Landgericht Oldenburg
Urt. v. 06.03.2002, Az.: 12 O 3462/01
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung; Verpflichtung eines örtlichen Energieversorgungsunternehmens zur Belieferung der Kunden des Antragstellers mit Strom; Wirksamkeit der Kündigung des Stromliefervertrags durch das örtliche Stromversorgungsunternehmen
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 06.03.2002
- Aktenzeichen
- 12 O 3462/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 22131
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:2002:0306.12O3462.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 935 ZPO
- § 940 ZPO
- § 920 ZPO
Fundstelle
- RdE 2002, 188-190
Verfahrensgegenstand
einstweiliger Verfügung
Prozessführer
...
Prozessgegner
...
In dem Rechtsstreit
hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg (2. Kammer für Handelssachen)
auf die mündliche Verhandlung vom 30.01.2002
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Landgericht ...,
der Handelsrichterin ... und
des Handelsrichters ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Anträge, die Erledigung der Hauptsache festzustellen und eine einstweilige Verfügung zu erlassen, werden abgelehnt.
Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.450,00 EUR abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor Beginn der Zwangsvollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin, die mit Strom handelt, hat am 23.11.2001 den Erlass einer einstweilige Verfügung beantragt, mit der die Verfügungsbeklagte, das örtliche Energieversorgungsunternehmen, gezwungen werden sollte, die Kunden der Verfügungsklägerin (Verbraucher) weiterhin mit Strom zu beliefern.
Die Parteien hatten am 12./13.07.2001 eine schriftliche "Kooperationsvereinbarung zur Versorgung mit elektrische Energie" geschlossen. Danach hatte sich die Verfügungsbeklagte verpflichtet, die von der Verfügungsklägerin angemeldeten Kunden im Wege der sogenannten Beistellung mit elektrische Energie zu beliefern. Diese Vereinbarung sollte ab dem 01.07.2000 für einzeln bestimmte Standorte in Kraft treten und auf unbestimmte Zeit laufen. Jede Partei konnte die Vereinbarung mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende schriftlich kündigen. Zur Beistellung verpflichtete sich die Verfügungsbeklagte "nach Maßgabe der jeweils gültigen Preise der ... und den Allgemeinen Bedingungen (AVBEltV)".
Mit Schreiben vom 14.11.2001 kündigte die Verfügungsbeklagte den Kooperationsvertrag fristlos wegen Zahlungsrückstandes in Höhe von 90.116,47 EUR.
Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund hätte nicht vorgelegen. Die Forderungen, die von der Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 09.07.2001 unter Kündigungsandrohung angemahnt worden seien, habe die Verfügungsklägerin beglichen. Im Übrigen würden die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung nach § 33 der vereinbarten Verordnung über Allgemeinen Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden (AVBEltV) nicht vorliegen und eine Frist zur Zahlung des am 14.11.2001 offenen Betrages mit Ablehnungsandrohung sei nicht erfolgt. Schließlich habe die Verfügungsbeklagten sich widersprüchlich verhalten, indem sie noch am 13.11.2001 zweiundzwanzig verschiedene einzelne Mahnungen für einzelne Abnahmestellen mit einer Zahlungsfrist bis zum 28.11.2001 übersandt habe.
Im Hinblick auf den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zwischen Antragstellung und mündlicher Verhandlung hat die Verfügungsklägerin die Hauptsache für erledigt erklärt.
Hilfsweise beantragt sie,
der Verfügungsbeklagten zu gebieten, die Stromkunden der Verfügungsklägerin im Netzbereich der Verfügungsbeklagten nach Maßgabe der Kooperationsvereinbarung vom 12.7./13.07.2000 mit elektrische Energie im Wege der so genannten Beistellung zu beliefern.
Die Verfügungsbeklagte widerspricht einer Erledigung und beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.
Sie widerspricht der Erledigungserklärung und meint, der Antrag sei von Anfang an unbegründet gewesen. Sie habe einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Kooperationsvertrages gehabt. Mit Schreiben vom 09.07.2001 habe sie einen rückständigen Betrag aus Abschlagszahlungen und Abrechnungen von insgesamt 32.062,49 EUR anmahnen müssen und dabei angekündigt, dass sie den Kooperationsvertrag fristlos kündigen werde, wenn die Zahlung nicht bis zum 13.07.2001 erfolgt oder die Verfügungsklägerin mit weiteren Zahlungen länger als drei Tage in Rückstand gerät.
Mit Schreiben vom 17.07.2001 habe sie einen Rückstand von 36.944,45 EUR anmahnen müssen und nochmals die fristlose Vertragskündigung angedroht, wenn die Zahlung nicht bis zum 18.07.2001 erfolge.
Die für September und Oktober 2001 fälligen Abschlagszahlungen von insgesamt 59.261,91 EUR, bei denen es sich um monatlich wiederkehrende Leistungen gehandelt habe, seien von der Verfügungsklägerin nicht beglichen worden. Mit der Zahlung befinde sie sich seit dem 1.10. bzw. 01.11.2001 ohne Mahnung in Verzug. Darüber hinaus sei eine Forderung aus Jahresabrechnungen in Höhe von 28.955,63 EUR nicht beglichen worden. Nachdem die Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin am 09.10.2001 eine Saldomitteilung über 46.020,58 EUR übersandt habe und weder diese Forderung noch der am 01.11.2001 fällig gewordene Abschlagsbetrag gezahlt worden sei, habe ihr Mitarbeiter ... Anfang November 2001 telefonisch bei der Verfügungsklägerin die Forderung angemahnt. Der für das Rechnungswesen zuständige Mitarbeiter der Verfügungsklägerin habe ihm zunächst mitgeteilt, der Betrag sei bereits gezahlt. Auf den Hinweis, dass die Zahlung nicht eingegangen sei, habe der Mitarbeiter der Verfügungsklägerin bei einem weiteren Telefongespräch mitgeteilt, dass die Überweisung von der Bank der Verfügungsklägerin nicht ausgeführt worden sei. In einem weiteren Gespräch vom 08.11.2001 sei mitgeteilt worden, dass in Kürze ein Gespräch mit der Hausbank der Verfügungsklägerin geführt werde. Nach diesem Gespräch habe die Verfügungsklägerin am 12.11.2001 mitgeteilt, dass das Gespräch mit ihrer Hausbank zu keinem Ergebnis geführt habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die einseitige Erklärung der Verfügungsklägerin, die Hauptsache sei erledigt, ist als Änderung des ursprünglichen Antrages dahingehend anzusehen, die Erledigung der Hauptsache durch Urteil festzustellen.
Dieses Feststellungsbegehren ist nicht begründet, weil der Antrag sich nicht durch ein nachträgliches Ereignis erledigt hat, sondern von Anfang an unbegründet gewesen ist.
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist, dass ein Verfügungsgrund und ein Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht werden (§§ 935, 940, 920 ZPO). Beide Voraussetzungen lagen bei Antragstellung nicht vor. Ein Verfügungsgrund lag selbst dann nicht vor, wenn die Verfügungsbeklagte keinen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung hatte.
Gründe für eine einstweilige Verfügung können nach den genannten Bestimmungen die Besorgnis sein, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder dass eine einstweilige Regelung nötig ist, sei es zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung von drohender Gewalt oder aus anderen Gründen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die fristlose Kündigung vom 14.11.2001 für den Fall, dass kein wichtiger Grund vorliegt, als ordentliche Kündigung des Vertrages anzusehen ist, denn die Verfügungsbeklagte hat mit dem Schreiben zu erkennen gegeben, dass sie die Vertragsbeziehung in jedem Fall zu dem nächstmöglichen Termin beenden will. Entscheidend ist damit, ob für die Zeit zwischen dem 23.11.2001 (Antragstellung) und dem 31.12.2001 (Ablauf der vertraglichen Kündigungsfrist) eine einstweilige Regelung aus besonderen Gründen notwendig war, da kein Grund zur Besorgnis vorlag, dass bevorstehende Veränderungen den bestehenden Zustand verändern. Bei der beantragten Leistungsverfügung, mit der die Verfügungsbeklagte zur Erfüllung einer vertraglichen Lieferungsverpflichtung gegenüber Dritten gezwungen werden sollte, sind besonders schwerwiegende Gründe erforderlich, um sie als nötig erscheinen zu lassen. Angesichts der kurzen Zeitspanne, die für vertragliche Verpflichtungen bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ohnehin nur noch in Betracht kam, ist die Gefahr eines erheblichen Schadens für die Verfügungsklägerin auf Grund von Kündigungen ihrer Abnehmer oder des Rufverlustes als gering anzusehen. Zum Ablauf des 31.12.2001 musste die Verfügungsklägerin ihrerseits die Verträge mit den Verbrauchern kündigen, da sie deren Versorgung nicht mehr mit Hilfe des Vertrages vom 12./13.07.2000 erbringen konnte und anderweitige Versorgungsmöglichkeiten für sie offensichtlich nicht bestanden.
Die erstrebte einstweilige Verfügung konnte außerdem deswegen nicht erlassen werden, weil die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht hat, dass ihr ein Anspruch auf Erfüllung des Vertrages bis zum 31.12.2001 zustand. Die Verfügungsbeklagten war nach dem Kooperationsvertrag nicht mehr verpflichtet, die Kunden der Verfügungsklägerin mit Strom zu beliefern, weil die Verfügungsbeklagten diesen Vertrag am 14.11.2001 berechtigt aus wichtigem Grund fristlos gekündigt hat.
Trotz von der Verfügungsbeklagten glaubhaft gemachter mehrfacher Zahlungsrückstände und der Kündigungsandrohung im Rahmen der Mahnung vom 9. Juli 2001 lagen zwar allein hiermit die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung nach § 33 Abs. 4 Satz 2 AVBEltV nicht vor, als diese ausgesprochen worden ist. Nach dieser unter den Parteien vereinbarten Bestimmung war eine fristlose Kündigung nur dann berechtigt, wenn wiederholt Zahlungsverpflichtungen trotz Mahnung nicht erfüllt werden und die Kündigung zwei Wochen vorher angedroht worden ist. Voraussetzung ist damit, dass die konkret beabsichtigte fristlose Kündigung zwei Wochen zuvor angedroht wird und es ist nicht ausreichend, wenn bei vorausgegangenen Zahlungsrückständen, die von dem Kunden vor fristlose Kündigung beglichen worden sind, eine Kündigung auch für den Fall weiterer Rückstände angedroht wurde.
Im vorliegenden Fall hat die Verfügungsbeklagten jedoch glaubhaft gemacht, dass die nochmalige Mahnung mit Kündigungsandrohung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben entbehrlich gewesen ist. Die Mahnung war entbehrlich, weil die Verfügungsklägerin, die sich unbestritten mit erheblichen fälligen Zahlungen in Verzug befunden hatten, ihre Zahlungsunfähigkeit eingeräumt hatte. Der Verfügungsbeklagten konnte nach den durch die vorgelegte eidesstattliche Versicherung ihres Mitarbeiters ... vom 22.11.2001 glaubhaft gemachten Telefonaten, die er im November 2001 mit der Verfügungsklägerin geführt hatte, nicht mehr zugemutet werden, des Vertragsverhältnisses fortzusetzen. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Verfügungsklägerin mit fälligen Zahlungen, die zur schriftlichen Mahnungen und zu der genannten Kündigungsandrohung im Juli 2001 geführt hatten, mehrfach in Rückstand befunden. Auch die fälligen Abschlagszahlungen für September und Oktober war nicht beglichen. Wenn dann auf telefonische Mahnung eines offenen Betrages von über 46.000,00 EUR von Seiten der Verfügungsklägerin zunächst mitgeteilt worden war, die Zahlung sei erfolgt, und dann, nachdem sich diese Erklärung als unrichtig herausstellte, bei weiteren Telefonaten eingeräumt wurde, dass eigene Mittel zur Zahlung der Rückstände nicht vorhanden sind und dass von der Hausbank zur Zeit kein Kredit bewilligt wird, waren die finanziellen Schwierigkeiten und der Vermögensverfall der Verfügungsklägerin so offensichtlich, dass der Verfügungsbeklagten die weitere Beistellung von elektrische Energie und die Fortsetzung des Kooperationsvertrages nicht mehr zugemutet werden konnte.
Die mit dem Hilfsantrag weiterverfolgte einstweilige Verfügung ist zum einen schon deswegen unbegründet, weil die Verfügungsklägerin selbst die Hauptsache für erledigt erklärt und damit einräumt, dass dieser Antrag nicht begründet ist. Im übrigen ist der Antrag - wie ausgeführt - bereits bei Einleitung des Verfahrens nicht begründet gewesen.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO.