Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 22.09.2022, Az.: L 12 P 47/20

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
22.09.2022
Aktenzeichen
L 12 P 47/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 68215
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2022:0922.12P47.20.00

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 16.10.2020 - AZ: S 25 P 11/18

In dem Rechtsstreit
1. A.
2. B.
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
zu 1-2: C.
gegen
Gemeinschaft privater Versicherungsunternehmen zur Durchführung der privaten Pflegepflichtversicherung, vertr. d. d. Verband der privaten Krankenversicherung e.V.,
Hafenstraße 62, 48153 Münster
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
D.
hat der 12. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen ohne mündliche Verhandlung am 22.9.2022 in Bremen durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht E., die Richter am Landessozialgericht F. und Dr. G. sowie die ehrenamtliche Richterin H. und den ehrenamtlichen Richter I. für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 16.10.2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 350,00 € in einer Angelegenheit der privaten Pflegeversicherung.

Die Kläger sind die Kinder der am 11.2.1931 geborenen und am 21.3.2022 verstorbenen J., geb. K., und des am 14.9.1929 geborenen und am 13.5.2019 verstorbenen L. (Versicherter). Der Versicherte war als ehemaliger beihilfeberechtigter Bundesbahnbeamter Mitglied in der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB), einer betrieblichen Sozialeinrichtung der früheren Deutschen Bundesbahn. Seine Ehefrau war über ihn bei dieser mitversichert (§ 22 der Satzung der KVB). Die KVB hat sich zur Erfüllung der Aufgaben der privaten Pflegeversicherung der Beklagten, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts des Verbandes der Privaten Krankenversicherung, angeschlossen, die wiederum die praktische Durchführung der Pflegepflichtversicherung auf die KVB (rück)übertragen hat. Die Klägerin zu 1. ist Rechtsanwältin und war zugleich gerichtlich bestellte Betreuerin ihrer Eltern.

Im Januar 2016 beantragte J. bei der KVB die Erbringung von Leistungen zur häuslichen Pflege. Nach Einholung eines Gutachtens der M. teilte die KVB der Klägerin zu 1. mit Schreiben vom 18.2.2016 mit, dass die Voraussetzungen für einen Hilfebedarf nach (mindestens) Pflegestufe 1 (nach dem bis zum 31.12.2016 geltenden Recht) nicht vorlägen; daher könnten Leistungen aus der Pflegeversicherung nicht gewährt werden. Das Schreiben enthält den Zusatz:

"Gegen diese Feststellung können Sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe schriftlich Einwendungen geltend machen. Bei Einwendungen gegen die Einstufung fügen Sie Ihrem Schreiben an uns bitte die den Einwand begründenden ärztlichen oder sonstigen Unterlagen bei. Wenn keine Einwendungen geltend gemacht werden, gilt nach Ablauf der Monatsfrist dieses Schreiben als endgültige Ablehnung ihres Antrages. Wenn sie ihre Ansprüche weiterverfolgen wollen, müssen Sie diese gerichtlich geltend machen. Anderenfalls erlöschen möglicherweise bestehende Leistungsansprüche."

Hierauf legte die Klägerin zu 1. als Betreuerin ihrer Mutter und Rechtsanwältin "Beschwerde" ein, die sie umfänglich begründete. Nach Erstellung eines Zweitgutachtens durch die M. anerkannte die KVB mit Schreiben vom 11.4.2016 einen Hilfebedarf für J. nach Maßgabe der (früheren) Pflegestufe 1 und erbrachte rückwirkend ab dem 1.1.2016 entsprechende Leistungen; die "Leistungsmitteilung" vom 18.2.2016 werde "hiermit bezüglich der Einstufung aufgehoben".

Mit Schreiben vom 29.12.2016 beantragte die Klägerin zu 1. bei der KVB die Erstattung der durch ihre Inanspruchnahme als Rechtsanwältin entstandenen Kosten in Höhe von 350,00 € (Geschäftsgebühr gem. § 3 Abs. 1, 2 RVG i.V.m. Nr. 2302 VV i.H.v. 330,00 € zzgl. Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV i.H.v. 20,00 €). Diesen Erstattungsantrag lehnte die KVB mit Schreiben vom 3.1.2017 ab: Da sie im Auftrag der Beklagten im Rahmen der privaten Pflegeversicherung als privatrechtlich tätige Institution handele, sei sie kein Sozialleistungsträger und unterliege damit auch nicht den Bestimmungen des 1. Kapitels des SGB X. Zudem sei Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit der in Rechnung gestellten Gebühren, dass eine endgültige Leistungsverweigerung ausgesprochen worden sei. Diese Verweigerung liege jedoch solange nicht vor, solange das Einspruchsrecht noch nicht ausgeschöpft bzw. eine Leistungsgewährung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zugesagt worden sei. Bei Inanspruchnahme eines Rechtsbeistandes schon bei der Formulierung des "Einspruchs/Widerspruchs" stehe dem Versicherten keine Kostenerstattung für die Leistungen des Rechtsbeistandes zu, da die Ablehnung der Pflegeleistungen noch keine endgültige Leistungsverweigerung darstelle und der Versicherte "somit in der Lage [sei], seinen Anspruch selbst geltend zu machen". Entsprechendes wiederholte die KVB mit Schreiben vom 16.11.2017 auf den von der Klägerin zu 1. mit Schreiben vom 1.11.2017 bei der Beklagten geltend gemachten Erstattungsanspruch. Mit Schreiben vom 20.12.2017 ergänzte die Beklagte, dass die Einschaltung eines Rechtsanwalts objektiv nicht erforderlich gewesen sei. Es habe weder ein Anspruch auf eine Zweitbegutachtung bestanden noch sei "für den Widerspruch" eine besondere Begründung erforderlich gewesen. Hierfür habe zudem die Beratung durch die compass private pflegeberatung GmbH (Köln) in Anspruch genommen werden können.

Am 22.3.2018 hat der Versicherte vor dem Sozialgericht (SG) Bremen Klage gegen die Beklagte auf Zahlung von 350,00 € nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28.11.2017 wegen Erstattung der ihm von der - gegenwärtigen - Klägerin zu 1. in Rechnung gestellten Rechtsanwaltsgebühren erhoben. Der Anspruch ergebe sich aus der erforderlichen analogen Anwendung von § 63 SGB X, nur so könne eine Ungleichbehandlung sozial (gesetzlich) Pflegeversicherter gegenüber privat Pflegeversicherten bei der vorgerichtlichen Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe vermieden werden.

Bereits in anderen Zusammenhängen habe das Bundessozialgericht (BSG) darauf hingewiesen, dass es im Hinblick auf das verfassungsrechtlich verankerte Gleichbehandlungsgebot erforderlich sein könne, privat Pflegeversicherten entsprechende verfahrensrechtliche Rechtspositionen einzuräumen wie gesetzlich Pflegeversicherten (Verweis auf BSG, Urteil vom 22.8.2001 - B 3 P 4/01). Zudem lägen die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 63 SGB X vor: Eine direkte Anwendbarkeit der Vorschrift scheide aus, weil es sich beim "Einwendungsverfahren" der privaten Pflegeversicherung nicht um ein Sozialverwaltungsverfahren im Sinne des SGB X handele. Gleichwohl seien sowohl die Leistungsansprüche als auch die Verfahrensabläufe in privater und sozialer Pflegeversicherung nahezu identisch ausgestaltet. Dies gelte auch für das "Einwendungsverfahren", in dem die KVB ihre ablehnende (Erst-)Entscheidung - etwa - mit einem einer "Rechtsbehelfsbelehrung" vergleichbaren Hinweis versehen und eine "Einwendungsfrist" von einem Monat eingeräumt habe. Auch der Hinweis auf die "endgültige Ablehnung Ihres Antrages" nach "einwendungslosem" Ablauf der Monatsfrist entspreche der Handhabung wie bei der formellen Bestandskraft eines Verwaltungsaktes.

Der mit § 63 SGB X verfolgte Gesetzeszweck spreche ebenfalls für eine analoge Heranziehung der Vorschrift: Der Gesetzgeber habe mit der Norm ausdrücklich eine unbedingte Anspruchsgrundlage für Kostenerstattungen in denjenigen Fällen schaffen wollen, in denen es nach erfolgreichem Widerspruchsverfahren regelmäßig nicht mehr zum Klageverfahren komme. Hierbei könne es nicht seiner Intention entsprochen haben, privat Pflegeversicherte de facto von einem solchen Kostenerstattungsanspruch auszunehmen. Dies gelte umso mehr, als sich auch der Beihilfeträger regelmäßig dem Ergebnis von Begutachtungen im Rahmen der privaten Pflegeversicherung anschließe, wie sich - etwa - aus Ziffer 6.1. der Richtlinien des Bundeseisenbahnvermögens zur Gewährung von Zuschüssen zu den Aufwendungen bei dauernder Pflegebedürftigkeit (BEV-RiPfl) ergebe, und nur in Ausnahmefällen entsprechende Gutachten selbst erstelle. Damit sei die wesentliche Frage der Pflegestufen/-gradeinstufung dem verwaltungsgerichtlichen (beihilferechtlichen) Vorverfahren "systemwidrig" entzogen, während der Versicherte im privatrechtlichen "Einwendungsverfahren" ohne Kostenerstattungsanspruch bliebe. Es sei nicht ersichtlich, dass sich der Gesetzgeber dieser Problematik bewusst gewesen sei und eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung habe in Kauf nehmen wollen.

Die hieraus resultierende Regelungslücke könne gegenwärtig nur im Wege einer analogen Anwendung von § 63 SGB X grundrechtskonform geschlossen werden: Die Verzugs- und Schadenersatzregelungen des BGB böten keine hinreichende Alternative. Sie seien "ersichtlich gar nicht darauf zugeschnitten", Kostenerstattungsansprüche der streitigen Art zu gewähren. So setzten zivilrechtliche Schadenersatzansprüche regelmäßig den Nachweis einer Pflichtwidrigkeit voraus, der bei der in der Praxis der privaten Pflegeversicherung regelhaften Auslagerung von Begutachtungen auf die M. - von extremen Einzelfällen offensichtlicher Unrichtigkeit des Gutachtens etc. abgesehen - kaum jemals gelingen könne. Auch eine Zurechnung etwaigen Verschuldens der M. zur KVB/Beklagten komme mit Blick auf die Rechtsprechung des BSG zur (fehlenden) Erfüllungsgehilfenstellung des Medizinischen Diensts der (gesetzlichen) Krankenversicherung (MDK) nicht in Betracht (Bezug auf BSG, Urteile vom 28.9.2006 - B 3 KR 23/05 R -, vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R - und vom 22.4.2015 - B 3 P 8/13 R). Die dem SGB XI zu entnehmende Zuweisung eines eigenen, von der beauftragenden Kasse unabhängigen Aufgabenkreises des MDK sei dabei auch für die M. anzunehmen. Selbst aber wenn die M. als Erfüllungsgehilfin der privaten Pflegeversicherung angesehen werden könnte, sei kaum damit zu rechnen, dass einem einzelnen Gutachter im Rahmen seines Beurteilungsspielraums ein Verschulden im Sinne von § 280 BGB nachgewiesen werden könne. Dem privat Versicherten werde damit eine höhere Beweislast auferlegt als dem sozial ("gesetzlich") Pflegeversicherten, der lediglich darzulegen habe, dass die Hinzuziehung eines Rechtanwalts im Vorverfahren notwendig gewesen sei. Ein ungleiches Rechtsschutzniveau sei die Folge. Auch die zivilrechtlichen Regelungen über den Schuldnerverzug griffen zu kurz, da vor Abschluss des Einwendungsverfahrens regelmäßig noch gar keine Fälligkeit der (Pflege-)Leistung eintrete.

Entsprechende planwidrige Regelungslücken habe das BSG überdies auch in anderen Bereichen des Kostenrechts bereits festgestellt: So habe es mit Urteil vom 28.9.2006 - B 3 P 3/05 R u.a. festgestellt, dass die Kostenprivilegierung des § 183 Satz 1 SGG analog auch auf die Rechtsnachfolger eines im Verfahrenszug verstorbenen Versicherten der privaten Pflegeversicherung Anwendung finde. Der Gesetzgeber habe im Zusammenhang mit dem Kostenrecht den "besonderen Personenkreis der privat Pflegeversicherten übersehen". Der Grundsatz, dass zwischen der sozialen ("gesetzlichen") und der privaten Pflegeversicherung keine leistungsrelevanten Unterschiede zuzulassen seien, erfasse danach auch das Kostenrecht; nötigenfalls sei dies durch eine verfassungskonforme Auslegung des Kostenrechts zu gewährleisten.

Die anderslautenden Erwägungen des SG Köln (Bezug auf Urteil vom 11.6.2007 - S 23 P 141/06) gingen fehl: § 63 SGB X könne nicht auf den Stellenwert einer Spezialvorschrift für das Sozialverwaltungsverfahren reduziert werden. Maßgeblich sei vielmehr der Gesetzeszweck, eine Anspruchsnorm zur Kostenerstattung im Vorverfahren zu schaffen. Hierfür sei die Bedürfnislage bei sozial ("gesetzlich") und privat Pflegeversicherten aber völlig identisch. Auch der Verweis des SG Köln auf die Privatversicherten offen stehende Möglichkeit einer direkten Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes (ohne "Vorverfahren") verkenne, dass auch dieser Personenkreis ein Bedürfnis danach habe, seine Interessen am besten und effektivsten zunächst im Einwendungsverfahren direkt gegenüber "seinem Pflegeversicherungsunternehmen" geltend zu machen. Der Verfahrensablauf im vorliegenden Fall bestätige diese Effektivität des Einwendungsverfahrens; bei einem sozialgerichtlichen Klageverfahren seien deutlich längere Verfahrenslaufzeiten zu erwarten gewesen. Ein "Überspringen" des Einwendungsverfahrens hätte den Versicherten zudem einer wichtigen "Tatsacheninstanz" beraubt; erst die auf seine Einwendung hin veranlasste Zweitbegutachtung habe die für die Zuerkennung der Pflegeleistungen erforderlichen Erkenntnisse erbracht. Hätte er auf eine Zweitbegutachtung verzichtet und unmittelbar Klage erhoben, hätte sich dies u.U. negativ auf das gerichtliche Erkenntnisverfahren auswirken können. Außerdem müsse als fraglich angesehen werden, ob ohne Durchlaufen des Einwendungsverfahrens von einem hinreichenden Rechtsschutzbedürfnis für eine (unmittelbare) Klageerhebung ausgegangen werden könnte. Grundsätzlich sei die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nur zulässig, wenn keine einfacheren, schnelleren oder kostengünstigeren Wege zur Erreichung des Rechtsschutzzieles zur Verfügung stünden. Die Klage müsse sich als ultima ratio darstellen, wovon vor der "endgültigen" Ablehnung der beantragten Pflegeleistungen nach erfolglosem Abschluss eines Einwendungsverfahrens nicht ausgegangen werden könne. Auch vor diesem Hintergrund dürfe es einem Privatversicherten nicht zum Nachteil gereichen, wenn er sich dem - zumal vom Versicherungsunternehmen vorgezeichneten - Weg, eine Überprüfung durch die Erhebung von Einwendungen zu erreichen, nicht verschließe und nicht direkt Klage erhebe.

Die übrigen Voraussetzungen für den von ihm geltend gemachten Erstattungsanspruch lägen ebenfalls vor: Seine Einwendung sei erfolgreich und die Hinzuziehung anwaltlichen Beistandes aufgrund der hohen Komplexität und Bedeutung der Angelegenheit notwendig gewesen. Der Verweis der Beklagten - insbesondere - auf die Möglichkeit der kostenfreien Beratung durch die compass private pflegeberatung GmbH gehe demgegenüber fehl, weil bei ihm kein Informationsdefizit zu beheben gewesen sei, sondern er einer Durchsetzungshilfe für seine Ansprüche bedurft habe. Die Beklagte habe zudem zu respektieren, dass sich ein Versicherter unabhängiger anwaltlicher Hilfe bediene. Der Gebührenansatz sei schließlich sachgerecht und berücksichtige den - auch aufgrund seines Gesundheitszustandes - überdurchschnittlichen Umfang und Aufwand der anwaltlichen Tätigkeit. Der Zahlungsanspruch sei nach Verzug der Beklagten im gesetzlichen Rahmen zu verzinsen.

Die Beklagte ist der Klage unter Wiederholung und Vertiefung ihres bereits vorgerichtlich eingenommenen Standpunktes entgegengetreten. Für die Übernahme der streitigen außergerichtlichen Kosten bestehe keine Rechtsgrundlage: § 63 SGB X scheide bereits deshalb aus, weil die Beklagte keine Verwaltungsakte erlasse. Die Voraussetzungen des § 85 Abs. 2 Versicherungsvertragesgesetz (VVG) seien ebenfalls nicht erfüllt, weil der Versicherte weder zur Hinzuziehung eines anwaltlichen Beistandes vertraglich verpflichtet gewesen noch hierzu von der Beklagten aufgefordert worden sei. Auch eine analoge Anwendung von § 63 SGB X scheide aus (Bezug auf BSG, Urteil vom 25.6.2015 - B 14 AS 38/14 R - sowie SG Köln, a.a.O.).

Der Versicherte ist am 13.5.2019 verstorben. Er ist von seiner Ehefrau allein beerbt worden, die den Rechtsstreit zunächst fortgeführt hat.

Mit Urteil vom 16.10.2020 hat das SG die Beklagte verurteilt, an die (damalige) Klägerin 350,00 € zu zahlen. Im Übrigen (hinsichtlich der Zinsen) hat es die Klage abgewiesen. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei eröffnet, weil zu den ihnen zugewiesenen Streitigkeiten in Angelegenheiten der privaten Pflegeversicherung auch Streitigkeiten über Nebenpflichten aus dem Versicherungsverhältnis zählten. Als Alleinerbin des Versicherten sei die Klägerin zudem in dessen verfahrensrechtliche Position eingetreten und damit aktivlegitimiert. Die Klage sei auch begründet, weil ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bestehe. Zwar folge dieser Anspruch nicht direkt aus § 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB X, denn diese Vorschrift setze den Erlass eines Verwaltungsaktes voraus. Allerdings könne die Klägerin ihr Begehren auf eine analoge Anwendung der Vorschrift stützen. Es sei von einer planwidrigen Regelungslücke und einer Vergleichbarkeit der Interessenlagen privat und sozial ("gesetzlich") Pflegeversicherter auszugehen: Obwohl auch privat Pflegeversicherten der Rechtsweg zu den Sozialgerichten offen stehe, fehle eine gesetzliche Regelung für ein ausdifferenziertes vorgerichtliches Verfahren entsprechend den im SGB X getroffenen Regelungen. Dies führe zu einem geringeren verfahrensrechtlichen Schutzniveau privat Pflegeversicherter gegenüber sozial ("gesetzlich") Pflegeversicherten. Diese Regelungslücke sei planwidrig, weil die leistungsrechtliche Inkorporation der privaten Pflegeversicherung in das SGB XI nicht von einem verfahrensrechtlichen Gleichklang begleitet werde. Auch privat Pflegeversicherten werde seitens ihrer Versicherer die Möglichkeit einer vorgerichtlichen Überprüfung und Zweitbegutachtung - vergleichbar dem Widerspruchsverfahren nach §§ 78 ff. SGG - gewährt. Dies führe zudem zu einer Entlastung der Sozialgerichte. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei der Rechtswegzuweisung die mit den sozial ("gesetzlich") Versicherten vergleichbaren Interessen der privat Pflegeversicherten übersehen habe. Die zivilrechtlichen Schadenersatzvorschriften bildeten hierfür keinen adäquaten Ersatz, da sie regelmäßig ein Verschulden voraussetzten und überdies die Versicherten mit der Beweislast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen belasteten. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X sei demgegenüber verschuldensunabhängig ausgestaltet worden und werfe keine Beweisprobleme auf. Gleiches gelte auch gegenüber der in § 85 VVG getroffenen Regelung.

Auch im Übrigen seien die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin nach § 63 Abs. 1 SGB X analog erfüllt. Ihr Einspruch habe vollen Erfolg gehabt. Die von ihr geltend gemachten Kosten seien der Höhe nach weder streitig noch zu beanstanden. Die Frage, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig sei, sei dabei vom Standpunkt einer verständigen Person aus im Zeitpunkt der Beauftragung (ex ante) zu beurteilen. Maßgeblich sei, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sach- und Rechtslage eines Bevollmächtigten bedient hätte. Die hierzu von der höchstrichterlichen sozialgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe seien auf die private Pflegeversicherung zu übertragen; zudem sei zu berücksichtigen, dass private Pflegeversicherungsträger nicht der Amtsermittlungspflicht unterlägen. Deshalb geböten es die Gesichtspunkte des fairen Verfahrens und der "Waffengleichheit" zwischen den Beteiligten, die Hinzuziehung eines sachkundigen Bevollmächtigten auf Seiten des Versicherten grundsätzlich als gerechtfertigt anzusehen.

Sofern die Klägerin auch eine Verzinsung ihres Kostenerstattungsanspruchs begehre, sei die Klage allerdings unbegründet. Auch für sozial ("gesetzlich") Pflegeversicherte sei eine Verzinsung von Vorverfahrenskosten nicht vorgesehen. Das Begehren der Klägerin laufe insoweit auf eine nicht gerechtfertigte Besserstellung privat Pflegeversicherter hinaus.

Das SG hat die Berufung gegen dieses Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Diese Berufung hat die Beklagte am 3.11.2020 eingelegt. Entgegen der Bewertung des SG und der von diesem herangezogenen obergerichtlichen Rechtsprechung fehle es für eine Entscheidung auf der Basis einer Analogie zu § 63 SGB X bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Eine solche sei insbesondere nicht anzunehmen, wenn sich der Gesetzgeber bewusst gegen die rechtliche Normierung des in Rede stehenden Lebenssachverhalts entschieden habe. Das "beredte Schweigen" des Gesetzgebers müsse in einem solchen Fall hingenommen werden und dürfe nicht durch eigene rechtspolitische Vorstellungen des Rechtsanwenders ersetzt werden. Maßgeblich sei, dass der Gesetzgeber das SGB X, und damit auch § 63 SGB X, zu einem Zeitpunkt "als einheitliches Gesetz zusammengefasst" habe, zu dem das Pflegeversicherungsgesetz bereits seit mehreren Jahren in Kraft gewesen sei. Sofern er zuvor "unbewusst ... eine planwidrige normative Lücke gesehen" hätte und habe schließen wollen, wäre dies bereits seinerzeit zu erwarten gewesen. Dass dies nicht erfolgt sei, erlaube nur den "zwingenden Rückschluss", dass eben keine planwidrige Regelungslücke bestehe. Etwas anderes folge auch nicht aus der Inkorporation des privaten Versicherungsrecht in das SGB XI, da diese auf leistungsrechtliche Aspekte beschränkt sei. Darüber hinaus liege aber auch keine Gleichwertigkeit der Sachverhalte vor: Die bloße Rechtwegzuweisung zur Sozialgerichtsbarkeit führe nicht dazu, dass aus der privaten Pflegeversicherung ein sozialrechtliches Versicherungssystem werde. Auch insoweit sei die gesetzgeberische Wertung hinzunehmen, dass ein unterschiedsloser Gleichlauf der Versicherungssysteme weder normativ gewollt noch umgesetzt worden sei. Schließlich biete auch die zivilrechtliche Prozessordnung hinreichenden Schutz, um potentielle Ansprüche eines privat Pflegeversicherten auf Kostenerstattung durchzusetzen. Die in beiden Prozessordnungen bestehenden Unterschiede seien insoweit hinzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 16.10.2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie haben nach dem Tod der J. das Verfahren als gemeinschaftliche Erben und Rechtsnachfolger aufgenommen und halten die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Bekräftigung des Vorbringens aus dem Klageverfahren für rechtmäßig. Ergänzend haben sie vertieft, dass der Versicherte (als ursprünglicher Kläger) zur Geltendmachung und gerichtlichen Durchsetzung des streitigen Anspruchs aktivlegitimiert gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die der Entscheidungsfindung des Senats zugrunde gelegen haben.

Entscheidungsgründe

Der Senat hat über die Berufung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) entscheiden können, nachdem die Beteiligten dieser Verfahrensweise durch schriftliche Erklärungen vom 24.6. bzw. 6.7.2021 ausdrücklich zugestimmt haben.

Gegenstand der Berufung ist das angefochtene Urteil des SG nur (noch) insoweit, als die Beklagte in ihm zur Zahlung von 350,00 € an die (damalige) Klägerin, deren Rechtsnachfolger die gegenwärtigen Kläger sind, verurteilt worden ist. Soweit das SG das darüber hinausgehende Begehren auf ergänzende Verurteilung der Beklagten zur Zinszahlung in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 28.11.2017 abgewiesen hat, ist dies von der Klägerseite nicht angefochten worden. Das Urteil ist insoweit rechtskräftig geworden.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Kläger können auch zur Überzeugung des Senats mit Erfolg die Erstattung der Kosten von der Beklagten verlangen, die ihrem verstorbenen Vater für die vorgerichtliche Inanspruchnahme anwaltlicher Vertretung in der Pflegeangelegenheit der J. entstanden sind. Das Urteil des SG ist in dem noch zur Überprüfung stehenden Umfang nicht zu beanstanden.

I. Zu Recht ist das SG von der Statthaftigkeit der als isolierte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) erhobenen Klage ausgegangen. Die Beklagte ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), zu der sich durch Vertrag vom 10.11./5.12.1994 diejenigen privaten Krankenversicherungsunternehmen zusammengeschlossen haben, die auch die private Pflegeversicherung für Mitglieder der KVB anbieten. Sie fungiert gegenüber den Versicherten als Versicherer. Weder sie noch die von ihr im Wege weiterer vertraglicher Regelungen mit der praktischen Durchführung der Pflegeversicherung ("rück-")beauftragte KVB ist aber - trotz deren Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts - befugt, zur Regelung der zwischen ihr und den Versicherungsnehmern bestehenden (Privat-)Rechtsverhältnisse Verwaltungsakte zu erlassen. Daran hat sich die Beklagte (ebenso wie die KVB) auch gehalten; die Ablehnung des Erstattungsantrages ist nicht durch förmlichen Bescheid (Verwaltungsakt), sondern durch gewöhnliches Schreiben erfolgt. Damit konnte die Verurteilung zu der streitigen (Erstattungs-)Leistung im Wege der isolierten Leistungsklage erfolgen (vgl. insgesamt auch BSG, Urteil vom 19.4.2007 - B 3 P 8/06 R - m.w.N.).

Die Klage ist auch fristgerecht erhoben worden. Unabhängig davon, ob die nach § 17 Abs. 2 Satz 1 MB/PPV 2015 normierte Klagefrist von sechs Monaten bei Ablehnung eines "Anspruchs auf Versicherungsleistungen" auch auf den streitigen Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren Anwendung findet, ist die Klage gegen das (letzte) Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 20.12.2017 beim SG am 22.3.2018 jedenfalls innerhalb dieser Frist erhoben worden.

Zu Recht ist das SG auch von einer Aktivlegitimation des Versicherten (bzw. nach dessen Tode von seiner Ehefrau als (damaliger) Alleinerbin) ausgegangen, obwohl der Sache im Ausgangspunkt allein Leistungen an dessen mitversicherte Ehefrau zugrunde lagen. Gem. § 29 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der KVB in der auf den Fall anwendbaren, seit dem 1.1.2016 geltenden Fassung steht das Recht auf Leistungen für sich und seine mitversicherten Angehörigen grundsätzlich nur dem Mitglied selbst zu. Nur "das Mitglied selbst oder eine vom Mitglied bevollmächtigte Person" (§ 30 Abs. 2 Satz 2 KVB-Satzung) ist grundsätzlich antragsberechtigt. Ausnahmen hiervon können gem. § 30 Abs. 2 Satz 3 KVB-Satzung nur unter den dort genannten Voraussetzungen "zur Vermeidung unbilliger Härten" zugelassen werden. Damit aber war (jedenfalls auch) der Versicherte aktivlegitimiert.

Die Klage richtete sich gleichermaßen gegen die richtige, passivlegitimierte Beklagte. Zwar wird für die Beklagte regelmäßig die KVB als gewillkürte Prozessstandschafterin tätig (vgl. dazu BSG, Urteil vom 22.8.2001 - B 3 P 21/00 R), diese Stellung der KVB schließt die daneben bestehende Passivlegitimation der Beklagten als Versicherer (u.a.) der Mitglieder der KVB - und damit als "materiell" Betroffene - jedoch nicht aus (vgl. Landessozialgericht - LSG - Schleswig-Holstein, Urteil vom 14.11.2008 - L 10 P 1/08).

II. Das SG hat der Klage in dem noch zur Überprüfung stehenden Umfang auch zu Recht entsprochen. Die Kläger können als Alleinerben und Rechtsnachfolger (§ 1922 BGB) ihrer verstorbenen Eltern die Erstattung der streitigen Kosten für die Inanspruchnahme der anwaltlichen Vertretung im Einwendungsverfahren gegen die KVB jedenfalls im vorliegenden Fall in analoger Anwendung von § 63 SGB X verlangen, weil auch die für die Beklagte agierende KVB das "Einwendungsverfahren" in Analogie zum sozialgerichtlichen Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) ausgebildet hat (a.). Das Vorbringen der Beklagten und die erneute Überprüfung der Sach- und Rechtslage im Berufungsverfahren führen nicht zu einer anderen Bewertung (b.). Die Erstattungsforderung ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Die für den Gebührenanspruch erforderliche Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts/einer Rechtsanwältin wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin zu 1. als Tochter des verstorbenen Versicherten und dessen Betreuerin selbst Rechtsanwältin ist (c.). Die Höhe der streitigen Erstattungsforderung begegnet ebenfalls keinen Bedenken (d.).

a. Den Klägern steht auch zur Überzeugung des Senats jedenfalls im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Erstattung der streitigen Rechtsanwaltskosten in analoger Anwendung von § 63 SGB X zu. Wie das SG mit ausführlicher und überzeugender Begründung im Anschluss an die Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen vom 26.5.2020 (L 5 P 147/19), deren Begründung auch der erkennende Senat insofern beitritt, dargelegt hat, gebieten die Grundentscheidungen des Gesetzgebers, den Rechtsweg zu den Sozialgerichten auch in Angelegenheiten der privaten Pflegeversicherung zu eröffnen (§ 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 SGG) und das Leistungsrecht der privaten Pflegeversicherung derjenigen der sozialen Pflegeversicherung weitestgehend anzugleichen (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XI), die entsprechende Anwendung des sozial(verfahrens)rechtlichen Kostenrechts zur Sicherung eines gleichwertigen Schutzniveaus beider Versichertengruppen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der private Versicherungsträger (oder die von ihm mit der Durchführung beauftragte Stelle) - wie hier - die Möglichkeit der Überprüfung seiner (ablehnenden Erst-)Entscheidung in einem dem sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren nachgebildeten Verfahren ("Einwendungsverfahren") standardmäßig vorsieht und sich der Versicherte hierbei anwaltlich beraten und vertreten lässt. Denn jedenfalls in diesen Fällen schafft der Versicherer (bzw. die von ihm mit der Durchführung beauftragte Stelle) ausdrücklich - nicht zuletzt auch im Eigeninteresse - die Möglichkeit einer zeitnahen tatsächlichen und rechtlichen Selbstkontrolle, erzeugt das Erfordernis, eine Klärung der Rechtslage durch Hinzuziehung eines Rechtsanwalts herbeizuführen und trägt damit - wie das sozialrechtliche Widerspruchsverfahren nach § 78 SGG auch - zu einer Entlastung der Sozialgerichte bei. Ein wesentlicher Unterschied zu einem Widerspruch führenden Versicherten der sozialen ("gesetzlichen") Pflegeversicherung ist hierbei nicht auszumachen (so auch Klünder in: NZS 2009, 426, 427). Die zivilrechtlichen Verzugs- und Schadenersatzregelungen (§§ 280, 286 BGB) bieten für die streitgegenständliche Konstellation keine der genannten gesetzgeberischen Grundentscheidung und dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung im Wesentlichen gleicher Sachverhalte (Art. 3 Abs. 1 GG) genügende Regelung. Sie erfordern (u.a.) einen Verzug bzw. eine Pflichtverletzung des Versicherers (bzw. der von ihm mit der Durchführung beauftragten Stelle) und belegen den - regelmäßig besonders schutzbedürftigen - Personenkreis der Pflegebedürftigen mit Darlegungs- und Beweislasterfordernissen, mit denen Versicherte in der sozialen ("gesetzlichen") Pflegeversicherung bei der vorgerichtlichen Inanspruchnahme anwaltlichen Beistandes nicht konfrontiert sind. Für § 85 Abs. 2 VVG, der die Erstattungspflicht des Versicherers daran knüpft, dass der Versicherungsnehmer vertraglich zur Hinzuziehung eines Beistandes verpflichtet oder er hierzu vom Versicherer aufgefordert worden ist, gilt insoweit nicht anderes.

Die hiernach zu konstatierende Regelungslücke ist auch planwidrig und im Wege der analogen Anwendung von § 63 SGB X zu schließen: Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber im Kontext seiner Grundentscheidung, das Leistungsrecht und den gerichtlichen Rechtsschutz in Angelegenheiten der privaten Pflegeversicherung weitgehend demjenigen in der sozialen Pflegeversicherung anzugleichen, und in Anbetracht der ihn hierbei treffenden verfassungsrechtlichen Vorgaben keine dem sozialrechtlichen Kostenrecht entsprechende Regelung getroffen hätte, wenn ihm die Regelungslücke bewusst gewesen wäre. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auch insoweit (vgl. zur entsprechenden Gerichtskostenfreiheit nach § 183 SGG bereits BSG, Urteil vom 28.9.2006 - B 3 P 3/05 R) die spezifische Situation privat Pflegeversicherter im Wesentlichen übersehen wurde. Der Senat schließt sich damit nach eigener Überprüfung den sorgfältigen Erwägungen des SG uneingeschränkt an und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

b. Die Erkenntnisse aus dem Berufungsverfahren rechtfertigen keine andere Beurteilung.

Soweit die Beklagte zur Berufungsbegründung anführt, von einer planwidrigen Regelungslücke könne bereits deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Gesetzgeber "sich bewusst gegen die rechtliche Normierung des in Rede stehenden Lebenssachverhalts entschieden" bzw. bei "Zusammenfassung des SGB X zum 01-01-2001 ... beredt geschwiegen" habe, vermag der Senat hierfür bereits in tatsächlicher Hinsicht keine Anhaltspunkte zu finden. § 63 SGB X wurde durch Art. I des Gesetzes vom 18.8.1980 (BGBl. I, 1469) normiert, ist zum 1.1.1981 in Kraft getreten (vgl. ebendort Art. II § 40 Abs. 1) und gilt seither, mithin seit geraumer Zeit vor Einführung der sozialen und der privaten Pflegeversicherung zum 1.1.1995 (vgl. Art. 68 Abs. 1 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit - Pflege-Versicherungsgesetz (PflegeVG) - vom 26.5.1994, BGBl. I, 1014), unverändert. Eine "Zusammenfassung des SGB X als einheitliches Gesetz" zum 1.1.2001 ist dem Senat ebenfalls nicht bekannt. Soweit von der Beklagten die "Bekanntmachung der Neufassung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch" vom 18.1.2001 in der seit dem 1.1.2001 geltenden Fassung (BGBl. I, 130) gemeint sein könnte, sind dieser - wie ausgeführt - weder Änderungen zu § 63 SGB X zu entnehmen noch ergeben sich aus den Gesetzgebungsmaterialen zu dieser Bekanntmachung oder zu den in ihr berücksichtigten Änderungsgesetzen Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der streitgegenständlichen Problematik von einer entsprechenden Erweiterung des sozialrechtlichen Kostenrechts auf privat Pflegeversicherte bewusst Abstand genommen oder auch nur "beredt geschwiegen" hätte. Auch das Berufungsvorbringen der Beklagten beschränkt sich insoweit auf dessen bloße Behauptung, ohne hierfür nachvollziehbare Belege - etwa entsprechende Erwägungen im Gesetzgebungskontext - aufzuzeigen. Den "zwingenden Rückschluss" auf das Nichtbestehen einer planwidrigen Regelungslücke vermag der Senat daher ebenfalls nicht nachzuvollziehen.

Soweit die Beklagte vorträgt, die Inkorporation des privaten Versicherungsrecht in das SGB XI sei auf leistungsrechtliche Aspekte beschränkt, greift auch dies zu kurz. Denn abgesehen davon, dass das SGB XI - von wenigen Ausnahmen abgesehen (vgl. z.B. § 33 Abs. 1 SGB XI) - auch für Versicherte der sozialen Pflegeversicherung keine verfahrens- oder kostenrechtlichen Regelungen enthält, da diese im Wesentlichen im SGB X bzw. SGG zusammengefasst sind, widerspricht die leistungsrechtliche Ausrichtung des SGB XI gerade nicht der Feststellung einer kostenrechtlichen Regelungslücke. Dementsprechend hat das BSG bereits in seiner Entscheidung zur Kostenprivilegierung privat Pflegeversicherter nach § 183 SGG (Urteil vom 28.9.2006, a.a.O.) entschieden, dass gerade die vom Gesetzgeber gewollte Gleichwertigkeit des Leistungsspektrums in beiden Bereichen (soziale und private Pflegeversicherung) eine ergänzende, verfassungskonforme Auslegung des (dort: sozialgerichtlichen) Kostenrechts erfordere, weil "die Annahme nahe [liegt], dass der Gesetzgeber ... den Personenkreis der privat Pflegeversicherten übersehen hat". Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass im Hinblick auf den im vorliegenden Verfahren streitigen Erstattungsanspruch wegen vorgerichtlicher anwaltlicher Tätigkeit eine andere systematische Beurteilung vorgenommen und aus dem im SGB XI normierten "leistungsrechtlichen Gleichklang" das Verbot eines "kostenrechtlichen Gleichklangs" hergeleitet werden müsste.

Aus dem Umstand, dass ein Vorverfahren im Sinne von § 78 SGG im Rahmen der privaten Pflegeversicherung regelmäßig nicht vorgeschrieben ist, folgt ebenfalls nichts Anderes. So hat das BSG bereits in anderen Zusammenhängen (Urteil vom 31.5.2006 - B 6 KA 78/04 R: Abhilfeverfahren im Rahmen der vertrags(zahn)ärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung) betont, dass ein vom Entscheidungsträger - wie hier auf die Einwendung des Versicherten - tatsächlich durchgeführtes Überprüfungsverfahren auch dann dem Betroffenen in kostenrechtlicher Hinsicht nicht zum Nachteil gereichen dürfte, wenn dieses als per se unzulässig angesehen werden könnte. Sofern das Vorschalten eines solchen Verfahrens eine Möglichkeit der vom Entscheidungsträger angebotenen vorgerichtlichen Überprüfung darstellt, ist es (Teil eines) Vorverfahren(s) im Sinne von § 63 SGB X und damit geeignet, einen Kostenerstattungsanspruch auszulösen, wenn es für den - hier - "Einwendungsführer" mit einer vollständigen oder teilweisen Abhilfe endet. Eine verbleibende Kostenlast bei erfolgreicher Durchführung eines angebotenen Widerspruchs- oder Einspruchsverfahrens würde demgegenüber die Wahrnehmung der dem Bürger zur Verfügung gestellten Rechtsschutzmöglichkeiten unangemessen zu erschweren (BSG, a.a.O., juris Rn. 15 m.w.N.).

Schließlich hat der Senat zu berücksichtigen gehabt, dass die (entsprechende) Anwendung des sozialrechtlichen Kostenrechts im vorliegenden Fall auch durch den besonderen Charakter der Pflegepflichtversicherung der ehemaligen Bundesbahnbeamten gerechtfertigt ist: Das BSG hat bereits in seiner Entscheidung vom 12.1.2011 - B 12 KR 11/09 R - zum Recht der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten entschieden, dass diese im Sinne der Regelungen über die Auffangpflichtversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V) weder der gesetzlichen noch der privaten Krankenversicherung zuzurechnen ist. Dies folgt aus dem Status der KVB als öffentlich-rechtliche Körperschaft, der auch die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Fürsorgepflichten umfasst (vgl. hierzu sowie im Weiteren BSG, a.a.O., juris Rn. 21). Entscheidend gegen die uneingeschränkte Verwendung eines die KVB einschließenden Begriffs der privaten Pflegeversicherung innerhalb des SGB spricht jedoch auch die Anwendbarkeitserklärung des § 23 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI. Danach sind die Grundsätze der Pflegeversicherungspflicht von privat Krankenversicherten auch auf die KVB anzuwenden. Dieser Gleichstellung hätte es nicht bedurft, wenn es sich bei der KVB "nach den Topoi des ... SGB XI" (BSG, a.a.O.) um ein Unternehmen der privaten Pflegeversicherung handelte. Auch hiernach kann sich die Beklagte daher nicht mit Erfolg gegen die analoge Anwendung des sozialrechtlichen Kostenrechts bei vorgerichtlicher anwaltlicher Vertretung wenden; die - fortdauernd - öffentlich-rechtliche Einbindung der KVB bleibt vielmehr auch dann zu berücksichtigen, wenn sich diese zur Durchführung der Pflegepflichtversicherung einer juristischen Person des Privatrechts - der Beklagten - bedient.

c. Die Hinzuziehung einer Rechtsanwältin im Einwendungsverfahren war auch notwendig im Sinne von § 63 Abs. 2 SGB X. Notwendig ist die Zuziehung eines Rechtsanwalts/einer Rechtsanwältin dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen oder wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen. Hiervon kann vor dem Hintergrund des Lebensalters des Versicherten zum Zeitpunkt der Einwendungserhebung und der Komplexität der mit der Bestimmung einer Pflegestufe nach dem bis zum 31.12.2016 geltenden Recht zusammenhängenden Fragen ohne Weiteres ausgegangen werden. Der Erstattungsanspruch wird auch in keiner Weise dadurch in Frage gestellt, dass die (damalige) Betreuerin des Versicherten und aktuelle Klägerin zu 1. selbst Rechtsanwältin ist, weil der Versicherte sich in gleichem Maße auch der Vertretung durch einen/eine anderen Rechtsanwalt/Rechtsanwältin bedienen konnte. Aus denselben Gründen musste sich der Versicherte, ungeachtet der Tatsache, dass er hierauf von der Beklagten bzw. der KVB nicht hingewiesen wurde, für das Einwendungsverfahren auch nicht auf die Inanspruchnahme einer ggf. kostenfreien Rechtsberatung/-vertretung durch einen privaten Dienstleister (x) verweisen lassen.

d. Die (noch) streitige Erstattungsforderung ist schließlich auch der Höhe nach gerechtfertigt. Ein Anlass, die von der Klägerin zu 1. ursprünglich als Prozessbevollmächtigte ihres Vaters sachgerecht nach billigem Ermessen anhand der Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmte Geschäftsgebühr nach § 3 Abs. 1, 2 RVG i.V.m. VV Nr. 2302 bzw. die Auslagenpauschale nach VV Nr. 7002 anders festzusetzen, besteht nicht. Hierfür ist auch von der Beklagten im gesamten Verlauf des Verfahrens nichts aufgezeigt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Die Revision wird zugelassen, weil der Senat der streitigen Rechtsfrage, ob vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten eines privat Pflegeversicherten bei erfolgreichem Bestreiten eines dem Widerspruchsverfahren nach § 78 SGG nachgebildeten Einwendungsverfahrens in analoger Anwendung von § 63 SGB X geltend gemacht werden können, grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) beimisst und eine höchstrichterliche Klärung dieser Rechtsfrage für erforderlich hält.