Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 20.07.2020, Az.: 1 VAs 12/20
Entpflichtung des Pflichtverteidigers ohne Anhörung; Rechtsweg für Anhörungs- und Beteiligungsrechte des Pflichtverteidigers
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 20.07.2020
- Aktenzeichen
- 1 VAs 12/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 64375
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - AZ: 4 Qs 214/20
Rechtsgrundlagen
- § 23ff. EGGVG
- § 140 StPO
Redaktioneller Leitsatz
Die Verletzung von Anhörungs- und Beteiligungsrechten des Pflichtverteidigers kann nur im Rahmen der StPO überprüft werden; § 23ff. GVG sind nicht einschlägig.
Tenor:
- 1.
Eine Entscheidung des Senats ist nicht veranlasst.
- 2.
Die Sache wird der Beschwerdekammer des Landgerichts Oldenburg zur Entscheidung vorgelegt.
Gründe
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hatte unter dem 24. Januar 2018 gegen Herrn AA und einen weiteren Mitbeschuldigten Anklage vor dem Amtsgericht Varel erhoben. Mit Beschluss vom 6. März 2018 hatte das Amtsgericht Varel die Anklage zur Haupthandlung zugelassen und Herrn AA Rechtsanwalt BB, Ort3, zum Pflichtverteidiger bestellt. Nach Abtrennung des Verfahrens gegen den Mitbeschuldigten und fehlgeschlagener Terminsabsprache mit Rechtsanwalt BB war Herrn AA mit Beschluss vom 7. November 2018 Rechtsanwalt CC, Ort4, zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Die Hauptverhandlung, zu der zwar Rechtsanwalt CC, nicht aber Rechtsanwalt BB geladen worden war, fand am 18. Dezember 2018 statt. Herr AA wurde zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil ist seit dem 28. Dezember 2018 rechtskräftig.
Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2020 macht Rechtsanwalt BB geltend, er sei ohne vorherige Anhörung entpflichtet worden. Im Übrigen liege der dafür angeführte Grund, nämlich die Ablehnung eines Termins, nicht vor. Darüber hinaus sei ihm ein Entpflichtungsbeschluss auch nicht übermittelt worden. Er beantrage die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Vorgehensweise.
Das Amtsgericht Varel hat den Antrag mit Beschluss vom 8. Juni 2020, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, zurückgewiesen. Hiergegen hat Rechtsanwalt BB mit Schriftsatz vom 23. Juni 2020 Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerdekammer des Landgerichts Oldenburg ist der Ansicht, bei dem auf Feststellung der Rechtswidrigkeit gerichteten Antrag vom 20. Mai 2020 handele es sich um einen solchen auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG. Hierüber habe nicht das Amtsgericht zu befinden, sondern das Oberlandesgericht. Sie hat daher die Sache mit Verfügung vom 29. Juni 2020 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Eine Entscheidung des Senats ist nicht veranlasst.
Der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG dient lediglich der Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandlungen der Justizverwaltung. Maßnahmen, die auf die Ermittlung, Aufklärung und Ahndung von Straftaten gerichtet sind, "verwalten" nicht. Sie gehören funktionell zur Rechtspflege, nicht zur Verwaltung " (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss v.11.10.2004, 3 VAs 34/04, NStZ-RR 2005, 13 [OLG Karlsruhe 09.12.2003 - 3 Ws 174/03] m.w.N.). Für Entscheidungen, die sich - wie die Entscheidungen des Strafrichters zur notwendigen Verteidigung nach §§ 140 ff. StPO - in formeller und materieller Hinsicht als Akte der Rechtsprechung darstellen, richtet sich die Überprüfung deshalb ausschließlich nach den jeweiligen Verfahrensordnungen, hier also nach der Strafprozessordnung (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 11.08.1987, 4 VAs 18/87, NJW 1988, 983).
Die beanstandete Missachtung von Anhörungs- oder Beteiligungsrechten bei der Neubestellung eines Pflichtverteidigers ist daher dem Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG nicht unterworfen. Aus diesem Grunde war die Sache der Beschwerdekammer zur Entscheidung über die gegen die durch das Amtsgericht getroffene Entscheidung erhobene Beschwerde zurückzugeben.