Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 07.03.2017, Az.: 3 Ws 121/17 (MVollz)

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
07.03.2017
Aktenzeichen
3 Ws 121/17 (MVollz)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 53778
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Beschluss vom 7. Oktober 2016 wird aufgehoben, soweit hiermit der Antrag in der Hauptsache abgelehnt wurde.

Die Sache wird zu neuer Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats und zugleich auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen zurückverwiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller wurde am 12. Juni 2013 vom Landgericht Braunschweig wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 73 Fällen u.a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt; ferner wurde die Unterbringung des Antragstellers in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB angeordnet. Diese Maßregel wird in der Klinik der Antragsgegnerin vollzogen, und zwar seit dem 9. März 2016 im offenen Vollzug. Am 9. Juni 2016 wurde der Antragsteller in den geschlossenen Vollzug verlegt. Mit Beschluss vom 7. Oktober 2016 hat die Strafvoll-streckungskammer einen „Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antrag auf Rückverlegung des Antragstellers in den offenen Vollzug neu zu bescheiden“, als unbegründet zurückgewiesen und hat hierzu ausgeführt, dem Antragsteller stehe kein Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags zu, da die Antragsgegnerin mitgeteilt habe, dass sie eine Rückverlegung in den offenen Vollzug nur deshalb nicht vornehme, weil die Staatsanwaltschaft dem nicht zustimme.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner Rechtsbeschwerde und dem Vortrag, dass eine Entscheidung über den Hauptantrag zur Nr. 1 des Antrags vom 24. August 2016 unterblieben sei. Erst auf seine Nachfrage habe die Kammer mitgeteilt, dass die Entscheidung vom 7. Oktober 2016 auch als Entscheidung in der Hauptsache anzusehen sei. Der Antrag vom 24. August 2016 habe aber nicht auf eine gerichtliche Entscheidung zur Verlegung in den offenen Vollzug abgezielt, sondern darauf, den angefochtenen Bescheid der Antragsgegnerin aufzuheben. Dessen ungeachtet sei die Strafvollstreckungskammer nicht befugt gewesen, die dem angefochtenen Bescheid fehlende Begründung durch eigene Erwägungen über eine etwaige Fluchtgefahr zu ersetzen.

II.

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers nach Maßgabe von § 116 Abs. 1 StVollzG zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zulässig, denn es gilt der Wiederholung der nachfolgend aufgezeigten Rechtsfehler entgegenzuwirken.

III.

Die angefochtene Entscheidung der Strafvollstreckungskammer Göttingen konnte schon deshalb keinen Bestand haben, weil sie den an sie nach § 115 Abs. 1 Satz 2 StVollzG zu stellenden Anforderungen nicht genügt.

Nach § 115 Abs. 1 Satz 2 und 3 StVollzG stellt der Beschluss der Strafvollstreckungskammer den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen und kann wegen der weiteren Einzelheiten auf bei den Gerichtsakten befindliche Schriftstücke verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Der Sinn dieser Regelung liegt darin begründet, dem Rechtsbeschwerdegericht, dem im revisionsähnlich ausgestalteten Verfahren der Rechtsbeschwerde ein Zugriff auf die Akten grundsätzlich verwehrt ist, allein aus dem Tatbestand der angefochtenen Entscheidung heraus eine vollständige Entscheidungsgrundlage zu bieten. Beschlüsse der Strafvollstreckungskammern im Verfahren nach Maßgabe von §§ 109 ff StVollzG müssen danach die entscheidungserheblichen Tatsachen und rechtlichen Gesichtspunkte so vollständig wiedergeben, dass das Rechtsbeschwerdegericht sie allein aufgrund des Beschlusses überprüfen kann (BR-Drucks. 697/03; OLG Hamburg, StraFo 2005, 346 [BGH 20.04.2005 - 5 StR 69/05]; OLG Nürnberg, ZfStrVo 2006, 122; OLG Karlsruhe, NStZ 2007, 325; OLG Celle, NStZ-RR 2005, 357 [OLG Celle 08.06.2005 - 1 Ws 185/05 (StrVollz)]; Kamann/Spaniol in AK-StVollzG, 6. Aufl., § 115 Rn. 80; Schwindt/Böhm/Jehle/ Laubenthal, Strafvollzugsgesetz, 6. Aufl., § 115 Rn. 13). Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht.

So lässt sich der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer Göttingen bereits nicht entnehmen, ob hiermit lediglich über einen Verpflichtungsantrag im Wege einer einstweilige Anordnung im Sinne von § 114 Abs. 2 Satz 2 StVollzG - die nach Satz 3 dieser Vorschrift nicht anfechtbar wäre - oder aber in der Hauptsache über einen gegen eine Maßnahme gerichteten Anfechtungsantrag entschieden werden sollte. So legt zunächst der Tenor der angefochtenen Entscheidung eine Entscheidung allein über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nahe - was durch einen ausweislich der Rechtsbeschwerdebegründung nachfolgenden Hinweis, es sei zugleich auch in der Hauptsache entschieden worden, nicht ohne weiteres ersetzt werden kann. Im Zweifel und zugunsten des Antragstellers hat der Senat indessen davon auszugehen, dass die Strafvoll-streckungskammer schließlich eine - abschließende - Entscheidung auch in der Hauptsache hat treffen wollen, was letztlich das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde eröffnet. Dessen ungeachtet müsste die Strafvollstreckungskammer selbst bei Annahme einer Entscheidung lediglich über eine einstweilige Anordnung, die nach § 114 Abs. 2 Satz 3 StVollzG nicht anfechtbar wäre, ohnehin noch über die Hauptsache entscheiden, und wäre auch deshalb insoweit die Sache an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.

Dies gilt umso mehr, als der Inhalt der angefochtenen Entscheidung besorgen lässt, dass die Strafvollstreckungskammer Umfang und Ziel des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom 24. August 2016 nicht vollständig erfasst hat. Die Strafvollstreckungskammer befasst sich inhaltlich allein mit dem Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller in den offenen Vollzug zurück zu verlegen. Dass der Antragsteller seinem Vorbringen der Rechtsbeschwerde zufolge zugleich im Wege eines Anfechtungsantrags - zu dem der angefochtene Beschluss sich nicht verhält -beantragt hatte, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. August 2016 aufzuheben, offenbar mit dem Ziel, seine Ablösung aus dem offenen Vollzug rückgängig zu machen, lässt die angefochtene Entscheidung nicht erkennen.

Die Gründe des angefochtenen Beschlusses lassen aber auch besorgen, dass die Strafvollstreckungskammer ihrer Entscheidung einen unzutreffenden Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt hat. Der Antragsteller befand sich innerhalb der Entziehungsanstalt seit dem 9. März 2016 im offenen Vollzug. Ihm ist hiermit ein Lockerungsstatus zuerkannt worden, der nach Maßgabe der entsprechend anwendbaren Vorschriften in §§ 48, 49 VwVfG nicht ohne weiteres, sondern nur bei Vorliegen der dort benannten Voraussetzungen widerrufen bzw. zurückgenommen werden kann. Hiermit setzt die angefochtene Entscheidung sich nicht auseinander. Hinzu kommt, dass der Antragsgegnerin hinsichtlich ihrer Entscheidung über die konkrete Vollzugsform (geschlossener bzw. offener Vollzug) grundsätzlich ein Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum zusteht, den die Strafvollstreckungskammer im Verfahren nach § 115 Abs. 5 StVollzG nur dahingehend überprüfen darf, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung deshalb rechtswidrig ist, weil die Antragsgegnerin die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hatte (vgl. hierzu nur LNNV-Bachmann, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl., Abschn. P Rn. 83 ff; Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 115 Rn. 13). In solchen Fällen darf die Strafvollstreckungskammer die Einschätzung der Vollzugsbehörde insbesondere nicht durch ihre eigene ersetzen (LNNV-Bachmann Rn. 88). Dies aber hat die Strafvollstreckungskammer vorliegend getan, indem sie ihre Entscheidung - allein - auf die Annahme von Fluchtgefahr gestützt hat, welche die Antragsgegnerin ihrer Entscheidung gerade nicht zu Grunde gelegt hatte.

Die angefochtene Entscheidung konnte nach alledem keinen Bestand haben. Die Sache war daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zu neuer Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.