Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.03.2017, Az.: 2 AR (Ausl) 30/17
Übertragung der weiteren Strafvollstreckung an Italien; Voraussetzungen für eine gem. Art. 9 Abs. 1 lit. h Rahmenbeschluss Freiheitsstrafen (RB-FE) mögliche Versagung der Anerkennung eines Urteils und der Vollstreckung der Sanktion; Resozialisierung und soziale Wiedereingliederung des Verurteilten bei einer unter sechs Monaten liegenden Vollstreckungsdauer
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.03.2017
- Aktenzeichen
- 2 AR (Ausl) 30/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 12920
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2017:0317.2AR.AUSL30.17.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 29.04.2014 - AZ: 218 Ds 1563 Js 21605/13 - 31/14
Rechtsgrundlagen
- § 71 Abs. 4 S. 2 IRG
- § 84d Nr. 4 IRG
- § 85 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 2 IRG
- § 85a Abs. 1 IRG
- § 85c IRG
- Art. 3 Abs. 1 RB-FE
- § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO
- § 453c StPO
- Art. 1 Abs. 1 GG
- Art. 2 Abs. 1 GG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Prüfung der Voraussetzungen für eine gem. Art. 9 Abs. 1 lit. h Rahmenbeschluss Freiheitsstrafen mögliche Versagung der Anerkennung eines Urteils und der Vollstreckung der Sanktion obliegt allein dem Vollstreckungsstaat.
- 2.
Eine verbleibende Vollstreckungsdauer von unter 6 Monaten hat bei der vom Oberlandesgericht gem. § 85c IRG i. V. m. dem Rahmenbeschluss Freiheitsstrafen zu treffenden Entscheidung als Zulässigkeitskriterium außer Betracht zu bleiben.
- 3.
Eine unter sechs Monaten liegende Vollstreckungsdauer stellt jedoch ein maßgebliches Kriterium für die in der Begründetheit zu prüfenden Frage dar, wo die Resozialisierung und die soziale Wiedereingliederung des Verurteilten besser gefördert werden kann.
In dem Auslieferungsverfahren
gegen den italienischen Staatsangehörigen
V. C.,
geb. am xxxxxx 1966 in L. (Italien),
zur Zeit in Strafhaft in der JVA S., Sc., S.
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf den Antrag der Staatsanwaltschaft
Hannover durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht xxxxxx, den Richter
am Oberlandesgericht xxxxxx und den Richter am Amtsgericht xxxxxx am 17. März 2017 beschlossen:
Tenor:
Die Vollstreckung des noch nicht verbüßten oder durch Anrechnung von Haftzeiten erledigten Strafrestes aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 29. April 2014 (Az. 218 Ds 1563 Js 21605/13 - 31/14) in Italien wird für zulässig erklärt.
Gründe
I.
Der Verurteilte ist italienischer Staatsangehöriger.
Er wurde am 29. April 2014 vom Amtsgericht Hannover wegen Sachbeschädigung in Tateinheit mit Körperverletzung und versuchter Nötigung, wegen Bedrohung, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zunächst zur Bewährung ausgesetzt wurde (Az. 218 Ds 1563 Js 21605/13 - 31/14). Das Urteil ist seit dem 23. Juli 2014 rechtskräftig.
Da der Verurteilte den ihm im Bewährungsbeschluss vom 29. April 2014 auferlegten Auflagen und Weisungen nicht nachkam, wurde gegen ihn am 28. Oktober 2014 Sicherungshaftbefehl durch das Amtsgericht Hannover gemäß §§ 453c, 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO erlassen. Zudem erließ das Amtsgericht Hannover im Verfahren 2011 Js 87000/15 am 22. Dezember 2015 wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betruges in 18 Fällen einen Untersuchungshaftbefehl gegen den Verurteilten. Da Anhaltspunkte bestanden, dass sich der Verurteilte in Italien befand, erließ die Staatsanwaltschaft Hannover am 29. Juni 2016 einen europäischen Haftbefehl gegen den Verurteilten.
Der Verurteilte wurde daraufhin am 29. November 2016 von Italien an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert, wobei die italienischen Behörden die Auslieferung unter der Bedingung bewilligten, dass der Verurteilte nach Abschluss der gegen ihn in Deutschland geführten Strafverfahren nach Italien rücküberstellt werde.
Der Haftbefehl aus dem bei der Staatsanwaltschaft Hannover gegen den Verurteilten geführten Verfahren 2011 Js 87000/15 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 12. Dezember 2016 zwischenzeitlich aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft Hannover hat insoweit mitgeteilt, dass eine Verfahrenseinstellung mangels hinreichenden Tatverdachtes gem. § 170 Abs. 2 StPO wahrscheinlich sei.
Die Freiheitsstrafe aus der Verurteilung des Amtsgerichts Hannover vom 29. April 2014 wird nach derzeitiger Berechnung der Staatsanwaltschaft am 17. Mai 2017 vollständig verbüßt sein.
Die Staatsanwaltschaft Hannover als Vollstreckungsbehörde erwägt, gemäß § 85 Abs. 1 S. 1 IRG die (weitere) Vollstreckung der Freiheitsstrafe nach Maßgabe des Rahmenbeschlusses Freiheitsstrafen 2008/909/Ji des Rates vom 27. November 2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union (ABl. L 327 vom 05. Dezember 2008, S. 27) in der Fassung des Rahmenbeschlusses 2009/299/Ji des Rates vom 26. Februar 2009 - im Folgenden RB-FE - dem Mitgliedstaat Italien zu übertragen.
Die Staatsanwaltschaft Hannover hat dem Verurteilten Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt. Der Verurteilte wurde am 17. Januar 2017 beim Amtsgericht Hannover mündlich angehört und erklärte, er wolle in Deutschland in Strafhaft bleiben und nicht nach Italien überstellt werden. Er habe in Deutschland noch zwei Schwestern und zwei Brüder, zu denen er guten Kontakt habe, während er in Italien ständig "Probleme mit den Carabinieri" habe.
Die Staatsanwaltschaft Hannover beantragt nunmehr, die weitere Vollstreckung der in dem o.g. Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 29. April 2014 gegen den Verurteilten verhängten Freiheitsstrafe in Italien für zulässig zu erklären.
Die Generalstaatsanwaltschaft Celle, über die die Vorlage der Sache an den Senat erfolgte, hat sich einer Stellungnahme bzw. einer Antragstellung enthalten.
II.
Dem Antrag der Staatsanwaltschaft Hannover ist zu entsprechen.
Die Übertragung der weiteren Vollstreckung der durch Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 29. April 2014 gegen den Verfolgten verhängten Freiheitsstrafe an Italien war gemäß § 85c IRG und nach Maßgabe der Bestimmungen des RB-FE für zulässig zu erklären.
1.
Der Antrag ist statthaft und auch ansonsten zulässig.
Die Vollstreckungsübertragung richtet sich ungeachtet des Umstandes, dass die italienischen Justizbehörden die Auslieferung des Verurteilten an Deutschland in dem der o.g. Verurteilung durch das Amtsgericht Hannover vom 29. April 2014 zugrunde liegenden Strafverfahren mit einer Rücküberstellungsbedingung verbunden hatte, nach den §§ 85 ff. IRG.
Da der gegenwärtig in Deutschland aufhältige Verurteilte sich mit einer Übertragung der Strafvollstreckung an Italien ausdrücklich nicht einverstanden erklärt hat (vgl. § 85 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IRG), bedarf es nach § 85 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IRG einer gerichtlichen Entscheidung über die Zulässigkeit der Vollstreckungsübertragung gemäß § 85c IRG.
Die Staatsanwaltschaft Hannover als nach § 451 StPO zuständige Vollstreckungsbehörde i.S. von § 85c IRG hat unter Vermittlung der Generalstaatsanwaltschaft Celle den Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit der Übertragung der weiteren Vollstreckung der gegen den Verurteilten in dem o.g. Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 29. April 2014 verhängten Freiheitsstrafe an Italien gestellt.
Das Oberlandesgericht Celle ist gemäß § 85a Abs. 1 i.V.m. § 71 Abs. 4 Satz 2 IRG für die zu treffende gerichtliche Entscheidung sachlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 85 Abs. 1 i.V.m. § 71 Abs. 4 Satz 3 IRG, da gegen den Verurteilten derzeit freiheitsentziehende Sanktionen in der JVA S. und damit im Bezirk des Oberlandesgerichts Celle vollstreckt werden.
Auch die weiteren für die Feststellung der Zulässigkeit der Übertragung der Vollstreckung nach § 85c IRG erforderlichen formellen Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Der Verurteilte besitzt die italienische Staatsangehörigkeit, ist damit Staatsangehöriger des Vollstreckungsstaates und hat in Italien auch seinen Lebensmittelpunkt i.S. von § 85c Nr. 1 IRG. Die Bestimmung des Lebensmittelpunktes i.S. der vorgenannten Vorschrift knüpft zunächst daran an, wo der Verurteilte zum Zeitpunkt der Entscheidung über eine Vollstreckungsübertragung oder - wenn er sich in Haft befindet - zum Zeitpunkt seiner Verhaftung tatsächlich auf längere Zeit angelegt (hauptsächlich) wohnt beziehungsweise gewohnt hat. Entscheidend ist letztlich, wo der Verurteilte aufgrund von familiären, sozialen oder beruflichen Bindungen seinen gewöhnlichen und regelmäßigen Aufenthaltsort hat beziehungsweise hatte und wo er deshalb sozial verankert ist beziehungsweise war (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 11. Juli 2016 - 1 AR Ausl 53/16 - juris; siehe auch BT-Drucks. 18/4347, S. 145, S. 113; ebenso Erwägungsgrund 17 RB-FE).
Nach Maßgabe der vorstehenden Kriterien befindet sich vorliegend der Lebensmittelpunkt des Verurteilten in Italien. Der Verurteilte selbst hat im Rahmen seiner Anhörung im Widerrufsverfahren angegeben, seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit Mai 2014 in Italien gehabt zu haben; er hat sich seit diesem Zeitpunkt nicht einmal mehr vorübergehend in Deutschland aufgehalten. In Italien hat er nach eigenen Angaben vom 6. August bis zum 15. Dezember 2014 auch Restfreiheitsstrafen verbüßt. Ausweislich der schriftlichen Urteilsgründe des Amtsgerichts Hannover vom 29. April 2014 hat der ledige und kinderlose Verurteilte auch vor der Verurteilung nur zeitweise in Deutschland gelebt und hier nicht gearbeitet. Er wurde in Italien wegen eines Tötungsdeliktes zu 12 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Die vorgenannten Umstände belegen, dass der Lebensmittelpunkt des Verurteilten im Sinne von § 85c IRG in Italien liegt.
Die Tatsache, dass aus der gegen den Verurteilten verhängten 10-monatigen Freiheitsstrafe inzwischen nur noch wenige Wochen Freiheitsstrafe zu vollstrecken sind, steht der Feststellung der Zulässigkeit der Übertragung der Vollstreckung nach § 85c IRG nicht entgegen. Gem. Art. 9 Abs. 1 lit. h RB-FE kann die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaates die Anerkennung des Urteils und die Vollstreckung der Sanktion versagen, wenn zum Zeitpunkt des Eingangs des Urteils bei der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaates weniger als sechs Monate der Sanktion noch zu verbüßen sind. Schon aus dem Wortlaut der Vorschrift wird deutlich, dass es allein der Entscheidung des Vollstreckungsstaates obliegt, ob aufgrund der nur noch verbleibenden kurzen Reststrafe die Vollstreckung der Sanktion verweigert werden soll. Im Übrigen kann der Vollstreckungsstaat diese Entscheidung, ob er trotz einer nur kurzen verbleibenden Vollstreckungsdauer das Urteil anerkennen und die Vollstreckung übernehmen will, erst im Zeitpunkt des Eingangs des Urteils und des Vollstreckungsersuchens und damit zeitlich nach der vorliegend vom Senat zu beurteilenden Frage, ob die Vollstreckung der verbleibenden Freiheitsstrafe in Italien für zulässig erklärt wird, treffen. Allein die in diesem Zeitpunkt verbleibende Vollstreckungsdauer ist dann maßgeblich. Nach alledem hat die verbleibende Vollstreckungsdauer mithin bei der vom Senat gem. § 85c IRG i. V. m dem Rahmenbeschluss Freiheitsstrafen zu treffende Entscheidung als Zulässigkeitskriterium außer Betracht zu bleiben. Hierfür spricht auch die Vorschrift des § 84d Nr. 4 IRG, wonach im umgekehrten Fall die Bundesrepublik Deutschland die Vollstreckung eines ausländischen Erkenntnisses ablehnen kann, wenn bei Eingang des Ersuchens weniger als sechs Monate zu vollstrecken sind.
Vorliegend haben die italienischen Behörden die Auslieferung des Verurteilten nach Deutschland aufgrund des Europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Hannover ausdrücklich mit der Bedingung der Rücküberstellung des Verurteilten nach Abschluss der gegen den Verurteilten gerichteten Verfahren verknüpft und - jedenfalls bislang - gerade keine Versagung der Vollstreckung geltend gemacht. Soweit das Oberlandesgericht Hamm im Beschluss vom 27. August 2015 (III-2 Ausl 115/15 -, juris) die noch zu vollstreckende Freiheitsstrafe und die Vorschrift des Art. 9 Abs. 1 lit. h RB-FE ausdrücklich thematisiert hat, bleibt festzuhalten, dass in der dortigen Entscheidung lediglich die über sechs Monate verbleibende Vollstreckungsdauer positiv festgestellt wurde. Dass die Prüfung der Voraussetzungen für eine nach Art. 9 Abs. 1 lit. h RB-FE im Einzelfall mögliche Versagung der Vollstreckung im Vollstreckungsstaat dem Oberlandesgericht und nicht dem jeweiligen Vollstreckungsstaat obliegen würde, lässt sich der Entscheidung hingegen nicht entnehmen.
Der Senat verkennt bei alledem nicht, dass die verbleibende Vollstreckungsdauer gleichwohl ein maßgebliches Kriterium im Rahmen der in der Begründetheit zu prüfenden Frage darstellt, wo die Resozialisierung und die soziale Wiedereingliederung des Verurteilten besser gefördert werden kann (vgl. insoweit die Ausführungen unter Ziffer 2).
Dem Verurteilten ist von der Staatsanwaltschaft Hannover wegen der beabsichtigten Übertragung der weiteren Vollstreckung an Italien Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt worden (§ 85 Abs. 2 Satz 1 IRG, Art. 6 Abs. 3 Satz 1 RB-FE).
2.
Der Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit der Übertragung der weiteren Vollstreckung der gegen den Verurteilten in dem o.g. Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 29. April 2014 verhängten Freiheitsstrafe an Italien ist begründet.
Die Übertragung der weiteren Vollstreckung an Italien steht mit den inhaltlichen Vorgaben des § 85c IRG und den Maßgaben des RB-FE im Einklang. Sie entspricht dem sich aus Art. 3 Abs. 1 RB-FE folgenden und in der Bundesrepublik Deutschland verfassungsrechtlich verankerten Resozialisierungsanspruch des Verurteilten.
Nach der Zielsetzung des RB-FE soll die Übertragung der Vollstreckung auf den Vollstreckungsstaat erfolgen, wenn sie die Resozialisierung des Verurteilten fördert und seine soziale Wiedereingliederung erleichtert. Bei der hierzu erforderlichen Prüfung soll der Ausstellungsstaat die Aspekte, wie beispielsweise familiäre, sprachliche, kulturelle, soziale, wirtschaftliche und sonstige Bindungen des Verurteilten zum Vollstreckungsstaat berücksichtigen (vgl. Erwägung Nr. 9 RB-FE sowie Art. 3 Abs. 1 RB-FE).
Die Rechtsstellung eines zu Freiheitsstrafe Verurteilten ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wesentlich durch seinen gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Anspruch auf Resozialisierung bestimmt. Das Resozialisierungsziel entspricht dem Selbstverständnis einer der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip verpflichteten Gemeinschaft. Daraus erwächst bei Ermessensentscheidungen im Bereich des Strafvollzugs dem Verurteilten ein Anspruch darauf, dass die Behörden ihr Ermessen pflichtgemäß ausüben. Dieser Anspruch umfasst auch die gegenüber dem Strafvollzug eigenständige strafvollstreckungsrechtliche Frage, ob der Verurteilte zur Verbüßung seiner Strafe in seine Heimat überstellt wird (vgl. BVerfG NJW 1997, 3013 ff. [BVerfG 18.06.1997 - 2 BvR 483][BVerfG 18.06.1997 - 2 BvR 483] m.w.N. der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung). Danach ist die verfassungsrechtlich geschützte Position des Verurteilten in eine Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Überstellung zu bringen und zu einem verhältnismäßigen Ausgleich zu gelangen (OLG Hamm, Beschluss vom 27. August 2015, III-2 Ausl 115/15, juris; OLG Dresden Beschluss vom 15. März 2016, OLG Ausl 29/16 - juris). Dabei ist, wie sich aus dem Wortlaut des § 85c IRG ("...nach Maßgabe des Rahmenbeschlusses...") ergibt, nach dem Willen des Gesetzgebers namentlich zu prüfen, ob bei Abwägung aller persönlichen Umstände eine Übertragung der Vollstreckung gegen den Willen des Verurteilten in Betracht kommt, ob angesichts der Vollzugs- und Vollstreckungspraxis einschließlich der vorherrschenden Haftbedingungen im Vollstreckungsstaat eine Vollstreckungsübertragung überhaupt zulässig ist und ob ernstliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Verurteilte im Falle seiner Überstellung politisch verfolgt wird. Darüber hinaus sind die übergeordneten Wertungen des in § 73 S. 2 IRG niedergelegten allgemeinen europäischen ordre public und hierbei insbesondere die Grundsätze von Art. 6 des EU-Vertrages zu beachten (vgl. BT-Drs. 18/4347, S. 143).
In Ansehung der vorstehenden Grundsätze kann das mit der Vollstreckung der gegen den Verurteilten in dem o.g. Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 29. April 2014 verhängten Freiheitsstrafe erstrebte Ziel seiner Resozialisierung und sozialen Wiedereingliederung durch eine Übertragung der weiteren Vollstreckung an sein Heimatland Italien besser gefördert und erleichtert werden als bei einer Fortsetzung der Vollstreckung in Deutschland. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass eine sozialtherapeutische Arbeit im Vollzug mit dem Verurteilten in Italien angesichts der nur noch wenige Wochen andauernden Freiheitsentziehung erheblich erschwert wird. In Fällen, bei denen durch eine bereits verbüßte erhebliche Vollzugsdauer in Deutschland eingetretene Resozialisierungserfolge durch eine Vollstreckung der verbleibenden kurzen Freiheitsstrafe im Vollstreckungsstaat gefährdet werden, kann eine Übertragung der Vollstreckung mit dem Resozialisierungsanspruch des Verurteilten unvereinbar sein. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, da angesichts des bisherigen Vollzugsverlaufes in Deutschland bereits eingetretene nachhaltige Resozialisierungserfolge auszuschließen sind. Der Verurteilte wurde am 29. November 2016 nach Deutschland ausgeliefert und in die JVA F. a. M. I eingeliefert. Von dort wurde er am 07. Dezember 2016 in die JVA H. verbracht, weil er beim Amtsgericht Hannover am 12. Dezember 2016 zu einem Anhörungstermin geladen war. Der Aufenthalt des Verurteilten in der JVA H. dauerte lediglich bis zum 18. Januar 2017; zu diesem Zeitpunkt wurde der Verurteilte erneut in die JVA F. a. M. I verbracht, wo er lediglich bis zu seiner erneuten Verlegung am 20. Februar 2017 in die JVA S. verblieb. Es liegt auf der Hand, dass es angesichts dieses Vollstreckungsverlaufes bislang nicht zu entscheidenden Erfolgen hinsichtlich einer sozialen Wiedereingliederung des Verurteilten gekommen sein kann. Vor diesem Hintergrund kann die Resozialisierung des Verurteilten selbst vor dem Hintergrund der kurzen verbleibenden Vollstreckungsdauer in Italien besser gefördert werden, denn (weiteren) Resozialisierungsbemühungen und therapeutischen Angeboten im Strafvollzug in Deutschland dürfte bereits die Sprachbarriere entgegenstehen. Der Verurteilte ist der deutschen Sprache offenbar nicht ausreichend mächtig; dies ergibt sich aus der Tatsache, dass für die Anhörungen vor dem Amtsgericht Hannover am 12.12.2016 und am 17. Januar 2017 jeweils ein Dolmetscher benötigt wurde. Seiner Überstellung zum Zwecke der weiteren Strafvollstreckung an Italien steht zudem nicht entgegen, dass Geschwister des Verurteilten in Deutschland leben. Zwar verfügt er insoweit über formal bestehende familiäre Kontakte in Deutschland. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich sowohl die Mutter als auch weitere Familienangehörige des Verurteilten in Italien befinden.
Schließlich liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Übertragung der weiteren Vollstreckung an Italien gegen die in § 73 Satz 2 IRG in Bezug genommenen Grundsätze aus Art. 6 des Vertrages über die Europäische Union und den europäischen ordre public verstoßen könnten.
Nach alledem war die Übertragung der Vollstreckung der Freiheitsstrafen aus dem o.g. Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 29. April 2014 an Italien für zulässig zu erklären.