anhand der erkennbaren tatsächlichen Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalles geprüft werden (BFH-Urteile vom 1. August 1984 I R 88/80, BFHE 142, 226, BStBl II 1985, 44;vom 19. November 2003 I R 77/01, BFHE 204, 135;vom 25. März 2004 IV R 35/02, BFHE 206, 25).

46

3.3.2.1.

Vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 2042/2003 der Kommission vom 20. November 2003 über die Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit von Luftfahrzeugen und luftfahrttechnischen Erzeugnissen, Teilen und Ausrüstungen und die Erteilung von Genehmigungen für Organisationen und Personen, die diese Tätigkeiten ausführen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 351/1 vom 28. November 2003, im Folgenden: EG-Verordnung Nr. 2042/2003) und damit auch im Streitzeitraum bestand im Inland keine gesetzliche Regelung zur Unbrauchbarmachung von Flugzeugteilen und somit auch auf diesem Gebiet keine dahingehende, die Ast treffende gesetzliche Verpflichtung.

47

Eine die Ast treffende öffentlich-rechtliche Verpflichtung kann sich unter Umständen jedoch aus dem in den Streitjahren bereits in Kraft befindlichen Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen vom 27. Juli 1994 (BGBl I, 1994, 2705, im Folgenden: KrW-/AbfG) ergeben. Nach § 11 KrW/AbfG sind die Erzeuger oder Besitzer von Abfällen, die nicht verwertet werden, verpflichtet, diese gemeinwohlverträglich zu beseitigen. Es ist zwar nicht von vornherein auszuschließen, dass Teile des Lagerbestandes der Ast als Abfall im Sinne des § 3 KrW/AbfG zu qualifizieren sein könnten und die Ast als Besitzerin dieses Abfalls eine Verpflichtung zur Beseitigung nach Maßgabe der im Gesetz näher bezeichneten Vorschriften treffen könnte, deren Zuwiderhandlung nach § 61 KrW/AbfG mit einem Bußgeld bewehrt sein könnte.

48

Auch wenn der BFH mit Urteil vom 8. November 2000 (I R 6/96 BFHE 193/399, BStBl II 2001, 570) entschieden hat, dass die Entsorgung eigenen Abfalls nach dem bis 1995 gültigen Abfallgesetz eigenbetrieblichen und damit nicht rückstellungsfähigen Aufwand begründe, hat der Senat im Hinblick auf die vielfältige Kritik, die dieses Urteil in der Literatur erfahren hat (Schmidt/Weber-Grellet § 5 Rz. 362, 550 "Umweltschutz" m.w.N., Hoyos/M.Ring in BeckBilKom § 249 Rz. 26, Tiedchen NZG 2005, 801 m.w.N) und unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteile vom 23. März 2004 IV R 35/02 BFH/NV 2004, 1157 undvom 21. September 2005 X R 29/03 BFH/NV 2006, 515 m.w.N.) und der geänderten gesetzlichen Regelungen ernsthafte Zweifel, dass die Beseitigung eine ausschließlich innerbetriebliche Obliegenheit und nicht auch eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung ist und dass die tragenden Gründe der Entscheidung vom 8. November 2000 im Streitfall noch uneingeschränkt Anwendung finden können.

49

3.3.2.2.

Eine Verpflichtung zur Beseitigung von Teilen des Lagerbestandes nach § 11 Krw/AbfG setzt jedoch voraus, dass es sich hierbei um Abfall im Sinne des Gesetzes handelt. Abfälle sind nach den vorliegend überhaupt in Betracht kommenden Begriffsbestimmungen in § 3 KrW/AbfG grundsätzlich alle beweglichen Sachen, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss.

50

Ein Wille zur Entledigung ist nach der einzig in Betracht kommenden Alternative des § 3 Abs. 2 Nr. 2 KrW/AbfG nur hinsichtlich solcher Sachen anzunehmen, deren ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt. Hieran fehlt es für den Lagerbestand schon deshalb, weil dieser nach dem Geschäftszweck vollständig vorzuhalten ist in der Erwartung, dass irgendwann für eines oder mehrere der gelagerten Teile Nachfrage auftritt.

51

Die Ast hat auch nicht konkret und glaubhaft dargelegt, dass sie sich eines Teils des Lagerbestandes hätte entledigen wollen oder müssen. Dies setzt nach § 3 Abs. 4 KrW/AbfG voraus, dass einzelne Teile entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung nicht mehr verwendet werden, aufgrund ihres konkreten Zustandes geeignet sind, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit , insbesondere die Umwelt zu gefährden und ihr Gefährdungspotential nur durch eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung oder gemeinwohlverträgliche Beseitigung nach den Vorschriften des Gesetzes und der aufgrund des Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ausgeschlossen werden kann.

52

Die Antragstellerin hat nicht dargetan oder glaubhaft gemacht, dass Teile nicht mehr ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung entsprechend verwendet werden und aufgrund ihres konkreten Zustandes geeignet sind, das Wohl der Allgemeinheit zu gefährden.

53

Auch wenn ein Großteil des Lagerbestandes im Zeitpunkt seiner Anschaffung unverkäuflich ist und erworbene Komponenten möglicherweise ihre zugelassene Lebensdauer erreicht haben, so hält doch auch die Ast nach eigener Einschätzung die Möglichkeit des Verkaufs solcher Teile zu einem späteren Zeitpunkt, gegebenenfalls nach Überholung durch einen Fachbetrieb nicht für ausgeschlossen, solange weiterhin die Möglichkeit besteht, dass alte Flugzeugmuster wieder reaktiviert werden. Diese Möglichkeit zur Verlängerung der Lebensdauer oder Reparatur ist auch nach der EG-Verordnung Nr. 2042/2003 nicht ausgeschlossen, da ein Rückfluss in das System der Materialzufuhr nur untersagt wird, wenn die Möglichkeiten der Reparatur oder Lebensdauerverlängerung definitiv nicht mehr gegeben sind. Bei dieser Sachlage ist nicht davon auszugehen, dass der Lagerbestand während der Dauer des aktiven Gewerbebetriebes überhaupt als Abfall im Sinne des KrW/AbfG qualifiziert werden kann.

54

Da es mithin zu den jeweiligen Bilanzstichtagen schon an der Voraussetzung fehlt, dass Abfall im Sinne des KrW/AbfG vorhanden war, bestand auch (noch) keine konkrete gesetzliche Verpflichtung zur Abfallbeseitigung. Es kann deshalb offen bleiben, ob sich die in § 61 KrW/AbfG vorgesehenen Sanktionen (Bußgeldbewehrung einzelner Zuwiderhandlungstatbestände) überhaupt gegen die Ast richten würden.

55

Der Streitfall unterscheidet sich insofern deutlich von den bisher vom BFH entschiedenen Fällen (vgl. BFH-Urteile vom 25. März 2004 IV R 35/02, BFH/NV 2004, 1157 undvom 21. September 2005 (X R 29/03, BFH/NV 2006, 515), als der Geschäftsbetrieb dieser Unternehmen in der Entsorgung bzw. Verwertung von Abfällen bestand und im Rückstellungsjahr bereits zu beseitigender Abfall vorhanden war, der nur noch nicht entsorgt war. Der vorliegendende Sachverhalt ist auch nicht mit dem des Urteils des FG Rheinland-Pfalz vom 13. Januar 2005 (6 K 1075/01, EFG 2005, 616 -Windkraftanlagenbetrieb-) vergleichbar, weil in dem dort entschiedenen Fall die bilanzielle Behandlung einer ausdrücklich in einer behördlichen Verfügung (Baugenehmigung) geregelten Beseitigungspflicht streitig war, während im Streitfall keine behördliche Verfügung erlassen worden ist.

56

3.3.2.3.

Da zu den jeweiligen Bilanzstichtagen noch keine konkrete gesetzliche Verpflichtung zur Abfallbeseitigung bestanden hat, diese damit eine rechtlich noch nicht existierende Verbindlichkeit gewesen ist, wäre die Rückstellung zudem nur zulässig, wenn deren wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag anzunehmen wäre. Die wirtschaftliche Verursachung einer Verbindlichkeit im abgelaufenen Wirtschaftsjahr ist ein Merkmal, dass nach der Rechtsprechung des BFH Voraussetzung der Bildung einer Rückstellung wegen erst künftig entstehender Verbindlichkeiten ist (BFH-Urteile vom 10. Dezember 1992 XI R 34/91 BFHE 170, 149, BStBl. II 1994, 158, vom 27. Juni 2001 I R 45/97 BFHE 196, 216, BStBl. II 2003, 121 m.w.N.). Es ist schon aus tatsächlichen Gründen fraglich, ob diese Voraussetzung erfüllt ist. Wirtschaftlich verursacht ist eine Verbindlichkeit, wenn der Tatbestand, von dessen Verwirklichung ihre Entstehung abhängt, in dem betreffenden Wirtschaftjahr im Wesentlichen bereits verwirklicht ist und die Verbindlichkeit damit so eng mit dem betrieblichen Geschehen dieses Wirtschaftjahres verknüpft ist, dass es gerechtfertigt ist, sie wirtschaftlich als eine bereits am Bilanzstichtag bestehende Verbindlichkeit zu behandeln (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1992 XI R 34/91, BFHE 170, 149, BStBl II 1994, 158 m.w.N.). Die wirtschaftliche Verursachung liegt aber nicht in einem vor dem jeweiligen Bilanzstichtag, zu dem die Rückstellung gebildet werden soll, liegenden Wirtschaftsjahr, beispielsweise bereits dem der Anschaffung, wenn die jedem angeschafften Wirtschaftsgut immanente Möglichkeit, gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt einmal zu Abfall zu werden, noch keine wirtschaftliche Belastung in diesem Sinne darstellen kann. Diese tritt erst in dem Zeitpunkt ein, in dem ein Wirtschaftsgut zu Abfall wird.

57

3.3.2.4.

Aber selbst wenn eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Beseitigung des entsprechenden Lagerbestandes bestünde oder diese wirtschaftlich im abgelaufenen Wirtschaftsjahr verursacht gewesen wäre, ist daneben weiterhin erforderlich, dass diese Verpflichtung zum jeweiligen Bilanzstichtag auch in tatsächlicher Hinsicht hinreichend konkret ist, d.h. die Ast zu diesem Zeitpunkt mit ihrer Inanspruchnahme ernsthaft rechnen muss, weil allein die bloße Möglichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit zu ihrer Passivierung nicht ausreicht (BFH-Urteile vom 19. November 2003 I R 77/01 BFH/NV 2004, 271 m.w.N.;vom 25. März 2004 IV R 35/02 BFH/NV 2004, 1157). Die ernstliche Inanspruchnahme kann insoweit nur anhand der erkennbaren tatsächlichen Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls geprüft werden (BFH-Urteile vom 25. März 2004 IV R 35/02 BFH/NV 2004, 1157 m.w.N.)

58

Das Gericht kann keine Anhaltspunkte für eine dahingehende Konkretisierung feststellen. Die Ast hat auch unter Berücksichtigung ihrer umfangreichen Äußerungen nicht schlüssig darlegen können, dass sie zum jeweiligen Bilanzstichtag ernsthaft damit rechnen musste, aus ihrer bislang rein theoretisch bestehenden Verpflichtung zur Abfallentsorgung tatsächlich in Anspruch genommen zu werden. Im Streitfall ist auch nach Auffassung der Ast der Fall der Betriebseinstellung der bislang einzig denkbare Zeitpunkt, an dem eine möglicherweise kostenpflichtige Entsorgung des Lagerbestandes überhaupt in Betracht gezogen werden muss. Solange die Ast ihr Gewerbe betreibt, steht die Entsorgung des gesamten Lagerbestandes nicht zur Diskussion, weil dieser die Grundlage ihres Gewerbebetriebes ist. Der Zeitpunkt der Betriebseinstellung war zu den jeweiligen Bilanzstichtagen aber in keiner Weise absehbar.

59

Die Ast hat auch nicht dargelegt, dass kostenpflichtige Entsorgung des Lagerbestandes im Fall der Betriebsaufgabe die einzig denkbare Möglichkeit ist. Sie selbst geht davon aus, dass sie die Entsorgungspflicht nur trifft, wenn im Falle der Geschäftsaufgabe der Betrieb nicht an einen Nachfolger übergeben werden oder der Lagerbestand veräußert werden kann. Neben der Ast sind jedoch ca. 5.000 weitere Betriebe auf dem Markt tätig. Die Vielzahl der ebenfalls auf diesem Sektor tätigen Unternehmen lässt die Annahme zu, dass die Ast bei einer Betriebsaufgabe die realistische Chance hat, zumindest den Lagerbestand an einen oder mehrere Mitbewerber zu veräußern. Wenn es, wie die Ast es darstellt, üblich ist, dass Flugzeughersteller und Behörden sich ihrer Verpflichtung zur Entsorgung durch den Verkauf der Altteile entledigen, muss die Ast auch darlegen, aus welchen Gründen ihr diese Möglichkeit nicht offen steht. Hierzu hat die Ast jedoch nichts vorgetragen. Selbst wenn das bei der Bilanzerstellung zu beachtende allgemeine Vorsichtsprinzip gebietet, dass Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen sind (Schmidt/Weber-Grellet EStG 24. Aufl. § 5 Rz. 77), darf doch der Steuerpflichtige im Hinblick auf seine Inanspruchnahme nicht die pessimistischste Alternative wählen; auch für die Inanspruchnahme müssen mehr Gründe für als gegen eine solche sprechen (BFH-Urteil vom 19. Oktober 2005 XI R 64/04 BFH/NV 2006, 856). Im Zeitpunkt der Erstellung der Bilanzen der Streitjahre ist unter Berücksichtigung der Vielzahl der auf diesem Gebiet tätigen Unternehmen die Annahme, die Veräußerung des Lagerbestandes sei so gut wie unmöglich, so unrealistisch, dass eine Inanspruchnahme der Ast nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden konnte und damit auch aus diesem Grunde die Verpflichtung zur Bildung einer entsprechenden Rückstellung nicht gegeben war.

60

3.3.2.5.

Selbst wenn Teile der Lagerbestandes als entsorgungspflichtiger Abfall einzustufen wären, dürfte doch zweifelhaft sein, dass die vom Sachverständigen ermittelten Entsorgungskosten mit ca. 20 DM (10 EUR) pro Stück uneingeschränkt auf den gesamten Lagerbestand übertragen werden können. Das Lager der Ast beinhaltet ca. 6 Mio. Teile, unter anderem auch Klein- und Mengenteile wie z.B. Schrauben, Beilagscheiben etc., bei denen für sich genommen nach der Lebenserfahrung schon bezweifelt werden muss, dass diese überhaupt für die Ast kostenpflichtig entsorgt werden müssen.

61

Auch wenn die Sachverständigen in der Hauptverhandlung ausgesagt haben, dass die Entsorgung eines Flugzeugteils 10 EUR pro Stück kosten soll, ist diese Aussage für eine eventuelle Berechnung von Entsorgungskosten nicht hilfreich, da aus der Aussage nicht hervorgeht, auf welcher Grundlage die Sachverständigen die Entsorgungskosten ermittelt haben.

62

Für die Ermittlung von steuerlich zu berücksichtigenden Kosten im Rahmen der Bestimmung des objektiven Risikos der Inanspruchnahme ist vielmehr erforderlich, dass die Ast überhaupt erst einmal entsprechend der in §§ 240, 241 HGB getroffenen Regelungen eine körperliche Bestandsaufnahme durchführt, gleichartige Gegenstände zu Gruppen zusammenfasst, das Inventar bewertet und für die jeweiligen Inventargruppen die Wahrscheinlichkeit einer kostenpflichtigen Entsorgung sowie deren voraussichtlichen, gruppenspezifischen Entsorgungskosten ermittelt. Die gruppenspezifische Ermittlung ist schon deshalb erforderlich, weil sich der Verkauf von Ersatzteilen unter Umständen auch auf die Höhe der Entsorgungskosten auswirken und das Risiko der Inanspruchnahme vermindern kann, mit der Folge dass hierfür gebildete Rückstellungen entsprechend anzupassen wären.

63

3.3.3.

In der Bilanz der Ast war zwar dem Grunde nach eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten im Hinblick auf die zu erwartende Anordnung des Verfalls der Gewinne aus der Veräußerung der von den Mitarbeitern der X-GmbH entwendeten Flugzeugteile sowie nicht auszuschließender Schadenersatzansprüche der X-GmbH zu bilden, da diese durch den Betrieb der Ast verursacht waren. Die Bildung dieser Rückstellung ist aber erstmalig in der Bilanz zum 31. Dezember 2000 berechtigt und in diesem Jahr auch nur mit insgesamt 4.758.984 DM anzusetzen.

64

3.3.3.1.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die ungewisse Verbindlichkeit im Hinblick auf die zu erwartende Anordnung des Verfalls und der Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz in den Streitjahren wirtschaftlich durch den Betrieb der Ast verursacht ist (§ 4 Abs. 4 EStG). Wie unter Ziffer 3.3.1. ausgeführt, setzt die Bildung einer solchen Rückstellung auch voraus, dass die Geltendmachung der Verbindlichkeit gegenüber dem Steuerpflichtigen nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag wahrscheinlich ist. Wahrscheinlich ist die Inanspruchnahme, wenn mehr Gründe dafür als dagegen sprechen; dieses ist aber nicht nach den subjektiven Erwartungen des Steuerpflichtigen, sondern auf der Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender und bei Aufstellung der Bilanz erkennbarer Tatsachen zu beurteilen (BFH-Urteil vom 6. April 2000 IV R 31/99 BFHE 192, 64, BStBl II 2001, 536). Wird die Bilanz erst einige Jahre später erstellt, so kommt es darauf an, welche Tatsachen am Bilanzstichtag vorlagen und bis zu dem Zeitpunkt erkennbar waren, zu dem eine Bilanz bei einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang im Sinne des § 243 Abs. 3 HGB spätestens aufzustellen war. Nach herrschender Meinung entspricht es einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang, wenn die Bilanz innerhalb von 6 Monaten nach Ablauf des Wirtschaftsjahres erstellt wird (Merkt in Baumbach/Hopt Kommentar HGB § 243 Rz. 10; Schmidt/Glanegger EStG § 6 Rz. 48). Das BFH-Urteil vom 3. Juli 1991 (X R 163-164/87, BFHE 164, 556, BStBl II 1991, 802) wonach spätestens innerhalb eines Jahres nach dem Bilanzstichtag die Bilanz zu erstellen sein soll, steht dieser Auffassung nicht entgegen, weil der BFH in dieser Entscheidung auch ausgeführt hat, dass keineswegs jegliche Bilanzierung bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Bilanzstichtag noch dem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entspricht, sondern die Ordnungsmäßigkeit vielmehr anhand des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen ist.

65

3.3.3.2.

Der Senat hält es unter den gegeben Umständen, insbesondere im Hinblick auf die letztmals im April 1999 ergangene Aufforderung des FA zur Vorlage der Bilanzen für angezeigt, mit der herrschenden Meinung davon auszugehen, dass nur Bilanzen, die innerhalb von 6 Monaten nach Ablauf des Wirtschaftsjahres erstellt worden sind, noch im ordnungsmäßigen Geschäftsgang erstellt wurden. Somit kommt es für die Frage der Verpflichtung zur Bildung der Rückstellung darauf an, ob die Ast in diesem Zeitraum nach Ablauf des Wirtschaftsjahres damit rechnen musste, aus dieser Verbindlichkeit auch in Anspruch genommen zu werden. Indiz für die objektiv vorliegende Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme ist zum Beispiel der Umstand, dass ein Käufer des ganzen Unternehmens die ungewisse Verpflichtung kaufpreismindernd berücksichtigen würde (Hoyos/M.Ring in BeckBilKom § 249 Rz.44). Grundlage der Inanspruchnahme ist die Annahme unerlaubter Handlungen seitens der Gesellschafter der Ast. Die Verpflichtungen aus unerlaubter Handlung sind jedoch so lange nicht rückstellungsfähig, solange die Tat nicht aufgedeckt ist, weil bis zu diesem Zeitpunkt weder mit der Anordnung des Verfalls der Gewinne zu rechnen ist noch die zivilrechtlich zwar schon vorher bestehenden Verpflichtungen für den Schuldner eine wirtschaftliche Belastung darstellen (Hoyos/M.Ring in BeckBilKom § 249 Rz.44; BFH-Urteil vom 3. Juli 1991, X R 163-164/87 BFHE 164, 556, BStBl II 1991, 802) und ein Unternehmenskäufer diese ihm nicht bekannten Umstände nicht Kaufpreismindernd hätte berücksichtigen können.

66

3.3.3.2.1.

Unter diesen Gegebenheiten gab es weder zum Bilanzstichtag 31. Dezember 1998 noch zum Bilanzstichtag 31. Dezember 1999 aus dem Kenntnisstand jeweils von 6 Monaten nach diesem Bilanzstichtage Anhaltspunkte, dass die Gesellschafter der Ast damit rechnen mussten, ihre Gewinne an den Justizfiskus abführen oder Schadenersatzforderungen der X-GmbH erfüllen zu müssen. Der Zeitpunkt der Tatentdeckung ist mit dem Zeitpunkt der Durchsuchungsmaßnahmen im November 2000 anzunehmen. Bis zu diesem Zeitpunkt sind bei einer im ordnungsmäßigen Geschäftsgang erstellen Bilanz die aus der Tat resultierenden, latent bestehenden Verpflichtungen mangels Aufdeckung der Tat nicht rückstellungsfähig gewesen. Die erst später eingetretenen Tatsachenkenntnisse der Ast im Zeitpunkt der Bilanzerstellung im August 2001 bzw. Juni 2003 können somit in den Bilanzen auf den 31. Dezember 1998 und auf den 31. Dezember 1999 keine Berücksichtigung finden.

67

3.3.3.2.2.

Jedoch waren infolge der Tatentdeckung im November 2000 die Bildung einer Rückstellung zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2000 begründende Anhaltspunkte vorhanden. Nach den im November 2000 erfolgten Durchsuchungs- und Sicherungsmaßnahmen der Polizei, den Beschlüssen des Amtsgerichts M vom 20. November 2000 über die Anordnung des dinglichen Arrestes sowie den hierzu ergangenen Pfändungsbeschlüssen vom 27. November 2000 mussten die Ast und ihre Gesellschafter damit rechnen, dass ihnen gegenüber durch das Strafgericht der Verfall des Wertersatzes angeordnet werden würde. Da die Sicherungsmaßnahmen auch ausdrücklich zur Unterstützung bestehender Ansprüche der Verletzten in Form der Zurückgewinnungshilfe angeordnet worden waren (§ 111 b StPO), waren zu diesem Zeitpunkt auch Schadenersatzansprüche der Geschädigten nicht ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob eine Verurteilung der Gesellschafter wahrscheinlich gewesen ist und ob die Geschädigten ihre Ansprüche später tatsächlich verfolgt haben, weil in dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitraum der Bilanzerstellung allein aufgrund der von der Justiz erwirkten Sicherungsmaßnahmen eine Inanspruchnahme der Ast und ihrer Gesellschafter zu erwarten war. Insbesondere Sicherungsmaßnahmen dokumentierten die Entschlossenheit der Justiz, die Ansprüche des Staates und der Geschädigten soweit wie möglich zu sichern und die Entschlossenheit des Gläubigers, seine Ansprüche durchzusetzen; diese Fakten sind für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme maßgeblich (BFH-Urteil vom 6. April 2000 R 31/99 BFHE 192, 64 [BFH 06.04.2000 - IV R 31/99], BStBl II 2001, 536).

68

3.3.3.2.3.

Die Rückstellung ist nur in Höhe von 4.758.984 DM berechtigt, weil die Ast aufgrund der Sicherungsmaßnahmen zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2000 damit rechnen musste, dass zumindest im Umfang der auf den Luxemburger Konten befindlichen Guthaben eine Inanspruchnahme durch die Geschädigte und eine Anordnung des Verfalls des verbleibenden Betrages zu erwarten war. Das Amtsgericht M war im Haftbefehl vom 20. November 2000 (Anl. 1 zu Bl. 110 GA Bd. II) allein in Bezug auf die vom Mitarbeiter F. entwendeten und von der Ast veräußerten Teile von einem Gesamtwert in Höhe von 3,18 Mio. DM ausgegangen und weitere Mitarbeiter hatten ebenfalls an die Ast entwendete Teile veräußert, deren Umfang noch nicht ermittelt war. Damit ist zum damaligen Zeitpunkt wahrscheinlich gewesen, dass dieses ebenfalls Einfluss auf die Schadenshöhe und damit auf die Höhe der zu diesem Zeitpunkt absehbaren Anordnung des Verfalls des Wertersatzes und der Schadenersatzansprüche haben würde, so dass mindestens im Umfang der Höhe der beschlagnahmten Konten der B-Bank eine spätere Inanspruchnahme wahrscheinlich war.

69

Die Begrenzung des Verfalls auf 700.000 EUR im Jahr 2004 ist für die Höhe der Rückstellung ohne Bedeutung, weil es sich hierbei nicht um eine werterhellende, sondern eine wertbegründende neue Tatsache handelt, die in der Bilanz auf den 31. Dezember 2000 keine Berücksichtigung finden kann. Werterhellende Tatsachen können zwar noch in einem bestimmten zeitlichen Rahmen berücksichtigt werden, der hier allerdings ohnehin deutlich überschritten wäre mit der Folge, dass auch diese nicht mehr beachtlich wären, nicht aber neue Tatsachen. Als "wertaufhellend" sind nur die Umstände zu berücksichtigen, die zum Bilanzstichtag bereits objektiv vorlagen und nach dem Bilanzstichtag, aber vor dem Tag der Bilanzerstellung bekannt oder erkennbar wurden (BFH-Urteil vom 19. Oktober 2005 XI R 64/04, BFH/NV 2006, 856). Am Bilanzstichtag bestanden keine Anhaltspunkte, die auf eine Begrenzung des Verfalls durch das Strafgericht hätten hindeuten können. Diese Tatsache kann daher erst im Rahmen der Erstellung der Bilanzen der Folgejahre Berücksichtigung finden.

70

Auch der vom Landeskriminalamt im Schlussbericht mit ca. 9,9 Mio. DM bezifferte Gesamtschaden ist nicht geeignet, eine Inanspruchnahme der Ast in diesem Umfang wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Soweit man der Schadenermittlung durch das Landeskriminalamt Indizwirkung zumessen kann, handelt es sich für den hier zu beurteilenden Bilanzstichtag jedenfalls nicht um eine werterhellende Tatsache. Außerdem ist der dort ermittelte Schaden nicht ausschließlich der Ast zuzurechnen, weil ausweislich der im Schlussbericht enthaltenen Aufstellung für die Beschuldigten M und V nicht der gesamte Schaden Folge eines Bezugs durch die Ast ist. Soweit es nur um den Schaden geht, den die X-GmbH möglicherweise geltend machen wird, kann dieser im Rahmen der Bildung einer Rückstellung nur in ohnehin Höhe der Verkaufspreise angesetzt werden, die die X-GmbH bei einem Verkauf als Einzelteil oder im Los an die Ast oder bei einer Veräußerung an Mitarbeiter erzielt hätte, nicht aber in Höhe der von der X-GmbH gezahlten Einkaufspreise in Ansatz gebracht werden können.

71

3.3.3.2.4.

Bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung geht das Gericht davon aus, dass die Bildung der Rückstellung, auch soweit diese wegen der drohenden Anordnung des Verfalls der Gewinne gebildet worden ist, nicht durch ein steuerliches Abzugsverbot ausgeschlossen ist, zumal auch in den seit 1998 gültigen Einkommensteuerrichtlinien (H 120 EStH "Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art") die Auffassung der Finanzverwaltung zum Ausdruck kommt, dass der Verfall von Gegenständen und Tatentgelten nicht nach § 12 Nr. 4 EStG ausgeschlossen ist, (siehe auch BFH-Urteil vom 6. April 2000 IV R 31/99, BFHE 192, 64, BStBl. II 2001, 536).

72

3.4.

Die Aussetzung der Gewerbesteuermessbescheide der Jahre 1998 und 1999 kommt nicht in Betracht, weil keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Gewinnfeststellungen der Jahre 1998 und 1999, die Grundlage der Ermittlung des Gewerbeertrags sind, bestehen. Bei der Überprüfung haben sich auch keine Anhaltspunkte für die Annahme der Rechtswidrigkeit der Gewerbesteuermessbescheide aus anderen Gründen ergeben, noch wurden solche von der Ast geltend gemacht.

73

3.5.

Eine weitergehende Aussetzung ist nicht deshalb geboten, weil die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für die Antragstellerin eine unbillige Härte zur Folge hätte. Die Vollziehung eines - noch nicht bestandskräftigen - Steuerbescheides ist für den Steuerpflichtigen unbillig hart, wenn ihm dadurch wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur sehr schwer wiedergutzumachen wären, oder wenn sogar die wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre (vgl. Beschluss des BFH vom 24. März 1994 IV S 1/94, BStBl II 1994, 398). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kommt eine Aussetzung der Vollziehung auch bei unbilliger Härte nur in Betracht, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nicht ausgeschlossen werden können (z.B. BFH-Beschluss vom 2. November 2004 XI S 15/04, BFH/NV 2005, 490, m.w.N.). Hat ein Rechtsbehelf keinerlei Aussicht auf Erfolg, ist die Aussetzung der Vollziehung selbst dann abzulehnen, wenn die Vollziehung eine unbillige Härte zur Folge hätte. In einem solchen Fall besteht für den Steuerpflichtigen nur die Möglichkeit, Erlass nach § 227 Abs. 1 AO, Stundung gemäß § 222 AO oder Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 258 AO zu beantragen (vgl. BFH-Beschluss vom 31. August 1987 V B 57/86 BFH/NV 1988, 174). Soweit der Senat Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen des Beklagten hat, hat er diesen durch die verfügte Aussetzung bereits Rechnung getragen; weitergehende Rechtmäßigkeitsbedenken bestehen nicht, so dass auch eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte nicht in Betracht kommt.

74

4.

Die Berechnung der hiernach von der Vollziehung auszusetzenden Beträge wird gemäß § 69 Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit § 100 Abs. 2 S. 2 FGO dem Antragsgegner aufgegeben.

75

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.

(1) Red. Anm.:

Antrag fehlt im Original