Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 03.07.2012, Az.: 13 B 3986/12

Anordnungsgrund; Aufrechnung; Rechtsschutz,; Rückforderung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
03.07.2012
Aktenzeichen
13 B 3986/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 44309
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.058,32 EURO festgesetzt (§§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 GKG).

Gründe

Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem die Kammer den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO mit Beschluss vom 02.07.2012 zur Entscheidung übertragen hat.

Der Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruches gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10.03.2011 wieder herzustellen,

hat keinen Erfolg.

Mit dem Bescheid vom 10.03.2011 hat die Antragsgegnerin die Anrechnung einer Altersrente des Klägers auf die Versorgung geregelt, gleichzeitig die Aufrechnung erklärt und eine ratenweise Einbehaltung der Überzahlung angekündigt. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger zwar Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden wurde, sowie am 25.05.2012 Untätigkeitsklage erhoben. Am 13.06.2012 hat die Antragsgegnerin daraufhin die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 10.03.2011 angeordnet. Am 19.06.2012 hat der Antragsteller einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bei Gericht gestellt.

Das Gericht versteht das Antragsbegehren nicht dahingehend, dass der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen die Anrechnung der Rente begehrt. In der Sache wäre dein solcher Antrag bereits deshalb abzulehnen, weil die Anrechnung bestandskräftig geworden ist und insoweit daneben auch gar kein Rechtsbehelf, dessen aufschiebende Wirkung wieder hergestellt werde könnte, vorliegt.

Im Verfahren 13 A 3814/12 hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27.06.2012 klargestellt, dass er sich nicht gegen die Anrechnung der Rente an sich, sondern nur gegen die Rückforderung im Wege der Aufrechnung und der Art und Weise des Einbehaltes der Forderung wendet. Die Klage hat nach alledem nicht die Anrechnung der Rente selbst zum Gegenstand. Aus der Begründung des Widerspruches (Schriftsatz vom 24.06.2011) ergibt sich die gleiche Zielrichtung für den Widerspruch. Die Anrechnung der Rente selbst ist mithin nicht angefochten worden, insoweit ist der Bescheid vom 10.03.2011 bestandskräftig. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Antragsgegnerin vom 13.06.2012 geht damit insoweit ins Leere.

Das Gericht versteht das Begehren des Antragstellers im vorliegenden Eilverfahren deshalb dahingehend, dass er sich auch hier - wie im Widerspruch und in seiner Untätigkeitsklage - gegen die Aufrechnung und die Billigkeitsentscheidung der Antragsgegnerin wendet und hiergegen um vorläufigen Rechtsschutz nachsucht.

Gegen eine Aufrechnung ist indes kein vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO möglich, weil es sich hierbei schon nicht um einen Verwaltungsakt handelt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 20.11.2008 - 3 C 13/08 - u.a. ausgeführt:

„Die Aufrechnung ist keine Vollziehung des Leistungsbescheides. Vollziehung ist die einseitige Durchsetzung der im Bescheid getroffenen Regelung mit hoheitlichen Mitteln, etwa im Wege der Verwaltungsvollstreckung. Damit hat die Aufrechnung nur gemein, dass auch sie eine einseitige Willenserklärung ist. Sie dient aber nicht der Durchsetzung der in dem Bescheid geregelten Forderung durch die Behörde, sondern der Erfüllung einer ganz anderen Verbindlichkeit der Behörde; dass diese Erfüllung zugleich die Befriedigung der eigenen Forderung bewirkt, ist lediglich ihre zwangsläufige Folge. Vor allem erfolgt die Aufrechnung nicht mit hoheitlichen Mitteln; sie ist vielmehr ein Gestaltungsrecht des allgemeinen Schuldrechts, das dem Staat nicht anders als jedem anderen Teilnehmer am Rechtsverkehr zusteht (stRspr; vgl. Urteile vom 13. Oktober 1971 - BVerwG 6 C 137.67 - Buchholz 232 § 87 BBG Nr. 48 S. 42 f. und vom 27. Oktober 1982 - BVerwG 3 C 6.82 - BVerwGE 66, 218 <220 f.> = Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 71 S. 12 f.).“

Das beschließende Gericht schließt sich dieser überzeugenden Rechtsprechung an. Auch der für Beamtenrecht zuständige 5. Senat des OVG Lüneburg folgt dieser Auffassung (vgl. Beschluss vom 04.07.2011 - 5 ME 195/11 -).

Nach alledem kann vorläufiger Rechtsschutz in Fällen wie den vorliegenden nicht nach § 80 Abs. 5 VwGO mit einem Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung bzw. Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels erreicht werden, sondern nur in einem Verfahren nach § 123 VwGO, gerichtet auf das Ziel, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine Aufrechnung vorläufig zu unterlassen, zu erreichen.

Ob der von einem Rechtsanwalt gestellte eindeutige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung überhaupt entsprechend umgedeutet werden kann, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden. Denn auch ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO mit dem Ziel, die Aufrechnung zu unterlassen, hat keinen Erfolg.

Eine einstweilige Anordnung kann das Gericht gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur vorläufigen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses dann erlassen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass der geltend gemachte Anspruch gegenüber der Antragsgegnerin besteht und ohne eine vorläufige Regelung wesentliche, in § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO näher beschriebene Nachteile zu entstehen drohen.

Es ist dem Antragsteller nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass diese Voraussetzungen vorliegen,§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO.

Zwar heißt es in der oben zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts weiter:

„80 Abs. 1 VwGO hindert zwar nicht die Aufrechnung als solche, wohl aber die Aufrechenbarkeit solcher Gegenforderungen, deren Bestand oder Fälligkeit ihrerseits einen Verwaltungsakt voraussetzt, sofern und solange die Vollziehung dieses Verwaltungsakts ausgesetzt ist (vgl. im Ergebnis ebenso Beschluss vom 11. August 2005 - BVerwG 2 B 2.05 - juris; BFH, Urteile vom 31. August 1995 - VII R 58/94 - BFHE 178, 306 und vom 14. November 2000 - VII R 85/99 - BFHE 193, 254; Felix, NVwZ 1996, 734). Damit ist der Behörde die Aufrechnung im vorliegenden Falle einstweilen verwehrt, weil die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung erst durch den Widerruf vorheriger Subventionsbescheide entstanden ist und die Klägerin die Widerrufsbescheide jeweils angefochten hat. Soweit dem Urteil des Senats vom 27. Oktober 1982 (a.a.O.) eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, hält er daran nicht fest“ (BVerwG, a.a.O., das OVG Lüneburg hat sich dem angeschlossen, Beschl. v. 04.07.2011, a.a.O.).

Auch insoweit folgt das beschließende Gericht dem Bundesverwaltungsgericht und dem OVG Lüneburg.

Es kann hier aber dahinstehen, ob die in dem Bescheid vom 10.03.2011 geregelte Rentenanrechnung nach § 55 BeamtVG ein für die Rückforderung rechtsgrundbildender Verwaltungsakt ist mit der Folge, dass die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage hiergegen die Aufrechenbarkeit hindern würde. Denn wie oben ausgeführt, hat der Antragsteller sich in seinem Widerspruch und seiner Untätigkeitsklage gerade nicht gegen die Anrechnung an sich gewandt, so dass diese Regelungen bestandskräftig geworden sind.

Letztendlich kommt es aber auf alle diese Fragen schon deshalb nicht an, weil der Antragsteller jedenfalls keinen Anordnungsgrund dargelegt hat. Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass die Aufrechnung zu einem nicht auszugleichenden Nachteil führt, etwa für den Antragsteller existenzbedrohend wäre. Dazu finden sich weder im Schriftsatz vom 18.06.2012 noch in den Verwaltungsvorgängen noch im Vortrag im Verfahren 13 A 3814/12 irgendwelche Anhaltspunkte.

Entsprechendes gilt für den Fall, dass das Antragsbegehren (ggf. auch) auf die vorläufige Regelung hinsichtlich der Billigkeitsentscheidung gerichtet ist, der Antragsteller mithin eine für ihn günstigere Billigkeitsentscheidung wie etwa geringere Raten erreichen möchte. Insoweit ist ebenfalls kein Anordnungsgrund erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1 und 53 Abs. 2, 52 Abs. 3 GKG. Die streitige Überzahlung beläuft sich auf 6.116,64 €. Im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Eilverfahrens wird hiervon die Hälfte angesetzt.