Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 20.03.2009, Az.: 7 A 2050/08
Müllabfuhr; Blinklicht (Gelb); gelbes Blinklicht
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 20.03.2009
- Aktenzeichen
- 7 A 2050/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 44474
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2009:0320.7A2050.08.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OVG Niedersachsen - 08.12.2011 - AZ: 12 LC 91/09
- BVerwG - 30.05.2013 - AZ: BVerwG 3 C 9.12
- OVG Niedersachsen - 09.04.2014 - AZ: 12 LC 189/13
Rechtsgrundlagen
- 52 IV StVZO
- 38 III StVO
- 35 VI StVO
Fundstelle
- MuA 2009, 373
Amtlicher Leitsatz
- 1.
"Müllabfuhr" im Sinne des § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO ist jedes Fahrzeug, mit dem verwertbare oder unverwertbare Abfälle im Sinne des KrW-/ AbfG in solcher Weise von Haushalten eingesammelt und abtransportiert werden, dass dabei die für eine Müllabfuhr typischen Gefahren durchen den Straßenverkehr entstehen, sofern diese Tätigkeit nicht offensichtlich gegen das Abfallrecht verstößt.
- 2.
Ein LKW, mit dem ein gewerblicher Unternehmer von Haus zu Haus fährt, um am Straßenrand abgestellten Schrott einzusammeln und der Verwertung zuzuführen, kann daher "Müllabfuhr" und somit zur Führung eines gelben Blinklichtes berechtigt sein.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie ihren Lkw OL mit einem gelben Blinklicht ausrüsten darf, bzw. die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer entsprechenden Ausnahmegenehmigung.
Die Klägerin sammelt gewerblich Altmetalle und Schrott. Sie kündigt die Schrottabfuhren einige Tage vor dem Abholtermin durch Postwurfsendungen (vgl. Bl. 8 der Akte) an. Darin fordert sie die Adressaten auf, den Schrott am Abholtag bis 9.00 Uhr auf ihren Grundstücken am Straßenrand zur Abholung bereit zu stellen. Sie fährt dann am Abholtag mit ihrem Lkw von Grundstück zu Grundstück und lädt den Schrott auf. Das Fahrzeug ist dabei durch rot-weiße Warnmarkierungen gemäß DIN 30710 gekennzeichnet; die Arbeiter tragen Warnwesten. Die gesammelten Gegenstände werden von der Klägerin an ein zertifiziertes Entsorgungsunternehmen zur Verwertung weiterverkauft.
Da es bei der Schrottsammlung schon häufig zu gefährlichen Situationen durch Fahrzeuge kam, die sich mit nicht angemessener Geschwindigkeit und nicht angemessenem Seitenabstand genähert haben, beantragte die Klägerin am 5. Februar 2008 bei der Beklagten die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Führen einer gelben Rundumleuchte auf ihrem Lastwagen mit dem Kennzeichen OL.
Mit Bescheid vom 8. Februar 2008 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab.
Zur Begründung führte sie aus, dass die Tätigkeit der Klägerin nicht unter den Begriff
der "Müllabfuhr" im Sinne des § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO falle, da es sich um eine gewerbliche Straßensammlung von Hausschrott handele. Daher sei die Führung eines gelben Rundumlichtes nicht zulässig.
Mit Bescheid vom 14. April 2008 erteilte der Landkreis Ammerland der Klägerin die Genehmigung, im Gebiet des Landkreises Ammerland eine gelbe Rundumleuchte auf dem LKW zu führen.
Daraufhin beantragte die Klägerin am 23. April 2008 bei der Beklagten erneut die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Führung einer gelben Rundumleuchte im Gebiet der Beklagten.
Mit Bescheid vom 2. Juni 2008, zugestellt am 4. Juni 2008, lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Die Klägerin falle nicht unter § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO, da sie gewerblich mit Metallen handle, die kein Müll seien. Hintergrund des § 52 Abs. 4 StVZO sei es, dass Fahrzeuge der Müllabfuhr Sonderrechte hätten, z.B. das Recht, auch auf der entgegen gesetzten Fahrspur vor jedem Haus zu halten. Um auf diese Gefahren aufmerksam zu machen, dürften sie ein gelbes Blinklicht führen und benutzen. Die Klägerin habe jedoch die Möglichkeit, mit ihren Kunden Termin und Ort der Abholung zu vereinbaren, so dass dadurch keine Gefährdung des Verkehrs verursacht wird. Im Übrigen verwies die Beklagte auf den Ablehnungsbescheid vom 4. Februar 2008.
Die Klägerin hat am 16. Juli 2008 Klage erhoben und Wiedereinsetzung in die Klagefrist beantragt.
Zum Wiedereinsetzungsantrag trägt sie vor, dass ihr Prozessbevollmächtigter die Klageschrift am Freitag, 4. Juli 2008, angefertigt habe. Der Prozessbevollmächtigte habe in seiner Kanzlei darauf hingewiesen, dass die Klagefrist mit Ablauf dieses Tages ende. Eine Angestellte der Kanzlei, die dort seit November 2007 stets tadellos gearbeitet und schon häufig fristgebundene Schriftsätze bei Gericht abgegeben habe, habe sich erboten, die Klageschrift noch am selben Abend beim Verwaltungsgericht einzuwerfen. Am darauf folgenden Montag habe sie dem Prozessbevollmächtigten jedoch mitgeteilt, dass sie am Freitagabend aufgrund eines Streits mit ihrem Freund den Schriftsatz vergessen habe. Dem Wiedereinsetzungsantrag ist eine entsprechende eidesstattliche Versicherung der Angestellten beigefügt.
In der Sache trägt die Klägerin vor, dass gefährliche Situationen vermieden werden könnten, wenn sie ein gelbes Rundumlicht benutzen dürfte, um andere Verkehrsteilnehmer rechtzeitig auf die Gefahrenquelle aufmerksam zu machen. Die von ihr durchgeführte Schrottabfuhr sei eine "Müllabfuhr" im Sinne des § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO, da sie der Beseitigung von Müll diene. Die StVZO unterscheide nicht zwischen gewerblicher und öffentlich-rechtlicher Müllabfuhr.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2008 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin den LKW mit dem amtlichen Kennzeichen OL mit einem gelben Blinklicht (Rundumleuchte) ausrüsten darf,
hilfsweise,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 2. Juni 2008 zu verpflichten, den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Ausrüsten des Lkws mit dem amtlichen Kennzeichen OL mit einem gelben Blinklicht (Rundumleuchte) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, dass die Klage bereits wegen Verfristung unzulässig sei. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Klagefrist sei abzulehnen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hätte es der Angestellten nicht erlauben dürfen, die fristgebundene Klageschrift freitagabends in ihrer Freizeit beim Gericht einzuwerfen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist mit dem Hauptantrag zulässig und begründet.
Soweit die Klägerin begehrt, ein gelbes Blinklicht deshalb führen zu dürfen, weil ihr LKW unter den Tatbestand des § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO fällt, ist die Feststellungsklage die statthafte Klageart.
Der Erhebung einer Verpflichtungsklage mit dem Ziel, eine Genehmigung zum Führen eines gelben Blinklichts zu erhalten, bedarf es insoweit nicht. Denn ein Fahrzeug, dass unter § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO fällt, ist unmittelbar aufgrund dieser Vorschrift berechtigt, ein gelbes Blinklicht zu führen. Eine Genehmigung durch Verwaltungsakt ist nicht erforderlich. Für ein Genehmigungserfordernis gibt der Wortlaut des § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO keinen Anhaltspunkt. Besonders deutlich wird dies, wenn man ihn mit dem Wortlaut der Nummern 2 bis 4 derselben Vorschrift vergleicht. In den Nummern 2 bis 4 wird das Recht zum Führen eines gelben Blinklichts für Pannenhilfsfahrzeuge, überlange bzw. überbreite Fahrzeuge und Schwertransportbegleitfahrzeuge ausdrücklich davon abhängig gemacht, dass die zuständige Behörde das betroffene Fahrzeug als ein Fahrzeug der vorgenannten Art anerkannt oder die Führung eines gelben Blinklichtes angeordnet hat. Bei diesen Ziffern des § 52 Abs. 4 StVZO ergibt sich das Recht zum Führen des gelben Blinklichtes also nicht schon daraus, dass das Fahrzeug bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, sondern erfordert zusätzlich die förmliche Anerkennung dieser Tatbestandsvoraussetzungen durch die zuständige Behörde. Im Gegensatz dazu sieht die Nr. 1 des § 52 Abs. 4 StVZO nicht vor, dass die betroffenen Fahrzeuge durch Verwaltungsakt amtlich als Straßenbau-, Straßenunterhaltungs-, Straßenreinigungs- oder Müllabfuhrfahrzeuge anerkannt sein müssen. Daher folgt hier aus dem Umstand, dass ein Fahrzeug objektiv den Zwecken Straßenbau, Straßenunterhaltung, Straßenreinigung oder Müllabfuhr dient, ipso facto, dass dieses Fahrzeug mit einem gelben Blinklicht ausgerüstet sein darf.
Auch aus § 70 Abs. 1 Nr. 1 StVZO folgt kein Genehmigungserfordernis, sofern die Klägerin argumentiert, sie falle unter den Tatbestand der "Müllabfuhr" i.S.d. § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO. Eine Genehmigung § 70 Abs. 1 Nr. 1 StVZO stellt nach dem eindeutigen Wortlaut nicht fest, dass in einem konkreten Einzelfall die Voraussetzungen des § 52 StVZO zum Führen bestimmter Lichter gegeben sind, sondern sie befreit von der Erfüllung dieser Voraussetzungen. Die Vorschrift regelt also nicht die Führung der nach § 52 StVZO erlaubten Lichter, sondern sie normiert, wann ein Fahrzeug ausnahmsweise nach § 52 StVZO unzulässige Lichter führen darf. Einer Ausnahmegenehmigung bedarf zum Führen eines gelben Blinklichts somit nur, wer nicht unter § 52 Abs. 4 StVZO fällt.
Ein Feststellungsinteresse nach § 43 VwGO ist gegeben, da sich aus dem Ablehnungsbescheid vom 2. Juni 2008 ergibt, dass die Klägerin nach Ansicht der Beklagten kein gelbes Blinklicht auf ihrem LKW installieren darf.
Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage. Insbesondere ist die Erhebung der Feststellungsklage nicht an eine gesetzliche Frist gebunden.
Die Feststellungsklage ist auch begründet. Die Klägerin ist gemäß § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO berechtigt, ein gelbes Blinklicht auf ihrem LKW mit dem amtlichen Kennzeichen OL zu führen.
Das Recht, ein Fahrzeug mit einem gelben Blinklicht auszurüsten, ist nicht in § 38 Abs. 3 StVO geregelt, sondern ausschließlich in § 52 Abs. 4 StVZO. § 38 Abs. 3 StVO regelt nicht, welche Fahrzeuge mit einem gelben Blinklicht ausgerüstet werden dürfen, sondern wann die Fahrzeuge, die nach § 52 Abs. 4 StVZO mit einem gelben Blinklicht ausgerüstet werden dürfen, dieses Licht benutzen dürfen (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 38 StVO Rn. 13).
Nach § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO dürfen Fahrzeuge, die der Müllabfuhr dienen und durch rot-weiße Warnmarkierungen nach DIN 3071 gekennzeichnet sind, mit einer oder mehreren Kennleuchten für gelbes Blinklicht (Rundumlicht) ausgerüstet sein.
Das Fahrzeug der Klägerin ist mit rot-weißen Warnmarkierungen nach DIN 30710 ausgestattet.
Das Fahrzeug der Klägerin dient auch der "Müllabfuhr" im Sinne des § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO.
Der Begriff der "Müllabfuhr" ist im Straßenverkehrsrecht entsprechend dem Sinn und Zweck dieser Normen weit auszulegen und umfasst nicht nur die Abfuhr unverwertbaren Abfalls, sondern auch die Abfuhr wieder verwertbarer Stoffe, die von den Haushalten der Entsorgung zugeführt werden (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 35 StVO Rn. 13).
§ 52 Abs. 4 Nr. 1 StVO will es im Interesse der Verkehrssicherheit einerseits ermöglichen, dass gelbes Blinklicht zur Warnung vor Gefahrenstellen eingesetzt werden kann, soll andererseits aber zur Vermeidung eines "Gewöhnungseffektes" auch einen übermäßigen Gebrauch dieses Warnsignals verhindern.
Vor diesem Hintergrund kann der Begriff "Müllabfuhrfahrzeug" im Sinne des § 42 Abs. 4 Nr. 1 StVO folgendermaßen definiert werden: "Müllabfuhrfahrzeug" ist jedes Fahrzeug, mit dem (verwertbare oder unverwertbare) Abfälle im Sinne des KrW-/AbfG rechtmäßig in solcher Weise von Haushalten eingesammelt und abtransportiert werden, dass die nach allgemeiner Anschauung "müllabfuhrtypischen" Gefahren für den Straßenverkehr entstehen. Zu diesen Gefahren zählen insbesondere das langsame Fahren von einer Aufladestelle zu der meist nicht sehr weit entfernten nächsten Aufladestelle, verbunden mit häufigem Anhalten am Straßenrand sowie dem häufigen Auf- und Absteigen von Arbeitern, die am Straßenrand abgestellte Gegenstände auf das Fahrzeug verladen.
Ein Grund, die gewerbliche Abfallsammlung im Rahmen des § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO anders zu behandeln als die öffentlich-rechtliche Abfallsammlung durch einen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG ist nicht ersichtlich. § 13 KrW-/AbfG lässt bei Abfällen zur Verwertung beide Arten der Abfuhr gleichermaßen zu (vgl. einerseits § 13 Abs. 1 Satz 1 und andererseits § 13 Abs. 3 Nr. 3 KrW-/AbfG). Die für den Straßenverkehr entstehenden Gefahren sind in beiden Fällen dieselben. Sie hängen allein von der Art und Weise ab, in der der Entsorger seine Fahrzeuge und Arbeitskräfte bei der Abfallsammlung einsetzt, nicht aber von der Rechtsform des Entsorgers.
Auch die systematische Auslegung des § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO lässt erkennen, dass die Führung eines gelben Blinklichts nach der Intention des Verordnungsgebers keineswegs auf Fahrzeuge beschränkt sein soll, mit denen ein Hoheitsträger öffentlich-rechtliche Aufgaben erfüllt. So sieht etwa § 52 Abs. 4 Nr. 2 Satz 3 StVZO ausdrücklich vor, dass auch gewerbliche Pannenhilfebetriebe ihre Fahrzeuge mit einem gelben Blinklicht ausstatten können. Hinsichtlich der Fahrzeuge mit Überlänge oder Überbreite bzw. der Schwertransportbegleitfahrzeuge, die von § 52 Abs. 4 Nr. 3, 4 StVZO erfasst werden, fehlt es von vornherein an jeder hoheitlichen Zweckbindung des Fahrzeugeinsatzes.
Die Regelungen der StVO über Verwendung und Bedeutung des gelben Blinklichts geben ebenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, dass dieses Licht den Fahrzeugen von Hoheitsträgern vorbehalten bleiben muss. Denn anders als blaues Blinklicht, das anordnet, dass alle übrigen Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn zu schaffen haben (vgl. § 38 Abs. 1 StVO), hat das gelbe Blinklicht keinerlei hoheitlichen Befehlscharakter, sondern warnt schlicht vor Gefahren, insbesondere vor Arbeitsstellen und ungewöhnlich langsam fahrenden Fahrzeugen. Bei der gewerblichen Abfallsammlung fahren die Abfuhrfahrzeuge aber ebenso langsam von Haus zu Haus wie bei der öffentlich-rechtlichen Abfallsammlung und in beiden Fällen wird im Zuge des Aufladens des Abfalls gleichermaßen auf der Straße "gearbeitet".
Entgegen der Ansicht der Beklagten folgt auch aus der Tatsache, dass § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO den Müllabfuhrfahrzeugen bestimmte Sonderrechte im Hinblick auf das Halten und Fahren auf jeder Straße und an jeder Stelle einräumt, nicht zwingend, dass "Müllabfuhrfahrzeug" im Sinne des § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO nur ein Fahrzeug der öffentlich-rechtlichen Müllentsorgung sein kann. Dabei kann dahin stehen, ob die Sonderrechte nach § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO nur den Müllabfuhrfahrzeugen öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger zustehen. Denn jedenfalls ruft das langsame von Haus zu Haus fahren verbunden mit der Aufladetätigkeit im öffentlichen Straßenraum auch ohne die Inanspruchnahme von Sonderrechten ausreichend "müllabfuhrtypische" Gefahren für den Straßenverkehr hervor, um die Ausstattung der entsprechenden Fahrzeuge mit einem gelben Blinklicht und den Einsatz desselben zu rechtfertigen. Dass gelbes Blinklicht nur gebraucht werden darf, wenn gleichzeitig Sonderrechte nach § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO in Anspruch genommen werden, lässt sich weder der StVO noch der StVZO entnehmen. § 38 Abs. 3 StVO spricht nur davon, dass gelbes Blinklicht vor Gefahren, insbesondere vor Arbeitsstellen und ungewöhnlich langsam fahrenden Fahrzeugen, warnen soll. "Ungewöhnlich langsam" fährt ein Müllsammelfahrzeug aber auch dann, wenn es keine Sonderrechte nach § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO in Anspruch nimmt.
Unter dem Aspekt der Einheit der Rechtsordnung dürfte es jedoch gerechtfertigt sein, solchen gewerblichen Abfallsammlungen den Schutz des § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO zu versagen, die nach dem KrW-/AbfG unzulässig sind. Denn ein öffentliches Interesse daran, dass eine verbotene Tätigkeit durch eine besondere Fahrzeugausstattung leichter und sicherer durchgeführt werden kann, ist nicht ersichtlich. Umgekehrt kann es aber auch nicht die Aufgabe der Straßenverkehrsbehörde sein, bei der Anwendung des § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO den betreffenden Sachverhalt bis ins Detail abfallrechtlich zu beurteilen. Daher sollte der Schutz des § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO nur solchen gewerblichen Abfallsammlungen versagt werden, die abfallrechtlich offensichtlich rechtswidrig sind. Das träfe insbesondere auf private Abfallsammlungen zu, die nach dem KrW-/AbfG offensichtlich einer Genehmigung bedürfen, aber nicht genehmigt sind.
Die Klägerin erfüllt den Begriff der Müllabfuhr, wie er vorstehend definiert wurde. Sie sammelt Abfall im Sinne des KrW-/AbfG von Haus zu Haus so ein, dass die müllabfuhrtypischen Verkehrsgefahren entstehen, und sie verstößt dabei nicht offensichtlich gegen das Abfallrecht.
Die Klägerin sammelt und transportiert Abfälle im Sinne des § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG. Abfälle im Sinne dieser Vorschrift sind alle beweglichen Sachen, die unter die in Anhang I zum KrW-/AbfG aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. In Anhang I zum KrW-/AbfG wird insbesondere die Abfallgruppe "Q 14: Produkte, die vom Besitzer nicht oder nicht mehr verwendet werden" erwähnt. Vor allem zu dieser Abfallgruppe gehören die von der Klägerin eingesammelten Gegenstände (vgl. insofern das Flugblatt auf Bl. 8 d.A.), die ihre Besitzer nicht mehr verwenden wollen und derer sie sich daher entledigen, in dem sie die Gegenstände für die Klägerin am Straßenrand zur Abholung bereitstellen. Ob die Klägerin diese Gegenstände verwertet oder beseitigt, ist nach § 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG für die Erfüllung des Abfallbegriffes belanglos.
Die Klägerin führt diese Sammlungen in einer Art und Weise durch, bei der die nach allgemeiner Anschauung "müllabfuhrtypischen Gefahren" für den Straßenverkehr entstehen. Sie kündigt per Postwurfsendung an, dass sie in bestimmten Straßen an einem bestimmten Tag mit dem Lastwagen ab neun Uhr morgens von Haus zu Haus fahren und den am Straßenrand abgestellten Schrott aufladen und abfahren wird. Durch diese Vorgehensweise entsteht das müllabfuhrtypische langsame Fahren von Haus zu Haus mit häufigen Stopps am Straßenrand und zusätzlichen Gefahren durch das Auf- und Absteigen der Arbeiter und die im Straßenraum durchgeführten Aufladearbeiten.
Und schließlich verstößt die Klägerin mit ihrer Vorgehensweise auch nicht offensichtlich gegen das KrW-/AbfG.
§ 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG lässt die gewerbliche Sammlung von Abfällen zur Verwertung grundsätzlich zu. Ein besonderes Zulassungsverfahren ist hierfür nicht vorgesehen, sondern lediglich die Pflicht, dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die schadlose Verwertung nachzuweisen (vgl. Kunig, in: ders./ Paetow/ Versteyl, KrW-/AbfG, 2. Aufl., § 13 Rn. 36). Genehmigungspflichtig ist lediglich der Transport von Abfällen zur Beseitigung (vgl. § 49 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG) sowie die Sammlung und Beförderung von durch Rechtsverordnung bestimmten, besonders überwachungsbedürftigen Abfällen zur Verwertung (vgl. § 50 Abs. 2 Nr. 1 KrW-/AbfG). Der Transport anderer Abfälle zur Verwertung ist genehmigungsfrei (vgl. Versteyl, in: Kunig/ Paetow/ Versteyl, KrW-/AbfG, 2. Aufl., § 49 Rn. 17). Die Klägerin führt die von ihr eingesammelten Abfälle nicht der Beseitigung, sondern der Verwertung durch ein zertifiziertes Entsorgungsunternehmen zu. Ihre Tätigkeit ist daher nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG zulässig und nicht nach § 49 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG genehmigungsbedürftig. Da die Tätigkeit der Klägerin auch jedenfalls im Grundsatz nicht darauf gerichtet ist, besonders überwachungsbedürftige Abfälle einzusammeln, ist auch nicht offensichtlich, dass sie für ihre Tätigkeit eine Genehmigung nach § 50 Abs. 2 Nr. 1 KrW-/AbfG bedürfte. Besonders überwachungsbedürftige Abfälle, deren Transport zur Verwertung einer Genehmigung bedarf, sind nach § 1 Abs. 1 der Transportgenehmigungsverordnung die in der Verordnung über das europäische Abfallverzeichnis bestimmten gefährlichen Abfälle. Nach § 3 Abs. 1 der Abfallverzeichnisverordnung (AVV, BGBl. 2001 I 3379) in Verbindung mit den Ziff. 02 0110, 1704, 200136 der Anlage zur AVV sind insbesondere Metallabfälle, Metalle, Kabel und Elektrogeräte nicht grundsätzlich "gefährlich", sondern nur dann, wenn sie im Einzelfall gefährliche Bestandteile - insbesondere Öl oder gefährliche Chemikalien - enthalten. Die Klägerin weist in ihrem Flugblatt (Bl. 8 d. A.) darauf hin, dass sie keine Kühlgeräte, Elektronikgeräte, Giftstoffe, Öle und Chemikalien mitnimmt. Insofern ist davon auszugehen, dass sie die in dem Flugblatt genannten Gegenstände nur einsammelt, wenn diese im Einzelfall keine gefährlichen Stoffe enthalten.