Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 23.03.2023, Az.: L 12 R 30/22

Unzulässigkeit der Berufung wegen Fristversäumnis

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
23.03.2023
Aktenzeichen
L 12 R 30/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 26223
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - 17.12.2020 - AZ: S 82 R 418/20

In dem Rechtsstreit
B.
- Kläger und Berufungskläger -
gegen
C.
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
hat der 12. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 23.3.2023 in Bremen durch den Richter am Landessozialgericht Dr. D. sowie die ehrenamtliche Richterin E. und den ehrenamtlichen Richter F.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 17.12.2020 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der 1957 geborene Kläger hat am 3.9.2020 vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg Klage "auf sofortige Zahlung der Erwerbunfähigkeitsrente (Antrag aus 02.2017)" erhoben.

Die Beklagte hat dem Begehren des Klägers entgegengehalten, sie habe "in Ermangelung eines Rentenantrages kein Verwaltungsverfahren nebst Bescheiderteilung und Widerspruchsverfahren durchgeführt".

Das SG hat daraufhin gegenüber den Beteiligten erklärt, dass jedenfalls die Klageschrift einen formlosen Rentenantrag enthalte. Im Anschluss hat die Beklagte dem Kläger die erforderlichen Vordrucke übersandt. Am 28.10.2020 sind diese vom Kläger ausgefüllt beim SG eingegangen, das sie an die Beklagte weitergeleitet hat.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.12.2020, dem Kläger ausweislich Postzustellurkunde (letzte Seite des PKH-Beihefts) zugestellt am 19.12.2020, hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, diese sei bereits unzulässig, da kein streitiges Rechtsverhältnis erkennbar sei, gegen das sich der Kläger mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage bzw. Untätigkeitsklage wenden könne. Es finde sich kein Rentenantrag aus Februar 2017.

Mit Schriftsatz vom 9.8.2021, beim SG eingegangen am 10.8.2021, hat der Kläger Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben. Mit Schriftsatz vom "23.02.2020", beim Landessozialgericht (LSG) eingegangen am 2.3.2022, hat er den Dienststellenleiter aufgefordert, persönlich zu erscheinen und zu erklären, weshalb seine Widersprüche nicht bearbeitet würden. Er hat erklärt, den Rentenantrag per Einschreiben versandt und in Kopie vorliegen zu haben. Der letztgenannte Schriftsatz ist beim LSG als Berufung eingetragen worden. Auf wiederholte Nachfrage des Senats vom 30.3.2022 bzw. vom 24.5.2022 hat der Kläger am 14.6.2022 geantwortet, "selbstverständlich" handele es sich um eine Berufung. Er benötige dringend ärztliche Hilfe, verfüge aber seit 2017 über keinen Krankenversicherungsschutz.

Der Kläger hat keinen Antrag formuliert.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise

sie abzuweisen.

Mit Schreiben vom 30.3.2022, vom 16.6.2022 und vom 12.7.2022 hat der Senat den Kläger darauf hingewiesen, dass mit seinem am 2.3.2022 eingegangenen Schriftsatz die Berufungsfrist von einem Monat nicht gewahrt sein dürfte.

Mit Bescheid vom 26.8.2022 hat die Beklagte dem Kläger eine Altersrente für langjährig Versicherte ab März 2022 bewilligt. Am 19.9.2022 hat der Kläger beim LSG einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Er hat vorgetragen, ihm sei zwar die Rente bewilligt worden, er habe aber kein Geld erhalten. Diesen Antrag hat das LSG mit Beschluss vom 22.12.2022 abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten zum hiesigen Verfahren und zu den Verfahren zu den Aktenzeichen L 12 R 95/22 ER, L 2 KN 48/10, L 12 R 145/12 B ER, S 8 R 250/12 und L 12 R 26/15 sowie der Auszüge aus der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die der Entscheidungsfindung des Senats zugrunde gelegen haben.

Entscheidungsgründe

Der Senat hat über die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 SGG in der Besetzung mit seinem Berichterstatter und den ehrenamtlichen Richtern entscheiden können, nachdem er sie nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 20.9.2022 entsprechend übertragen hatte.

Der Kläger hat weder schriftsätzlich noch im Termin zu mündlichen Verhandlung einen Antrag formuliert. Seinem Vorbringen insgesamt ist jedoch im Wege der Auslegung zu entnehmen, dass er hat beantragen wollen, den Gerichtsbescheid des SG Oldenburg vom 17.12.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm auf seinen "Antrag aus 02/2017" eine Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Berufung ist bereits unzulässig, weil sie nicht innerhalb der für sie geltenden Frist von einem Monat nach Zustellung des erstinstanzlichen Gerichtsbescheides (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden ist. Denn der Gerichtsbescheid des SG vom 17.12.2020 ist dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde bereits am 19.12.2020 zugestellt worden. Die einmonatige Berufungsfrist hat demnach am 19.1.2021 geendet. Es kann dahinstehen, ob bereits die Dienstaufsichtsbeschwerde des Klägers vom 9.8.2021 (beim SG eingegangen am 10.8.2021) oder der Schriftsatz vom "23.02.2020" (beim LSG eingegangen am 2.3.2022) oder aber erst der Schriftsatz vom 12.6.2022 (beim LSG eingegangen am 16.6.2022) eine Berufung enthalten hat. Denn alle genannten Schriftsätze sind erst nach dem 19.1.2021 bei Gericht eingegangen. Dass dem Kläger der Gerichtsbescheid erst später als auf der Postzustellungsurkunde ausgewiesen zugestellt worden sei oder aber, dass er bereits vor dem 20.1.2021 Berufung eingelegt habe, hat er trotz der wiederholten Hinweise des Senats auf die Fristenproblematik nicht geltend gemacht.

Die Berufung ist daher nach § 158 Abs. 1 Satz 1 SGG zu verwerfen gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.