Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 06.07.2000, Az.: 3 A 3239/98

Bewilligung von Bekleidungsbeihilfe und der Beihilfe zur Ausrichtung einer Hochzeitsfeier nach § 15b Bundesozialhilfegesetz (BSHG); Rechtsgrundlage für laufende Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt und einmalige Beihilfen

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
06.07.2000
Aktenzeichen
3 A 3239/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 33706
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2000:0706.3A3239.98.0A

Fundstelle

  • ZfF 2001, 252

Verfahrensgegenstand

laufende HLU (Mai 1998),
Heizkostenbeihilfe (Rechnung vom 20.04.1998),
Beihilfe zur Bewirtung von Hochzeitsgästen

In der Verwaltungsstreitsache
...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 3. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2000
durch
die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Zschachlitz,
den Richter am Verwaltungsgericht Meyer und
die Richterin am Verwaltungsgericht Schlingmann-Wendenburg sowie
die ehrenamtlichen Richter Schulze und Rösch
für Recht erkannt:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Parteien die Hauptsache für erledigt erklärt haben und die Klage zurückgenommen worden ist.

Im Übrigen wird der Beklagte verpflichtet, der Klägerin zu 1) die gewährten Beihilfen für Bekleidung und die Ausrichtung einer Hochzeitsfeier zuschussweise unter Aufhebung der insoweit entgegenstehenden Bescheide über eine darlehensweise Gewährung zu bewilligen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren laufende Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt sowie einmalige Beihilfen.

2

Nachdem die Klägerin zu 1) und ihre zwei bei ihr lebenden Kinder aus erster Ehe seit dem Dezember 1997 Leistungen der Sozialhilfe in Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bezogen hatten, stellten sie am 06.04.1998 einen neuen Antrag auf Bewilligung laufender Hilfe zum Lebensunterhalt. Am 21.04.1998 beantragten sie die anteilige Übernahme einer Gasrechnung (Endabrechnung) für die von ihnen vor dem März 1998 bewohnte Wohnung. Mit Schreiben vom 29.04.1998, eingegangen bei der im Auftrage des Beklagten handelnden Samtgemeinde Grasleben am 30.04.1998, beantragten sie die Bewilligung von Bekleidungsbeihilfen sowie einer Beihilfe zur Bewirtung von Gästen im Rahmen der am 29.05.1998 geplanten Eheschließung der Klägerin zu 1).

3

Mit Bescheid vom 07.05.1998 lehnte die Samtgemeinde ..., im Auftrage des Beklagten die Bewilligung laufender Hilfe mit der Begründung ab, dass die Kläger ihre laufende Hilfe aus der Unterstützung der Eltern der Klägerin zu 1) bestreiten könnten und die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus überschießendem Kindergeld, das die Kläger zu 2) und 3) neben den Leistungen nach UVG bezogen.

4

Gegen diesen Bescheid haben die Kläger mit Schreiben vom 08.05.1998 Widerspruch erhoben.

5

Für die Kläger zu 2) und 3) ist eine Bekleidungsbeihilfe in Höhe von jeweils 180,- DM im Juni 1998 bewilligt worden. Die Bewilligung der Bekleidungsbeihilfe für die Klägerin zu 1) erfolgte mit Bescheid vom 29.06.1998 in Höhe von 180,- DM als Darlehen nach § 15 b BSHG. Offenbar ebenfalls mit Bescheid vom 29.06.1998 (der Verwaltungsvorgang liegt dem Gericht insoweit leider nicht vor) wurde eine Beihilfe in Höhe von 75,- DM zur Bewirtung der Hochzeitsgäste ebenfalls als Darlehen bewilligt, die Übernahme der Gaskosten für die vor dem März 1998 bewohnte Wohnung wurde abgelehnt. Mit Schriftsatz vom 02.09.1998 hat der Beklagte dem Gericht mitgeteilt, laufende Hilfe für Mai 1998 werde bewilligt.

6

Über die von den Klägern eingelegten Widersprüche ist nicht entschieden.

7

Am 18.08.1998 haben die Kläger Klage erhoben.

8

Die Kläger beantragen,

den Beklagten zu verpflichten, den Klägern Beihilfen für Bekleidung und die Ausrichtung einer Hochzeitsfeier zuschussweise und nicht darlehensweise zu bewilligen.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Die Beteiligten haben das Verfahren übereinstimmend insoweit für erledigt erklärt, als die Bewilligung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt für Mai 1998 im Streit war und soweit sich die Klage zunächst gegen die Ablehnung der Bekleidungsbeihilfe in Höhe von jeweils 180,- DM für die Kläger zu 2) und 3) richtete. Soweit die Übernahme der Gasrechnung beantragt war, haben die Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung die Klage zurückgenommen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, die Gerichtsakte 3 A 3122/98 sowie die Vorgänge der Samtgemeinde Grasleben und des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren der Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

12

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben und soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben, ist das Verfahren einzustellen.

13

Im Übrigen hat die als Untätigkeitsklage zulässige Klage in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

14

Die Bewilligung der Bekleidungsbeihilfe und der Beihilfe zur Ausrichtung der Hochzeitsfeier erfolgte zu Unrecht im Darlehenswege, die Voraussetzungen des § 15 b BSHG liegen nicht vor. Eine darlehensweise Bewilligung kann auf der Grundlage des § 15 b BSHG nur für die laufenden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt, nicht für die hier streitgegenständlichen einmaligen Beihilfen geschehen. Das Gericht schließt sich der vom VGH Baden-Württemberg (FEVS 47, 216, 218) vertretenen Auffassung, § 15 b BSHG beziehe sich auch auf die einmaligen Beihilfen, nicht an. Die Begründung des VGH Baden-Württemberg, die Möglichkeit einer darlehensweisen Bewilligung ergäbe sich aus § 4 Abs. 2 BSHG, wonach über Form und Maß der Sozialhilfe nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden ist, soweit das Gesetz das Ermessen nicht ausschließt, überzeugt das erkennende Gericht nicht. Diese Auffassung lässt sich mit dem Wortlaut des § 15 b BSHG nur schwer vereinbaren. § 15 b BSHG bezieht sich seinem Wortlaut nach ausdrücklich auf laufende Leistungen zum Lebensunterhalt. Nach § 21 Abs. 1 BSHG wird Hilfe zum Lebensunterhalt durch laufende und einmalige Leistungen gewährt. Der Gesetzgeber verwendet also den Begriff laufende Leistungen ausdrücklich gegensätzlich zu dem Begriff einmalige Leistungen. Dies wird auch gestützt durch die vom Prozessbevollmächtigten der Kläger angeführte Unterscheidung zwischen der Fassung des § 15 b BSHG, die Gesetz geworden ist, und der Fassung, die im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens vorgeschlagen war (vgl. Anl. zum Schriftsatz der Kläger vom 25.09.1998). Der Vorschlag lautete zunächst: "Besteht der Bedarf des Hilfesuchenden voraussichtlich kürzere Zeit, soll die Sozialhilfe als Darlehen gewährt werden." Gegenüber diesem weiten Begriff "Sozialhilfe" definiert § 15 b BSHG die von ihm geregelten Leistungen ausdrücklich als laufende Leistungen.

15

Diese sich aus dem Wortlaut ergebende Auslegung wird gestützt durch die Systematik des Gesetzes. Wenn die Auffassung des VGH Baden-Württemberg zuträfe, eine Rechtsgrundlage für darlehensweise Bewilligung von Sozialhilfe ergebe sich bereits aus § 4 Abs. 2 BSHG, wären die Regelungen des § 89 BSHG, des § 26 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz und auch die Regelung des § 21 Abs. 2 Satz 2 BSHG überflüssig. Aus dem Gesamtzusammenhang dieser Regelungen ergibt sich, dass der Gesetzgeber des BSHG selbst davon ausgeht, dass eine darlehensweise Bewilligung von Leistungen der Sozialhilfe nur erfolgen kann, wenn es dafür eine ausdrückliche Rechtsgrundlage gibt. Dies entspricht der Systematik des BSHG insgesamt, Personen, die der Sozialhilfe bedürfen, grundsätzlich nicht, wenn sie den Sozialhilfebezug beenden können, mit Schulden zu belasten.

16

Danach haben die Kläger einen Anspruch darauf, dass die hier streitgegenständlichen Beihilfen als Zuschuss bewilligt werden, nachdem - wie in den Bescheiden über die darlehensweise Bewilligung geschehen - der Bedarf anerkannt worden ist.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 161 Abs. 2, 155 Abs. 2 und 155 Abs. 1 VwGO.

18

Die sich auf den durch Klagerücknahme beendeten Verfahrensteil beziehende Kostenentscheidung ist gem. §§ 92 Abs. 3 Satz 2, 158 Abs. 2 VwGO unanfechtbar.

Zschachlitz
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Schlingmann-Wendenburg