Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 03.07.2020, Az.: 1 Ws 240/20

Unzulässiger Antrag auf Wiedereinsetzung; Erweitere Darlegungslast bei Benennung von Zeugen in Wiederaufnahmeverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
03.07.2020
Aktenzeichen
1 Ws 240/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 65698
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2020:0703.1WS240.20.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 04.05.2020 - AZ: 7 AR 2/20
LG Oldenburg - 18.06.2019 - AZ: 12 Ns 104/19

Amtlicher Leitsatz

Ein auf die Aussage eines bereits während des Erkenntnisverfahrens bekannten, seitens des Angeklagten jedoch nicht benannten Zeugen gestützter Antrag auf Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens erweist sich als unzulässig, wenn für die verspätete Benennung keine nachvollziehbaren Gründe angegeben werden. Dem Angeklagten obliegt insoweit eine erhöhte Darlegungslast.

Redaktioneller Leitsatz

Wenn der Angeklagte Zeugen als Beweismittel erst im Wiederaufnahmeverfahren benennt, dann muss er nachvollziehbar und einleuchtend darlegen, warum er dies nicht schon in der Hauptverhandlung getan hat. Ihn trifft hier eine erweiterte Darlegungslast und dies in besonderem Maße, wenn sich der neue Vortrag in Widerspruch zu den bisherigen Angaben bewegt.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Osnabrück vom 4. Mai 2020,

durch den sein Antrag auf Wiederaufnahme des durch rechtskräftiges Urteil der 12. kleinen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 18. Juni 2019 abgeschlossenen Strafverfahrens als unzulässig verworfen und sein Antrag auf Aufschub der Vollstreckung des vorbezeichneten Urteils abgelehnt worden ist,

wird auf Kosten des Verurteilten als unbegründet verworfen.

Gründe

Das Landgericht Oldenburg - 12. kleine Strafkammer - hat mit Urteil vom 18. Juni 2019 die unbeschränkte Berufung des Verurteilten gegen das Urteil des Amtsgerichts Jever vom 14. Dezember 2018, durch das er wegen am TT.MM.2018 und am TT.MM.2018 begangener Taten des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Varel vom 20. Februar 2018 verhängten Strafe und Aufrechterhaltung der dort verhängten Sperrfrist zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten sowie wegen einer am TT.MM.2018 begangenen weiteren Tat des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis unter Anordnung einer Sperrfrist von zwei Jahren zu einer weiteren Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden war, nach durchgeführter Beweisaufnahme als unbegründet verworfen. Das Urteil ist nach Verwerfung der Revision des Verurteilten durch Beschluss des Senats vom 17. Oktober 2019 (1 Ss 172/19) seit dem 18. Oktober 2019 rechtskräftig.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 17. Februar 2020 hat der Verurteilte beantragt, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu seinen Gunsten zuzulassen. Mit dem Zeugen BB, der am 4. Februar 2020 an Eides Statt versichert habe, nicht der Verurteilte, sondern er habe das Fahrzeug zu den bezeichneten Zeitpunkten geführt, liege ein neues Beweismittel im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO vor.

Durch Beschluss vom 4. Mai 2020, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat das Landgericht Osnabrück den Wiederaufnahmeantrag des Verurteilten als unzulässig verworfen und es abgelehnt, gemäß § 360 Abs. 2 StPO den Aufschub der Vollstreckung anzuordnen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 14. Mai 2020, die er mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 26. Juni 2020 begründet hat.

Das in zulässiger Weise eingelegte Rechtsmittel (§ 372 Satz 1 StPO) bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Das Landgericht hat den Antrag des Verurteilten auf Wiederaufnahme des Verfahrens in der angefochtenen Entscheidung zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.

Benennt der Verurteilte im Wiederaufnahmeverfahren Zeugen, deren Aussagen ihm schon in der Hauptverhandlung bekannt waren, die von ihm aber nicht benannt wurden, trifft ihn - wie etwa auch im Falle eines widerrufenen Geständnisses - eine erweiterte Darlegungspflicht. Dazu gehört auch der Grund für die Nichtbenennung des Beweismittels im Erkenntnisverfahren und für dessen Benennung im Wiederaufnahmeverfahren. Zwar ist es das Recht eines Angeklagten, in der Hauptverhandlung oder in dem dieser vorausgehenden Verfahren unwahre Angaben zur Sache zu machen und in der Hauptverhandlung auf die Benennung eines abwesenden Entlastungszeugen oder auf die Vernehmung eines anwesenden Entlastungszeugen zu verzichten, weil der Angeklagte nach der Strafprozessordnung seine Verteidigungsstrategie selbst bestimmen darf. Er ist nach rechtskräftiger Verurteilung auch nicht gehindert, solche Zeugen im Wiederaufnahmeverfahren als neue Beweismittel einzuführen. Dann aber muss er - als Folge seiner Verteidigungsstrategie - einleuchtende Gründe dafür anführen, warum er den Zeugen früher nicht zu seiner Entlastung benutzt hat, dies aber nunmehr - im Wiederaufnahmeverfahren mit seinen beschränkten Möglichkeiten - für geboten hält (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 12.02.2003, 1 Ws 55/03, NStZ-RR 2003, 210 m.w.N.). Entsprechendes gilt, wenn der Verurteilte neue Tatsachen vorträgt, die mit seiner Einlassung in der Hauptverhandlung nicht zu vereinbaren sind (vgl. LR-Gössel, StPO, 26. Aufl., § 359, Rz. 183).

Dieser erweiterten Darlegungslast wird der Vortrag des Verurteilten aus den bereits durch das Landgericht Osnabrück in der angefochtenen Entscheidung aufgezeigten Gründen nicht gerecht. Soweit der Verurteilte mit der Beschwerdebegründung geltend macht, der nunmehr benannte Zeuge BB habe neben dem von der Zeugin CC als "DD" bezeichneten Kosovaren mit albanischem Führerschein für ihn und die Zeugin als Chauffeur fungiert, lässt sich dieses weder mit seiner Einlassung noch mit der diese stützenden Aussage seiner früheren Lebensgefährtin in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht in Einklang bringen. So hat sich der Verurteilte ausweislich der Urteilsgründe dahingehend eingelassen, sie hätten sich immer von anderen fahren lassen, von Familienangehörigen, aber auch von einem für diese Fälle engagierten Chauffeur (UA S. 7 Mitte). Die Zeugin CC hat ergänzend bekundet, gefahren habe sie immer ein Chauffeur aus dem Kosovo namens DD (UA S. 14 oben). Der damit weiterhin vorliegende Widerspruch zum Vortrag im Erkenntnisverfahren wird durch das Beschwerdevorbringen ebenso wenig plausibel erklärt wie das Benennen des Zeugen BB erst im Wiederaufnahmeverfahren.

Das Wiederaufnahmebegehren ist deshalb im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen worden. Mit Rücksicht hierauf bleibt auch das Rechtsmittel gegen die Ablehnung des Vollstreckungsaufschubs ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs.1 StPO.