Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 29.06.2015, Az.: 40 F 9/14 AD

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
29.06.2015
Aktenzeichen
40 F 9/14 AD
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 44827
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

XY wird von Frau ...... auf Antrag der Annehmenden als Kind angenommen.

Die Angenommene führt als Geburtsnamen den Namen .....

Es wird davon abgesehen, Gerichtskosten zu erheben. Die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten trägt jeder Beteiligte selbst.

Der Verfahrenswert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Annahme gründet sich auf die Vorschriften der §§ 1741, 1754 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. § 9 Abs.7 Lebenspartnerschaftsgesetz.

Es handelt sich um die Adoption des leiblichen Kindes der Lebenspartnerin der Annehmenden, das durch eine anonyme Samenspende während der Lebenspartnerschaft aufgrund des gemeinsamen Willens beider Lebenspartnerinnen gezeugt worden ist.

Das anzunehmende Kind war zum Zeitpunkt des Adoptionsbeschlusses 11 Monate und 3 Wochen alt und lebt seit der Geburt in der Lebenspartnerschaft der leiblichen Mutter mit der Annehmenden. Die Lebenspartnerschaft besteht bereits seit 24.8.2013. Die Annahme war zu beschließen, weil bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist und für das Kindeswohl innerhalb der stabilen Lebenspartnerschaft eine positive Prognose besteht. Davon ist das Gericht nach persönlicher Anhörung der Annehmenden und der leiblichen Mutter der Anzunehmenden und aufgrund der fachlichen Stellungnahme des Jugendamtes überzeugt.

Die Beteiligung des leiblichen Vaters war aufgrund der Anonymität der im Ausland erworbenen Samenspende nicht möglich, aber auch nicht erforderlich.

Auch im Falle einer Samenspende ist dem leiblichen Vater grundsätzlich die Möglichkeit zu geben, sich an dem Adoptionsverfahren zu beteiligen (BGH, Beschluss vom 18.2.2015, Az. XII ZB 473/13, FamRZ 2015, 828). Art. 6 GG schützt insofern das Recht des leiblichen Vaters, die Rechtsstellung als Vater des Kindes einzunehmen (BGH FamRZ 2015, 828, 829). Von einer Beteiligung des leiblichen Vaters an einem Adoptionsverfahren kann jedoch dann abgesehen werden, wenn aufgrund der Gesamtumstände unzweifelhaft ist, dass eine Beteiligung nicht in Betracht kommt, z.B. weil dieser auf sein grundrechtlich geschütztes Beteiligungsrecht von vornherein verzichtet hat, wie es bei einer anonymen Samenspende, wie hier, regelmäßig der Fall ist (BGH FamRZ 2015, 828, 830). Das Gericht hat daher davon abgesehen, zu versuchen, die Identität und den Aufenthalt des anonymen Samenspenders zu ermitteln.

Die leibliche Mutter der Anzunehmenden und die Annehmende haben am ........ 2013 eine eingetragene Lebenspartnerschaft gegründet. Aufgrund eines gemeinsamen Entschlusses wurde die Anzunehmende mittels einer anonymen Samenspende gezeugt und am 7.7.2014 geboren. Der Adoptionsantrag ging am 25.7.2014 bei dem hiesigen Amtsgericht ein. Nach dem Eingang nachgeforderter Dokumente wurde das Jugendamt im Januar 2015 um eine fachliche Stellungnahme gebeten, die am 18.6.2015 eingegangen ist. Das Jugendamt befürwortet die beantragte Adoption, verweist jedoch auch auf ein Schreiben der Gemeinsamen Zentralen Adoptionsstelle aus dem sich eine kritische Haltung gegenüber Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Lebenspartner, der Anonymität von Samenspendern und der Abkürzung der „gesetzlich“ vorgesehenen Adoptionspflegezeit ergibt. Der dazu veröffentlichte Beschluss des AG Elmshorn verkenne „grundlegende adoptionsfachliche Aspekte“.

Das AG Elmshorn hat in einem Beschluss vom 20.12.2010 (NJW 2011, 1085) entschieden, dass kein „Adoptionspflegejahr“ abzuwarten sei, wenn eine Lebenspartnerin das durch anonyme Samenspende gezeugte leibliche Kind der Lebenspartnerin adoptiert. Tatsächlich ist der Beschluss des AG Elmshorn in der Formulierung des Leitsatzes nicht überzeugend, denn ein „Adoptionspflegejahr“ ist gesetzlich gar nicht vorgeschrieben. § 1744 BGB sieht vor, dass die Annahme „in der Regel“ erst ausgesprochen werden soll, „wenn der Annehmende das Kind eine angemessene Zeit in Pflege gehabt hat“. Eine bestimmte Zeit ist gesetzlich nicht festgeschrieben und würde auch dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift widersprechen, die die Prognose zum Kindeswohl und die Entstehung einer wirklichen Eltern-Kind- Beziehung erleichtern soll (Palandt- Diederichsen, 71.Aufl., § 1741 Rn.1 f). Ob für die erforderlichen Prognoseentscheidungen „angemessene“ Adoptionspflegezeit im Sinne des § 1744 BGB vorliegt, ist letztlich durch das Gericht im Einzelfall zu entscheiden. Darauf weisen auch die (rechtlich unverbindlichen) Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (7. überarbeitete Fassung 2014; http://www.bagljae.de/downloads/120_empfehlungen-zur-adoptionsvermittlung_2014.pdf) hin. Dort (S.69, 8.5.) wird ausgeführt, dass aus adoptionsfachlicher Sicht eine kürzere Adoptionspflegezeit als 1 Jahr „nur in den seltensten Fällen angemessen“ sein dürfte, „z.B. bei neugeborenen Säuglingen ohne Beziehungsabbruch“. Zu Recht wird in den Empfehlungen ausgeführt, dass bei der prognostischen Beurteilung auch zu beachten ist, dass die Paarbeziehung durch die Anwesenheit eines Kindes eine neue Dynamik erhalten kann. Die Stabilität der Paarbeziehung und die angemessene Erprobung der Belastbarkeit der Paarbeziehung durch die Anwesenheit eines Kindes ist ein wichtiger Gesichtspunkt für die prognostische Beurteilung der Eltern-Kind-Beziehung und des Kindeswohles. Allerdings ist im vorliegenden Fall das anzunehmende Kind von Geburt an, also seit fast einem Jahr, in der bestehenden Lebenspartnerschaft aufgewachsen und zwar ohne dass es zuvor einen Beziehungsabbruch gegeben hat. In Fällen der Adoption eines durch anonymen Spendersamen gezeugten Kindes durch den Ehemann oder die Lebenspartnerin der leiblichen Mutter spricht diese Konstellation auch aus adoptionsfachlichen Gründen eher für eine kurze Adoptionspflegezeit. Die (nicht adoptionsfachliche) Argumentation der GZA, dass eine kürzere Adoptionspflegezeit eine Sonderbehandlung gleichgeschlechtlicher Lebenspartner zur Folge hätte, lässt die Tatsache außer Acht, dass die Adoptionspflegezeit in keinem Fall an starre Fristen gebunden ist und entscheidend ist, dass das Kind in Fällen, wie dem hier vorliegenden, in eine stabile Lebenspartnerschaft ohne vorherigen Beziehungsabbruch hineingeboren wird. Diese Konstellation kann im Übrigen auch bei heterosexuellen Ehepaaren für eine kurze Adoptionspflegezeit sprechen.

Das Kind erhält gemäß § 1757 Abs. 1 Satz 1 BGB als Geburtsnamen den Familiennamen der Annehmenden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs.1, Abs. 3 FamFG. Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 42 FamGKG. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 197 Abs. 3 S. 1 FamFG).