Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 15.07.2002, Az.: 2 A 23/01

Altenteilerhaus; Außenbereich; Ermessen; formelle Illegalität; Landarbeiterhaus; landwirtschaftlicher Nebenerwerbsbetrieb; Nutzungsuntersagung; Nutzungsänderung; Pferde; Privilegierung; zweites Wohnhaus

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
15.07.2002
Aktenzeichen
2 A 23/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43428
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein zweites Wohnhaus "dient" regelmäßig keinem landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens;

insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt eine Nutzungsänderungsgenehmigung und wendet sich gegen eine gleichzeitig verfügte Nutzungsuntersagung.

2

Die Klägerin erwarb im Jahre 1997 das mit einer ehemaligen Hofstelle bebaute im Außenbereich der Beigeladenen gelegene ca. 3.800 m² große Flurstück 188/95 der Flur 2 in der Gemarkung D. nebst dazugehörigem Weideland mit einer Fläche von ca. 26.000 m². Die ehemalige Hofstelle ist bebaut mit einem Wohnhaus (ca. 250 m² Wohnfläche verteilt auf drei Ebenen mit vier Schlafräumen und drei Bädern sowie weiteren Räumen - nach dem Angebot des Maklers vom 7. April 1997), einem Stall- und Garagengebäude sowie einem zu einem Wohnhaus umgebauten ehemaligen Nebengebäude mit einer Wohnfläche von 55 m². Nach den vorliegenden Verwaltungsvorgängen ist dieses Nebengebäude mit einer Grundfläche von knapp 40 m² im Jahre 1977 im Fachwerkstil wieder aufgebaut worden. Mit Baugenehmigung vom 12. Juli 1977 ist im Erdgeschoss dieses Gebäudes ein Stall (ca. 19 m²) und ein Abstellraum (ca. 18 m²) genehmigt worden. Hinzu kommt ein Bodenraum. Als die Klägerin die Hofstelle erwarb, war das Nebengebäude bereits zu Wohnzwecken umgebaut worden. Im Erdgeschoss waren ein Wohnzimmer und eine Küche mit Essraum und im Obergeschoss ein Schlafzimmer und ein Bad eingerichtet worden. Die Klägerin und ihr Ehemann zogen in das Hauptgebäude ein, der Sohn der Klägerin und die Schwiegertochter (Kläger in dem Verfahren 2 A 24/01) in das Nebengebäude.

3

Mit Bauantrag vom Dezember 1998 beantragte die Klägerin nachträglich die Genehmigung einer Wohnnutzung für das Nebengebäude im wesentlichen gemäß dem vorhandenen Bestand. Dem Antrag war ein Gutachten des Diplom-Betriebswirtes E. vom 15. Januar 1998 „über die Wirtschaftlichkeit eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes“ beigefügt. Darin heißt es, dass sich die Klägerin und ihr Ehemann seit 1974 mit Pferdehaltung und Pferdezucht und seit 1987 auch mit der Haltung und Aufzucht von Rindern ( Galloways ) befassen würden. Während der Zeit, als der Ehemann der Klägerin noch hauptberuflich als selbständiger Ingenieur tätig gewesen sei, habe bei der Tierzucht die Absicht der Überschusserzielung nicht im Vordergrund gestanden. Nach weitgehender Aufgabe der Berufstätigkeit stehe einer Erweiterung des Betriebes und damit auch der Gewinnerzielungsabsicht nichts mehr im Wege. Aufgrund der Tatsache, dass der Sohn der Klägerin auf dem gleichen Grundstück und ein weiterer Sohn - jeweils mit ihren Familien - in unmittelbarer Nähe in Dierkshausen wohne und beide zum Teil schon mit erheblichem Arbeitseinsatz mitarbeiten würden, werde der Betrieb auch langfristig als Familienbetrieb existieren und fortgeführt werden können. Im Jahre 1997 habe der Betrieb einen Gesamtüberschuss von 11.425,60 DM erwirtschaftet, eine Steigerung der Ertragskraft im Falle der angestrebten Erweiterung sei signifikant. Demgegenüber kam das Oberlandesgericht Celle - Senat für Landwirtschaftssachen - in einem Beschluss vom 19. März 1998 zu dem Ergebnis, dass nach derzeitigem Stand nicht davon ausgegangen werden könne, dass es sich bei der Pferde- und/oder Rinderzucht des Betriebes der Klägerin um eine auf Gewinnerzielung ausgerichtete Tätigkeit handele. Es sei vielmehr festzustellen, dass derzeit reine Liebhaberei vorliege. An diesen Feststellungen dürfte sich auch für die absehbare Zukunft nichts ändern. Der Aufbau eines leistungsfähigen Betriebes, auch unter Berücksichtigung des Gutachtens des Diplom-Betriebswirtes E. vom 15. Januar 1998, erscheine in absehbarer Zeit nicht erreichbar.

4

Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens holte der Beklagte eine Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Hannover - Bezirksstelle Uelzen - (vom 27.5.1999) ein. Darin heißt es, dass die Klägerin, eine Dame mit Rentenalter, insbesondere mit ihrer Schwiegertochter sowie weiteren Familienmitgliedern einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb bewirtschafte. Nach den vorgelegten Unterlagen könne ein Überschuss von 15.000,-- DM bis 20.000,-- DM pro Jahr unterstellt werden, so dass von einem landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb auszugehen sei. Nach einem persönlichen Gespräch und angesichts der vorhandenen Gebäude sei von einer Dauerhaftigkeit des Betriebes auszugehen. Dieses würde jedoch den Bau eines zweiten Wohnhauses nicht rechtfertigen.

5

Mit hier angefochtenem Bescheid vom 14. März 2000 lehnte der Beklagte die Erteilung einer Nutzungsänderungsgenehmigung (Stall- und Abstellgebäude zum Wohngebäude) ab. Weiterhin ordnete er an, dass das Gebäude nach Ablauf von zehn Monaten nach Bestandskraft dieser Verfügung nicht mehr als Wohngebäude genutzt werden dürfe. An die Mieter des Gebäudes, der Sohn und die Schwiegertochter der Klägerin, erging eine Nutzungsuntersagungsverfügung mit Datum vom selben Tage, die Streitgegenstand des Verfahrens 2 A 24/01 ist. Zur Begründung hieß es im wesentlichen, dass offen bleiben könne, ob es sich bei dem Betrieb der Klägerin um einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb (so die Landwirtschaftskammer Hannover) oder um eine Liebhaberei (so das Oberlandesgericht Celle) handele, da es in jedem Fall an der dienenden Funktion eines zusätzlichen Wohngebäudes fehle. Im Hinblick auf den Schutz des Außenbereichs aber vor allem wegen der hohen finanziellen Belastung, die den geplanten Ertrag vollends aufzehre, würde ein vernünftiger Inhaber eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes ein zweites Wohnhaus nicht errichten. Sofern auf die besondere Notwendigkeit des Personalbesatzes „rund um die Uhr“ hingewiesen werde, könne ohne besonderen Aufwand, zumal es sich um eine Familie handele, eine Lösung in dem auf dem Grundstück vorhandenen Wohngebäude mit einer Wohnfläche von 182,73 m² gefunden werden. Das mithin nicht privilegierte Vorhaben könne auch nicht im Einzelfall gemäß § 35 Abs. 2 BauGB zugelassen werden, da es quasi alle öffentlichen Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtige. Die weiterhin angeordnete Nutzungsuntersagung des Wohngebäudes sei zwingende Folge der Ablehnung des Bauantrages. Bereits die formelle Illegalität rechtfertige regelmäßig die Untersagung der Nutzung. Weder durch den Zeitablauf noch durch das Vertrauen auf die Rechtsmäßigkeit der Nutzung werde die Befugnis zum Einschreiten eingeschränkt. Bei Abwägung der beteiligten Interessen sei eine Nutzungsuntersagung ermessensfehlerfrei. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt, da durch diese Maßnahme die Klägerin am wenigsten beeinträchtigt werde.

6

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie betreibe einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb, der es unter Berücksichtigung der Art und Weise der Tierhaltung, insbesondere auch der Pensionstierhaltung, erforderlich mache, die Hofstelle „rund um die Uhr“ zu besetzen. Für die notwendige Betreuung der Tiere sei es nicht ausreichend, dass sie und ihr Ehemann auf der Hofstelle wohnen würden. Zwar sei es zutreffend, dass das Haupthaus eine Wohnfläche von ca. 180 m² aufweise, doch sei eine Aufteilung des Gebäudes in zwei separate Wohnungen ohne gravierende Umbauten nicht möglich. Der Sohn und die Schwiegertochter würden als Hilfskräfte (Landarbeiter im rechtlichen Sinne) im landwirtschaftlichen Betrieb mitarbeiten. Ihr Wohnbedarf (Eheleute mit zwei kleineren Kindern) könne in dem vorhandenen Nebengebäude nicht angemessen befriedigt werden. Dieses Nebengebäude sei daher im Umfang des Bauantrags zu erweitern, wobei diese Erweiterung nur geringfügiger Natur sei. Vorliegend stehe nicht der Wunsch im Vordergrund, im Außenbereich zu wohnen, vielmehr sei das Nebengebäude als Unterkunft für eine landwirtschaftlich unverzichtbare Hilfskraft erforderlich. Insbesondere die Pferde bedürften der ständigen auch nächtlichen Kontrolle, da beständig mit Angriffen auf Leib und Leben der Tiere auch während der Nachtzeit gerechnet werden müsse. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht habe in einer Entscheidung klargestellt, dass durchaus die Möglichkeit der Genehmigung eines zweiten Wohngebäudes auf der Hofstelle eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes im Außenbereich rechtlich bestehe, wenn die erforderliche betriebliche Notwendigkeit vorliege. Das sei angesichts der Besonderheiten dieses landwirtschaftlichen Betriebes der Fall.

7

Mit Bescheid vom 24. Januar 2001 wies die Bezirksregierung Lüneburg diesen Widerspruch zurück. Zwar sei es unstrittig, dass es sich bei der Tätigkeit der Klägerin um (Nebenerwerbs-)Landwirtschaft im Sinne des § 201 BauGB handele, die Einstufung eines Vorhabens, das einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB diene, setze aber zusätzlich voraus, dass die landwirtschaftliche Tätigkeit nachhaltig und auf Dauer ausgeübt werde. Daran fehle es vorliegend, weil der überwiegende Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche gepachtet sei und die Pachtverträge nur eine relativ kurze Laufzeit hätten (drei bis acht Jahre). Selbst wenn der Betrieb die Anforderungen eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes erfüllen würde, würde es jedoch an der dienenden Funktion des Vorhabens fehlen. Mit den geringen Gewinnen des Betriebes ließe sich der Neubau eines zweiten Wohnhauses nicht finanzieren. Die Art der Betriebsführung bedinge nicht notwendig, die Familie des Sohnes auf der Hofstelle unterzubringen, Insbesondere sei eine „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“ der auf der Hofstelle befindlichen Tiere nicht erforderlich. Bei dieser Sachlage habe der Beklagte die Nutzungsuntersagung als das geringste Mittel des Bauordnungsrechts ermessensfehlerfrei verfügt.

8

In der nunmehr gegen diese Bescheide erhobenen Klage wiederholt und vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend legt sie Erklärungen von Verpächtern vor, wonach diese bereit seien, die bestehenden Pachtverhältnisse um zehn bzw. zwölf weitere Jahre zu verlängern. Auch strebe sie nicht mehr eine Erweiterung des kleinen Wohnhauses an, vielmehr beschränke sie den Streitgegenstand auf die Anerkennung des Nebengebäudes in der vorhandenen baulichen Substanz.

9

Die Klägerin beantragt,

10

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 14. März 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 24. Januar 2001 zu verpflichten, ihr die beantragte Nutzungsänderungsgenehmigung eines Stallgebäudes zu einem Wohnhaus - beschränkt auf den vorhandenen Bestand - zu erteilen sowie die gleichzeitig verfügte Nutzungsuntersagung als Wohngebäude aufzuheben.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

14

Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie unterstützt das Vorbringen der Klägerin.

15

Auf die gerichtliche Aufklärungsverfügung vom 26. Juni 2002 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin u.a. mit, dass der Sohn und die Schwiegertochter aus dem Nebengebäude ausgezogen seien, weil das Haus für sie nach der Geburt des dritten Kindes zu klein geworden sei. Sie wohnten jetzt ca 10 Autominuten von der Hofstelle entfernt. Von Oktober 2001 bis Mai 2002 habe eine Praktikantin auf der Hofstelle gewohnt, die dort nach einer zweijährigen Umschulung auch wieder einziehen wolle. Zur Zeit wohne in dem Nebengebäude ein Polizist aus Hamburg, der seine Freizeit auf dem Hof verbringe und dort eine erlaubte Nebentätigkeit als Betreuer der Tiere wahrnehme. In der mündlichen Verhandlung legte die Klägerin eine von ihr erstellte wirtschaftliche „Prognose für das Jahr 2002“ und eine Bescheinigung des Tierarztes Dr. F. vom 10. Juli 2002 vor. Auf die jeweiligen Inhalte wird Bezug genommen.

16

Der Einzelrichter der Kammer hat am 15. Juli 2002 einen Orts- und Verhandlungstermin durchgeführt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Nutzungsänderungsgenehmigung (1.). Die an die formelle Illegalität des Nebengebäudes geknüpfte bauordnungsrechtliche Maßnahme, die Wohnnutzung zu untersagen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken (2.).

18

1. Gemäß § 35 Abs. 1. Ziffer 1 BauGB ist im Außenbereich ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt. Ob die landwirtschaftliche Betätigung der Klägerin die Voraussetzungen einer (Nebenerwerbs-)Landwirtschaft im Sinne des § 201 BauGB erfüllt, kann im Rahmen dieses Verfahrens offen bleiben. Denn inwieweit ihre Pferde- und Rinderzucht eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Ziffer 1 BauGB in Anspruch nehmen kann, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens. Vorliegend geht es allein um die Frage, ob ein zweites Wohnhaus - selbst die Existenz eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes einmal unterstellt - einem solchen Betrieb „dienen“ würde. Das ist nicht der Fall. Dazu im einzelnen.

19

Bei der Auslegung des Merkmals „Dienen“ ist der Grundgedanke des § 35 BauGB, den  Außenbereich von Bebauung grundsätzlich frei zu halten, zu beachten. Durch diesen Grundsatz wird die Privilegierung eingeschränkt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts reicht es deshalb nicht aus, dass ein Vorhaben nach den Vorstellungen des Landwirtes für seinen Betrieb lediglich förderlich ist. Andererseits kann nicht verlangt werden, dass das Vorhaben für den Betrieb schlechthin unentbehrlich ist. Die bloße Förderlichkeit einerseits und die Unentbehrlichkeit andererseits bilden den äußeren Rahmen für das Merkmal des Dienens. Innerhalb dieses Rahmens muss darauf abgestellt werden, ob ein „vernünftiger Landwirt“ – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechendem Betrieb errichten würde. Dabei kommt es wesentlich darauf an, ob das Bauvorhaben unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse üblich und angemessen ist. Demzufolge dient ein Wohnhaus im Außenbereich nur dann einem landwirtschaftlichen Betrieb, wenn die ständige Anwesenheit und Bereitschaft auf der Hofstelle wegen der spezifischen Abläufe eines landwirtschaftlichen Betriebes im Vordergrund steht und nicht der Zweck, im Außenbereich zu wohnen. Bei Nebenerwerbsstellen besteht besonderer Anlass zur Prüfung, ob das Wohnhaus im Verhältnis zu dem Betrieb als dem Bezugspunkt und der Hauptsache eine Hilfsfunktion hat, oder ob nicht das Wohnen im Außenbereich bestimmend ist (ständige Rechtsprechung des BVerwG seit dem Urteil vom 03.11.1972 – 4 C 9/70 – BverwGE 41,138 (141); vgl. weiterhin die Urt. v. 16.05.1991 – 4 C 2/89 -, BauR 1991, 576 und vom 19.06.1991 – 4 C 11/89 -, BauR 1991, 579; vgl. ferner die Zusammenfassung der Rechtsprechung des BVerwG in Battis-Krautzberger-Löhr, BauGB, Kommentar, 8. Aufl. 2002, § 35 RdNr. 19 und Schmaltz in Schrödter, BauGB, Komm., 6. Aufl. 1998, § 35 Rdn. 22 ff).

20

In Anwendung dieser Maßstäbe ist regelmäßig die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Wohnhauses in angemessener Größe für den Inhaber der Hofstelle rechtlich unproblematisch. Ein zweites Wohnhaus auf der Hofstelle eines Vollerwerbsbetriebes ist als Altenteilerhaus möglich, wenn die Hofstelle nicht ausreichenden Wohnraum für zwei Generationen bietet. Landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen erfüllen allerdings in aller Regel nicht die Voraussetzungen dieser Privilegierung (Schmaltz, a.a.O., § 35 Rdn. 28). Daneben konnten früher bei entsprechend großen Betrieben auch Landarbeiterwohnungen zulässig sein, um die Arbeitskräfte des Betriebes mit ihren Familien unterzubringen. Diese Privilegierung galt aber stets nur für Vollerwerbsbetriebe und für hauptberuflich tätige Landarbeiter. Ein Nebenerwerbsbetrieb „trägt“ kein Landarbeiterhaus (OVG Lüneburg: Urt. v. 16. 12. 1982 - 1 A 179/81 -, BRS 40, Nr. 73; Urt. v. 7. 2. 1986 - 6 A 149/84 -, BRS 46, Nr. 79). Im übrigen ist diese Möglichkeit, auf die sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bezieht, entfallen, nachdem mit dem BauROG zum 1. Januar 1998 der bisherige Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB („Vorhaben, das einer Landarbeiterstelle dient“) ersatzlos gestrichen worden ist. Gesetzgeberisches Motiv war die Erkenntnis, dass - neben einem angenommenen Wegfall der Praxisrelevanz infolge der veränderten Strukturen in der Landwirtschaft - die Regelung "ausschließlich als Einfallstor zur Umgehung missbraucht" worden ist, um ein ansonsten nicht zulässiges Wohnen im Außenbereich zu ermöglichen (OVG Münster, Urteil v. 25. 3. 1999 - 10 A 5615/98 - BRS 62 Nr. 108).

21

Vorliegend scheitert der Antrag der Klägerin bereits daran, dass es sich bei ihrer landwirtschaftlichen Betätigung allenfalls – auch unter Berücksichtigung der im Termin vorgelegten „Prognose für das Jahr 2002“ - um einen Nebenerwerbsbetrieb handelt, dessen Fortsetzung auf Dauer – die Klägerin ist bereits im „Rentenalter“ – offen erscheint. Wie bereits dargelegt, rechtfertigt ein Nebenerwerbsbetrieb regelmäßig kein zweites Wohnhaus im Außenbereich. Entscheidend kommt hinzu, dass die Klägerin die Kammer nicht hat davon überzeugen können, dass die Versorgung des „lebenden Inventars“ von 24 Pferden und 11 Galloway-Rindern nur mit Hilfe einer landwirtschaftlichen Hilfskraft sichergestellt werden kann, die notwendig auf der Hofstelle wohnen muss. Dabei kann die Kammer die Frage offen lassen, ob in dem vorhandenen Wohnhaus von 250 m² (so das Angebot des Maklers) oder 180 m² (so die Angaben der Klägerin) durch entsprechende bauliche Maßnahmen ein abgetrennter Bereich eingerichtet werden könnte, weil die geschilderten Betriebsabläufe – unter Berücksichtigung des Gebots den Außenbereich von Bebauung weitgehend freizuhalten - kein zweites Wohnhaus rechtfertigen. Auch wenn akzeptiert wird, dass Pferde eine intensivere Betreuung erfordern, könnten die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin ins Feld geführten befürchteten Anschläge auf Pferde und plötzlich auftretende Krankheitsfälle nicht durch eine zweite auf der Hofstelle wohnende Familie verhindert werden. Die angeführte „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“ würde eine regelmäßige Nachtwache voraussetzen, was unstrittig nicht vorliegt. Es erscheint ausreichend, wenn eine Hilfsperson in der Nähe wohnt und in einem Versorgungsfall in kurzer Zeit auf der Hofstelle sein kann. Diese Situation ist nach den Angaben der Klägerin in Bezug auf ihren Sohn und ihre Schwiegertochter gegeben, die früher in dem Nebengebäude und jetzt ca. 10 Autominuten von der Hofstelle entfernt in G. wohnen. Die derzeitige Vermietung des Nebengebäude an einen in Hamburg arbeitenden Polizisten ist zudem kaum geeignet, den angestrebten Zweck zu erfüllen. Nicht nur, dass derzeit vollkommen offen ist, ob er die dafür notwendige Nebentätigkeitsgenehmigung erhält, lassen ihn Schichtdienst (verbunden mit Nachtdienst) und eine arbeitstäglich mindestens 10stündige Abwesenheit von der Hofstelle kaum geeignet erscheinen, eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung mit sicherzustellen. Hier scheint der Wunsch, günstig im Außenbereich zu wohnen sowie kostenlos reiten zu dürfen und dafür gewisse Hilfsdienste zu leisten, im Vordergrund zu stehen, nicht aber eine betriebliche Notwendigkeit. Seine Hilfsdienste auf der Hofstelle könnte er auch ohne weiteres von einer Wohnung in einem der benachbarten Orte aus erbringen.

22

2. Rechtsgrundlage der Nutzungsuntersagung ist § 89 Abs. 1 Satz 1 iVm Satz 2 Nr. 5 NBauO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde, wenn bauliche Anlagen dem öffentlichen Baurecht widersprechen, nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen anordnen, die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlich sind; sie kann namentlich die Benutzung von baulichen Anlagen untersagen.

23

Von dieser Ermächtigungsgrundlage hat der Beklagte ermessensfehlerfrei Gebrauch gemacht. In dem angefochtenen Bescheid ist im einzelnen zutreffend ausgeführt, dass das ohne Baugenehmigung im Außenbereich errichtete Wohnhaus der Baugenehmigungspflicht unterliegt und dass nachträglich die erforderliche Baugenehmigung nicht erteilt werden kann, weil die Klägerin für ihren landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb nicht zwei Wohnhäuser im Außenbereich beanspruchen kann. Regelmäßig reicht bereits die formelle Illegalität aus, um eine Nutzung zu untersagen. Dieses gilt nur dann nicht, wenn das Vorhaben offensichtlich genehmigungsfähig ist (Große-Suchsdorf/ Lindorf/ Schmaltz/ Wiechert, Nds. Bauordnung, Komm., 7. Aufl. 2002, § 89 Rdn. 22). Das ist vorliegend aber nicht der Fall. Auf die Ausführungen unter 1. wird insoweit Bezug genommen. Damit liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein bauordnungsrechtliches Einschreiten vor. Fehler bei der Ausübung des Ermessens sind weder detailliert vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).

24

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor (§§ 124a Abs. 1 iVm 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO).