Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.09.1995, Az.: 17 L 4839/94

Personalrat; Anweisung zur Hebung der Arbeitsleistung; Arbeitsamt; Intensivierung von Leistungskontrollen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.09.1995
Aktenzeichen
17 L 4839/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 14140
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1995:0920.17L4839.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 31.05.1994 - 11 A 25/93

Fundstellen

  • PersR 1996, 366
  • ZBR 1996, 98
  • ZfPR 1997, 54 (amtl. Leitsatz)
  • ZfPR 1997, 17 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Personalvertretungsrecht des Bundes - Verletzung des Mitbestimmungsrechts -.

Amtlicher Leitsatz

Eine Dienstanweisung zur vorübergehenden Intensivierung der Leistungskontrollen im Arbeitsamt ist nicht auf eine Hebung der Arbeitsleistung gerichtet, wenn sie gleichzeitig anordnet, daß für diesen Zeitraum alle sonstigen Aufgabenerledigungen auf ein unerläßliches Maß zurückzunehmen sind.

In der Personalvertretungssache
hat der 17. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes -
auf die mündliche Anhörung vom 20. September 1995
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die ehrenamtlichen Richter Bundesbahndirektor Domdey, Regierungsamtsrat Brinkmann, Techn. Bahnamtsrat Born und Wiss. Angestellter Esser
fürRecht erkannt:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen - vom 31. Mai 1994 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller erstrebt die Feststellung seines Mitbestimmungsrechts an einer Dienstanweisung.

2

Mit der am 24. Juni ergänzten Dienstanweisung ... vom ... setzte der Beteiligte zwei Runderlasse der Bundesanstalt für Arbeit vom 25. Februar 1993 und 23. März 1993 um, in denen angeordnet wurde, daß zur verstärkten Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Leistungsmißbrauch vorübergehend für ein halbes Jahr anstelle von vierteljährlichen monatliche Meldekontrollen durchzuführen und dafür andere Aufgaben zurückzustellen seien. Es seien hierzu vorwiegend Mitarbeiter der Abteilung AV und AB einzusetzen. Die örtlichen Personalvertretungen seien im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit über den Inhalt der Runderlasse zu informieren; die vor Ort zu treffenden Maßnahmen seien mit ihnen zu erörtern.

3

Nach einem Schriftwechsel mit dem Beteiligten und dessen Weigerung, die Dienstanweisung ... einem Mitbestimmungsverfahren zu unterziehen, hat der Antragsteller am 25. Mai 1993 das Beschlußverfahren eingeleitet und vorgetragen:

4

Die neue Art. der Meldekontrolle führe zu einer erheblichen Hebung der Arbeitsleistung der davon betroffenen Mitarbeiter, die dafür, z. T. von Montag bis Donnerstag, z. T. von Montag bis Freitag, ihrem eigentlichen Aufgabenbereich entzogen würden, obwohl sie diesen von der Sache her nicht vernachlässigen könnten. Weder die Berufsberatung an den Schulen noch die Kontakte zu Betrieben dürften reduziert werden, wenn man nicht langfristig die Akzeptanz der Arbeitsämter in der Bevölkerung verlieren wolle. Weiterhin führe die Meldekontrollaktion zwangsläufig zu Überlastungen derjenigen Mitarbeiter, welche die dazu abgestellten Kollegen vertreten müßten. Auch wenn die Dienstanweisung nicht in erster Linie dem Ziel diene, die Arbeitsleistung zu heben, sei dies doch ihre unabweisbare Folge; damit werde der Mitbestimmungstatbestand erfüllt.

5

Der Antragsteller hat beantragt

festzustellen, daß die Dienstanweisung 2/93 des Beteiligten vom 14. April 1993 gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 5 BPersVG mitbestimmungspflichtig ist.

6

Der Beteiligte hat beantragt,

den Antrag abzulehnen,

7

und ist ihm entgegengetreten.

8

Mit Beschluß vom 31. Mai 1994 hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers abgelehnt, im wesentlichen aus, folgenden Gründen:

9

Die Dienstanweisung ... erfülle nicht den hier allein in Betracht kommenden Mitbestimmungstatbestand des § 76 Abs. 2 Nr. 5 BPersVG.

10

Sie sei nicht darauf gerichtet, irgendwelche von ihr betroffenen Beschäftigten, seien es diejenigen, die die verstärkten Meldekontrollen durchzuführen, oder diejenigen, die deren normalen Aufgabenbereich stellvertretend mitwahrzunehmen hätten, verstärkt zu belasten. Keinem Mitarbeiter werde Mehrarbeit aufgebürdet oder intensiveres Arbeiten abverlangt. Vielmehr würden lediglich die Prioritäten in den Aufgaben der Dienststellen neu gesetzt. Die Meldekontrollen sollten Vorrang haben, andere Aufgaben hingegen auf ein unerläßliches Ausmaß zurückgenommen werden, damit keine Überforderung der Mitarbeiter eintrete. Noch deutlicher werde diese Zielsetzung der Dienstanweisung in ihrer Ergänzung vom 24. Juni 1993: Sei es den Beschäftigten zunächst noch selbst überlassen, welche Aufgaben sie wegen des größeren Umfanges der Meldekontrollen zurückstellen wollten, so werde in dieser Ergänzung nunmehr ein klarstellender Katalog sog. Posterioritäten aufgeführt, der noch immer weit genug gefaßt sei, um auch eine aus der Summe von verstärkten Meldekontrollen und unerläßlichen Posterioritäten ableitbare denkbare Überforderung auszuschließen.

11

Die Dienstanweisung sei organisationsrechtlicher Natur; sie ziele auf die Aufgabenerfüllung der Dienststelle. Dies lasse auch die Argumentation des Antragstellers erkennen. Denn seine Befürchtung, die Akzeptanz der Arbeitsämter in der Bevölkerung werde leiden, sei nicht mitbestimmungsrechtlicher Natur. Über die Aufgabenerfüllung der Dienststelle habe die Personalvertretung nicht mit zu entscheiden. Die Dienstanweisung sei nach allem mitbestimmungsfrei. Sollte sie im Einzelfall dennoch eine Hebung der Arbeitsleistung zur Folge haben, so sei dies mitbestimmungsrechtlich unerheblich. Eine solche nur mittelbar eintretende, aber nicht beabsichtigte Folge könne den Mitbestimmungstatbestand des § 76 Abs. 2 Nr. 5 BPersVG nicht erfüllen.

12

Gegen den ihm am 13. Juli 1994 zugestellten Beschluß richtet sich die am 12. August 1994 eingelegte und am 2. September 1994 begründete Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft und insbesondere geltend macht: Der Mitbestimmungstatbestand des § 76 Abs. 2 Nr. 5 BPersVG greife auch dann ein, wenn die Hebung der Arbeitsleistung zwangsläufig und für die Beschäftigten unausweichlich mit der Maßnahme verbunden sei. Das sei hier der Fall.

13

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluß zu ändern und festzustellen, daß die Dienstanweisung ... des Beteiligten vom ... gemäß § 76 Abs. 2 Nr. 5 BPersVG mitbestimmungspflichtig war.

14

Der Beteiligte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

15

Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Anhörung waren, Bezug genommen.

17

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers zu Recht abgelehnt. Zur Begründung wird gemäß §§ 83 Abs. 2 BPersVG, 87 Abs. 2, 64 Abs. 6 ArbGG, 543 Abs. 1 ZPO auf die zutreffenden Gründe des angegriffenen Beschlusses verwiesen. Auch das Beschwerdevorbringen kann zu keiner anderen Beurteilung führen und veranlaßt lediglich zu folgenden Ergänzungen:

18

1.

Durchgreifende Bedenken bestehen schon hinsichtlich eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses des Antragstellers, Denn die hier streitige Maßnahme - die Dienstanweisung ... - hat sich schon Ende des Jahres 1993 durch Zeitablauf erledigt. Sie wird sich auch - darüber besteht zwischen beiden Beteiligten kein Streit - in dieser Form nicht wiederholen. Es ist zwar denkbar, daß auch in Zukunft zeitlich begrenzt intensivierte Meldekontrollen bei den Arbeitsämtern durchgeführt werden. Wie diese Maßnahme konkret aussehen und wie vor allem die notwendige entsprechende Entlastung der Mitarbeiter in anderen Arbeitsbereichen ausgestaltet wird, läßt sich indessen nicht voraussehen. Deshalb ist es auch nicht möglich, die Feststellung auf eine hinter dem konkreten Antrag des Antragstellers stehende Frage von allgemeiner Bedeutung zu richten; eine solche Frage - und der entsprechende Antrag - wäre zwangsläufig zu unbestimmt und deshalb keiner Feststellung fähig.

19

2.

Selbst wenn von diesen verfahrensrechtlichen Bedenken abgesehen und der Antrag weiterhin für zulässig gehalten wird, könnte er in der Sache aber nicht durchdringen.

20

Zwar muß eine Maßnahme, um nach § 76 Abs. 2 Nr. 5 BPersVG der Mitbestimmung zu unterliegen, nicht auf eine Hebung der Arbeitsleistung der Beschäftigten abzielen; es genügt, wenn dies die zwangsläufige Folge der Maßnahme ist (BVerwG, Beschl. v. 10.3.1992 - 6 P 13.91 -, PersR 1992, 247). Auch danach ist eine Maßnahme in der Sache aber nicht schon dann auf eine Hebung der Arbeitsleistung "angelegt", wenn sie eine Steigerung der Menge oder Qualität des Arbeitsertrages erreichen soll. Denn der Begriff "Arbeitsleistung" bezeichnet weder die Menge der während der festgelegten Arbeitszeit geleisteten Arbeit noch deren sachlichen Ertrag, das Arbeitsprodukt, sondern den körperlichen Einsatz und geistigen Aufwand, den der Beschäftigte erbringen muß, um das ihm abverlangte Arbeitsergebnis in qualitativer und quantitativer Hinsicht zu erzielen. Auf eine Hebung der Arbeitsleistung sind deshalb (nur) die Maßnahmen angeregt, die quantitativ oder qualitativ höhere Anforderungen bei gleichbleibender Arbeitszeit oder gleichbleibende Anforderungen bei verkürzter Arbeitszeit stellen (vgl. BVerwG aaO; Beschl. v. 31.7.1992 - 6 P 20.90 -, PersR 1992, 4087 m. N.). Der letztere Fall läge vor, wenn den Beschäftigten bestimmte Tätigkeiten vorgegeben werden, die in unveränderter Menge und Güte in verringerter, minutengenauer Zeit verrichtet werden müssen (BVerwG, Beschl. v. 10.3.1992, aaO). Dagegen fehlt es nach dieser Rechtsprechung an einer Hebung der Arbeitsleistung, wenn den höheren Anforderungen in einem Teilbereich eine Einschränkung der Tätigkeiten in anderen Bereichen gegenübersteht, die Beschäftigten also einer Überforderung durch Verringerung von Tätigkeiten oder Verminderung der Arbeitsintensität in anderen Teilbereichen ausweichen können oder sogar sollen (BVerwG aaO; OVG Lüneburg, Beschl. v. 6.11.1991 - 17 L 24/90 -, PersR 1992, 510 f m.w.N.).

21

Diese Voraussetzung war hier aber, wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, erfüllt. Denn nach der Dienstanweisung ... war von Anfang an vorgesehen, daß die Mitarbeiter zum Ausgleich für die vorübergehende Intarsivierung der Meldekontrollen andere Aufgaben zurückstellen sollten. Die Beschäftigten hatten hier danach nicht nur die Möglichkeit, sondern waren dazu angewiesen, einem Mehr an Arbeitsleistung insgesamt durch zeitliche Streckung anderer Tätigkeiten und qualitative Reduzierung bei diesen "Posterioritäten" auszuweichen. Nach Nr. 7 der Dienstanweisung sollten zugunsten der - im Interesse einer Bekämpfung des Leistungsmißbrauchs - vorübergehend verstärkten Meldekontrollen alle sonstigen Aufgabenerledigungen vorübergehend auf ein unerläßliches Maß zurückgenommen werden. In der Neufassung vom 24. Juni 1993 wurden dann 7 sog. Posterioritäten konkret aufgeführt. Mit der Dienstanweisung wurden danach - vorübergehend - eine Aufgabe - die Meldekontrolle - als vorrangige Priorität intensiviert und gleichzeitig die anderen Aufgaben als sekundär in ihrer Erledigung entsprechend zurückgesetzt. Das hat auch der Antragsteller im Grunde nicht bestritten. Denn er hat in seiner Antragsschrift ausgeführt, daß eine solche Gewichtung nicht möglich, jedenfalls nicht sinnvoll sei, da es sich bei (fast) allen Aufgaben der Arbeitsämter um Prioritäten handle; dazu hat der Antragsteller im einzelnen die nach seiner Ansicht verhängnisvollen Auswirkungen der intensivierten Meldekontrollen auf die anderen zurückgesetzten Tätigkeitsbereiche dargelegt. Es ist indessen nicht Sache des Personalrats, im Wege der Mitbestimmung auf die Art. der Aufgabenerfüllung einer Dienststelle Einfluß zu nehmen und insbesondere der Vorgabe von Prioritäten bei der Erledigung öffentlicher Aufgaben sowie der entsprechenden Einschränkung anderer Tätigkeiten seine eigenen Vorstellungen entgegenzusetzen. Das mit einer solchen Gewichtung von Aufgaben verbundene Risiko, daß die Beschäftigten auf den als "posterior" eingestuften Tätigkeitsfeldern schlechtere Arbeit leisten oder die Arbeitsvorgänge jedenfalls gestreckt werden, trägt allein die Dienststelle (vgl. BVerwG (Beschl. v. 31.7.1992, aaO S. 410).

22

Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.

23

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.

Dr. Dembowski
Domdey
Brinkmann
Born
Esser