Sozialgericht Braunschweig
Urt. v. 17.12.2002, Az.: S 6 KR 79/00

Bibliographie

Gericht
SG Braunschweig
Datum
17.12.2002
Aktenzeichen
S 6 KR 79/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 35568
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGBRAUN:2002:1217.S6KR79.00.0A

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

    Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme für ein Paar maßgefertigte Schuhe aus spezial gegerbtem Leder.

2

Die 1921 geborene Klägerin leidet an zahlreichen Allergien. 1995 war bei ihr das Vorliegen von MCS (Multiple Chemical Sensibility) diagnostiziert worden. Die Ursache ist unbekannt. Der Arzt K.D. R. meinte in einem Bericht vom 25. August 1999, eventuell sei ein gestörter Leberstoffwechsel hierfür verantwortlich. Am 4. Oktober 1999 beantragt die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für ein Paar handgefertigte Lederschuhe. Das mit Rhabarberwurzeln gegerbte Leder sei als einziges für sie geeignet. Sie könne keine anderen pflanzlich oder chemisch gegerbten Schuhe, so wie sie üblicherweise auf dem Markt seien, tragen. Beim Tragen dieser normalen Schuhe sei es zu Augenbrennen, Brennen im Bereich der Mundschleimhäute, Ohrendruck, stechenden Schmerzen im Bereich der Haut, Wundsein im Genitalbereich und Ausschlag im Dekolettebreich gekommen. Die Klägerin habe deshalb jahrelang zahlreiche Schuhe von sogenannten Naturherstellern getestet. Sie sei jedoch auch gegen das Leder dieser Schuhe allergisch und bekomme die oben beschriebenen Symptome. Einzig bei mit Rhabarberwurzel gegerbtem Leder der Firma Sch. aus E. blieben diese Symptome aus. Sie habe mit der Firma B. in P. einen orthopädischen Schuhtechniker gefunden, der bereit sei, ihr Schuhe aus diesem Leder anzufertigen. Sie legte einen Kostenvoranschlag des Orthopädieschuhtechnikers B. vom 30. September 1999 über 2.036,89 DM vor.

3

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Dr. B. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen (MDKN) vom 17. November 1999 ein. Dieser meinte, eine Kausalität zwischen den Beschwerden und den Schuhen sei eher unwahrscheinlich. Mit Bescheid vom 30. Dezember 1999 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Schuhe seien Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens und damit als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und meinte, es handele sich in ihrem speziellen Fall um kein allgemeines Gebrauchsgut, sondern um eine lebensnotwendige Anschaffung. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Schuhe seien nur dann als Hilfsmittel zu werten, wenn es sich um orthopädische Maßschuhe handele. Das sei hier nicht der Fall.

4

Dagegen hat die Klägerin am 25. April 2000 Klage erhoben. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und legt eine Rechnung der Firma B. vom 22. Februar 2000 vor.

5

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 30. Dezember 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2000 aufzuheben,

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2. die Beklagte zu verurteilen, ihr 2.036,89 DM (= 1.041,45 €) zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und verweist auf die gesetzlichen Vorgaben und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.

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Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet.

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Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist nicht rechtswidrig. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Anspruchsgrundlage des Kostenerstattungsbegehrens kann nur § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sein. Danach hat die Krankenkasse dem Versicherten die notwendigen Kosten einer selbstbeschafften Leistung zu erstatten, die diesem dadurch entstanden sind, dass die Kasse die Erbringung dieser Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Ein solcher Kostenerstattungsanspruch setzt voraus, dass zunächst die Ablehnung der Leistungsgewährung durch die Krankenkasse erfolgt ist und der Versicherte sich das streitbefangene Hilfsmittel erst danach selbst beschafft hat. Denn andernfalls könnte die in § 13 Abs. 3 Alternative 2 SGB V vorausgesetzte notwendige Kausalität (der vorausgesetzte Ursachenzusammenhang) zwischen der rechtswidrigen Ablehnungsentscheidung und dem Entstehen von Kosten des Versicherten nicht bestehen. Dem hatte die Klägerin Rechnung getragen. Sie hatte die Schuhe zunächst als Sachleistung beantragt und erst nach dem Ablehnungsbescheid vom 30. Dezember 1999 sich die Schuhe bei dem Orthopädieschuhmacher B. selbst beschafft (dessen Rechnung vom 22. Februar 2000).

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Der Kostenerstattungsanspruch setzt aber notwendigerweise voraus, dass der Versicherte ohne die Selbstbeschaffung einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung gehabt hätte. Das ist hier nicht der Fall. Zwar haben Versicherte gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen (§ 33 Abs. 1 SGB V). Dies gilt jedoch nur, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind (§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Schuhe sind als Bekleidungsstücke prinzipiell Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. Als einzige Ausnahme hierzu sind in den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittelrichtlinien) unter der Produktgruppe 31 orthopädische Maßschuhe aufgeführt. Um solche handelt es sich erkennbar hier nicht. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schuhe - auch - wegen Fußverwachsungen oder anderer orthopädischer Leiden medizinisch notwendig waren. Dies lässt sich bereits deshalb nicht feststellen, weil es keine ärztliche Verordnung gibt. Auch schon deshalb kann der geltend gemachte Anspruch der Klägerin nicht bestehen. Ein in einen Kostenerstattungsanspruch umgewandelter Sachleistungsanspruch kann nämlich grundsätzlich nur dadurch begründet werden, dass ein Vertragsarzt das Hilfsmittel auf Kassenrezept verordnet und damit die Verantwortung für die Behandlung übernimmt, nach der Rechtsprechung des BSG ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang der §§ 15 Abs. 1, 31, 32 und 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V, dass der Anspruch auf Versorgung mit Arznei- oder Heilmitteln von einer ärztlichen Verordnung abhängig ist und dies auch im Rahmen des Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs. 3 SGB V gilt (BSG SozR 3 - 2500 § 13 Nr. 13 S. 65). Dies gilt auch für selbstbeschaffte Hilfsmittel (Peters, in Peters: Handbuch der Krankenversicherung § 13 Rdnr 42, LSG Niedersachsen, Urteil vom 26. August 1998, L 4 KR 163/97).

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Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.