Amtsgericht Osnabrück
Beschl. v. 20.05.1998, Az.: 29 II 316/98

Begriff der anwaltlichen Angelegenheit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes; Einheitlicher Auftrag eines Beratungshelfers bei Tätigwerden für mehrere asylsuchende Personen; Untrennbare Verbindung des Bleiberechts der Kinder mit dem der Eltern im Asylverfahren

Bibliographie

Gericht
AG Osnabrück
Datum
20.05.1998
Aktenzeichen
29 II 316/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 15204
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGOSNAB:1998:0520.29II316.98.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
LG Osnabrück - 30.06.1998 - AZ: 9 T 106/98

Fundstelle

  • NVwZ 2000, 23

Tenor:

Die Erinnerung des Rechtsanwaltes Dr. Nüßlein vom 26.02.1998 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Osnabrück vom 18.02.1998 wird zurückgewiesen.

Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

1

Der Beratungshelfer hat die Eheleute ... sowie deren 7 minderjährige Kinder im Hinblick auf die Erteilung einer Duldung nach rechtkräftigem Abschluß des Asylverfahrens vertreten.

2

Für diese Tätigkeit hat er die Festsetzung einer Gebühr gemäß § 132 Abs. 2 BRAGO sowie eine Erhöhungsgebühr gemäß § 6 BRAGO für 7 weitere Auftraggeber beantragt.

3

Durch Beschluß des Rechtspflegers vom 18.02.1998 wurde die Festsetzung der Erhöhungsgebühr gemäß § 6 BRAGO wegen fehlender Gegenstandsidentität abgelehnt.

4

Dagegen wendet sich die Erinnerung des Beratungshelfers.

5

Die Erinnerung ist zulässig aber unbegründet.

6

Vorliegend liegt eine Angelegenheit mit mehreren Gegenständen vor.

7

Unter einer Angelegenheit ist nach der Rechtsprechung des BGH das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Damit ist nicht identisch der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit. Es muß ein einheitlicher ggf. auch von mehreren erteilter Auftrag vorliegen, der gleiche Rahmen muß eingehalten werden und ein innerer Zusammenhang muß bestehen. Die Duldung nach abgeschlossenem Asylverfahren ist ein aus dem Asylverfahren hergeleitetes Recht. Das Asylverfahrensgesetz kennt nur einen Individualanspruch des einzelnen Antragstellers auf Asyl für sich selbst, nicht aber einen Anspruch auf Familienasyl. Das bedeutet, daß der Beratungshelfer für jedes einzelne Mitglied wegen seines je eigenen Rechtes auf Duldung tätig geworden ist. Es handelt sich daher also um eine Mehrheit sowohl von Auftraggebern wie von Gegenständen. Wegen dieser Mehrheit der Gegenstände scheidet ein Mehrvertretungszuschlag gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO aus.

8

Der Tätigkeit des Beratungshelfers lag ein einheitlicher Auftrag zugrunde. Die Ausführung des Auftrags hielt sich in einem einheitlichen Rahmen. Auch ein innerer Zusammenhang liegt vor. Während bei der Vertretung Asylsuchender im eigentlichen Asylverfahren die Bearbeitung durch den Beratungshelfer im Hinblick auf mehrere Familienmitglieder als Tätigkeit in mehreren Angelegenheiten anzusehen ist, wenn die Auftraggeber eigene Verfolgungsschicksale geltend machen (vgl. Landgericht Osnabrück 7 T 76/94), ist die Sach- und Rechtslage vorliegend anders zu beurteilen. Für die Aufenthaltsgestattung bei schwebenden Verfahren, sowie die Duldung nach Abschluß des Asylverfahrens wird durch das Ausländerrecht eine enge materiell-rechtliche Verbindung der Ansprüche der Familienmitglieder geknüpft. Als Ausfluß von Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz wird sowohl dem Ehegatten als auch den minderjährigen Kindern für die Dauer des Asylverfahrens sowie für die Dauer der Vorbereitungszeit der Ausreise ein Bleiberecht zugebilligt. Das bedeutet, daß das Bleiberecht der Kinder untrennbar mit dem der Eltern verbunden ist. Eine Abschiebung der minderjährigen Kindern ohne die Eltern ist grundsätzlich nicht denkbar. Aus der Akte ergibt sich darüber hinaus nicht, daß für den Ehegatten besondere Duldungsgründe geltend gemacht worden sind.

9

Für die Frage der Aufenthaltsgestattung für die Dauer des Asylverfahrens sowie die Frage der Duldung nach abgeschlossenem Asylverfahren zur Klärung der Rückführung ist daher anders als für die Frage der Vertretung der Asylberechtigten im Asylverfahren selbst davon auszugehen, daß eine Angelegenheit mit mehreren Gegenständen vorliegt (vgl. Landgericht Berlin Rechtspfleger 1996, 464, 466).

10

Auch aus der Entscheidung des Landgerichts Koblenz vom 14.08.1996 ergibt sich keine andere Beurteilung. Dieser Entscheidung lag eine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren gegen einen Bescheid des Sozialamtes zugrunde. Daß in diesem Fall eine Gegenstandidentität vorliegt und dies für eine Vertretung im Rahmen der Duldung ebenso zu sehen ist, ergibt sich aus der genannten Entscheidung nicht.

11

Die Erinnerung war somit zurückzuweisen.

Meyer