Amtsgericht Osnabrück
Urt. v. 02.12.1998, Az.: 42 C 427/98

Vorliegen einer gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3, 2. Alt. Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) bei Befahren eines Betriebsgeländes zur Erkundung des Weges zu einer Abladestelle durch einen Mitarbeiter eines anderen Unternehmens; Haftungsausschluss nach § 106 Abs. 3, 2. Alt. SGB VII ; Gemeinschaftliche Nutzung eines Betriebsgeländes bei Weisungsgebundenheit des Schädigers gegenüber dem Geschädigten

Bibliographie

Gericht
AG Osnabrück
Datum
02.12.1998
Aktenzeichen
42 C 427/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 16662
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGOSNAB:1998:1202.42C427.98.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
LG Osnabrück - 28.04.1999 - AZ: 6 S 6/99

In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Osnabrück
auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 1998
durch
den Richter am Amtsgericht Havliza
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.237,90 DM nebst 4 % Zinsen ab dem 17.07.1998 nebst 20,00 DM vorgerichtlicher Kosten zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

  2. 2.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 92 %, die Klägerin zu 8 %.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar - für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 9.200,00 DM: der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Entscheidungsgründe

1

Abs. 1 EFZG. Die Klägerin hat auf Grund des Unfalls 7.237,90 DM Entgeldfortzahlung geleistet in dieser Höhe ist gemäß § 6 Abs. 1 EFZG der Schadensersatzanspruch des verletzten Mitarbeiters gegen die Beklagte wegen seines Verdienstausfalls auf die Klägerin übergegangen.

2

Die Beklagte haftet gemäß § 831 Abs. 1 BGB für die durch ihren Mitarbeiter verursachten Schaden. Der Gabelstaplerfahrer war Verrichtungsgehilfe der Beklagten und hat in Ausführung der Verrichtung dem Mitarbeiter der Klägerin widerrechtlich einen Schaden im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB zugefügt. Der Gabelstaplerfahrer hat den Mitarbeiter der Klägerin angefahren, und dadurch dessen Gesundheit verletzt. Die Widerrechtlichkeit der Handlung wird durch die Rechtsverletzung indiziert.

3

Die Beklagte kann sich nicht auf einen Haftungsausschluß gemäß § 106 Abs. 3, 2. Alt. SGB VII berufen, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Nach § 106 Abs. 3, 2. Alt. in Verbindung mit § 104 Abs. 1 SGB VII haftet ein Unternehmer nicht für Personenschäden, die durch eine betriebliche Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte entstanden sind. Der Unfall ereignete sich nicht auf einer gemeinsamen Betriebsstätte gemäß § 106 Abs. 3, 2. Alt. SGB VII. Die Betriebsstätte der Beklagten wurde nicht dadurch zu einer gemeinsamen Betriebsstätte mit der Klägerin, daß der Mitarbeiter der Klägerin mit seinem Lkw auf das Betriebsgelände fuhr und nach dem Weg zu seiner Abladestelle fragte.

4

Der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte ist eng auszulegen. Der Haftungsausschluß des § 106 SGB VII stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz der Verantwortlichkeit des Schädigers dar (vgl. Maschmann, Haftung und Haftungsbeschränkung bei Arbeitsunfällen, Die Sozialgerichtsbarkeit 1998, S. 59, Steinfeltz, Berufsgenossenschaft 1997, S. 379). Auch die systematische Stellung dieses Haftungsausschlusses spricht für eine enge Auslegung. Neben der Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte ist in § 106 Abs. 3 SGB VII der Haftungsausschluß für den seltenen Sonderfall der Hilfe bei Unglücksfällen und im Rahmen des Zivilschutzes geregelt.

5

Die Beklagte hat die Voraussetzung einer gemeinschaftlichen Nutzung des Betriebsgeländes nicht dargetan. Sie hat unwidersprochen vorgetragen, ihr Vorarbeiter sei gegenüber dem Mitarbeiter der Klägerin weisungsbefugt gewesen. Somit hatte sich der Mitarbeiter der Klägerin unterzuordnen. Eine gemeinsame Betriebsstätte setzt jedoch vom Wortlaut eine gemeinschaftliche kooperative Nutzung voraus. Diese ist geprägt durch ein partnerschaftliches Zusammenarbeiten in Form eines gleichgeordneten Miteinanders.

6

Den zugesprochenen Betrag hat die Beklagte gemäß §§ 284, 288 BGB seit dem 17.07.1998 mit 4 % zu verzinsen. An diesem Tag geriet die Beklagte aufgrund der Mahnung der Klägerin unter Fristsetzung zum 16.07.1998 in Verzug.

7

Ein weitergehender Zinsanspruch steht der Klägerin nicht zu. Ihre Behauptung, ihr sei ein den gesetzlichen Zinssatz übersteigender Zinsschaden entstanden, hat sie trotz wirksamen Bestreitens der Beklagten nicht zulässig unter Beweis gestellt.

8

Gemäß §§ 284, 286 BGB hat die Beklagte der Klägerin 20,00 DM für vorgerichtliche Kosten zu ersetzen. Diesen Betrag hat die Klägerin nach ihrem unwidersprochenen Vortrag für einen nach Verzugseintritt eingeholten Handelsregisterauszug aufwenden müssen, daher hat die Beklagte diese Kosten als Verzugsschaden zu ersetzen.

9

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 92 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Havliza