Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 06.07.2004, Az.: 7 A 704/02

Beamter; Besoldung; Billigkeitsentscheidung; Rückforderung; Sonderzuwendung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
06.07.2004
Aktenzeichen
7 A 704/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50433
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Dienstherr hat bei Rückforderung überzahlter Bezüge von einem ehemaligen Beamten im Rahmen der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen, dass der Beamte einen Teil seiner Dienstbezüge dringend benötigte, um den Unterhalt für sich (und seine Familie) zu gewährleisten.

2. Bei der Rückforderung einer Sonderzuwendung ist keine Billigkeitsentscheidung vorzunehmen.

Tenor:

Der Bescheid vom 20. Juli 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2002 wird aufgehoben, soweit mehr als 2.455,02 € (4.801,61 DM) von der Klägerin zurückgefordert worden sind. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 20 % und der Beklagte zu 80 %; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung gegenüber dem jeweiligen Vollstreckungsgläubiger in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsschuldner zuvor jeweils Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet.

Die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand:

1

Die 1948 geborene Klägerin ist ehemalige Beamtin auf Probe, lebt von Sozialhilfe und wendet sich gegen die Rückforderung überzahlter Dienstbezüge in Höhe von 13.376,41 Euro.

2

Die Klägerin wurde mit Wirkung vom 01. Februar 1985 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Studienassessorin ernannt. Nach erfolgloser Verlängerung der Probezeit wegen unzureichender Leistung wurde die Klägerin durch Bescheid vom 26. 0ktober 1989 mit Ablauf des 31. Dezember 1989 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Auf Grund des gegen die Entlassungsverfügung erhobenen Widerspruchs wurde das Gehalt vorläufig weiter gezahlt. Die Klägerin erteilte aber erst wieder Unterricht, nachdem das Nds. OVG durch Beschluss vom 24. April 1990 (- 2 M 18/90 -) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Entlassungsverfügung wieder hergestellt hatte. Im Hauptsacheverfahren wies die Kammer die Klage ab (Urt. v. 26. November 1991, - 7 A 7549/90 -). Das Nds. OVG wies die Berufung zurück (Urt. v. 26. Januar 1996, - 2 L 1591/92 -). Die hiergegen erhobene Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung (BVerwG, Urt. v. 19. März 1998 - 2 C 5/97 - , Nds. RPfl. 1998, 230 ff.). Vor dem Nds. OVG schlossen die Bezirksregierung Braunschweig und die Klägerin am 20. Juli 1999 einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich die Behörde verpflichtete, die Bewährung der Klägerin als Lehrkraft für das Lehramt an Berufsbildenden Schulen erneut durch eine weitere Besichtigung zu überprüfen. Ferner wurde vereinbart, dass bei Feststellung der Nichteignung die Entlassungsverfügung vom 26. 0ktober 1989 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 09. 0ktober 1990 nach Abschluss eines ggf. eingeleiteten vorläufigen Rechtsschutzverfahrens bestandskräftig wird. Nach Durchführung einer Unterrichtsbesichtigung stellte die Bezirksregierung Braunschweig durch Schreiben vom 29. Dezember 1999 fest, dass sich die Antragstellerin als Lehrkraft für das Lehramt an Berufsbildenden Schulen nicht bewährt habe und demzufolge zu entlassen sei. Ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren (Beschl. der Kammer v. 05. Juli 2000, 7 B 47/00 und Beschl. des Nds. OVG v. 18. September 2000, 2 M 2765/00) hatte keinen Erfolg. Die Klägerin wurde daraufhin am 13. Oktober 2000 auf der Grundlage der Entlassungsverfügung vom 26. Oktober 1989 aus dem Schuldienst entlassen.

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Der Beklagte forderte von der Klägerin durch Leistungsbescheid vom 20.Juli 2001 - ohne vorherige Anhörung - überzahlte Bezüge für die Zeit vom 01. Januar bis 10. Mai 1990 sowie die Sonderzuwendung von 4.801,61 DM (=2.451,89 €) in Höhe von insgesamt 26.161,99 DM (= 13.376,41 Euro) zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin sei mit Ablauf des 31. Dezember 1989 aus dem Probebeamtenverhältnis entlassen worden. Ihr Dienst, den sie am 11. Mai 1990 wieder aufgenommen habe, sei am 13. Oktober 2000 beendet worden. Sie habe vom 01. Januar 1990 bis zum 31. Oktober 2000 Bezüge erhalten. Die Bezüge für die Zeit ab dem 14. Oktober 2000 seien bereits zurückgefordert worden. Da seit Januar 1990 kein Beamtenverhältnis bestanden habe, habe der Klägerin gemäß § 3 BBesG seit diesem Zeitpunkt auch keine Besoldung zugestanden. Sie habe seit dem 11.Mai 1990 tatsächlich Dienst geleistet, so dass ihr vom 11. Mai 1990 bis zum 13. Oktober 2000 Bezüge aus einem faktischen Dienstverhältnis zustehen.

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Die Bezüge für den Zeitraum vom 01. Januar 1990 bis zum 10. Mai 1990 seien nach § 812 Abs. 1 BGB zurückzufordern, weil sich die Klägerin weder in einem Beamtenverhältnis befunden habe noch tatsächliche Dienstleistungen erbracht habe. Darüber hinaus sei die Sonderzuwendung 1989 zurückzufordern, weil die Klägerin nicht bis zum 31. März 1990 im Dienst verblieben sei. Ein gänzliches oder tatsächliches Absehen von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen sei nicht möglich. Eine Stundung in Form einer ratenweise Rückzahlung könne nach Stellen eines entsprechenden Antrages nur gegen Verzinsung in Höhe von 2 % über dem jeweils geltenden Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank gewährt werden.

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Die Klägerin erhob hiergegen Widerspruch und beantragte die Stundung der Forderung unter Hinweis auf ihren Sozialhilfebezug.

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Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2002 - zugestellt am 30. Oktober 2002 - zurück. Ergänzend zum Ausgangsbescheid wurde ausgeführt, aus Billigkeitsgründen könne von einer Rückforderung nicht abgesehen werden. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass ihr die Bezüge für den fraglichen Zeitraum nur aufgrund der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gezahlt worden seien. Sie hätte daher damit rechnen müssen, dass bei Nichterfolg des Klageverfahrens eine Rückforderung erfolgen würde, so dass sie in den folgenden 10 Jahren ihren Lebensstil darauf hätte einrichten können, eine entsprechende Summe vorsorglich anzusparen. Billigkeitsgründe, die einen Verzicht oder Teilverzicht ermöglichen würden, seien nicht erkennbar. Über den Stundungsantrag werde nach Rechtskraft entschieden.

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Am 02. Dezember 2002, einem Montag, hat die Klägerin den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Zur Begründung wird angeführt, die Klägerin habe in dem fraglichen Zeitraum nur deshalb keinen Schuldienst geleistet, weil die Bezirksregierung Braunschweig zu Unrecht den Sofortvollzug angeordnet hatte. Vor diesem Hintergrund seien die Voraussetzungen des Annahmeverzuges gegeben. Die Klägerin könne sich auf den Wegfall der Bereicherung berufen, weil sie bis zuletzt an den Erfolg des von ihr beschrittenen Klageweges glauben durfte. Sie habe auch erhebliche Aufwendungen für Prozesskosten gehabt und habe keine Veranlassung zur Bildung von Rücklagen hinsichtlich etwaiger Rückforderungen überzahlter Dienstbezüge gehabt. Die Rückzahlung sei auch eine unzumutbare Härte für die Klägerin. Sie habe nach der Entlassung aus dem Schuldienst keine feste Anstellung gefunden und beziehe seither Sozialhilfe.

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Die Klägerin beantragt,

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1. den Bescheid des Beklagten vom 20. Juli 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2002 aufzuheben,

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2. die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er erwidert: Die Klägerin habe in dem gesamten Zeitraum vom 01. Januar 1990 bis zum 13. Oktober 2000 keinen Anspruch auf Bezüge erworben. Wenn kein Dienstverhältnis bestanden habe, kein Anspruch auf Bezüge vorlag und zu Recht keine Arbeitsleistung erbracht worden sei, könne der Dienstherr nicht in Annahmeverzug gebracht werden, selbst wenn die Dienstleistung angeboten worden sei. Ein Verzicht auf die Forderung aus Billigkeitsgründen komme auch im Hinblick auf den Sozialhilfebezug nicht in Betracht, weil nicht vollends auszuschließen sei, dass die Klägerin eine Erwerbstätigkeit aufnehmen werde. Bis die Klägerin wieder über Einkünfte oder Vermögen verfüge, könne ihr die Forderung gestundet werden. Schließlich werde die Klägerin durch die nur beschränkte Verwertbarkeit von Vermögen und Einkünften in der Zwangsvollstreckung individuell geschützt. Für die Rückforderung der Sonderzuwendung sei keine Billigkeitsentscheidung zu treffen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten. Diese Unterlagen waren

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Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere noch innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO erhoben. Zwar ist der Klägerin der Widerspruchsbescheid bereits am 30. Oktober 2002 zugestellt worden, so dass zwischen dieser Zustellung und der Klageerhebung am 02. Dezember 2002 ein Zeitraum von mehr als einem Monat liegt. Da das Ende der Monatsfrist allerdings auf einen Sonnabend fiel, endete die Klagefrist gemäß § 57 Abs. 2VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO erst mit Ablauf des nächsten darauffolgenden Werktages. Dies war Montag, der 02. Dezember 2002.

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Die Klage ist in der Sache überwiegend begründet. Der Rückforderungsbescheid des beklagten Amtes ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit das beklagte Amt von der Klägerin 10.921,39 Euro (= 21.360,38 DM) überzahlte Dienstbezüge zurückgefordert hat (1.).Hinsichtlich der Rückforderung der überzahlten Sonderzuwendung (2.455,02 € = 4.801,61 DM) ist die Klage nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (2.).

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(1.) Rechtsgrundlage für die Rückforderung der gezahlten Besoldung in Höhe von 10921,39 Euro ist § 12 Abs. 2 BBesG. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Dienstbezüge sind zu viel gezahlt, wenn sie ohne rechtlichen Grund geleistet worden sind. Mit dem die Zulassung der Beschwerde der Klägerin ablehnenden Beschluss des Nds. OVG vom 18. September 2000 steht fest, dass sich die Klägerin als Lehrkraft für das Lehramt an Berufsbildenden Schulen nicht bewährt hat, so dass der Bescheid über die Entlassung vom 26. Oktober 1989 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09. Oktober 1989 bestandskräftig wurde (vgl. Nr. 3 des gerichtlichen Vergleichs vom 20. Juli 1999). Das ist zwischen den Parteien unstreitig. Mit der Rechtskraft der Entlassungsverfügung endete das Probebeamtenverhältnis der Klägerin mit Ablauf des 31. Dezember 1989 (§ 39 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 35 Abs. 1 Nr. 1 NBG). Damit entfiel der Rechtsgrund für die weitere Zahlung von Bezügen (§ 3 Abs. 3 BBesG).

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Die Klägerin kann sich gegenüber dem Rückforderungsanspruch des Beklagten nicht gemäß § 12 Abs. 2 BBesG in Verbindung mit § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Sie haftet verschärft (§ 12 Abs. 2 BBesG i.V.m. §§ 820 Abs. 1 Satz 2, 818 Abs. 4 BGB), weil Dienstbezüge lediglich wegen der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage zunächst weitergezahlt worden sind und unter dem Vorbehalt (vgl. Kümmel, BBesG, § 12, Rn. 44) des Bestandes des Beamtenverhältnisses gestanden haben.

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Der angefochtene Rückforderungsbescheid ist hinsichtlich der zurückgeforderten Besoldung rechtswidrig, weil der Beklagte eine unzureichende Billigkeitsentscheidung getroffen hat.

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Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden. Die Billigkeitsentscheidung kann darin bestehen, dass von der Rückforderung insgesamt oder teilweise endgültig abgesehen, dass die Rückzahlung ganz oder teilweise erst für einen späteren Zeitpunkt verlangt oder dass eine Rückzahlung in Teilbeträgen (Ratenzahlung) gestattet wird (vgl. u.a. BVerwG, Urt. v. 21. Oktober 1999, 2 C 27.98, BVerwGE 109, 357, 362, m.w.N. ). Zweck dieser Ermessensentscheidung ist es, die besonderen Gegebenheiten des Einzelfalles gegenüber der notwendigerweise generalisierenden gesetzlichen Rückforderungsbestimmung zur Geltung zu bringen. Da eine Billigkeitsentscheidung zugunsten des Schuldners den Rückzahlungsanspruch modifiziert, beurteilt sich ihre Rechtmäßigkeit nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, also in der Regel des Widerspruchsbescheides (vgl. BVerwG, Urt. v. 25. November 1982, 2 C 14.81, BVerwGE 66, 251, 255 f. m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 27. Januar 1994, 2 C 19.92, BVerwGE 95, 94, 97).

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Diesen Anforderungen genügt die Entscheidung des Beklagten, die überzahlten Bezüge zurückzufordern, nicht. Der Beklagte hat bei der Rückforderung der gesamten ab dem 01. Januar 1990 bis zum 10. Mai 1990 gezahlten Dienstbezüge nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt, dass die Klägerin einen Teil ihrer Dienstbezüge dringend benötigte, um den notwendigen Unterhalt für sich zu gewährleisten. Hierin liegt ein Verstoß gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 15. Dezember 1989, 2 BvR 1574/89, NVwZ 1990, 853) gebietet es die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, bei Anordnung des Sofortvollzugs der Entlassung eines Beamten auf Probe eine Regelung für den Fall zu treffen, dass die wirtschaftliche Lage des betroffenen Beamten vor rechtskräftiger Entscheidung in unvertretbarem Maße bis zur Notlage absinkt und dass ihm zur Vermeidung einer solchen Notlage und zur vorläufigen Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts die erforderlichen Beträge zur Verfügung gestellt werden. Jedenfalls dann, wenn sich die Klage gegen die das Beamtenverhältnis beendende Verfügung nicht schon von vornherein als offensichtlich unbegründet erweist, ist dem Beamten ein Teil der Dienstbezüge zu belassen, um den notwendigen Unterhalt zu gewährleisten (vgl. VGH Kassel, Urt. v. 23. Juni 1995, 1 UE 2433/91, NVwZ - RR 1996, 340 f.). Vorliegend war die Klage nicht von vornherein aussichtslos, weil die Klägerin sowohl im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vor dem Nds. OVG als auch im Hauptsacheverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zunächst obsiegt hat. Wird wie im vorliegenden Fall die ausgesprochene Entlassung aus dem Beamtenverhältnis letztlich doch bestätigt, wären bei der Rückforderung der überzahlten Dienstbezüge im Rahmen der Billigkeitsentscheidung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG derartige Ermessenserwägungen anzustellen gewesen. Daran fehlt es hier.

23

Darüber hinaus ist die Billigkeitsentscheidung fehlerhaft, weil es der Beklagte unterlassen hat, in den angefochtenen Bescheiden über die Einräumung angemessener Raten oder über eine Stundung zu entscheiden. Die Ankündigung, eine solche Entscheidung treffen zu wollen, sobald der Widerspruchsbescheid rechtskräftig wird, reicht hierfür nicht aus.

24

Über die Bewilligung von Ratenzahlungen und deren Höhe oder über eine Stundung muss im Leistungsbescheid, spätestens aber im Widerspruchsbescheid ausdrücklich und verbindlich entschieden werden. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich der Behörde - wie hier - aufdrängen muss, dass der Bereicherungsschuldner wirtschaftlich nicht in der Lage ist, den geforderten Betrag auf einmal zurückzuzahlen. Das bloße Inaussichtstellen von Ratenzahlungen oder Stundung reichen für eine rechtmäßige Billigkeitsentscheidung grundsätzlich nicht aus, es sei denn, der Schuldner gibt trotz einer entsprechenden konkreten Aufforderung nicht die für die Billigkeitsentscheidung benötigten Auskünfte (HessVGH, Urt. v. 27. Juni 1990, 1 UE 1378/87, NVwZ 1991, 94 [VGH Baden-Württemberg 04.05.1990 - 6 S 2821/89]).

25

Diesen Anforderungen genügen die angefochtenen Bescheide nicht.

26

Dem Beklagten war aus dem Verwaltungsverfahren bekannt, dass die damals 53 jährige arbeitslose Klägerin Sozialhilfe bezog ohne dass erkennbar war und ist, dass sie wieder in ein Arbeitsverhältnis eintreten wird. In dieser Lage durfte der Beklagte es nicht dabei bewenden lassen, sich unverbindlich unter nicht näher beschriebenen Voraussetzungen zur Stundung bereit zu erklären (vgl. OVG Rheinland - Pfalz, Urt. v. 15. Mai 1995, 2 A 10176/95). Falls der Kenntnisstand des Beklagten für eine abschließende Entscheidung noch nicht ausgereicht haben sollte, hätte er die Klägerin konkret auffordern müssen, die für erforderlich gehaltenen ergänzenden Angaben zu machen. Da dies unterblieben ist, erweist sich die Rückforderung auch aus diesem Grunde als nicht ermessensgerecht.

27

(2.) Die Klage hat hingegen keinen Erfolg, soweit sich die Klägerin gegen die Rückforderung überzahlter Sonderzuwendung wendet.

28

Nach § 3 Abs. 6 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung - SZuwG - ist eine Sonderzuwendung zurückzuzahlen, wenn der Beamte nicht bis mindestens einschließlich 31. März des Folgejahres im Dienst des Dienstherrn verbleibt, es sei denn, dass er ein früheres Ausscheiden nicht selbst zu vertreten hat.

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Die Voraussetzungen für eine Rückzahlungspflicht der Klägerin liegen vor. Sie hat für 1989 eine Sonderzuwendung erhalten und wurde mit Ablauf des 31. Dezember 1989 aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Sie hat das Ausscheiden selbst zu vertreten, denn ihr Dienstherr hat das Dienstverhältnis wegen Nichtbewährung beendet.

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Gegen die Rückzahlungspflicht der Sonderzuwendung kann die Klägerin keine Einwendungen nach § 12 Abs. 2 BBesG erheben. § 3 Abs. 6 SZuwG normiert einen speziellen und eigenständigen Rückforderungsanspruch, der die Pflicht zur Rückgewähr einer zu Unrecht bezogenen Sonderzuwendung abschließend regelt und die allgemeine Vorschrift des § 12 Abs. 2 BBesG verdrängt. Deshalb sind weder die Vorschriften des BGB über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) anzuwenden noch ist eine Billigkeitsentscheidung zu treffen, ob von einer Rückforderung ganz oder teilweise abzusehen ist (Hess. VGH, Urt. v. 27. Juli 1983, V OE 63/81, ZBR 1983, 363 f. - JURIS; BVerwG, Urt. v. 04. März 1986, 2 C 33.83, Schütz, ES/C V5 Nr. 15). Demzufolge hat die Klägerin die zu Unrecht erhaltene Sonderzuwendung in vollem Umfang zurück zu zahlen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.

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Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

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Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO notwendig, da die Klägerin der rechtskundigen Unterstützung bedurfte, um ihre Rechte und Ansichten gegenüber der Verwaltung ausreichend zu vertreten.

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Gründe, die Berufung zuzulassen (§ 124 a Abs. 1 VwGO), liegen nicht vor.