Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.06.2012, Az.: 4 K 249/11

Abziehbarkeit von Aufwendungen für eine ausschließlich betrieblich nutzbare Fahrerlaubnis als Betriebsausgaben

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
06.06.2012
Aktenzeichen
4 K 249/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 17119
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2012:0606.4K249.11.0A

Fundstellen

  • BBK 2012, 736
  • EFG 2012, 1532
  • KÖSDI 2012, 18081
  • NWB 2012, 2280
  • NWB direkt 2012, 741
  • STFA 2012, 27
  • StBW 2012, 727
  • StX 2012, 504

Amtlicher Leitsatz

Die Aufwendungen für eine ausschließlich betrieblich nutzbare Fahrerlaubnis sind Betriebsausgaben.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob Aufwendungen für den Erwerb einer Fahrerlaubnis der Klasse T durch den Sohn des Betriebsinhabers als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft abziehbar sind.

2

Die Kläger sind Eheleute, die für die Streitjahre zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielt als selbständiger Landwirt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Der im Jahr 1992 geborene Sohn der Kläger arbeitet gelegentlich unentgeltlich im Betrieb seines Vaters mit. Durch Bescheid des Landkreises wurde ihm der vorzeitige Erwerb der Fahrerlaubnis der Klasse T mit der Maßgabe gestattet, dass sich diese bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres auf das Führen von landwirtschaftlichen Zugmaschinen mit einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 40 km/h beschränkt. Die durch den Erwerb der Fahrerlaubnis entstandenen Aufwendungen von ... EUR (Wirtschaftsjahr 2006/2007) bzw. ... EUR (Wirtschaftsjahr 2007/2008) zog der Kläger als Betriebsausgaben ab.

3

Im Anschluss an eine von dem Finanzamt durchgeführte Außenprüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, dass die Aufwendungen für den Erwerb der Fahrerlaubnis nicht betrieblich veranlasst seien, weil der Sohn nicht in einem Arbeitsverhältnis zu dem Kläger stehe. Durch Bescheide vom 7. April 2011 änderte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre gemäß den Prüfungsfeststellungen. Die hiergegen eingelegten Einsprüche vom 20. April 2011 wies das FA durch Einspruchsbescheid vom 3. August 2011 als unbegründet zurück.

4

Hiergegen richtet sich die am 8. September 2011 erhobene Klage. Die Kläger sind der Ansicht, dass die streitigen Aufwendungen betrieblich veranlasst seien, und tragen zur Begründung vor: Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien Aufwendungen, die dem Betriebsinhaber dadurch entstünden, dass Arbeitnehmer einen für die Ausübung ihrer Anstellung benötigten Führerschein für ein nach Bauart und Ausstattung als Betriebsfahrzeug gekennzeichnetes Fahrzeug erwürben, als Betriebsausgaben abziehbar. Die von dem Sohn des Klägers erworbene Fahrerlaubnis berechtige grundsätzlich zwar auch zum Führen von Kleinkrafträdern und Quads mit einer Höchstgeschwindigkeit bis 45 km/h. Aufgrund der von dem Landkreis angeordneten Beschränkungen dürfe der Sohn des Klägers diese bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres aber nur für betriebliche Zwecke nutzen. Die Möglichkeit einer späteren privaten Nutzung sei ebenso unerheblich wie der Umstand, dass der Sohn nicht in einem förmlichen Arbeitsverhältnis zu seinem Vater gestanden habe.

5

Auf Anfrage des Berichterstatters haben die Kläger ergänzend mitgeteilt, dass ihr Sohn seit seinem 18. Geburtstag eine Fahrerlaubnis der Klasse B habe, und diese in Ablichtung vorgelegt.

6

Die Kläger beantragen,

7

unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 2006 bis 2008 vom 7. April 2011 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheids vom 3. August 2011 die Einkommensteuer auf die Beträge herabzusetzen, die sich ergeben, wenn bei der Ermittlung der Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft des Klägers weitere Betriebsausgaben von ... EUR (Wirtschaftsjahr 2006/2007) bzw. ... EUR (Wirtschaftsjahr 2007/2008) abgezogen werden.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er hält an der seinem Einspruchsbescheid zugrunde liegenden Beurteilung fest. Ergänzend führt er aus, dass auch die Möglichkeit, die Fahrerlaubnis später auch für private Zwecke zu nutzen, dem Betriebsausgabenabzug entgegenstehe.

11

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz der Kläger vom 25. Mai 2012 - Blatt 40 der Gerichtsakte - und Schriftsatz des FA vom 30. Mai 2012 - Blatt 43 der Gerichtsakte -).

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist begründet. Die von dem Kläger getragenen Aufwendungen für den Erwerb der Fahrerlaubnis seines Sohns sind als Betriebsausgaben abziehbar.

13

Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Nicht als Betriebsausgaben abziehbar sind jedoch die Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG). Zu den nichtabziehbaren Kosten der Lebensführung gehören im Allgemeinen auch die Aufwendungen für den Erwerb einer Fahrerlaubnis (BFH-Urteile vom 22. November 1963 VI 264/62 S, BFHE 78, 364, [BFH 22.11.1963 - VI 264/62 S] BStBl. III 1964, 141; vom 8. April 1964 VI 251/63 U, BFHE 79, 543 [BFH 18.03.1964 - IV 86/63 U], BStBl. III 1964, 431). Eine andere Beurteilung gilt jedoch dann, wenn feststeht, dass die Fahrerlaubnis nicht für private, sondern ausschließlich für betriebliche Zwecke genutzt wird. Unter diesem Gesichtspunkt hat der BFH in seinem Urteil vom 26. Juni 1968 I 214/65 (BFHE 93, 270, BStBl. II 1968, 773) sogar die Aufwendungen eines Betriebsinhabers für den Erwerb einer allgemein nutzbaren Fahrerlaubnis durch die bei ihm als Arbeitnehmerin angestellte Ehefrau zum Betriebsausgabenabzug zugelassen, weil dem Betriebsinhaber und seiner Ehefrau nur ein nach Bauart und Ausstattung (Werkstattwagen) nicht privat nutzbares Fahrzeug zur Verfügung stand.

14

Der Senat kann offen lassen, ob er dieser Beurteilung für die Gegenwart noch folgen könnte. Denn im Streitfall sind die Aufwendungen für den Erwerb einer Fahrerlaubnis entstanden, die der Sohn des Klägers nach den vom Landkreis gemachten Auflagen jedenfalls in den Streitjahren ausschließlich zum Führen landwirtschaftlicher Zugmaschinen und damit für betriebliche Zwecke nutzen konnte. Der Umstand, dass die Fahrerlaubnis der Klasse T nach § 6 Abs. 3 Nr. 10 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl. I 2010, 1980) die Berechtigung zum Führen von Fahrzeugen der Klassen M und S (Kleinkrafträder) einschließt und damit nach Vollendung des 18. Lebensjahres auch für private Zwecke hätte genutzt werden können, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn es entspricht der Lebenserfahrung, dass insbesondere männliche und im ländlichen Raum wohnende Jugendliche in aller Regel bestrebt sind, zum frühestmöglichen Zeitpunkt, d.h. mit Vollendung des 18. Lebensjahres (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 FeV), die Fahrerlaubnis der Klasse B zu erwerben, die ebenfalls die Berechtigung zum Führen von Fahrzeugen der Klassen M und S einschließt (§ 6 Abs. 3 Nr. 3 FeV), so dass eine zuvor erworbene Fahrerlaubnis der Klasse T für diesen Zweck nicht mehr benötigt wird. So hat es sich auch im Streitfall verhalten. Der Sohn des Klägers ist seit seinem 18. Geburtstag Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse B.

15

Entgegen der Auffassung des FA kann die betriebliche Veranlassung der Aufwendungen für den Erwerb der Fahrerlaubnis auch nicht mit der Begründung verneint werden, dass der Sohn des Klägers nicht aufgrund eines steuerlich anzuerkennenden Arbeitsverhältnisses, sondern als unentgeltlich mithelfender Familienangehöriger im Betrieb seines Vaters tätig war. Denn die für den Betrieb mit dem Erwerb der Fahrerlaubnis verbundenen Vorteile waren davon unabhängig.

16

Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 2006 bis 2008 vom 7. April 2011 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheids vom 3. August 2011 ist die Einkommensteuer daher auf die Beträge herabzusetzen, die sich ergeben, wenn bei der Ermittlung der Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft weitere Betriebsausgaben von ... EUR (Wirtschaftsjahr 2006/2007) bzw. ... EUR (Wirtschaftsjahr 2007/2008) abgezogen werden (§ 100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Berechnung der Steuer kann dem FA übertragen werden (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO). Die Kosten sind dem FA als unterlegenen Beteiligten aufzuerlegen (§ 135 Abs. 1 FGO). Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 708 Nr. 10 und § 711 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 151 Abs. 1 und 3 FGO.