Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 15.02.2002, Az.: 4 B 4238/01
Lebensunterhalt; Promotionsstudiengang; Wechsel des Aufenthaltszwecks
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 15.02.2002
- Aktenzeichen
- 4 B 4238/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 42870
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs 2 Nr 2 AuslG
- § 28 Abs 3 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die Aufnahme eines Promotionsstudiums stellt gegenüber einem Magisterstudium in derselben Fachrichtung einen Wechsel des Aufenthaltszwecks dar.
2. Zu Ausnahmen vom Regelversagungsgrund des § 28 Abs. 3 AuslG.
3. Freiwillige Leistungen Dritter können bei der im Rahmen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG anzustellenden Prognose, ob der Ausländer in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt zu sichern nicht berücksichtigt werden.
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. Diese Entscheidung ergeht gerichtgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4090,34 Euro (entspricht 8.000,00 DM) festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 05. Dezember 2001 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 02. November 2001 bezüglich der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis wiederherzustellen und bezüglich der Abschiebungsandrohung anzuordnen,
hat keinen Erfolg.
Die im Rahmen dieses wegen der Fiktionswirkung des § 69 Abs. 3 Nr. 2 AuslG statthaften Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem privaten Interesse der Antragstellerin, einstweilen von dem Vollzug der angefochtenen Verfügung verschont zu bleiben und dem durch die Antragsgegnerin vertretenen öffentlichen Interesse an der sofortigen Umsetzung des Bescheides (§ 72 Abs. 1 AuslG) geht zu Lasten der Antragstellerin aus. Denn an der Rechtmäßigkeit der Verfügung vom 02. November 2001 bestehen im Ergebnis keine durchgreifenden Zweifel.
Das Begehren der Antragstellerin, die ihr erstmals am 25. April 1996, zuletzt bis zum 15. Mai 2001 gültige Aufenthaltsbewilligung zu verlängern bzw. ihr eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, ist mit der angefochtenen Verfügung der Antragsgegnerin voraussichtlich zu Recht abgelehnt worden.
Die Antragstellerin begehrt die Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung für die Durchführung des Promotionsstudienganges ..., den sie seit dem Sommersemester 2001 absolviert, nachdem sie zuvor ihr Studium der ...., für das ihr von der Antragsgegnerin in der Vergangenheit die Aufenthaltsbewilligung erteilt worden war, mit der Magisterprüfung erfolgreich am 10. Januar 2001 abschlossen hatte.
Dieses Begehren ist an dem rechtlichen Maßstab des § 28 Abs. 3 AuslG zu messen. Die Voraussetzungen für die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung sowie diejenigen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis liegen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vor.
Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 AuslG kann einem Ausländer in der Regel vor seiner Ausreise die Aufenthaltsbewilligung nicht für einen anderen Aufenthaltszweck erneut erteilt oder verlängert werden. Die Durchführung des Promotionsstudiengangs stellt einen anderen Aufenthaltszweck dar als die Durchführung des Magisterstudiengangs.
Der Aufenthaltszweck wird durch den konkreten Ausbildungsgang bestimmt, den der Ausländer nimmt (GK-AuslR, § 28 Rdnr. 29; Kloesel/Christ/Häußer, AuslR, § 28 Rdnr. 40; Renner, AuslR, 7. Aufl. § 28 Rdnr. 6). Eine Promotion, wie sie die Antragstellerin erstellen will und ein damit zusammenhängendes Promotionsstudium ändert den Aufenthaltszweck nur dann nicht, wenn sie als Nachweis des Abschlusses einer Ausbildung üblich ist. Ist die Promotion hingegen ein zusätzlicher, für die Berufsausübung nicht erforderlicher Nachweis einer wissenschaftlichen Qualifikation, handelt es sich um eine Zweitausbildung und liegt ein Wechsel im Aufenthaltszweck vor (Hailbronner, AuslR, § 28 Rdnr. 29; GK-AuslR, § 28 Rdnr. 35; Kloesel/Christ/Häußer, AuslR, § 28 Rdnr. 40; Renner, a.a.O.).
Nach Aktenlage und auch nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin ist die Promotion weder für die Ausübung des Lehrerberufs noch für ihr berufliches Ziel, in Georgien Deutschlehrer auszubilden notwendige Voraussetzung. Vielmehr handelt es sich um eine - möglicherweise sinnvolle - zusätzliche wissenschaftliche Qualifikation, so dass ein Wechsel im Aufenthaltszweck vorliegt.
Es greift somit der Regelversagungsgrund des § 28 Abs. 3 Satz 1 AuslG ein. Die Antragsgegnerin ist bei der Ausübung ihres durch diese Bestimmung gebundenen Ermessens allerdings durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz (AuslG-VwV) vom 28. Juni 2000 (GMBl 2000, 618) gebunden. Nach Abschnitt 28.5.4.3 und 28.5.4.3.2 dieser Bestimmungen wird nach erfolgreichem Abschluss einer Ausbildung in Deutschland eine Ausnahme vom Regelversagungsgrund des § 28 Abs. 3 Satz 1 AuslG zugelassen und eine Aufenthaltsbewilligung ohne vorherige Ausreise bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen (§§ 7 und 8 AuslG) erneut erteilt oder verlängert, wenn die Hochschule bescheinigt, dass dem Antragsteller die Annahme als Doktorand zugesichert worden ist und an der Promotion ein wissenschaftliches Interesse besteht oder die Promotion die Möglichkeiten eines fachgerechten Einsatzes des Ausländers in seinem Herkunftsland wesentlich verbessert. Eine solche Bescheinigung, ausgefüllt durch die das Promotionsvorhaben betreuende Frau Prof. Dr. K, hat die Antragstellerin hier vorgelegt. Allerdings scheitert die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung daran, dass die Antragstellerin nicht die allgemeinen Voraussetzungen der §§ 7 und 8 AuslG erfüllt. Die Antragstellerin hat nicht belegen können, dass sie ihren Lebensunterhalt aus eigenen oder Fremdmitteln bestreiten kann, so dass der Regelversagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG eingreift.
Die Antragstellerin verfügte im Dezember 2001 nach eigenen Angaben noch über einzusetzendes Vermögen in Höhe von ca. 7.000,00 DM. Bei einer angenommenen Promotionsdauer von vier Jahren, wie sie in der Bescheinigung von Frau Prof. Dr. K. als realistisch eingeschätzt wurde, stünden der Antragstellerin hieraus monatlich etwa 170,00 DM (etwa 87 Euro) zur Verfügung. Dies reicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes ersichtlich nicht aus. Eine wirksame Verpflichtungserklärung nach § 84 AuslG liegt zugunsten der Antragstellerin seit dem 18. Februar 2001 nicht mehr vor. Zwar erhielt die Antragstellerin in der Vergangenheit monatlich 600,00 DM und nun 350,00 Euro von Frau Dr. S.. Bei der von der Antragsgegnerin anzustellenden Prognose, ob die Antragstellerin auch künftig in der Lage sein wird, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, kann dieser Betrag indes nicht berücksichtigt werden, weil der Zahlungsgrund nicht hinreichend sicher und somit nicht klar ist, dass der Antragstellerin diese Mittel auch künftig zufließen. Eine Erklärung nach § 84 AuslG hat Frau Dr. S. nicht abgegeben. Mit Schreiben vom 13. Februar 2002 hat Frau Dr. S. erklärt, sie sei bereit, der Antragstellerin für das laufende Jahr 2002 und das folgende Jahr 2003, soweit Leben und Gesundheit es ihr erlaubten, monatlich 350,00 Euro für ihr Graduiertenstudium zu überweisen. Diese, zudem von der Gesundheit der Leistenden abhängige Bereitschaftserklärung ist ohne rechtsverbindlichen Charakter, so dass nicht mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden kann, dass die Antragstellerin auch künftig während ihres Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland über diese Mittel verfügen wird.
Auch sonstige Einnahmen hat die Antragstellerin nicht zu erwarten. So sind die Einnahmeerwartungen aus einer Tätigkeit als Dolmetscherin für die georgische Sprache schon aus tatsächlichen Gründen nicht geeignet, von ausreichenden, den Lebensunterhalt sichernden tatsächlichen Einnahmen auszugehen. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie in der Vergangenheit aus einer Dolmetschertätigkeit überhaupt und wenn ja in welcher Höhe Einnahmen erzielt hat. Es bleibt somit auch für die Zukunft völlig unklar, ob und in welcher Höhe die Antragstellerin aus einer derartigen Tätigkeit Einnahmen wird erzielen können. Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die Antragstellerin überhaupt berechtigt wäre eine solche, in der Regel selbständige Tätigkeit auszuüben, ist für die Entscheidung des Gerichts deshalb nicht von Bedeutung.
Auch ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 5 Nr. 1 AuslG steht der Antragstellerin nicht zur Seite.
Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 AuslG kann vor Ablauf eines Jahres seit der Ausreise des Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt werden. Nach dem zweiten Halbsatz dieser Bestimmung gilt dies nicht in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs oder wenn es im öffentlichen Interesse liegt. Ein gesetzlicher Anspruch nach §§ 16 ff. AuslG liegt im Fall der ledigen Antragstellerin, die keine Verwandten in der Bundesrepublik Deutschland hat, ersichtlich nicht vor.
Auch auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses kann sich die Antragstellerin nicht berufen. Ein öffentliches Interesse setzt ein spezifisches, über die privaten Interessen des Ausländers hinausgehendes Interesse der Allgemeinheit an der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis voraus, das vor allem wirtschafts-, wissenschafts- oder kulturpolitisch begründet sein kann (Kloesel/Christ/Häußer, a.a.O., Rdnr. 45; Hailbronner, a.a.O., Rdnr. 35; GK-AuslR, a.a.O., Rdnr. 39; Renner, a.a.O., Rdnr. 12). Ein solches öffentliches Interesse lässt sich z.B. bei renommierten Wissenschaftlern oder bei Teilnahme an einem mit öffentlichen Mitteln geförderten Vorhaben bejahen. Diese Voraussetzungen liegen in der Person der Antragstellerin nicht vor. Weder handelt es sich bei ihr derzeit um eine renommierte Wissenschaftlerin noch ist ersichtlich, dass ihr Promotionsvorhaben mit öffentlichen Mitteln gefördert wird. Auf die von der Antragsgegnerin in den Mittelpunkt ihrer diesbezüglichen Überlegungen gestellte Frage, ob schon allein der Umstand, dass die Antragstellerin bereits das zweiundfünzigste Lebensjahr erreicht hat und es deshalb fraglich erscheine, ob sie ihr in der Bundesrepublik Deutschland erworbenes Wissen in Georgien überhaupt noch wird umsetzen können, kommt es deshalb entscheidungserheblich nicht an.