Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.06.2012, Az.: 3 K 267/12
Europarechtskonforme Benachteiligung von gebietsfremden Steuerpflichtigen bei Verweigerung des Sonderausgabenabzugs dauernder Lasten
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 13.06.2012
- Aktenzeichen
- 3 K 267/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 29587
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2012:0613.3K267.12.0A
Rechtsgrundlage
- § 50 Abs. 1 S. 4 EStG
Fundstellen
- DStR 2013, 6
- DStRE 2013, 587-589
Amtlicher Leitsatz
Es stellt eine nicht europarechtskonforme Benachteiligung von gebietsfremden Steuerpflichtigen dar, wenn ihnen der Sonderausgabenabzug dauernder Lasten verweigert wird (Folgeentscheidung zu EuGH vom 31. März 2011 C 450/09).
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG europarechtskonform ist.
Der Kläger ist deutscher Staatsbürger. Er lebt in Belgien, wo er als Arbeitnehmer berufstätig ist. Einen Wohnsitz in Deutschland unterhält der Kläger nicht; vielmehr ist der Kläger in Deutschland lediglich mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung beschränkt steu-erpflichtig.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 2. Dezember 2002 übertrug die verwitwete Mutter des Klägers im Wege der vorweggenommenen Erbfolge dem Bruder des Klägers, H S, das Grundstück H, P Straße 28. Gemäß Ziffer II. des Vertrages übertrug H S zum Ausgleich dafür, dass er das Grundstück P Straße 28 zu Alleineigentum erhält, die ideelle Hälfte dreier Grundstücke in H O-P auf den Kläger. Bereits mit Vertrag vom 27. April 1992 hatte der Kläger von seinen Eltern das Grundstück H, W.Platz 7 erworben. Das Grundstück war mit einem Nießbrauchsrecht zugunsten der Eltern belastet.
Gemäß III. § 1 des Vertrages vom 2. Dezember 2002 vereinbarten die Mutter des Klägers, der Kläger sowie sein Bruder, die in verschiedenen Grundbüchern zugunsten der Mutter eingetragenen Nießbrauchsrechte in eine lebenslängliche Geldrente umzuwandeln. Dabei verpflichteten sich der Kläger und sein Bruder, an ihre Mutter zu deren Versorgung eine lebenslängliche Geldrente von monatlich jeweils 1.000,- EUR zu zahlen. Die Rentenzahlung ist erstmals mit Wirkung auf den 1. Dezember 2002 zu leisten. Weiterhin wird geregelt, dass der monatlich zu leistende Geldbetrag der Versorgung der Mutter des Klägers dienen solle und deshalb eine Wertsicherungsklausel vereinbart. Darüber hinaus kann derjenige, dessen den derzeitigen Lebensverhältnissen entsprechende Versorgung infolge Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mehr gewährleistet ist, eine Abänderung des vereinbarten Betrages in entsprechender Anwendung des § 323 ZPO verlangen.
Der Kläger erzielt mit dem Grundstück W.Platz 7 Vermietungseinkünfte. Gleiches gilt für die Grundstücksgemeinschaft H und U S hinsichtlich der Grundstücke H O-P. Die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung 2002 betragen insgesamt 3.534,- EUR. In den nachfolgenden beiden Veranlagungszeiträumen erzielte der Kläger ausweislich der entsprechenden Einkommensteuerbescheide Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 27.254,- EUR (2003) und 26.595,- EUR (2004).
In seiner Einkommensteuererklärung 2002 für die in Deutschland beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung machte der Kläger die an die Mutter geleisteten Rentenzahlungen als Sonderausgaben geltend, wobei der Kläger versehentlich an Stelle der tatsächlich in 2002 gezahlten 1.000,- EUR einen Betrag in Höhe von 2.000,- EUR in Ansatz brachte.
Der Beklagte berücksichtigte in dem Einkommensteuerbescheid 2002 vom 30. September 2004 die Sonderausgaben unter Hinweis auf § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht. Der Bescheid wurde am 4. August 2005 nochmals aus für dieses Verfahren nicht erheblichen Gründen geändert.
Der gegen die Nichtberücksichtigung der Sonderausgaben gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.
Im anschließenden Klageverfahren vertrat der Kläger die Rechtsauffassung, dass § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG gegen Art. 43 EG-Vertrag verstoße, weil eine gebietsansässigen Steuerpflichtigen gewährte Steuervergünstigung gebietsfremden Steuerpflichtigen verwehrt werde.
Das Niedersächsische Finanzgericht hat mit Datum vom 14. Oktober 2009 ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet hinsichtlich der Frage, ob es Art. 56 EG-Vertrag bzw. Art. 12 EG-Vertrag widerspreche, wenn ein im Inland beschränkt steuerpflichtiger Angehöriger anders als ein unbeschränkt Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung stehende Renten nicht als Sonderausgaben geltend machen könne und das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH gem. § 74 FGO ausgesetzt.
Mit Urteil vom 31. März 2011 hat der EuGH entschieden, dass Art. 63 AEUV dahingehend auszulegen ist, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats, die es einem gebietsansässigen Steuerpflichten erlaubt, die einem Elternteil, der ihm in diesem Staat belegene Immobilien übertragen hat, gezahlten Renten von Einkünften aus der Vermietung dieser Immobilien abzuziehen, gebietsfremden Steuerpflichtigen einen solchen Abzug jedoch nicht gewährt, entgegensteht, soweit die Verpflichtung zur Zahlung dieser Renten auf der Übertragung der Immobilien beruht. Hinsichtlich der Begründung der Entscheidung wird auf das Urteil des EuGH verwiesen.
Da der Beklagte nicht bereit war, aufgrund der Entscheidung des EuGH der Klage abzuhelfen, hat das Niedersächsische Finanzgericht die Sache zur mündlichen Verhandlung am 30. Mai 2011 geladen. Die Ladung erfolgte durch den Berichterstatter im Sinne des § 79a Abs. 4 FGO. Eine Übertragung des Rechtsstreits durch den Senat auf den Einzelrichter im Sinne des § 6 FGO ist niemals erfolgt. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2011 haben die Verfahrensbeteiligten eingangs der mündlichen Verhandlung die Zustimmung zur Entscheidung durch den Berichterstatter gem. §§ 79a Abs. 3 und 4 FGO erteilt. Eine entsprechende Zustimmung hatten die Verfahrensbeteiligten auch schon vor dem Vorabentscheidungsersuchen erteilt (Bl. 32, 38 FG-Akte).
Das Gericht hat der Klage stattgegeben. Hinsichtlich der Gründe wird auf das Urteil vom 30. Mai 2011 verwiesen.
Gegen dieses Urteil legte der Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde ein. In diesem Verfahren rügte der Beklagte die fehlerhafte Besetzung des Gerichts, indem er wahrheitswidrig behauptete, das Gericht habe durch den Einzelrichter im Sinne des § 6 FGO über die Sache entschieden. Nach einer mündlichen Verhandlung des Senats sei nach § 6 Abs. 2 FGO eine Übertragung auf den Einzelrichter ausgeschlossen.
Der BFH machte sich den unrichtigen Sachvortrag des Beklagten in dem Beschluss I B 109/11 vom 26. März zu Eigen und führte aus, dass eine Übertragung auf den Einzelrichter - die tatsächlich niemals stattgefunden hat - nach § 6 Abs. 2 FGO ausgeschlossen gewesen sei. Wegen fehlerhafter Besetzung des Gerichts sei das Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Im zweiten Rechtsgang macht sich der Kläger die Argumentation des EuGH zu Eigen und begehrt weiterhin den Abzug der Rentenzahlung als Sonderausgabe. Dem Vortrag des Beklagten, bei Nichtanwendung des § 50 d Abs. 1 Satz 4 EStG würde dieser jegliche Bedeutung verlieren, hält er entgegen, dass § 50 d Abs. 1 Satz 4 EStG weiterhin in allen Fällen anzuwenden sei, in denen der Steuerpflichtige in einem auswärtigen Staat lebe, der nicht Mitglied der EU sei.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid vom 30. September 2004 in Form des Ände-rungsbescheides vom 4. August 2005 und des Einspruchsbescheides vom 13. September 2010 dahingehend zu ändern, dass sich die Einkommensteuer 2002 dadurch ermäßigt, dass Sonderausgaben in Höhe von 1.000,- EUR zum Abzug zugelassen werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, dass das Urteil des EuGH für die Entscheidung des Falles unerheblich sei. Der EuGH habe nicht entschieden, dass eine Regelung, die den Sonderausgabenabzug des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG beschränkt, grundsätzlich gegen das Unionsrecht verstoße. Das sei nur dann der Fall, wenn die Rente als Aufwendung anzusehen sein sollte, die unmittelbar mit der Vermietungstätigkeit zusammenhänge.
Im Streitfall diene die Zahlung der Rente dem Versorgungsbedürfnis des Vermögensübergebers und stehe nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften. Es bestehe kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer zwangsläufigen Verknüpfung von Einnahmen und Ausgaben. Wenn die Übertragung von Grundbesitz nach dem Willen der Beteiligten dazu diene, echte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, werde ein anderer Vertragstypus gewählt, bei dem sich Leistung und Gegenleistung entsprächen. Im Streitfall entspreche der Übertragungsvertrag nicht diesen Kriterien. Leistung und Gegenleistung würden nicht gegeneinander abgewogen, was sich u.a. an der Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel und an der vereinbarten Abänderungsbefugnis zeige. Dies zeige den familiären Hintergrund der getroffenen Vereinbarung. Unter fremden Dritten sei ein entsprechender Vertragsabschluss nicht denkbar. Wenn der EuGH behaupte, dass die Regelung eines Mitgliedstaates, die es einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen erlaube, die einem Elternteil gezahlten Renten von den Einkünften aus der Vermietung und Verpachtung dieser Immobilie abzuziehen, gebietsfremden Steuerpflichtigen einen solchen Abzug jedoch nicht gewähre, unzulässig sei, dann verkenne er, dass auch gebietsansässigen Steuerpflichtigen nicht der Abzug der Rentenaufwendungen von den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gewährt werde. Vielmehr werde der Abzug gerade aus der Einkünfteermittlung herausgenommen.
Der EuGH habe in seiner Entscheidung auf einen Zusammenhang zwischen Grundstücksübertragungen und Rentenzahlungen abgestellt. Im Streitfall beruhe die Rentenzahlungsverpflichtung des Klägers auf dem Verzicht seiner Mutter auf ein Nießbrauchsrecht. Es sei fraglich, ob die Grundsätze der Entscheidung des EuGH auch auf Fallkonstellationen anwendbar seien, die nicht auf der Übertragung von Grundstücken, sondern auf der Ablösung von Nießbrauchsrechten beruhten.
Zu beachten sei, dass bei Versorgungsverträgen unter Gebietsansässigen die vereinnahmten Rentenzahlungen von dem Vermögensübergeber nach § 22 Nr. 1b EStG versteuert werden müssten. Bei Gebietsfremden entfalle demgegenüber die Rentenversteuerung beim Vermögensübergeber, so dass die vom EuGH angenommene Ungleichbehandlung gebietsfremder Steuerpflichtiger beim Abzug der Rentenzahlungen durch die korrespondierende Regelung hinsichtlich der Rentenversteuerung ausgeglichen werde.
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zugestanden, dass er im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes eine weitergehende Sachverhaltsermittlung als nicht erforderlich erachtet.
Der Beklagte regt die Zulassung der Revision an.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Senat ist an die Aufhebung des Urteils vom 30. Mai 2011 durch Beschluss des BFH I B 109/11 vom 26. März 2012 gebunden. Zwar steht diese Entscheidung im klaren Widerspruch zum Inhalt der Akten, weil der BFH unterstellt, der Senat habe den Rechtsstreit nach § 6 FGO auf den Einzelrichter übertragen und dieser im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30. Mai 2011 als Einzelrichter entschieden, obwohl tatsächlich der Rechtsstreit gar nicht auf den Einzelrichter übertragen wurde und der Berichterstatter aufgrund entsprechender Einverständniserklärungen der Verfahrensbeteiligten nach § 79a Abs. 3, 4 FGO (sog. konsentierter Einzelrichter) über die Sache entschieden hat. Die Beschränkungen des § 6 FGO gelten bei der Entscheidung durch den konsentierten Einzelrichter nicht (Gräber-Koch, Kommentar zur FGO, § 79a Rn. 29). Dieser Fehler des BFH bewirkt jedoch nicht, dass seine Entscheidung nichtig ist.
Der Kläger kann die im Streitjahr 2002 an seine Mutter erbrachte Rentenzahlung in Höhe von 1.000,- EUR als Leibrente abziehen. Sonderausgaben sind u.a. gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben. Eine Verpflichtung zur Rentenzahlung ist hier durch Abschnitt III § 1 des Vermögensübergabevertrages vom 2. Dezember 2002 begründet worden. Bei Vermietungsüberschüssen in Höhe von 23.063,- EUR (2003), 21.734,- EUR (2004) und 5.049,- EUR (2005) für das Grundstück H, W.Platz sowie anteilig 4.191,- EUR (2003), 4.859,- EUR (2004) und 4.396,- EUR (2005) für die Grundstücksgemeinschaft H O-P bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht in der Lage ist, die Rentenzahlungen aus den nachhaltig erzielten Nettoerträgen des übertragenen Vermögens aufzubringen. Die übertragenen Grundstücke stellen von daher eine ertragsfähige Einheit dar im Sinne der Rechtsprechung des BFH (Beschluss des Großen Senats vom 12. Mai 2000 GrS 1/00, BStBl. II 2004, 95) dar. Der Kläger könnte deshalb die Rentenzahlungen als Sonderausgabe in Abzug bringen könnte, wenn er in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig wäre. Dies hat auch der Beklagte auf ausdrückliche Rückfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung zugestanden.
Dem Sonderausgabenabzug steht auch nicht § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG entgegen. Gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG dürfen beschränkt Steuerpflichtige Betriebsausgaben oder Werbungskosten nur insoweit abziehen, als sie mit inländischen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG bestimmt, dass verschiedene Vorschriften, u.a. § 10 EStG bei beschränkt Steuerpflichtigen nicht anzuwenden sind. Nach dieser Vorschrift wäre im Streitfall der Sonderausgabenabzug in der Tat ausgeschlossen.
§ 50 Abs. 1 Satz 4 EStG kommt jedoch nicht zur Anwendung, weil die Vorschrift gegen Art. 63 AEUV verstößt, wie der EuGH mit Urteil vom 31. März 2011 C-450/09 entschieden hat. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten ist die Entscheidung des EuGH im Streitfall einschlägig. Der EuGH gibt im konkreten Fall dem Gericht auch nicht auf, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Dies lässt sich dem Gang der Argumentation in dem Urteil des EuGH eindeutig entnehmen:
Unter Textziffer 40 und 41 legt der EuGH dar, dass Regelungen, die Gebietsfremden den Abzug von Aufwendungen, die unmittelbar mit einer Tätigkeit zusammenhängen, verweigern, Gebietsansässigen den Abzug aber gewährt, eine mittelbare Diskriminierung beinhalten. Eine Regelung wie im Streitfall verstoße gegen Art. 63 AEUV, wenn die Rente, die der Kläger zahle, unmittelbar mit seiner Tätigkeit zusammenhänge.
Unter Textziffer 42 stellt der EuGH die vom Beklagte sowohl im Verfahren des Vorabentscheidungsersuchens, als auch im Folgeverfahren vorgetragene These dar, dass nämlich die Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht gegen Art. 63 AEUV verstoße, weil es an einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Erzielung von Vermietungseinkünften und der Rentenzahlung, die sich ihrer Art nach von Betriebsausgaben oder Werbungskosten unterscheide, fehle. Die Höhe der Rentenzahlung werde durch das Versorgungsbedürfnis des Übertragenden bestimmt.
Dieser Argumentation, an der der Beklagte auch jetzt noch festhält, tritt der EuGH unter Textziffer 43 ausdrücklich entgegen. Selbst wenn die Rentenhöhe durch den Versorgungsbedarf des Übertragenden bestimmt werde, ändere dies nichts an dem Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Einnahmeerzielung und der Zahlung. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Einnahmeerzielung und Rentenzahlung bestehe, wenn die Aufwendung mit der Tätigkeit zur Erzielung dieser Einkünfte untrennbar verbunden sei. Im Vorlagefall bestehe eine solche untrennbare Verbindung, weil die Abrede über die Rentenzahlung auf der Übertragung des Grundstücks beruhe und Voraussetzung dafür sei, dass der Kläger über die Grundstücke verfügen und die in Deutschland zu versteuernden Mieteinkünfte erzielen könne (Tz. 45). Daraus folgert der EuGH unter Textziffer 46: "Soweit die Verpflichtung von Herrn S [dem Kläger], seiner Mutter diese Rente zu zahlen, demnach auf der Übertragung der in Deutschland belegenen Grundstücke auf ihn beruht, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist, stellt diese Rente eine unmittelbar mit der Nutzung dieser Immobilien zusammenhänge Aufwendung dar, so dass sich Herr S insoweit in einer Lage befindet, die mit derjenigen eines gebietsansässigen Steuerpflichtigen vergleichbar ist." Deshalb verstoße eine nationale Regelung, die auf dem Gebiet der Einkommensteuer den Abzug einer solchen Aufwendung Gebietsfremden verweigert, Gebietsansässigen aber gewähre, gegen Art. 63 AEUV (Tz. 47).
Soweit der Beklagte aus dem Passus in Tz. 46 des EuGH-Urteils "was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist" ableitet, dass der unmittelbare Zusammenhang zwischen Einnahmeerzielung und Rentenzahlung noch festgestellt werden müsse, verkennt er den Sinnzusammenhang, in dem diese Urteilspassage steht. Der EuGH gibt dem Ausgangsgericht nicht etwa konkret auf, die untrennbare Verbindung zwischen Mieteinkünften und Rentenzahlung noch festzustellen, sondern verweist abstrakt darauf, dass das vorlegende Gericht - und nicht der EuGH - diese Verbindung festzustellen hat. Im konkreten Streitfall hat das vorlegende Gericht jedoch bereits die untrennbare Verbindung dargelegt, wie der EuGH unter Tz. 45 unmissverständlich ausführt. Denn es wäre nicht schlüssig, warum das Ausgangsgericht noch einmal den Zusammenhang zwischen der Erzielung der Mieteinkünfte und der Rentenzahlung untersuchen sollte, wenn der EuGH zuvor klarstellt, dass die Abrede über die Rentenzahlung auf der Übertragung der Grundstücke beruht. Wenn der Beklagte diesen Zusammenhang in Abrede stellt, vertritt er der Sache nach weiterhin jene Rechtsauffassung, der der EuGH in Tz. 42,43 ausdrücklich entgegengetreten ist.
Liest man den Entscheidungsausspruch, wonach Art. 63 AEUV einer Regelung eines Mitgliedsstaates entgegenstehe, die es einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen erlaube, gezahlte Renten von Einkünften aus der Vermietung von Immobilien abzuziehen, gebietsfremden Steuerpflichtigen einen solchen Abzug jedoch nicht gewährt, "soweit die Verpflichtung zur Zahlung dieser Renten auf der Übertragung der Immobilien beruht" im Zusammenhang mit den vorangehenden Textpassagen des Urteils, ist eindeutig, dass im Streitfall Art. 63 AEUV der Anwendung des § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG entgegensteht, weil der Kläger ohne den Vertrag vom 2. Dezember 2002 nicht verpflichtet wäre, die Rente, deren Abzug er begehrt, an seine Mutter zu zahlen.
Unzutreffend ist die Behauptung, die Entscheidung des EuGH vom 31. März 2011 C-450/09 beschäftige sich lediglich mit der Übertragung von Grundstücken gegen Rentenzahlung, nicht aber mit dem Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht gegen Rentenzahlung. Zum einen ist dies schon in tatbestandlicher Hinsicht unzutreffend, weil dem Kläger im Zusammenhang mit dem mit seiner Mutter und seinem Bruder geschlossenen Versorgungsvertrag der hälftige Miteigentumsanteil an drei Grundstücken in O-P übertragen wurde. Zum anderen war dem EuGH bekannt, dass dem Kläger das Grundstück H, W.Platz 7 bereits früher übertragen worden war und nunmehr das zuvor bestehende Nießbrauchsrecht in eine Geldrente umgewandelt wurde, wie sich aus dem im Abschnitt "Ausgangsverfahren und Vorlagefrage" mitgeteilten Sachverhalt ergibt. Zudem zitiert der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 11. Juni 2012 die Ausführungen des EuGH zu Tz. 45 irreführend, wenn er den ersten Satz weglässt, in dem es heißt, dass "die auf Herrn S übertragenen Grundstücke zumindest zum Teil mit Nießbrauchsrechten belastet waren, die in eine seiner Mutter zu zahlende monatliche Rente umgewandelt wurden" und damit verschweigt, dass sich der mit einem "somit" eingeleitete zweite Satz der Tz. 45 ausdrücklich auf die Umwandlung der Nießbrauchsvereinbarung in eine Rentenzahlungsverpflichtung bezieht.
Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass im Gegensatz zu gebietsansässigen Steuerpflichtigen die Rentenzahlungen beim Vermögensübergeber nicht zu versteuern sind, verkennt er den Grundsatz der Individualbesteuerung. Die steuerliche Benachteiligung des Klägers gegenüber in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen wird nicht dadurch aufgehoben, dass seine Mutter die Rentenbezüge nicht zu versteuern hat. Im Übrigen ist die Argumentation des Beklagten auch in wirtschaftlicher Hinsicht unzutreffend, weil die Rentenbezieher mehrheitlich niedriger besteuert werden als diejenigen, auf die das Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen wird, so dass der nationale Gesetzgeber den darin liegenden steuerlichen Vorteil dann verweigert, wenn an der Vermögensübergabe ein beschränkt Steuerpflichtiger beteiligt ist.
Der Senat sieht keinen Grund, die Revision zuzulassen. Zwar hatte der Rechtsstreit bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen grundsätzliche Bedeutung. Seit der EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen entschieden hat, geht es in dem Verfahren nur noch um die Umsetzung des EuGH-Urteils im Einzelfall. Soweit der Beklagte ausführt, die Stattgabe führe faktisch zu einer Verwerfung des § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG, verkennt er, dass sich dies für im EU-Ausland lebende Steuerpflichtige bereits aus der Entscheidung des EuGH ergibt. An dessen Entscheidung ist das erkennende Gericht ebenso gebunden, wie der BFH an die Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen gebunden wäre. Der Hinweis des Beklagten auf das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts liegt in diesem Zusammenhang gänzlich neben der Sache.
Die Berechnung der Steuern wird gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO übertragen weil die Ermittlung der festzusetzenden Steuern einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.