Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 14.10.2015, Az.: 1 A 3573/13
Bewilligungsbescheid; Bewilligungszeitraum; Einstellung; Einstellungsbescheid; Erledigung; Kettenbewilligung; Kettenverwaltungsakt; Trinkwasserförderung; Widerspruch; Widerspruchsänderung; Zeitablauf
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 14.10.2015
- Aktenzeichen
- 1 A 3573/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 31971
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2015:1014.1A3573.13.0A
Rechtsgrundlagen
- VwVfG 43 II
- VwGO 68
- VwGO 79 I
- VwGO 79 I Nr. 2
- VwGO 91
Fundstelle
- NdsVBl 2016, 7
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem dieser ein Widerspruchsverfahren, welches der Kläger betrieben hatte, eingestellt hat.
Dem vorliegenden Rechtsstreit liegt folgende Vorgeschichte zu Grunde: Unter dem 7. Juni 1971 beantragte der Trinkwasserverband C. die Erteilung einer Bewilligung zum Entnehmen und Zutagefördern von Grundwasser in dem Wasserschutzgebiet D. auf der Grundlage des § 11 des Niedersächsischen Wassergesetzes vom 7. November 1960.
Mit Bewilligungsbescheid vom 12. September 1978 erlaubte die Bezirksregierung E. dem Trinkwasserverband C. die Entnahme von 6.500.000 cbm Trinkwasser jährlich auf näher bezeichneten Flurstücken in näher bezeichneten Gemarkungen. Die Bewilligung wurde auf 30 Jahre befristet bis zum 30. September 2008 erteilt. Die Bewilligung enthielt Auflagen. U.a. sollten verschiedene Beweissicherungsmaßnahmen durchgeführt werden, um festzustellen, ob und inwieweit durch den Betrieb der Wasserförderungsanlagen der Grundwasserspiegel zum Nachteil von Grundstücken verändert wird, die im Einzugsgebiet der Förderbrunnen liegen.
Zu denjenigen, die gegen den Bewilligungsantrag als betroffene Eigentümer Einwendungen erhoben hatten, gehörte der Kläger. Über die Einwendungen war zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch nicht entschieden worden. Die Entscheidung, ob weitere Auflagen oder Entschädigungen wegen nachteiliger Wirkungen der Grundwasserförderung auf die Grundstücke der Einwender zu ergehen hätten, sollte einem späteren Zeitpunkt vorbehalten bleiben.
Unter dem 13. Oktober 1978 erhob der Kläger zusammen mit weiteren Personen Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid.
Über diese Widersprüche wurde auch nach Sachstandsanfragen des Klägers in den nächsten Jahren nicht entschieden.
Mit einem Schreiben, welches am 13. Mai 1993 bei dem Kläger einging, teilte die Bezirksregierung E. diesem mit, dass nach Auskunft des Trinkwasserverbandes C. nicht beabsichtigt sei, den Bau und Betrieb der Brunnen 5 und 6 vorzunehmen. Aufgrund dieser Aussage gehe man davon aus, dass der Kläger weiterhin damit einverstanden sei, dass die Entscheidung über die seinerzeit erhobenen Einwendungen bis auf weiteres zurückgestellt werde. Die Brunnen 5 und 6 waren ursprünglich auf dem Grundstück des Klägers vorgesehen.
Nach diesem Schreiben kam es nicht zu weiteren Sachstandsanfragen des Klägers bezüglich seines Widerspruches gegen den Bewilligungsbescheid vom 12. September 1978.
Laut einem Vermerk der Bezirksregierung vom 16. September 2003 ging diese davon aus, dass sich der Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid erledigt habe, soweit er gegen die Errichtung der Brunnen 5 und 6 gerichtet gewesen sei. Die Wasserschutzgebietsverordnung sei entsprechend geändert worden. Die Bezirksregierung zog das Fazit, dass eine förmliche Entscheidung über den Widerspruch nicht mehr erforderlich sei. Im neuen Bewilligungsverfahren könne über die alten Einwendungen, sofern diese aufrechterhalten würden, entschieden werden.
Nach Angaben des Klägers entschädigte der Trinkwasserverband C. im Jahr 2004 für Schäden aufgrund von Veränderungen, die durch die Wasserförderung im Gewinnungsgebiet des Wasserwerkes D. von Ihm verursacht worden waren.
Ab dem 1. Januar 2005 übernahm der Beklagte das Verwaltungsverfahren bezüglich der Widersprüche und der Einwendungen von der aufgelösten Bezirksregierung E..
Am 30. September 2008 lief der im Bescheid vom 12. September 1978 festgesetzte Bewilligungszeitraum von 30 Jahren ab. Über die Einwendungen und Widersprüche war bis dato nicht entschieden worden.
Mit Bescheid vom 30. September 2008 erteilte der Beklagte dem Trinkwasserverband C. die jederzeit widerrufliche Erlaubnis, Grundwasser im Wasserwerk D. zur Sicherstellung der öffentlichen Wasserversorgung nach Maßgabe des Bewilligungsbescheides vom 12. September 1978 zu entnehmen. Die Nebenbestimmungen der Bewilligung vom 12. September 1978 sollten weiter Gültigkeit behalten, soweit sie nicht durch zwischenzeitliche Erfüllung entfallen seien. Der Bescheid enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung.
Zwischenzeitlich war mit dem Verfahren anlässlich des neuen Bewilligungsantrages des Trinkwasserverbands C. begonnen worden. Die öffentliche Auslegung der Antragsunterlagen war nach entsprechender Bekanntmachung im Amtsblatt in der Zeit vom 22. Juni 2009 bis zum 21. Juli 2009 im Rathaus in F. veranlasst worden. Die Einwendungsfrist lief mit dem 4. August 2009 ab. Der Kläger hat unter dem 3. August 2009 Einwendungen erhoben und darauf hingewiesen, dass die Trinkwasserförderung auf der Grundlage eines nicht bestandskräftigen Bewilligungsbescheides erfolgt sei, weil über Widersprüche nicht entschieden worden sei.
Nachdem nun bekannt geworden war, dass es noch unbeschiedene Widersprüche zu der alten Bewilligung aus dem Jahr 1978 gab, bat der Beklagte mit Anfrage vom 12. August 2009 die Regierungsvertretung E. darum, die Verfahrensakten zu den noch offenen Einwendungen und Widersprüchen zu übersenden. Aktenmaterial wurde nur unvollständig und nur auf Nachfrage des Beklagten übersendet.
In einem Schriftsatz vom 12. November 2012 vertrat der Kläger die Auffassung, dass die Widerspruchsverfahren angesichts der Weiterbewilligung weiter zu betreiben seien und nicht eingestellt werden dürften. Der Kläger wies darauf hin, dass noch immer nicht sicher sei, wie Schäden infolge der Trinkwasserförderung auszugleichen seien. Anlass des Schreibens war eine dem Kläger bekanntgewordene Mitteilungsvorlage über eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wasser-, Energie- und Abfallwirtschaft vom 19. Januar 2012 an den Kreisausschuss. Dort war empfohlen worden, die Altwidersprüche einzustellen.
Mit Anhörungsschreiben vom 18. Dezember 2012 erläuterte der Beklagte gegenüber dem Kläger seine Gründe für die beabsichtigte Einstellung des Widerspruchsverfahrens.
Zu Beginn des Jahres 2013 bat der Kläger um einen rechtsmittelfähigen Bescheid über die Einstellung des Widerspruchsverfahrens.
Mit Bescheid vom 8. November 2013 stellte der Beklagte gegenüber dem Kläger das Widerspruchsverfahren ein.
Am 9. Dezember 2013 hat der Kläger Klage erhoben.
Er begründet seine Klage wie folgt: Solange die ursprüngliche Bewilligung vom 12. September 1978 in der vorläufigen Bewilligung vom 30. September 2008 fortwirke, könne eine Erledigung seines ursprünglichen Widerspruchs nicht eintreten. Der Beklagte sei verpflichtet, über den Widerspruch zu entscheiden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 8. November 2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage für unzulässig, weil der Bewilligungsbescheid sich durch Zeitablauf erledigt habe und über den Widerspruch nicht mehr sachlich entschieden werden dürfe. Das Widerspruchsverfahren habe eingestellt werden müssen. Die Durchführung eines Vorverfahrens in Bezug auf den Bewilligungsbescheid vom 12. September 1978 sei nicht mehr möglich.
Am 14. Oktober 2015 hat die mündliche Verhandlung stattgefunden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die im Parallelverfahren 1 A 3587/13 beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Sie ist zulässig.
Klagegegenstand ist der - irrtümlich - als Widerspruchsbescheid bezeichnete Einstellungsbescheid vom 8. November 2013.
Statthafte Rechtsschutzform ist die Anfechtungsklage i.S. des § 42 Abs. 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger wendet sich gegen den Einstellungsbescheid, weil er möchte, dass das Widerspruchsverfahren fortgesetzt und sein Widerspruch inhaltlich beschieden wird. Dieses Klageziel kann er allein mit der Anfechtung des Einstellungsbescheides erreichen; eine darüber hinausgehende Verpflichtungsklage ist nicht notwendig. Denn mit der Aufhebung des Einstellungsbescheides, einem Verwaltungsakt i.S. des § 1 Abs. 1 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz (Nds. VwVfG) i.V. mit § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), wäre das Widerspruchsverfahren nicht beendet und müsste durch den Beklagten fortgesetzt werden. Einer besonderen Verpflichtung des Beklagten hierzu bedarf es nicht, zumal dieser nicht zu erkennen gegeben hat, eine inhaltliche Fortsetzung des Widerspruchsverfahrens im Falle seines Unterliegens zu verweigern.
Einer Nachprüfung im Vorverfahren bedurfte es nach § 68 Abs. 1 Satz 1, Alt. 1 VwGO, § 80 Abs. 1 Niedersächsisches Justizgesetz (NJG) nicht. Zwar spricht einiges dafür, den vorliegenden Verwaltungsakt als Annex zum wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid aus dem Jahr 1978 einzuordnen und daher nach § 80 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4f NJG ein Widerspruchsverfahren grundsätzlich für erforderlich zu halten. Allerdings ist der das Widerspruchsverfahren beendende Einstellungsbescheid gleich einem erstmalig beschwerenden Widerspruchsbescheid zu behandeln. Denn er ersetzt den inhaltlichen Widerspruchsbescheid und wirkt sich insofern beschwerend aus, als dass eine begehrte inhaltliche Entscheidung nicht mehr ergeht. Als solcher ist er nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Gegenstand der Anfechtungsklage, ohne dass eine weitere Überprüfung durch die Widerspruchsbehörde erfolgen müsste. Dies folgt aus der Systematik der Verwaltungsgerichtsordnung, wie sie sich aus der Zusammenschau der mit § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO korrespondierenden Vorschriften, zu denen § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zählt, ergibt. Danach scheidet die Statthaftigkeit eines Widerspruchs gegen einen Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid aus (BVerwG, Urteil vom 12.8.2014 - 1 C 2.14).
Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor. Die mögliche Rechtsverletzung des Klägers i.S. des § 42 Abs. 2 VwGO liegt darin, dass er geltend macht, ihm werde durch die Einstellung des Widerspruchsverfahrens ein Rechtsbehelf genommen. Seine Klage hat er rechtzeitig erhoben.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Einstellungsbescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der gegen den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 12. September 1978 gerichtete Widerspruch durfte nicht mehr sachlich beschieden werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welcher die Kammer folgt, darf nach Erledigung eines mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheides eine Widerspruchsentscheidung in der Sache nicht mehr ergehen. Das Widerspruchsverfahren ist einzustellen (BVerwG, Urteil vom 20.1.1989 - 8 C 30.87 -, ). Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben.
Der Bewilligungsbescheid vom 12. September 1978 hat sich erledigt. Gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Hier ist eine Erledigung durch Zeitablauf eingetreten. Der Bewilligungsbescheid vom 12. September 1978 war auf 30 Jahre bis zum 30. September 2008 befristet. Nach Ablauf dieses Zeitraumes gingen von ihm keine Wirkungen mehr aus.
Der Erledigung des Bewilligungsbescheides vom 12. September 1978 steht der neue Bewilligungsbescheid vom 30. September 2008 nicht entgegen. Es handelt sich hierbei um einen sogenannten "Kettenverwaltungsakt". Als solche werden Verwaltungsakte bezeichnet, die sich an einen durch Fristablauf wirkungslos gewordenen Verwaltungsakt anschließen und mit diesem - abgesehen von der Setzung einer neuen Frist - inhaltlich identisch sind (vgl. Schröder, NVwZ 2007, 532, 532 f.). Der Bewilligungsbescheid vom 30. September 2008 entspricht diesen Voraussetzungen. Das ist schon daran ersichtlich, dass die Weiterbewilligung ausdrücklich nach Maßgabe des Bewilligungsbescheides vom 12. September 1978 erfolgt ist und dass die Nebenbestimmungen der Bewilligung vom 12. September 1978 weiter Gültigkeit behalten sollen. Dieser Befund ändert allerdings nichts daran, dass es sich bei dem weiteren "Kettenbewilligungsbescheid" vom 30. September 2008 um einen neuen Verwaltungsakt handelt, der neue Rechtswirkungen auslöst (näher Schröder, NVwZ 2007, 532, 533 m.w.N.). Denn der Beklagte hat nicht etwa nur die Befristung geändert und den alten Bewilligungsbescheid fortbestehen lassen.
Das Widerspruchsverfahren war auch nicht deshalb fortzusetzen, weil der Kläger seinen Widerspruch gegen den ursprünglichen Bewilligungsbescheid im Wege der Widerspruchsänderung gegen den neuerlichen Bewilligungsbescheid vom 30. September 2008 aufrechterhalten hätte. Zwar hat der Kläger eine solche Widerspruchsänderung in seinem Schriftsatz vom 12. November 2012 gegenüber dem Beklagten erklärt, indem er deutlich gemacht hat, dass das ursprüngliche Widerspruchsverfahren angesichts der Weiterbewilligung weiter betrieben werden müsse. Allerdings ist diese Erklärung rechtlich wirkungslos geblieben. Denn der Kläger hat sein Recht, den ursprünglichen Widerspruch im Wege der Widerspruchsänderung gegen den erneuten Bewilligungsbescheid fortzusetzen, verwirkt.
Grundsätzlich ist es bei Kettenbewilligungen möglich, dass der neue Bescheid im Wege der Widerspruchsänderung entsprechend § 91 VwGO in ein laufendes Widerspruchsverfahren einbezogen werden kann (Schröder, NVwZ 2007, 532, 534 f.; vgl. auch BayVGH, Urteil vom 12.2.1982 - 23 B 80 A.2332 -, ; VG Göttingen, Beschluss vom 10.6.2013 - 2 B 649/12 -, ; vgl. allgemein zur Anwendbarkeit des § 91 VwGO auf das Widerspruchsverfahren: Kopp/ Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 91 Rn. 1). Denn nur so kann sichergestellt werden, dass der Rechtsschutz nicht durch eine Verzögerung des ursprünglichen Widerspruchsverfahrens verkürzt wird. Bei einer Fortführung des Widerspruchsverfahrens ist sichergestellt, dass auch der erneute Verwaltungsakt, der in der Sache lediglich eine Verlängerung des vorherigen Verwaltungsaktes ist, einer vollständigen Rechtskontrolle unterworfen wird. Wollte man hingegen ein neues Widerspruchsverfahren gegen den neuen Bewilligungsbescheid eröffnen, bestände die Gefahr, dass der neue Bescheid nur daraufhin überprüft würde, ob die inhaltlich durch den neuen Bescheid erfolgte "Verlängerung" den rechtlichen Voraussetzungen entspräche, weil der vorherige Verwaltungsakt sich mit Zeitablauf ja erledigt hätte. Eine solche Einschränkung kann aber im Fall eines noch nicht beschiedenen Widerspruchs gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt nicht richtig sein.
Die Widerspruchsänderung ist an dieselben Zulässigkeitsvoraussetzungen gebunden wie die Erhebung eines erneuten Widerspruchs (vgl. Kopp/ Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 91 Rn. 31). Zu diesen Voraussetzungen gehört es, dass keine Verwirkung dieses Verfahrensrechtes eingetreten ist. Diese tritt ein, wenn seine Geltendmachung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstieße, weil sie als verspätet und damit als unzulässige Rechtsausübung anzusehen wäre (vgl. Dolde/ Porsch, in: Schoch/ Schneider/ Bier, VwGO, Stand März 2015, § 70 Rn. 20). Verwirkung ist anzunehmen, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend macht (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Auf die positive Kenntnis des Berechtigten von seinem Recht oder ein Verschulden des Berechtigten kommt es nicht an (zum Ganzen Ehlers, in: Schoch/ Schneider/ Bier, VwGO, Stand März 2015, Vorb § 40 Rn. 103 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Aufgrund des Verhaltens des Klägers nach Erhalt des Schreibens der Bezirksregierung am 13. Mai 1993 durfte diese als die damals zuständige Behörde darauf vertrauen, dass dieser an dem Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 12. September 1978 kein Interesse mehr hatte. In diesem Schreiben war ihm mitgeteilt worden, dass man von seinem Einverständnis damit ausgehe, die Entscheidung über die seinerzeit erhobenen Einwendungen bis auf weiteres zurückzustellen. Anlass dieser Annahme war, dass vom Bau zweier geplanter Brunnen auf dem Land des Klägers Abstand genommen worden war. Der Kläger, immerhin ein in eigener Sache tätiger Rechtsanwalt, hat daraufhin von weiteren Sachstandsanfragen bzw. Erwähnungen bezüglich seines Widerspruchsverfahrens bis in das Jahr 2008 abgesehen. Dies stellt einen deutlichen Bruch zu seinem Verhalten bis zum Jahr 1993 dar, weil er bis dahin regelmäßig nachgefragt hatte. Der Zeitraum von 15 Jahren ist auch als ausreichend lang anzusehen.
Weiter ist die Kammer aufgrund des vorliegenden Aktenmaterials zu der Überzeugung gelangt, dass die Bezirksregierung tatsächlich darauf vertraut hat, dass der Kläger seinen Widerspruch nach Ablauf des ursprünglichen Bewilligungszeitraums nicht mehr fortsetzen werde. Dies geht aus dem Vermerk vom 16. September 2003 hervor. In diesem wurde das Fazit gezogen, dass eine förmliche Entscheidung über den Widerspruch nicht mehr erforderlich sei, zumal das neue Bewilligungsverfahren absehbar sei. Auf dieses Vertrauen der Bezirksregierung kann sich auch der Beklagten berufen, der das Verfahren übernommen hat.
Zuletzt ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass sich die Bezirksregierung E. infolgedessen in ihren Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hatte, dass dem Beklagten durch die nunmehrige Aufrechterhaltung des Widerspruchs gegen den vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 30. September 2008 ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Denn die äußerst problematische und lückenhafte Aktenlage, die der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, lässt sich damit erklären, dass die Bezirksregierung E. nicht mehr damit gerechnet hatte, über die Widersprüche sachlich entscheiden zu müssen, und entsprechend disponiert hatte. Aufgrund des geschilderten Verfahrensganges entspricht es auch Treu und Glauben, dass sich die Bezirksregierung darauf eingestellt hatte, die Einwendungen gegen die Trinkwasserförderung im neuen Bewilligungsverfahren abzuarbeiten und das Widerspruchsverfahren nicht weiter zu betreiben. Dem Beklagten ist es daher nicht mehr zuzumuten, über einen fortgesetzten bzw. geänderten Widerspruch gegen den neuen Bewilligungsbescheid zu entscheiden. Dies ist auch daraus deutlich geworden, dass der Beklagte geschildert hat, dass sich die Erstellung von Gutachten im neuen Bewilligungsverfahren als zeitaufwändig und kontrovers darstellt. In diesem neuen Verfahren hat der Kläger im Übrigen Einwendungen erhoben, in denen es um dieselben Fragen geht, derentwegen der Kläger seinerzeit gegen den Bewilligungsbescheid vom 12. September 1978 Widerspruch erhoben hatte. Diese Einwendungen sind nunmehr im neuen Bewilligungsverfahren abzuarbeiten.
Nach alledem stellt es sich als unzulässige Rechtsausübung dar, wenn der Kläger nunmehr darauf besteht, dass der vorläufige Bewilligungsbescheid vom 30. September 2008 im Wege der Widerspruchsänderung zum Gegenstand seines Widerspruchs gegen den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 12. September 1978 gemacht wird. Sein Widerspruchs- bzw. Widerspruchsänderungsschreiben vom 12. November 2012 entfaltet keine Wirkung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.