Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 09.03.2009, Az.: 13 A 1410/07
Ausbildungsförderung; Auslandsstudium; Förderungsdauer; Förderungshöchstdauer
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 09.03.2009
- Aktenzeichen
- 13 A 1410/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 44468
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2009:0309.13A1410.07.0A
Rechtsgrundlagen
- 15a BAföG
- 5a 1 BAföG
Amtlicher Leitsatz
§ 5a BAföG kann auch dann Anwendung finden, wenn der Auszubildende sein Auslandsstudium nach Ablauf der Förderungshöchstdauer absolviert. Dafür sprechen neben dem Wortlaut der Regelung und dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers auch der Sinn und Zweck der Vorschrift (Weiterführung der bisherigen Rechtsprechung der Kammer, vgl. Urteil vom 22.02.2008, Az. 13 A 1795/07).
Die von der entgegenstehenden Rechtsprechung als maßgeblich erachtete Behauptung, § 5a BAföG sei ursprünglich eingeführt worden, um den Auszubildenden die Sorge davor zu nehmen, dass sie mit ihrem gesamten Studium infolge eines Auslandsaufenthaltes und dadurch bedingte Verzögerungen die Förderungshöchstdauer überschreiten müssen und damit während des letzten Abschnitts ihres Studiums nicht mehr gefördert werden können, findet in den Gesetzesmaterialien keine Grundlage.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).
Die Klägerin nahm zum Sommersemester 2001 ein Studium an der Universität Oldenburg mit der Fachrichtung Magister und den Studienfächern Soziologie, Politikwissenschaft und zunächst Anglistik, ab dem Wintersemester 2001/2002 Geschichte als Nebenfach, auf.
Für dieses Studium erhielt sie auf ihren Antrag hin ab Studienbeginn Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Bis zum Sommersemester 2005 studierte sie insgesamt neun Fachsemester in den Fächern Soziologie und Politikwissenschaft und acht Fachsemester im Nebenfach Geschichte. In der Zeit vom Wintersemester 2002/2003 bis zum Sommersemester 2005 arbeitete sie in verschiedenen Gremien der Beklagten. Vom 26. Oktober 2003 bis 9. Januar 2004 war sie krankheitsbedingt arbeitsunfähig.
Auf Antrag der Klägerin vom 27. Juli 2005 erkannte das Studentenwerk Oldenburg mit Bescheid vom 7. November 2005 eine Überschreitung der Förderungshöchstdauer von sechs Monaten aus schwerwiegendem Grund (Krankheit) und weiteren neun Monaten aufgrund nachgewiesener Gremientätigkeit an. Vorbehaltlich der rechtzeitigen Antragstellung werde Ausbildungsförderung von Oktober 2005 bis Dezember 2006 geleistet.
Vom 3. August bis 31. Dezember 2006 studierte die Klägerin im Ausland, an der Universität Stavanger, Norwegen. Für diese Zeit bewilligte ihr das zuständige Studentenwerk Schleswig-Holstein mit Bescheiden vom 30. August und 28. September 2006 Ausbildungsförderung. Vom 1. Januar bis 31. Mai 2007 setzte sie das Studium an der Universität Oldenburg fort.
Mit Antrag vom 30. Dezember 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Ausbildungsförderung. Am 23. Januar 2007 beantragte sie die Nichtberücksichtigung ihrer Ausbildung im Ausland nach § 5a BAföG.
Mit Bescheid vom 21. Februar 2007 lehnte die Beklagte den Antrag auf Nichtberücksichtigung des Auslandsaufenthaltes ab. Nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften bleibe das erste Jahr einer Ausbildung im Ausland während einer anschließenden Ausbildung im Inland u.a. bei der Zählung der Fachsemester für die Vorlage der Eignungsnachweise nach § 48 BAföG sowie für die Festsetzung des Endes der Förderungshöchstdauer unberücksichtigt. Da die Klägerin das Auslandsstudium erst nach dem Ende der Förderungshöchstdauer absolviert habe, hätte das Studium keinen Einfluss auf die Zählung der Fachsemester und die Festsetzung des Endes der Förderungshöchstdauer gehabt. § 5a BAföG lasse die Regelstudienzeit nicht wieder aufleben.
Am 14. März 2007 stellte die Klägerin einen Antrag nach § 44 SGB X auf Überprüfung der Entscheidung vom 21. Februar und beantragte, ihr Ausbildungsförderung für den Zeitraum von Januar bis Mai 2007 zu bewilligen. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Rücknahme des Bescheides ab, weil der Bescheid rechtmäßig sei. Zur Begründung wiederholte sie die Ausführungen aus dem angegriffenen Bescheid.
Die Klägerin hat am 18.05.2007 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, bei der Berechnung der Studienzeit für die Ausbildungsförderung habe die Zeit der Ausbildung, die sie im Ausland verbracht habe, gemäß § 5a BAföG unberücksichtigt zu bleiben. Die Einschränkung, dass eine Nichtberücksichtigung von Auslandszeiten nur dann möglich sei, wenn sie vor Ablauf der Förderungshöchstdauer wahrgenommen wurden, ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht. Dies widerspreche auch dem bildungspolitischen Ziel der Vorschrift, dem geringen Interesse deutscher Studierender an Auslandsstudien entgegenzuwirken und einen besonderen Anreiz auf dem Gebiet der Ausbildungsförderung zu schaffen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 21. Februar 2007 und 17. April 2007 zu verpflichten, ihr Ausbildungsförderung nach dem BAföG in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2007 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie die Ausführungen im angefochtenen Bescheid. Der Gesetzgeber gehe grundsätzlich davon aus, dass eine Ausbildung innerhalb der Förderungshöchstdauer zum Abschluss gebracht werden könne. Aus der Systematik des § 15 Abs. 3 BAföG ergebe sich, dass eine Verlängerung nur in Betracht komme, wenn die Förderungshöchstdauer aus bestimmten Gründen überschritten werde, die dann jedoch vor dem Ende der Förderungshöchstdauer liegen müssten. Hätte der Gesetzgeber eine Regelung beabsichtigt, nach der Auslandsaufenthalte unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Ableistung nie berücksichtigt werden sollen, hätte er eine solche Regelung in den § 15 BAföG aufgenommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist auch ohne vorherige Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Ausbildungsförderung zulässig, weil die Beklagte über den Antrag vom 30. Dezember 2006 ohne zureichenden Grund nicht fristgerecht entschieden hat (§ 75 VwGO). Die Bescheide vom 21. Februar 2007 und 17. April 2007, mit denen die Nichtberücksichtigung des Auslandsaufenthaltes der Klägerin nach § 5a BAföG bzw. eine Rücknahme des Ablehnungsbescheides abgelehnt worden ist, verhalten sich zum Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Ausbildungsförderung nicht.
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf die Gewährung von Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz für die Monate Januar bis Mai 2007 zu. Die Bescheide des Studentenwerkes Oldenburg vom 21. Februar 2007 und 17. April 2007 sind rechtswidrig und daher aufzuheben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Gem. § 15 Abs. 2 BAföG wird Ausbildungsförderung für die Dauer der Ausbildung geleistet, bei Studiengängen jedoch grundsätzlich nur bis zum Ende der Förderungshöchstdauer nach § 15a BAföG. Die Förderungshöchstdauer des von der Klägerin betriebenen Studiums beträgt gem. § 15a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BAföG neun Semester und endete Ende September 2005 mit Ablauf des Sommersemesters. Gem. § 15 Abs. 3 BAföG wird aus den dort abschließend benannten Gründen ausnahmsweise für eine angemessene Zeit über die Förderungshöchstdauer hinaus Ausbildungsförderung geleistet. Diese Voraussetzungen lagen aufgrund einer mehrmonatigen Erkrankung der Klägerin sowie nachgewiesener Gremientätigkeit über mehrere Semester vor (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 3 BAföG). Das im Auftrag der Beklagten handelnde Studentenwerk Oldenburg hat die "angemessene Zeit" mit bestandskräftigem Bescheid vom 7. November 2005 mit 15 Monaten, d.h. bis zum 31. Dezember 2006 bemessen.
Von den 15 Monaten sind nicht bereits fünf Monate durch die Absolvierung eines Auslandsstudiums in Norwegen verbraucht. Entgegen der Auffassung der Beklagten findet § 5a Satz 1 BAföG Anwendung. Danach bleibt die Zeit einer Ausbildung, die der Auszubildende im Ausland durchgeführt hat, längstens jedoch bis zu einem Jahr, bei der Leistung von Ausbildungsförderung für eine Ausbildung im Inland unberücksichtigt.
Die Kammer hat in einem vergleichbaren Fall durch Urteil vom 22. Februar 2008 (Az. 13 A 1795/07) entschieden, dass § 5a BAföG auch dann Anwendung finden kann, wenn der Auszubildende sein Auslandsstudium nach Ablauf der Förderungshöchstdauer absolviert. An dieser Rechtsauffassung hält die Kammer fest.
Bereits der Wortlaut der Vorschrift differenziert nicht danach, ob die Auslandsausbildung vor oder nach Ablauf der Förderungshöchstdauer im Sinne des § 15a BAföG stattfindet. § 5a Satz 1 BAföG spricht lediglich von der Zeit einer Ausbildung, die der Auszubildende im Ausland durchgeführt hat.
Auch der Wille des Gesetzgebers spricht, wie im Folgenden noch näher ausgeführt wird, gegen die von der Beklagten für zutreffend gehaltene Auslegung. Ziel des Gesetzgebers bei der Einführung bzw. Wiedereinführung dieser Regelung war es, einen besonderen Anreiz zur Durchführung von Auslandsstudien zu schaffen (vgl. BT - Drs. 8/2868 S. 25 und 14/371, S. 13; OVG Münster, Urteil vom 29. November 1995 - 16 A 69/93 -, FamRZ 1996, 768 [OVG Nordrhein-Westfalen 29.11.1995 - 16 A 69/93]; Ramsauer/Stallbaum/Sternal, Kommentar zum BAföG, 4. Auflage, § 5a Rn. 1; Rothe/Blanke, Kommentar zum BAföG, § 5a Rn. 1).
Die in Teilen der Rechtsprechung vertretene entgegenstehende Auffassung, § 5a BAföG sei nicht anwendbar, wenn der Auslandsaufenthalt - wie auch in diesem Fall - erst nach dem Ablauf der Förderungshöchstdauer stattgefunden hat, stützt sich allein auf die - unzutreffende - Behauptung, die Vorschrift sei eingeführt worden, um den Auszubildenden die Sorge davor zu nehmen, dass sie mit ihrem gesamten Studium infolge einer im Ausland durchgeführten Ausbildungsphase und aufgrund dadurch möglicherweise eintretender Verzögerungen die Förderungshöchstdauer überschreiten müssen und damit während des letzten Abschnitts ihres Studiums nicht mehr gefördert werden können. Dieser (angebliche) Gesetzeszweck sei aber nicht mehr einschlägig, wenn der Auszubildende das Ende der Förderungshöchstdauer bereits vor dem Beginn des Auslandsaufenthalts erreicht habe, da in diesem Fall der Auslandsaufenthalt für das Überschreiten der Förderungshöchstdauer und den damit verbundenen Wegfall des Anspruchs auf Ausbildungsförderung nicht ursächlich sei (so VGH Baden-Württemberg, Urt.v. 03.11.2003 - 7 S 1609/02 -, FamRZ 2004, 1754 [VGH Baden-Württemberg 03.11.2003 - 7 S 1609/02]; OVG Koblenz, Urt.v. 21.03.1991 - 12 A 12517/90 -, FamRZ 1992, 241 [OVG Rheinland-Pfalz 21.03.1991 - 12 A 12517/90]; OVG Bremen, Beschl.v. 23.09.1996 - 2 BA 2/96 -, FamRZ 1997, 127; VG Freiburg (Breisgau ), Urt.v. 11.04.2008 - 7 K 1845/06 -, juris).
Dieser Rechtsauffassung liegt jedoch eine nicht zutreffende Einschätzung des ursprünglich bei der Einführung des § 5a BAföG beabsichtigten Gesetzeszwecks zugrunde, die in den vergangenen Jahren auch von verschiedenen Obergerichten ohne nähere Überprüfung wiederholt worden ist. Wie sich aus der Gesetzeshistorie ergibt, bestand vor Einführung des § 5a BAföG aufgrund der seinerzeitigen Vorschriften für die Auszubildenden tatsächlich überhaupt kein Anlass zur Sorge, ihr Studium trotz einer möglichen Verlängerung durch einen Auslandsaufenthalt mit Mitteln der Ausbildungsförderung zu Ende führen zu können.
Im Jahr 1979 war die Förderung von Auslandsaufenthalten dergestalt geregelt, dass nach § 5 Abs. 2 BAföG (in der damals geltenden Fassung) der Besuch einer Ausbildungsstätte im europäischen Ausland gefördert wurde, wenn er der Ausbildung förderlich war und zumindest ein Teil dieser Ausbildung auf die vorgeschriebene oder übliche Ausbildungszeit angerechnet werden konnte (Nr. 1) oder die Ausbildung im Geltungsbereich des Gesetzes nicht durchgeführt werden konnte (Nr. 2). § 5 Abs. 3 BAföG erlaubte eine Förderung des Besuchs von Ausbildungsstätten außerhalb Europas, wenn der Besuch für die Ausbildung erforderlich war (Nr. 1), im Rahmen eines Stipendiatenprogramms erfolgte (Nr. 2) oder er der Ausbildung förderlich und zumindest teilweise auf die Ausbildungszeit anrechenbar war und der erforderliche Mehrbedarf gegenüber den Inlandsätzen vom Auszubildenden finanzierbar war (Nr. 3). bei Vorliegen dieser Voraussetzungen trat nach § 6 FörderungshöchstdauerV a.F nach einem einjährigen Auslandsaufenthalt nach § 5 Abs. 2 oder 3 BAföG a.F. eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer von einem Semester, bei einem zweijährigen Auslandsaufenthalt von zwei Semestern ein. Darüber hinaus wurde nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 BAföG a.F. Ausbildungsförderung für eine angemessene Zeit über die Förderungshöchstdauer hinaus auch dann geleistet, wenn sie infolge des Auslandsaufenthaltes überschritten worden war.
Im Januar 1979 wandten sich Mitglieder der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion mit einer Kleinen Anfrage "betreffend die Verbesserung der Ausbildungsförderung für deutsche Studenten bei einem Studium im Ausland, insbesondere in den USA und in Kanada" (BT-Drs. 8/ 2519) an die Bundesregierung, weil nach ihrer Auffassung eine "allgemeine Auslandsmüdigkeit" zu beobachten sei, die sich durch das geltende restriktive Förderungssystem nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erkläre, das einen Studienaufenthalt im Ausland eher behindere als begünstige (Nr. 4 der Kleinen Anfrage). In der Kleinen Anfrage war der Antrag enthalten, das Bundesausbildungsförderungsgesetz so zu ändern, dass "den Studenten bei einem Studienaufenthalt im Ausland die Sorge vor dem Überschreiten der Förderungshöchstdauer genommen" werde, da sich die Förderungshöchstdauer nach der Regelstudienzeit richte und nach seinerzeitiger Gesetzeslage ein Auslandstudienaufenthalt von einem Jahr lediglich zu einer Verlängerung der Förderungshöchstdauer um ein Semester führe (Nr. 7). Die vorgesehene - die Förderungshöchstdauer betreffende - Begünstigung des Auslandsstudiums sollte nach diesem Antrag unabhängig von den in § 5 BAföG genannten Voraussetzungen für die Gewährung von Ausbildungsförderung im Ausland sein (Nr. 7, 9). Darüber hinaus sollte die Förderung eines Auslandsstudiums unabhängig von dessen Anrechenbarkeit auf das inländische Studium sein (Nr. 8).
Aufgrund der bereits dargestellten Gesetzeslage traf die Einschätzung in der Kleinen Anfrage, bei den Auszubildenden müsse im Falle eines Auslandsstudiums die Sorge bestehen, das Studium nicht innerhalb der förderungsfähigen Zeit abschließen zu können, jedoch nicht zu. Denn für die Auszubildenden, die die Voraussetzungen der § 5 Abs. 2 oder 3 BAföG a.F. erfüllten, bestand aufgrund von § 6 FörderungshöchstdauerV a.F und § 15 Abs. 3 Nr. 2 BAföG a.F. kein Grund zur Sorge, dass das Studium zum Ende hin nicht mehr gefördert würde (so auch Rothe/ Blanke, BAföG, § 5a Rn. 1).
Dementsprechend teilte auch die Bundesregierung in der Beantwortung der Kleinen Anfrage (BT-Drs. 8/ 2519) mit, dass die geltenden Förderungsvorschriften dem Auszubildenden keine begründete Veranlassung hätten, Sorge vor einem Überschreiten der Förderungshöchstdauer zu haben. § 6 FörderungshöchsdauerV und § 15 Abs. 3 Nr. 2 BAföG ließen im Einzelfall die Leistung von Ausbildungsförderung für eine angemessene Zeit hinaus zu, wenn diese infolge einer Ausbildung im Ausland überschritten worden seien. Ein Verzicht auf die in § 5 Abs. 2 und 3 BAföG genannten Voraussetzungen der teilweisen Anrechenbarkeit des Auslandsstudiums auf das inländische Studium, die seinerzeit aus finanziellen Erwägungen eingeführt worden seien, komme allerdings nicht in Betracht.
Gleichwohl teilte die Bundesregierung die Auffassung, dass der Anteil deutscher Studenten, die zeitweilig im Ausland studieren, zu gering sei, auch wenn dies nicht auf das geltende Förderungsrecht zurückzuführen sei. Eine generelle Verlängerung der Förderungshöchstdauer um ein Jahr könne jedoch einen weiteren Anreiz für Auslandsstudienaufenthalte bieten. Daher erscheine es zweckmäßig, eine Vorschrift zu schaffen, nach der bei der Leistung von Ausbildungsförderung die Zeit einer Ausbildung außerhalb des Geltungsbereichs des BAföG, längstens jedoch bis zu einem Jahr, in jeder Hinsicht unberücksichtigt bleibe. Durch eine solche Regelung werde nicht nur die generelle Verlängerung der Förderungshöchstdauer um ein Jahr bewirkt, so dass sich der BAföG-Empfänger auch für ein fachfremdes Semester im Ausland bewerben könne, ohne eine schädliche Wirkung auf eine spätere Weiterförderung nach dem BAföG befürchten zu müssen. Zugleich würden andere Probleme des BAföG-Vollzugs, wie Fachrichtungswechsel während der Auslandsstudienzeit und zeitgerechte Vorlage der Eignungsbescheinigung nach § 48 BAföG gelöst.
Aufgrund dieser Argumentation der Bundesregierung beantragten die Fraktionen der SPD und FDP im Ausschuss, durch Einfügung eines neuen § 5a in das Gesetz die Möglichkeit zu schaffen, dass sowohl ein einjähriges fachbezogenes Auslandsstudium, für das dem Grunde nach ein Anspruch auf Förderung besteht, als auch ein einjähriges fachfremdes Auslandsstudium, das nicht gefördert werden kann, bei der Vorlage des Eignungsnachweises nach § 48 Abs. 1 sowie bei der Bemessung der Förderungsdauer unberücksichtigt bleiben und ein fachfremdes Auslandsstudium nicht mehr zum Verlust der Zuschussförderung bei Fortsetzung des Fachstudiums im Inland führt. Die CDU/ CSU stimmte diesem weitergehenden Antrag zu (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft, BT-Drs. 8/ 2868, 25).
Daraufhin wurde auf Beschlussempfehlung des 18. Ausschusses (BT-Drs. 8/2868, S. 6) durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (6. BAföGÄndG, BGBl. I, 1979, 1037) § 5a in das Bundesausbildungsförderungsgesetz eingefügt, nach dem bei der Leistung von Ausbildungsförderung für eine Ausbildung im Geltungsbereich des Gesetzes die Zeit einer Ausbildung, die der Auszubildende außerhalb des Geltungsbereichs durchgeführt hat, längstens jedoch bis zu einem Jahr, unberücksichtigt bleibt. Als Folge der Einführung des § 5a BAföG wurde zunächst § 6 der FörderungshöchstdauerV gestrichen. Später, durch das 12. BAföGÄndG, wurde auch § 15 Abs. 3 Nr. 2 BAföG aufgehoben, weil sich diese Vorschrift durch die Einfügung des § 5a BAföG als entbehrlich erwiesen habe (BT-Drs. 11/5961, 20).
Damit lag bereits der erstmaligen Einführung des § 5a BAföG nicht der von der dargestellten entgegenstehenden Rechtsprechung und Kommentarliteratur behauptete Zweck zugrunde, den Auszubildenden die Sorge davor zu nehmen, eine Verzögerung infolge des Auslandsaufenthaltes könnte zu einer Überschreitung der Förderungshöchstdauer und damit zu einem Wegfall der Förderung während des letzten Studienabschnitts führen. Es bestand vielmehr die Absicht, den Förderungszeitraum bei erfolgtem Auslandsaufenthalt unabhängig von den bisherigen Einschränkungen des § 5 Abs. 2 und 3 BAföG zu verlängern. Eine Verlängerung der Förderungsdauer sollte also - anders als zuvor - auch dann möglich sein, wenn sich der Auszubildende für ein fachfremdes Semester im Ausland bewirbt. Hinsichtlich der Förderungsfähigkeit des Auslandsstudiums selbst sollte es dagegen bei dem bisherigen Erfordernis eines fachspezifischen Zusammenhangs zum im Inland betriebenen Studium bleiben (vgl. BT-Drs. 8/ 2519, S. 5).
Die damalige Zielrichtung des § 5a BAföG, einen weiteren Anreiz für Auslandsstudienaufenthalte zu bieten, hat sich trotz seiner Änderungen im Rahmen des 11. BAföGÄndG sowie der Aufhebung und Neufassung durch das 18. bzw. 20. BAföGÄndG (und der damit verbundenen Folgeänderungen in § 15 Abs. 3 Nr. 2 BAföG) nicht geändert. Das ergibt sich für die Fassung der Vorschrift, die für die gerichtliche Entscheidung maßgeblich ist, aus der entsprechenden Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/371, S. 9 und 13). Danach sollte mit der Wiedereinführung des § 5a BAföG die Attraktivität des Auslandsstudiums gestärkt werden und eine auch unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität bewährte Regelung wieder Gültigkeit erlangen. Deshalb bleibe die Zeit der Ausbildung im Ausland förderungsrechtlich bis zu einem Jahr unberücksichtigt. Dadurch werde eine generelle Verlängerung der Förderungshöchstdauer um maximal ein Jahr mit der Möglichkeit auch zu nicht unmittelbar fachbezogenen, aber auf Grund der internationalen und europäischen Entwicklung erwünschten weiteren Studien, etwa zum Fremdsprachenerwerb, bewirkt.
Das damit klar formulierte Ziel des Gesetzgebers, einen Anreiz zur Durchführung von Auslandsstudien zu geben, auch wenn diese nicht unmittelbar fachbezogen sind, lässt allein den Schluss zu, bei der Bemessung der Förderungsdauer Ausbildungszeiten im Ausland unabhängig davon unberücksichtigt zu lassen, ob der Auslandsaufenthalt bereits vor oder erst nach Erreichen der Förderungshöchstdauer durchgeführt wird. Denn aus der Sicht der Kammer macht es keinen Unterschied, ob ein Auszubildender während des Laufs der Förderungshöchstdauer nach § 15a BAföG oder während des Laufs der Förderungsdauer nach § 15 Abs. 3 BAföG gefördert wird. In beiden Fällen hält der Gesetzgeber die Ausbildung für förderungswürdig. Dass der Gesetzgeber Auslandsstudien nur dann fördern wollte, wenn sie im Rahmen der Förderungshöchstdauer nach § 15a BAföG absolviert worden sind, vermag die Kammer nicht zu erkennen.