Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 13.09.2022, Az.: L 16 KR 61/21
Kostenübernahme für stationäre Liposuktionen; Potentialleistungen außerhalb eines Erprobungsverfahrens; Begriff der schwerwiegenden Erkrankung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 13.09.2022
- Aktenzeichen
- L 16 KR 61/21
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 43775
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2022:0913.16KR61.21.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Aurich - 08.01.2021 - AZ: S 18 KR 104/17
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V
- § 2 Abs. 1a SGB V
- § 27 Abs. 1 S. 1-2 SGB V
- § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V
- § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 und Nr. 13 SGB V
- § 135 Abs. 1 SGB V
- § 136 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V
- § 137c Abs. 1 S. 1 SGB V
- § 137c Abs. 3 S. 1-2 SGB V
- § 137e Abs. 1 S. 2 SGB V
- § 137e Abs. 2 S. 1-2 SGB V
- Liposuktion § 4 Abs. 1 S. 1 QS-RL
- Liposuktion § 4 Abs. 2 Buchst. a)-b) QS-RL
- Liposuktion § 4 Abs. 3 Buchst. a) QS-RL
- Liposuktion § 4 Abs. 4 QS-RL
- Liposuktion § 4 Abs. 5 QS-RL
- Erp-RL Liposuktion
- MVVRL Anl. 3
- KHMeRL
- § 193 Abs. 1 SGG
Fundstelle
- NZS 2023, 310
Amtlicher Leitsatz
Potentialleistungen außerhalb eines Erprobungsverfahrens dürfen nur dann in Anspruch genommen werden, wenn eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt, für die nach dem jeweiligen Behandlungsziel eine Standardtherapie nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht (BSG, Urteil vom 25. März 2021 B 1 KR 25/20 R Rn 19, 40 ff).
Berührungs- und Druckschmerzen und rezidivierende Hämatome im Bereich der Oberarme und Oberschenkel sind keine schwerwiegenden Erkrankungen in diesem Sinne.
Werden die engen Voraussetzungen der §§ 4 Abs 2 und/oder 4 Abs 3 der mit Wirkung vom 7. Dezember 2019 in Kraft getretenen RL über Maßnahmen zur Qualitätssicherung nach § 136 Abs 1 Satz1 Nr 2 SGB V bei Verfahren der Liposuktion bei Lipödem im Stadium III (QS-RL) selbst bei Vorliegen eines Lipödems Stadium III nicht erfüllt, kann ein Anspruch auf die Kostenübernahme für eine stationäre Liposuktion nicht unter Umgehung der vom GBA festgesetzten Voraussetzungen mit Verweis auf das Potential der Methode unmittelbar aus § 137c Abs 3 Satz 1 SGB V hergeleitet werden.
Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 8. Januar 2021 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Kostenübernahme für stationäre Liposuktionen.
Die am ... 1971 geborene Klägerin leidet an Lip-Lymphödemen an den Oberarmen und an den Beinen.
Die Klägerin beantragte am 23. Dezember 2016 bei der beklagten Krankenkasse die Kostenübernahme einer Liposuktion. Nach der beigefügten Bescheinigung des Dr J., Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, vom 13. Dezember 2016 bestand ein Lipödem der unteren und oberen Extremitäten vom Typ IV, Stadium 2, bei einer Größe von 163 cm und 85,5 kg. Trotz langfristiger manueller Entlastungstherapien seien keine Besserungen der Beschwerden erzielt worden. Aufgrund dessen seien 2-3 Operationen an den Beinen bds und eine Operation an den Armen bds stationär zwingend notwendig. Nach dem ebenfalls beigefügten Bericht des Dr K., Facharzt für Chirurgie, Gefäßchirurgie und Phlebologie, vom 12. August 2016 bestand eine medialseitig umschriebene, eher noch diskrete Ödemzone prätibial. Es sei neben den konservativen Maßnahmen eine schonende Liposuktion zur Reduzierung der Schmerzsymptomatik, zur Vorbeugung eines chronischen Lymphödems zu empfehlen. Dadurch könne eine langfristige manuelle Lymphtherapie vermieden werden.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 2. Januar 2017 ab, eine Kostentragung einer Liposuktion komme aus rechtlichen Gründen weder stationär noch ambulant in Betracht. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Januar 2017 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 2017 zurückwies. Eine Kostenübernahme einer ambulanten Liposuktion gehöre nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung. Es handele sich um eine sogenannte „neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode“. Diese gehöre nur dann zur Leistungspflicht der Krankenkasse, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) aufgrund eines eigenen Bewertungsverfahrens eine positive Empfehlung für die Methode abgegeben habe. Eine solche Empfehlung liege zurzeit noch nicht vor. Ebenfalls scheide die Übernahme einer stationären Liposuktion aus. Diese komme nur in Betracht, wenn die Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse genüge. Es müsse sichergestellt sein, dass die Behandlung ungefährlich sei und dass auch der angestrebte Erfolg, die Beseitigung des krankhaften Zustandes, mit Sicherheit eintreten werde. Dies könne erst garantiert werden, wenn große Forschungsstudien die Wirksamkeit einer Liposuktion nachwiesen. Daran fehle es vorliegend.
Die Klägerin hat dagegen am 29. Mai 2017 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Aurich erhoben und vorgetragen, sie leide langjährig unter der Erkrankung mit deutlicher Zunahme der Umfänge an den Extremitäten nach der Schwangerschaft 2010. Behandlungsalternativen in Form von Ernährungskursen, Ernährungsberatung, Versorgung mit Kompressionsstrümpfen, Abklärung hormoneller Ursachen seien ausgeschöpft. Die Kompressionsversorgung könne aufgrund einer fortgeschrittenen Funktionsminderung am linken Handgelenk nur unter großen Schmerzen selbst bewältigt werden. Daneben seien auch die psychischen Beeinträchtigungen der noch relativ jungen Klägerin zu sehen. Die stationären Liposuktionen an Armen und Beinen seien medizinisch notwendig. Die Klägerin habe einen Anspruch, da die begehrte Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative habe. Nach der Rechtsprechung bestehe im Übrigen ein Anspruch auf Teilnahme an einem Erprobungsverfahren nach der am 10. April 2018 in Kraft getretenen Richtlinie des GBA zur Erprobung der Liposuktion zur Behandlung eines Lymphödems.
Die Klägerin hat Berichte des Facharztes für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie Dr L. vom 12. Juni 2020 und des Chefarztes Dr M., N. Hospital O., Abteilung für Plastische, Hand und Ästhetische Chirurgie, vom 12. August 2020 vorgelegt.
Das SG hat Befundberichte des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr P. vom 16. Oktober 2017, des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr Q. vom 22. Juni 2020 nebst Anlagen beigezogen und ein Gutachten des Facharztes für Chirurgie, spezielle Visceralchirurgie, Unfallchirurgie, Phlebologie, Prokotologie Prof Dr R. vom 21. September 2020 eingeholt.
Mit Urteil vom 8. Januar 2021 hat es den Bescheid der Beklagten vom 2. Januar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2017 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Kosten für die beantragten Liposuktionen an den Armen und Beinen zu übernehmen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Übernahme der Kosten der beantragten stationären Liposuktionen an den Beinen und Armen gemäß §§ 27 Abs 1, 39 Abs 1 SGB Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Der Anspruch umfasse auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der GBA bisher keine Entscheidung nach § 137c Abs 1 getroffen habe und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative böten. Diese Voraussetzungen lägen bei der Klägerin für die Liposuktion bei Lip-Lymphödem der Beine Grad III und der Arme Grad II vor. Dabei gelte für die Liposuktion bei Lipödem Grad III die derzeitig gültige Richtlinie des GBA Methoden Krankenhausbehandlung. Der GBA habe in seiner Sitzung am 19. September 2019 beschlossen, in die Richtlinie des GBA zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus (Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung) in Anlage I (Methoden, die für die Versorgung mit Krankenhausbehandlung erforderlich sind) unter Nr 14 die Liposuktion bei Lipödem im Stadium III aufzunehmen. Danach sei die Liposuktion unter Beachtung der Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung befristet als Leistung der gesetzlichen Krankenkasse zugelassen. Nach der Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei Verfahren der Liposuktion bei Lipödem im Stadium III dürfe die Methode zur Behandlung des Lipödems als Tumenszenz-Liposuktion eingesetzt werden, wenn das Vorliegen eines Lipödems im Stadium III diagnostiziert und die Indikation für eine Liposuktion gestellt worden sei (§ 4 der RL). Die Klägerin habe danach einen Anspruch auf Kostenübernahme einer stationären Liposuktion an den Beinen. Sie leide an einem Lipödem im Stadium III an den Beinen und erfülle die vom GBA in der Richtlinie aufgestellten Kriterien. Der gerichtliche Sachverständige Prof Dr R. habe in seinem Gutachten vom 21. September 2020 nach Untersuchung der Klägerin das Vorliegen der vorgenannten Kriterien nachvollziehbar dargelegt und bejaht. Insbesondere habe er den Einwand der Beklagten, der Eingriff sei aufgrund einer Adipositas bereits ausgeschlossen, entkräftet. Die Klägerin möge zwar einen BMI von 36 kg/m² und damit einen BMI von mehr als 35 kg/m² haben. Jedoch habe der Sachverständige betont, dass nach dem Körpergewicht und BMI bei der Klägerin die Adipositas „keinesfalls führend“ sei und die Indikation dadurch nicht in Frage gestellt werde. Auch nach der vorgenannten Richtlinie sei eine Liposuktion erst ab einem BMI von 40 kg/m² ausgeschlossen. Entgegen der Beklagten sei das Kriterium, dass die Krankheitsbeschwerden trotz innerhalb der letzten sechs Monate vor Indikationsstellung kontinuierlich durchgeführter, ärztlich verordneter konservativer Therapie nicht hinreichend gelindert werden konnten, erfüllt. Dies bestätige der Sachverständige in seinem Gutachten unter Berücksichtigung der vom Gericht eingeholten Befundberichte. Den Angaben der behandelnden Ärzte sei zu entnehmen, dass in den letzten Jahren kontinuierlich Kompressionstrümpfe nach Maß getragen und Lymphdrainagen 2x/pro Woche regelmäßig verordnet worden seien, ohne dass es zu einer Verbesserung der Beschwerden gekommen sei.
Die Klägerin habe auch einen Anspruch auf Kostenübernahme einer Liposuktion bei Lipödem im Stadium II an den Armen. Gemäß § 39 Abs 1 SGB V umfasse die Krankenhausbehandlung auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der GBA bisher keine Entscheidung nach § 137c Abs 1 getroffen habe und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten würden. Eine Entscheidung des GBA nach § 137c Abs. 1 SGB V liege für eine Liposuktion bei Lipödem Stadium II nicht vor. Eine solche könne weder in der Aufnahme der Liposuktion bei Lipödem Stadium III in die Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung noch in der Erprobungsrichtlinie gesehen werden. Der GBA habe mit der Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus in Anlage I unter Nr 14 zur Liposuktion bei Lipödem Stadium III keine (negative) Entscheidung über die Anwendung dieser Methode bei Lipödem Stadium I und II getroffen. Auch liege eine Entscheidung im Sinne des § 137c Abs 1 SGB V nicht mit der Richtlinie des GBA nach § 137e SGB V zur Erprobung der Liposuktion bei Lipödem vor. Aus dem Zusammenspiel von § 137c Abs 1 und Abs 3 könnten unter „Entscheidungen“ nur solche fallen, die abschließend eine Methode bewerten würden, nicht aber solche, die die abschließende Methodenbewertung nur vorbereiten sollten. Während der Erprobung sei das Verfahren der Methodenbewertung ausgesetzt (§ 137e Abs 1 SGB V), eine Entscheidung über die Methode gerade noch nicht getroffen. Weiter ergebe sich die weitere Anwendung der Methoden durch zugelassene Krankenhäuser ausdrücklich aus § 137c Abs 2 S 2 SGB V. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 – und nicht ab dem Tage der Erprobung – dürfe die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Liposuktion bei Lipödem biete auch das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative, was sich bereits aus der beschlossenen Erprobungsrichtlinie des GBA ergebe (vgl § 137c Abs 1 Satz 3 SGB V).
Die bisherige Rechtsprechung des BSG zu § 137c Abs 3 SGB V in der bis zum 17. Dezember 2019 geltenden Fassung (und § 39 SGB V aF) finde keine Anwendung mehr. Der Gesetzgeber habe auf die bisherige Rechtsprechung des BSG reagiert und mit Änderung des § 39 Abs 1 SGB V als auch des § 137c Abs 3 SGB V mit Wirkung zum 18. Dezember 2019 einen Anspruch der Versicherten auf Leistungen, die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten würden, ausdrücklich normiert. So sei der bisherige § 39 Abs 1 Satz 1 SGB V durch den Halbsatz „sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der GBA bisher keine Entscheidung nach § 137a Abs 1 getroffen hat und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten“ sowie § 137c Abs 3 Satz 1 aF durch „und von den Versicherten beansprucht“ ergänzt worden.
Die medizinische Notwendigkeit einer Liposuktion an den Armen im Falle der Klägerin sei nach den nachvollziehbaren Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen mangels konservativer Behandlungsmaßnahmen indiziert. Nicht zuletzt sei eine stationäre Krankenhausbehandlung nach den Ausführungen des Sachverständigen aufgrund der Größe des Eingriffs - selbst wenn man diese Eingriffe etappenweise durchführte -, der erforderlichen intravenösen Antibiotika-Therapie und der nötigen Volumenersatztherapie sowohl für die Durchführung der Liposuktion an den Beinen als auch an den Armen notwendig.
Gegen das am 14. Januar 2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11. Februar 2021 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen erhoben. Die Übernahme der Kosten für die begehrte Liposuktionsbehandlung sei bereits aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen. Die Voraussetzungen nach der QS -RL Liposuktion lägen nicht vor. Auch dem Gutachten von Prof Dr R. könne nicht entnommen werden, dass die Voraussetzungen der vom GBA formulierten Diagnosen und Indikationsstellungen erfüllt seien. An den Armen sei die Liposuktion bereits ausgeschlossen, weil es an einem Lipödem Stadium III fehle. In seinem Beschluss vom 19. September 2019 habe der GBA ausdrücklich erklärt, dass die Behandlung von schwächeren Formen der Erkrankung keine Kassenleistung sei. Bei den Oberschenkeln sei ein Stadium III nicht nachvollziehbar. Große, deformierende Hautlappen und -wülste würden nicht beschrieben und seien nach der Fotodokumentation auch nicht ersichtlich. In den im Verwaltungsverfahren eingereichten Unterlagen werde ein Stadium II mitgeteilt. Auch nach dem Bericht von Dr S. vom 18. Februar 2022 lägen keine überhängenden Gewebeanteile vor, zudem bestehe eine Betroffenheit beider Füße. Auch das Vorliegen von § 4 Abs 3 QS-RL sei nicht gegeben. Eine Schmerzreduktion habe auch durch die MLD erzielt werden können. Der Gutachter teile auch lediglich pauschal mit, dass konservative Behandlungsmaßnahmen erschöpft seien. Nicht mitgeteilt werde, dass sechs Monate vor Indikationsstellung eine kontinuierlich ärztlich verordnete konservative Therapie durchgeführt worden sei. Es ergebe sich ein BMI von 36 kg/m². Mitgeteilt werde, dass die Adipositas keineswegs führend sei. Dies werde jedoch nicht näher beschrieben. Nach dem Befundbericht des behandelnden Arztes habe eine Behandlung der Adipositas nicht stattgefunden. Der Klägerin sei zu einer Ernährungsberatung sowie zu mehr körperlicher Aktivität geraten worden. Es sei auch nicht erkennbar, weshalb die Behandlung stationär erbracht werden müsse. Die Voraussetzungen des § 137c a Abs 3 SGB V seien nicht erfüllt. Der Anspruch auf eine Potentialbehandlung nach § 137 c Abs 3 SGB V sei auf die Fälle schwerwiegender Erkrankungen nach Ausschöpfen der Standardtherapie beschränkt. Dies könne hier nicht angenommen werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 8. Januar 2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf ihren hohen Leidensdruck. Es sei bedauerlich, dass die Beklagte sich zur Ablehnung der Liposuktion auf fehlende gesetzlichen Vorgaben und Vorgaben des GBA zurückgezogen habe und an ihrer Verweigerungshaltung auch nach den erweiterten Möglichkeiten im Anschluss an die Sitzung des GBA am 19. September 2019 und nach der Änderung des § 39 Abs 1 iVm § 137c SGB V zu Lasten der Versicherten festhalte. Das BSG habe in seinem Urteil vom 25. März 2021 seine Rechtsprechung modifiziert. Der Sachverständige habe nach ausführlicher Exploration ein Stadium III festgestellt. Die Klägerin gehe regelmäßig zur manuellen Lymphdrainage und trage Kompressionsstrümpfe. Der Hinweis auf die vermeintliche Adipositas sei in keiner Weise zu akzeptieren. Die Klägerin achte schon deshalb auf eine ausgewogene Ernährung, weil das in ihrem Haushalt lebende Kind auf hohem Niveau Leistungssport betreibe. Die eigenen Möglichkeiten, durch Sport und Bewegung, Fitness-Studio weitere Besserung zu erreichen, seien seit Jahren ausgeschöpft.
Der Senat hat einen Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr S. vom 18. Februar 2022 nebst Anlagen und einen Bericht des Physiotherapeuten T. vom 4. Februar 2022 beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden.
Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 5. September 2022 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte über den Rechtsstreit gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten schriftsätzlich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die gemäß §§ 143 f SGG form- und fristgerecht erhobene Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist auch begründet.
Die Klage der Klägerin ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 SGG zulässig, aber nicht begründet. Der Senat vermochte sich der Auffassung des SG nicht anzuschließen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenübernahme für eine stationäre Liposuktionsbehandlung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung.
Gemäß § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua die ärztliche Behandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V). Die jeweiligen Leistungen dürfen aber nicht in einer beliebigen Qualität erbracht werden, sondern § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V bestimmt, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Die Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie nach eigener Einschätzung der Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sein (vgl BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 11/08 R; vom 7. Mai 2013 - B 1 KR 44/12 R, beide juris).
Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen gemäß § 135 Abs 1 SGB V in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V Empfehlungen abgegeben hat über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern und über die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (ständige Rechtsprechung des BSG, siehe zB Urteil vom 2. September 2014 - B 1 KR 11/13 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 32 Rn 13; vom 17. Februar 2010 - B 1 KR 10/09 R - SozR 4-2500 § 27 Nr 18 Rn 21 - Kryokonservierung; vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 2/08 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 20 Rn 20 - Magenband; vom 7. November 2006 - B 1 KR 24/06 R - SozR 4-2500 § 27 Nr 12 Rn 12 mwN - LITT).
Nach § 137c Abs 1 Satz 1 SGB V in der seit 1. Januar 2020 geltenden Fassung überprüft der GBA auf Antrag Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen der Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der GBA eine entsprechende RL, wonach die Methode nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden darf (Satz 2).
Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der GBA eine Erprobungsrichtlinie nach § 137e (Satz 3). Aufgrund einer solchen Richtlinie wird die Untersuchungs- und Behandlungsmethode in einem befristeten Zeitraum im Rahmen der Krankenhausbehandlung zu Lasten der Krankenkassen erbracht (§ 137 e Abs 1 Satz 2 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihre Berücksichtigung beim Auswahlverfahren für die Teilnahme an einer Erprobungsrichtlinie nach § 137e SGB V(BSG, Urteil vom 25. März 2021 – B 1 KR 25/20R Rn 13 mwN; BSG, Urteil vom 26. April 2022 – B 1 KR 20/21 R Rn 9).
Der GBA hatte mit Beschluss vom 22. Mai 2014 ein Beratungsverfahren zur Bewertung der Liposuktion bei Lipödem eingeleitet (abzurufen unter https://www.g-ba.de/downloads/39-261-1993/2014-05-22_135-137c-SN_Antragsannahme_Liposuktion-bei-Lip%C3%B6 dem.pdf), dieses ist jedoch bislang nicht abgeschlossen (BSG, Urteil vom 26. April 2022 – B 1 KR 20/21 R Rn 9).
1.Der GBA hat mit Beschluss vom 20. Juli 2017 die laufende Bewertung der Methode wegen der problematischen Studienlage bis zur Erstellung einer Studie zur Verbesserung der Erkenntnislage ausgesetzt (https://www.g-ba.de/downloads/39-261-3013/2017-07-20_MVV-RL_Liposuktion_BAnz.pdf). Am 18. Januar 2018 hat er mit Wirkung zum 10. April 2018 eine Richtlinie zur Erprobung der Liposuktion zur Behandlung des Lipödems (Erprobungs-Richtlinie Liposuktion - Erp-RL-) (BAnZ AT 9. April 2018 B1) erlassen.
Die Klägerin nimmt an dieser Erprobungsstudie nicht teil. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass ein Anspruch auf Teilnahme auch nicht gegen die Krankenkasse der Versicherten hätte geltend gemacht werden können, weil nach den festgelegten Rahmenbedingungen die gesetzlichen Krankenkassen nicht in die Auswahl der Teilnehmer an der Erprobungsrichtlinie involviert sind (Senatsurteil vom 1. Oktober 2019 – L 16 KR 294/18 im Anschluss an LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2019 – L 5 KR 294/18; vgl auch BSG, Urteil vom 26. April 2022 – B 1 KR 20/21 R Rn 10).
2. Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf die Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung des GBA stützen. Durch Beschluss des GBA vom 19. September 2019 ist die Anlage I der Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus geändert worden. Der GBA hat mit dem Beschluss vom 19. September 2019 die Liposuktion bei Lipödem im Stadium III befristet bis zum 31. Dezember 2024 im Rahmen der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung in die Liste anerkannter Untersuchungs- und Behandlungsmethoden aufgenommen (RL Methoden Krankenhausbehandlung iVm der RL über Maßnahmen zur Qualitätssicherung nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V bei Verfahren der Liposuktion bei Lipödem im Stadium III – QS-RL Liposuktion; https://www.g-ba.de/downloads/39-261-3960/2019-09-19_MVV-RL_Liposuktion-Lipoedem-III_BAnz.pdf). Diese Änderung trat mit Wirkung zum 7. Dezember 2019 in Kraft und gilt ex nunc ab dem Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger (BSG, Urteil vom 25. März 2021 – B 1 KR 25/20 R Rn 16; LSG Niedersachen-Bremen, Urteil vom 22. Februar 2022 - L 16 KR 185/21).
Die Voraussetzungen der QS-RL Liposuktion sind im Falle der Klägerin jedoch nicht erfüllt.
Nach § 4 Abs 1 der QS-Richtlinie darf die Methode zur Behandlung des Lipödems zu Lasten der Krankenkassen eingesetzt werden, wenn das Vorliegen eines Lipödems im Stadium III diagnostiziert und die Indikation für eine Liposuktion gestellt wurde. Ein Lipödem liegt gemäß ICD-10 GM bei einer lokalisierten schmerzhaften symmetrischen Lipohypertrophie der Extremitäten mit Ödem, mit ausgeprägter Umfangsvermehrung und großlappig überhängenden Gewebeteilen von Haut und Subkutis vor.
(2) Für eine Diagnose des Lipödems im Stadium III müssen alle folgenden Kriterien erfüllt sein:
a) Disproportionale Fettgewebsvermehrung (Extremitäten-Stamm) mit großlappig überhängenden Gewebeanteilen von Haut und Subkutis.
b) Fehlende Betroffenheit von Händen und Füßen.
c) Druck- oder Berührungsschmerz im Weichteilgewebe der betroffenen Extremitäten.
(3) Nach Diagnosestellung gemäß Absatz 2 kann die Indikationsstellung zur Liposuktion erfolgen, wenn ärztlicherseits festgestellt wurde, dass alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
a) Trotz innerhalb der letzten sechs Monate vor Indikationsstellung kontinuierlich durchgeführter, ärztlich verordneter konservativer Therapie konnten die Krankheitsbeschwerden nicht gelindert werden.
b) Bei Patienten mit einem Body-Mass Index (BMI) ab 35 kg/m² findet eine Behandlung der Adipositas statt.
(4) Bei einem BMI ab 40 kg/m² soll keine Liposuktion durchgeführt werden.
(5) Das Vorliegen der in den Absätzen 2 und 3 aufgeführten Kriterien ist in der Patientenakte zu dokumentieren.
Nach den „Tragenden Gründen zum Beschluss des GBA“ dienen die in Abs 2 a-c aufgeführten Kriterien als verbindliche Grundlage für eine abgesicherte Diagnose und müssen daher zur Stellung der Diagnose sämtlich erfüllt sein.
Die Voraussetzungen vom § 4 Abs 1 Satz 1, Abs 2 a, b, Abs 3a QS-RL sind hier nicht nachgewiesen.
a. Im Bereich der Arme besteht nach allen vorliegenden Unterlagen kein Lipödem Stadium III.
b. Ob im Bereich der unteren Extremitäten ein vollendetes Stadium III besteht, kann der Senat offenlassen, da jedenfalls die Voraussetzungen von § 4 Abs 2 a, b QS-RL nicht nachgewiesen sind.
aa. Bei der Klägerin bestand im Bereich der unteren Extremitäten ausweislich des Berichtes von Dr Reba vom 31. Dezember 2016 ein Lipöden Stadium II. Dr K. hat in seinem Bericht vom 12. August 2016 eine eher noch diskrete Ödemzone prätibial beschrieben. Auch der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr U. hat in seinem Bericht vom 22. Juni 2020 ein Lymphödem der unteren Extremitäten Stadium II festgestellt. In dem Bericht von Dr L. vom 12. Juni 2020 wird das klinische Bild eines Lipödems im Übergang von Stadium II zu Stadium III beschrieben. Dr M. hat ein Lipödem am Bein Stadium II-III angegeben. Die behandelnden Ärzte haben mithin kein vollendetes Stadium III beschrieben. Erst Dr S. stellt in seinem Befundbericht vom 18. Februar 2022 den Grad nach seiner Einschätzung mit III fest, ohne dies allerdings näher zu begründen. Das Gutachten von Prof Dr R. ist in sich widersprüchlich. Er hat in seinem Gutachten nach körperlicher Untersuchung der Klägerin unter „spezielle Befundung“ ein Lipödem Grad II-III an den Beinen aber auch im Bereich beider Oberarme festgestellt (S 126 der Gerichtsakte), auf S 133 und S 135 der Gerichtsakte wird dann ein Stadium III angegeben.
bb. Jedenfalls sind die übrigen Kriterien von § 4 Abs 2 a und b der QS-Richtlinie nicht erfüllt. Es müssen danach großlappig überhängende Gewebeanteile von Haut und Subkutis bestehen. Diese ergeben sich nicht aus den zahlreichen Berichten der behandelnden Ärzte und sind in der Patientenakte nicht dokumentiert (§ 4 Abs 5 QS-RL). Die von Prof Dr R. angegebenen großen deformierenden Hautlappen und -wülste korrespondieren nicht mit den vorgelegten Fotodokumentationen. Zudem sind nicht nur Arme und Beine betroffen. Der behandelnde Arzt Dr V. hat in seinem aktuellen Befund vielmehr ausdrücklich ausgeführt, dass keine überhängenden Gewebeteile vorliegen und auch die Füße betroffen sind.
c. Auch die Voraussetzungen von § 4 Abs 3 b QS-RL sind nicht erfüllt. Nach den „Tragenden Gründen“ zu Absatz 3 Buchstabe b geht das Lipödem in einer hohen Anzahl der Fälle mit einer Adipositas einher, die zugleich als Risikofaktor für das Auftreten und Voranschreiten des Lipödems gilt (S1 Leitlinie-Lipödem). Eine Adipositas ist nach den „Tragenden Gründen“ vorrangig bzw begleitend zu behandeln, als Obergrenze wird zT sogar ein BMI von 32 kg/m² empfohlen. Unter Berücksichtigung verschiedener Einschätzungen und Empfehlungen, wonach eine das Lipödem begleitende Adipositas vor Indikationsstellung zur Liposuktion in einem entsprechenden Therapiekonzept Berücksichtigung finden muss, hat der GBA dies bei einer Adipositas ab Grad II (BMI > 35 kg/m²) als Voraussetzung für die Indikationsstellung festgelegt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr P. hat ausweislich der von ihm vorgelegten Behandlungsübersicht ab 2014 kontinuierlich eine Adipositas diagnostiziert. Im Dezember 2016 betrug das Gewicht der Klägerin 85,5 kg. In dem Bericht von Dr L. vom 12. Juni 2020 wird das Gewicht bereits mit 95 kg angegeben, Dr S. hat das aktuelle Gewicht in seinem Bericht vom 18. Februar 2022 nunmehr mit konstant 100 kg angegeben. Der BMI beträgt damit 37 kg/m². Dass eine konsequente Behandlung der langjährigen Adipositas stattfand bzw ausgeschöpft ist, ist nicht dokumentiert (§ 4 Abs 5 QS-RL), aus den vorgelegten Berichten nicht ersichtlich und auch sonst nicht nachgewiesen. 2016 wurde ausweislich der von Dr P. vorgelegten detaillierten Übersicht über stattgehabte Behandlungen eine Kalorienreduktion empfohlen. Der jetzt behandelnde Arzt Dr S. hat lediglich zu einer Ernährungsberatung und zu mehr körperlicher Aktivität geraten.
3. Ein Anspruch der Klägerin auf Kostenübernahme ergibt sich auch nicht direkt aus § 137c SGB V.
Nach § 137c Abs 3 Satz 1 SGB V in der seit 1. Januar 2020 durch das Implantatregister-Errichtungsgesetz (EIRD) vom 12. Dezember 2019 (BGBl I, 2949) geltenden Fassung dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der GBA bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, im Rahmen der Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist (Satz 2).
Die Klägerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die Rechtsprechung des BSG im Bereich des Anspruchs auf sogenannte Potentialbehandlungen nach Maßgabe des § 137c Abs 3 SGB V nF geändert hat. In seiner Entscheidung vom 25. März 2021 – B 1 KR 25/20 R hat das BSG seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, soweit es außerhalb von Erprobungsrichtlinien für den Anspruch Versicherter auf Krankenhausbehandlungen auch nach Inkrafttreten des § 137c Abs 3 SGB V für die dabei eingesetzten Methoden den vollen Nutzennachweis im Sinne eines evidenzgestützten Konsenses der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute verlangt (B 1 KR 25/20 R, Rn 23). Der Gesetzgeber habe hinreichend deutlich gemacht, dass es sich bei § 137c SGB V um eine partielle Einschränkung des allgemeinen Qualitätsgebots (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) für den Bereich der Krankenhausbehandlung handelt (BSG, aaO Rn 26). Soweit die Krankenhäuser Potentialleistungen erbringen dürfen, korrespondiert dies auch mit einem Rechtsanspruch des Versicherten (Rn 27). § 137c Abs 3 SGB V formt den Anspruch Versicherter auf Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5, § 39 SGB V) näher aus und modifiziert bereichsspezifisch zugleich das allgemeine Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V(Rn 28). Ausreichend ist nunmehr, dass die begehrte stationäre Leistung das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten muss, dass eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt, die begehrte Leistung medizinisch indiziert und notwendig ist und nach dem jeweiligen Behandlungsziel eine Standardtherapie nicht (mehr) zur Verfügung steht und eine stationäre Behandlung Versicherter erforderlich ist (BSG, aaO, Rn 29, 31-42). Nach dem Wortlaut der Regelung dürfen Krankenhäuser für Versicherte auch Leistungen erbringen, die nur das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative haben, das heißt, Leistungen, deren Methoden noch nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Krankenhäuser dürfen die Potentialleistungen auch dann erbringen, wenn die Versicherten nicht an einer Erprobungs-RL teilnehmen, ja sogar dann, wenn eine solche noch nicht existiert oder nicht einmal ein Bewertungsverfahren nach § 137c Abs 1 Satz 1 SGB V eingeleitet wurde (BSG, aaO, Rn 23). Der Anwendungsbereich von Potentialleistungen ist zur Gewährung des Patientenschutzes für den Fall eines noch nicht existierenden Erprobungsverfahrens wegen des auf eine abschließende Klärung gerichteten Methodenbewertungsverfahrens allerdings eng auszulegen (BSG, aaO; auch BSG, Urteil vom 26. April 2022 – B 1 KR 20/21 R Rn 16 ff).
Das BSG hat in seinen Entscheidungen vom 18. August 2022 bestätigt, dass Versicherte auch nach Erlass einer Erprobungsrichtlinie Anspruch auf die Versorgung mit Potentialleistungen grundsätzlich nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs haben, wenn es 1. um eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Standardbehandlung verfügbar ist und 3. die einschlägigen Regelungen der Verfahrensordnung des GBA für die Erfüllung einer erforderlichen Behandlungsalternative erfüllt sind (B 1 KR 29/21 R; B 1 KR 38/21 R – Terminbericht Nr 31/ 22 vom 19. August 2022).
a. Aus dieser Rechtsprechung kann die Klägerin keinen Anspruch herleiten, da der GBA „Entscheidungen“ iS von § 137c Abs 3 Satz 1, Abs 1 Satz 1 SGB V getroffen hat. Nach dem Wortlaut des § 137c Abs 3 Satz 1 darf es „keine Entscheidung nach Abs 1“ geben, damit eine Leistungserbringung über diese Vorschrift möglich ist. Der GBA hat jedoch mit seinen RL vom 18. Januar 2018 und 19. September 2019 gleich zwei Beschlüsse (Entscheidungen) nach § 137c Abs 1 SGBV getroffen, die die Liposuktion bei Lipödem betreffen. In beiden vom BSG jüngst entschiedenen Fällen, in denen es um Kostenerstattungsansprüche für bereits durchgeführte Liposuktionen ging, hatten die Klägerinnen die Eingriffe jedenfalls jeweils noch vor Erlass vom 19. September 2019 und Inkrafttreten der QS-RL Liposuktion am 7. Dezember 2019 durchgeführt (Terminbericht Nr 31/ 22 vom 19. August 2022).
Jedenfalls die Entscheidung des GBA vom 19. September 2019 führt zu einer Sperrwirkung für den Anspruch aus § 137c Abs 3 Satz 1 und 2 SGB V. Die engen Voraussetzungen der aus dem Beschluss zu Nummer 14 Anlage 1 Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung bzw QS-RL Liposuktion dürfen nicht unterlaufen werden. So sieht die Beschlussfassung zum Lipödem Stadium III in § 4 Abs 3 und 4 ganz erhebliche Einschränkungen in Bezug auf den BMI vor. Werden diese Voraussetzungen selbst bei Vorliegen eines Lipödems Stadium III nicht erfüllt, kann ein Anspruch auf eine stationäre Liposuktion nicht unter Umgehung der vom GBA festgesetzten Bedingungen mit Verweis auf das Potential der Maßnahme unmittelbar aus § 137c Abs 3 Satz 1 hergeleitet werden (vgl SG Stade, Urteil vom 21. Januar 2020 – S 1 KR 107/18).
b. Selbst wenn sich unter Berücksichtigung von § 137c Abs 3 Satz 2 SGB V aus dem Erlass der QS-Richtlinie vom 19. September 2019 durch den GBA keine Sperrwirkung ergäbe, lägen hier die vom BSG aufgestellten einschränkenden Voraussetzungen (ua Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung, keine Verfügbarkeit einer anderen Standardtherapie) nach Erlass einer Erprobungs-RL nicht vor.
aa. Das Potentialstadium einer Behandlungsmethode ist im Hinblick auf die im Gesetz angelegte Klärung bis zu einer endgültigen Etablierung oder aber eines Ausschlusses aus der Versorgung transitorisch (BSG, Urteil vom 25. März 2021 – B 1 KR 25/20 R Rn 36). Die gesetzlichen Regelungen zur Erprobung neuer Behandlungsmethoden ermöglichen den Versicherten die Teilhabe an medizinischen Innovationen, räumen dabei aber auch dem Patientenschutz einen breiten Raum ein, dem ist bei der Auslegung des § 137 c Abs 3 SGB V angemessen Rechnung zu tragen (BSG, aaO, Rn 32). Während des Erprobungsverfahrens wird der Patientenschutz vielmehr noch weiter verstärkt. An das Erprobungsverfahren werden besondere personelle, sachliche und sonstige qualitätssichernde Anforderungen gestellt (§ 137e Abs 2 Satz 1 und 2 SGB V), die den teilnehmenden Versicherten ein „geschütztes Setting“ einschließlich einer wissenschaftlichen Begleitung bieten. Dies eröffnet erweiterte therapeutische Handlungsspielräume und es besteht die Möglichkeit, bei sich abzeichnenden Gefährdungen schnell zu intervenieren, etwa wenn Komplikationen bei einzelnen Teilnehmern auftreten (BSG, aaO, Rn 33). Zur Gewährleistung ausreichenden Versicherungsschutzes sind deshalb die Regelungen über Ansprüche auf Leistungen, die – wie hier- außerhalb der Teilnahme an einer Erprobungs-Richtlinie erbracht werden, restriktiv auszulegen (BSG, aaO, Leitsatz 2; Rn 23). Dies wird nach der Rechtsprechung des BSG dadurch erreicht, dass Potentialleistungen außerhalb eines Erprobungsverfahrens nur dann in Anspruch genommen werden dürfen, wenn der Versicherte schwer erkrankt ist und keine andere bereits standardisierte Behandlungsmethode zur Verfügung steht (BSG, aaO, Rn 40, 42) (kritisch, Schneider, SGb 2021, 661, 667; Deister/Felix, „Nikolaus light“, MedR 2022, 1ff).
bb. Voraussetzung für einen Anspruch außerhalb der Teilnahme an einer Erprobungs-RL ist nach Maßgabe der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, daher das Vorliegen einer schwerwiegenden, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden Erkrankung (BSG, aaO, Rn 41; BSG Urteile vom 18. August 2022- B 1 KR 29/21 R, B 1 KR 38/21 R – Terminbericht Nr 31/ 22 vom 19. August 2022).
(1) Die Regelung des § 137c SGB V war vordringlich für schwerer erkrankte Versicherte mit einem besonderen Bedarf an innovativen Behandlungsalternativen gedacht (BSG, aaO, Rn 41; BT-Drucks 18/4095 S 121). Der Gesetzgeber hatte bei der Neuregelung des § 137c SGB V die schwer und schwerst erkrankten Versicherten in den Blick genommen, deren Versorgung auch durch Methoden im Level unterhalb ausgewiesenen Studien gestärkt, dh verbessert werden soll. Das ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, in der es heißt, dass die Regelung in § 137c Abs 3 den Umfang der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt konkretisiert. Diese Teilhabe wird dann im Folgesatz dahin präzisiert, dass sie dazu diene, dass den typischerweise schwerer erkrankten Versicherten in der stationären Versorgung mit besonderem Bedarf nach innovativen Behandlungsalternativen vielversprechende Heilungs- und Behandlungschancen weiterhin zeitnah auch außerhalb von Studien gewährt werden können, auch wenn deren Nutzen noch nicht auf hohem Evidenzlevel belegt ist (BT- Drucks 18/5123 S 135; 17/6906 S 86) (vgl auch Urteil des erkennenden Senates 30. August 2016 – L 16/1 KR 303/15).
(2) Das BSG hat den Begriff der schwerwiegenden Erkrankung in seinen Entscheidungen zum off-label-use entwickelt (BSG Urteil vom 19. März 2002 - B 1 KR 37/00). Mit diesem rechtstechnisch eingeführten Begriff wurde die Erheblichkeitsschwelle der betroffenen Erkrankungen umrissen (BSG, Urteil vom 6. März 2012 – B 1 KR 24/10 R Rn 26 = BSGE 110, 183). Das BSG hat eine schwerwiegende Erkrankung als eine solche Erkrankung definiert, die lebensbedrohlich oder regelmäßig tödlich verlaufend ist (vgl auch Bayrisches LSG, Beschluss vom 7. November 2019 – L 4 KR 397/19 B ER Rn 39; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Februar 2019 – L 11 KR 240/18 B ER Rn 60) bzw vergleichbare Erkrankungen wie etwa eine akut drohende Erblindung (vgl BSGE 93, 236 = BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 1) bzw als eine Erkrankung, die aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörungen die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt (BSG, Urteil vom 19. März 2002 - B 1 KR 37/00 R = BSGE 89, 184, 188; BSG, Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 14/06 R = SozR 4-2500 § 31 Nr 6 Rn 10; BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 - B 1 KR 5/09 R = SozR 4-2500 § 31 Nr 13 Rn 31; BSG, Urteil vom 6. März 2012 - B 1 KR 24/10 R Rn 24 = BSGE 110, 183; Nolte, Kasseler Kommentar, 118. EL, Stand März 2022, § 34 Rn 3). Es reicht dabei allerdings nicht jede Erkrankung, die die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt, sondern dabei handelt es sich um eine solche, die sich durch ihre Schwere und Seltenheit vom Durchschnitt der Erkrankungen abhebt (BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 6 Rdnr 11; BSG, Urteil vom 26. September 2006 – B 1 KR 1/06 R = BSGE 97, 112 = SozR 4- § 31 Nr 5 Rdnr 18; vgl Übersicht bei Knispel, GesR 2018, 273, 274). In der Gesetzesbegründung zu § 35 c Abs 2 SGB V, der ebenfalls das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung voraussetzt, wird auf onkologische Erkrankungen Bezug genommen (BT-Drucks 16/4247 Art 1 Nr 20 a S 33; vgl auch BT-Drucks 15/1525 Art 1 Nr 22a aa S 86; vgl LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. September 2017 - L 11 KR 3414/17 ER-B).
Eine lebensbedrohliche oder seltene Erkrankung liegt bei der Klägerin nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht vor. Auch eine sich durch Schwere und Seltenheit vom Durchschnitt abhebende Erkrankung liegt nicht vor. Eben so wenig vermag der Senat eine schwerwiegende Erkrankung zu erkennen. Bei der Klägerin besteht ein Lipödem an den Beinen Grad II-III und an den Armen Grad II, das Gewicht liegt bei 95 bis 100 kg, der BMI zuletzt bei 37kg/m². Als Ausprägung des Lipödems bestehen bei der Klägerin nach den Feststellungen von Prof Dr M. ein ausgeprägter Berührungs- und Druckschmerz beidseits in der Subkutis und es lagen rezidivierende Hämatome vor. Nach dem Befundbericht von Dr S. bestehen Schmerzen in den Oberschenkeln und Oberarmen und ein Kribbelgefühl/Taubheitsgefühl in den Beinen, langes Sitzen/Gehen sei nach dem Bericht der Klägerin erschwert. Dabei handelt es sich zweifellos um die Klägerin beeinträchtigende und sie belastende Krankheitserscheinungen, jedoch nicht um schwerwiegende Erkrankungen im og Sinne. Darüber hinaus klagt die Klägerin nicht nur über Schmerzen in Armen und Beinen, sondern auch in anderen Körperbereichen. Dr Q. hat in seinem Befundbericht ausgeführt, dass die Klägerin über Schmerzen der Gelenke und Muskeln klage, im April 2018 habe eine Schmerztherapie im Klinikum L. stattgefunden wegen der Diagnosen Nuchalgie und Cephalgie. Auch aus den vorliegenden Berichten des Bundeswehrkrankenhauses W und des Klinikums L. ergibt sich, dass die Schmerzen im Bereich der Hände und im Schulter-Nackenbereich bestanden.
Eine andere Beurteilung erfolgt auch nicht aus dem Gutachten von Prof Dr R.. Darin werden das Lipödem, seine Schweregrade, Stadien und Symptome, Therapien überwiegend sehr allgemein beschrieben und er ist nur äußerst knapp auf die konkrete Situation der Klägerin eingegangen.
bb. Darüber hinaus darf keine andere Standardtherapie verfügbar sein. Durch die MLD konnte eine Schmerzreduktion erreicht werden. Auch Dr S. hat ausgeführt, dass die verordneten Maßnahmen der Klägerin Linderung erbrachten. Auch scheint eine Behandlung der Adipositas bei einem Anstieg des Körpergewichts von 85,5 kg seit 2016 bis 100 kg im Jahre 2022 nicht ausgeschöpft.
4. Die Klägerin kann sich auch nicht auf § 2 Abs 1a SGB V berufen. Hiernach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Bei einem Lipödem handelt es sich zwar – wie bereits ausgeführt - um eine schmerzhafte, eindeutig aber nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung. Gemeint ist insoweit eine notstandsähnliche Lage mit einer sehr begrenzten Lebensdauer (Plagemann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl, § 2 SGB V, Rn 55). Das Lipödem ist auch nicht wertungsmäßig mit einer solchen Erkrankung vergleichbar. Mit diesem Kriterium ist noch eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa – wie oben ausgeführt- mit dem Erfordernis einer „schwerwiegenden“ Erkrankung für die Eröffnung des sog Off-Label-Use formuliert ist (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R –, SozR 4-2500 § 13 Nr 19, Rn. 15; zu den Kriterien des Off-Label-Use siehe BSG, Urteil vom 19. März 2002 – B 1 KR 37/00 R –, BSGE 89, 184-192, SozR 3-2500 § 31 Nr 8). Einen solchen Schweregrad erreicht ein Lipödem nicht (BSG, Urteil vom 28. Mai 2019 – B 1 KR 32/18 R –, SozR 4-2500 § 137c Nr 13; BSG, Urteil vom 24. April 2018 – B 1 KR 13/16 R –, BSGE 125, 262-283, SozR 4-2500 § 137e Nr 1, Rn 8; Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R –, SozR 4-2500 § 13 Nr 19, Rn 15). Auch etwaige Auswirkungen auf die Gelenke oder die Wirbelsäule oder die psychische Befindlichkeit macht das Lipödem nicht zu einer wertungsmäßig mit einer tödlichen oder lebensbedrohlichen Erkrankung vergleichbaren Krankheit.
5. Da bereits die Voraussetzungen für die begehrte Liposuktion nicht vorliegen, kann dahinstehen, ob die Liposuktion hier auch ambulant erbringbar wäre. Die übrigen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenhausbehandlung gelten auch im Bereich des § 137c Abs 3 SGB V uneingeschränkt. Insbesondere ist auch weiterhin ein Anspruch auf vollstationäre Krankenhausbehandlung nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V nur dann gegeben, wenn die Aufnahme durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Ist eine ambulante Behandlung aus medizinischen Gründen nicht ausgeschlossen, besteht kein Anspruch auf eine vollstationäre Behandlung. Dies gilt auch dann, wenn zur Erreichung des Behandlungsziels mehr Behandlungsschritte in einem längeren Zeitraum erforderlich sind als bei vollstationärer Behandlung. Insbesondere darf das durch § 135 SGB V statuierte Verbot mit Genehmigungsvorbehalt im Bereich der ambulanten Versorgung nicht durch die "Flucht" in die Krankenhausbehandlung umgangen werden (BSG, aaO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG zugelassen, da die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen nach Erlass der QS-Richtlinie des GBA vom 19. September 2019 ein Anspruch aus § 137c Abs 3 SGB V auf die Versorgung mit Potentialleistungen bestehen kann, höchstrichterlich noch nicht entschieden wurde (vgl auch BSG, Urteil vom 26. April 2022 – B 1 KR 20/21 R Rn 23).