Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 22.05.2019, Az.: L 11 AS 209/19 B ER

Vorläufige Leistungsbewilligung nach dem SGB II; Berücksichtigung einer Auslandsimmobilie als verwertbares Vermögen; Theoretische Verkaufsmöglichkeit von Auslandsvermögen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
22.05.2019
Aktenzeichen
L 11 AS 209/19 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 25842
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Braunschweig - 19.03.2019 - AZ: S 24 AS 82/19 ER

Fundstellen

  • ZfSH/SGB 2019, 476-477 (Pressemitteilung)
  • info also 2019, 217-221

Redaktioneller Leitsatz

Allein eine noch nicht realisierte und damit lediglich theoretische Möglichkeit der Verwertung von Auslandsvermögen lässt eine aktuell tatsächlich bestehende Hilfebedürftigkeit nicht entfallen, weil bei fehlenden bereiten Mitteln nicht auf lediglich fiktiv vorhandenes Einkommen verwiesen werden darf.

Tenor:

Der Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 19. März 2019 wird geändert.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern für die Monate Mai bis August 2019 vorläufig und unter dem Vorbehalt des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens S 24 AS 1775/18 (Sozialgericht Braunschweig) 650,00 Euro pro Monat zu zahlen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat den Antragstellern 1/4 der notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Der Antrag, den Antragstellern für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.

Gründe

I. Die Antragsteller begehren, den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihnen vorläufig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) zu gewähren.

Die H. und I. geborenen und miteinander verheirateten Antragsteller verfügen über die deutsche bzw die thailändische Staatsangehörigkeit, wobei der Antragstellerin zu 2. für die Bundesrepublik Deutschland eine Niederlassungserlaubnis erteilt wurde (§ 28 Abs 2 AufenthG). Nachdem die Antragsteller von September 2009 bis 13. Mai 2018 in Thailand gelebt hatten, beantragten sie im Juni 2018 beim Antragsgegner Grundsicherungsleistungen. Sie gaben bei Antragstellung an, über Giro- und Sparkonten mit einem Kontostand von ca. 4.300,00 Euro, eine Kapitallebensversicherung (Rückkaufswert per 1. Juli 2018: 19.264,56 Euro) sowie über ein Einfamilienhaus in Thailand zu verfügen. Das Einfamilienhaus stehe im alleinigen Eigentum der Antragstellerin zu 2., da Deutsche in Thailand keine Immobilien erwerben könnten. In Thailand habe die Antragstellerin zu 2. zuletzt in ihrem Privathaus eine kleine Backstube betrieben. Der Antragsteller zu 1., dem als Ausländer mit deutscher Staatsbürgerschaft in Thailand eine Erwerbstätigkeit offiziell verboten gewesen sei, habe sich mit kleinen Jobs ("Freundschaftshilfen") bei "anderen Ausländern im Privatbereich (Hausbau und Installation)" sein "Taschengeld aufgebessert". Bei dem im Eigentum der Antragstellerin zu 2. stehenden Einfamilienhaus handele es sich um ein 2006/2007 errichtetes und im Jahr 2008 von der Antragstellerin zu 2. gekauftes Haus mit einer Wohnfläche von 104 qm (Grundstücksfläche: 350 qm). Das Haus sei damals durch das thailändische Bauunternehmen nur im "Grundbau" errichtet worden. Die restlichen Arbeiten (Fliesenarbeiten, Installation, Strom, Wasser usw) seien von den Antragstellern in Eigenleistung erbracht worden. Der Kaufpreis habe 990.000,00 Baht betragen (umgerechnet: 20.000,00 Euro; Materialkosten für Fliesen- und Sanitäranlagen im Preis inbegriffen). Für ihre ab 1. Juni 2018 angemietete möblierte Wohnung in J. sei eine Miete von 350,00 Euro pro Monat (inkl. Heizkostenabschlag) zu zahlen.

Der Antragsgegner lehnte den Leistungsantrag zunächst mit der Begründung ab, dass die Antragsteller aufgrund der Kapitallebensversicherung mit einem Rückkaufswert von mehr als 19.000,00 Euro sowie des vorhandenen Barvermögens nicht hilfebedürftig seien (Bescheid vom 14. Juni 2018). Nachdem die Antragsteller im Widerspruchsverfahren eine Bescheinigung der K. AG vorgelegt hatten, wonach ihre Kapitallebensversicherung einem Verfügungsverbot unterliege, wies der Antragsgegner den Widerspruch unter Hinweis auf das übrige Vermögen ab (Barvermögen sowie Einfamilienhaus). Auch das Haus in Thailand stelle verwertbares Vermögen dar. Es diene weder der Alterssicherung (auch nicht iSd § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II) noch sei es nach § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II geschützt (besondere Härte). Das Vermögen iHv von mehr als 24.000,00 Euro übersteige den den Antragstellern zustehenden Vermögensfreibetrag von insgesamt 16.650,00 Euro (Widerspruchsbescheid vom 27. September 2018).

Hiergegen führen die Antragsteller seit dem 24. Oktober 2018 vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig das Klageverfahren S 24 AS 1775/18. Diese Klage wurde trotz Aufforderung und mehrfacher Erinnerungen durch das SG seitens der Antragsteller bzw. ihres Prozessbevollmächtigten zunächst nicht begründet. Auf Nachfrage des Senats haben die Antragsteller mitgeteilt, dass die Klage mittlerweile mit Schriftsatz vom 2. Mai 2019 begründet worden sei.

Am 6. März 2019 haben die Antragsteller beim SG um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Mittlerweile verfügten sie lediglich noch über ein Barvermögen von ca. 1.500,00 Euro sowie über Einkommen aus den Minijobs der Antragstellerin zu 2. iHv 422,00 Euro pro Monat. Die Verwertung des Hauses sei der Antragstellerin zu 2. wegen offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit bzw. besonderer Härte nicht zumutbar. Unabhängig davon sei das Haus auch gar nicht sofort verwertbar bzw. stelle ein Verkauf eine unzumutbare Härte dar. Das Haus werde derzeit von der Mutter und dem Neffen der Antragstellerin zu 2. bewohnt, "was eine Veräußerung unwirtschaftlich, sogar unmöglich" mache. Auch verfüge die Antragstellerin zu 2. nicht über die finanziellen Mittel für eine Reise nach Thailand, um dort das Hausgrundstück zu veräußern. Die SGB II-Leistungen seien zumindest als Darlehen zu gewähren.

Das SG hat den Eilantrag mit der Begründung abgelehnt, dass kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden sei. Das Hausgrundstück als verwertbarer Vermögensgegenstand schließe Hilfebedürftigkeit aus. Insoweit fehle zwar noch ein objektiver und belastbarer Nachweis über den Verkehrswert der Immobilie. Aktuell entspreche jedoch bereits der Kaufpreis aus September 2006 (986.000,00 Baht) einem Gegenwert von 27.423,00 Euro. Anhaltspunkte für eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung des Grundstücks lägen nicht vor. Der Umstand, dass das Haus derzeit von Familienangehörigen genutzt werde, mache die Verwertung weder offensichtlich unwirtschaftlich noch unmöglich. Das Vermögen am Einfamilienhaus in Thailand sei auch nicht nach § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II geschützt, da die Antragsteller nicht von der Rentenversicherungspflicht befreit worden seien. Die Gewährung eines Darlehens scheitere daran, dass die Antragsteller bislang keine hinreichenden Verwertungsbemühungen unternommen hätten. Offensichtlich hätten sie gar nicht die Absicht, das Haus zu verkaufen. Dies decke sich mit ihrem Vortrag, wonach das Haus im Alter von ihnen selbst bewohnt werden solle. Der Antragsgegner habe bereits im Widerspruchsbescheid auf die vorrangige Verwertung deutlich hingewiesen, so dass die Antragsteller in der Zwischenzeit hinreichend Gelegenheit zur Verwertung der Immobilie gehabt hätten (Beschluss vom 19. März 2019).

Gegen den den Antragstellern am 27. März 2019 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 8. April 2019 eingelegte Beschwerde. Sie machen geltend, dass ihr aktueller Kontostand lediglich noch ca 500,00 Euro betrage und bereits Mietschulden iHv 3.500,00 Euro aufgelaufen seien (vgl. hierzu: Schreiben der Vermieterin vom 7. März 2019, Bl. 56 der Gerichtsakte - GA -). Sie hätten sich bereits seit Ende August 2018 um die Veräußerung der Immobilie in Thailand bemüht. Eine Veräußerung sei jedoch nur möglich, wenn die Antragstellerin zu 2. persönlich in Thailand anwesend sei oder aber ein Familienmitglied mit einer Vollmacht betraut sei. Eine solche Vollmacht sei im Oktober 2018 per Luftpost nach Thailand geschickt worden, dort jedoch nicht angekommen. Im November 2018 sei die Vollmacht einer Bekannten mitgegeben worden, die nach Thailand geflogen sei. Die Verkaufsbemühungen seien bislang nicht erfolgreich gewesen. In dem "Village", in dem das Haus liege, ständen viele Häuser leer und teilweise bereits seit mehreren Jahren zum Verkauf. Zeitungen oder Zeitschriften, in welchen inseriert werden könne, gebe es in Thailand nicht. Es sei jedoch ein Verkaufsschild am Haus angebracht worden (vgl. hierzu die zur Gerichtsakte gereichten Fotos, Bl. 59 GA). Unabhängig davon habe der Antragsgegner die Antragsteller bislang nicht - wie nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erforderlich - hinreichend klar auf die Notwendigkeit von Verwertungsbemühungen oder auf die Folgen von deren Unterlassung hingewiesen.

Der Antragsgegner hält die Verwertungsbemühungen der Antragsteller für nicht ausreichend, zumal sie bislang geltend gemacht hätten, das Haus als Alterswohnsitz bzw als Alterssicherung behalten zu wollen.

Die Antragsteller haben auf Nachfrage des Senats das monatliche Erwerbseinkommen der Antragstellerin zu 2. auf 422,00 beziffert und zu den örtlichen Gegebenheiten an ihrem ehemaligen Wohnort in Thailand ergänzend vorgetragen. Am 19. April 2019 sei das Haus zum ortsüblichen Mietzins von (umgerechnet) 98,59 Euro vermietet worden. Die Mieteinnahmen werde eine Bekannte der Antragsteller "in vier Monaten" mit nach Deutschland bringen. II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.

Nach § 86b Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist, insbesondere auch ein Eilbedürfnis vorliegt (Anordnungsgrund). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).

1. Den Antragstellern steht ein Anordnungsanspruch zur Seite. Zwar verfügen die Antragsteller über einzusetzendes und bedarfsdeckendes Vermögen in Form der Auslandsimmobilie (siehe unten Abschnitt a.). Dieses Vermögen steht ihnen derzeit jedoch nicht als sog "bereites Mittel" zur Verfügung (Abschnitt c.).

a. Die Gewährung von SGB II-Leistungen setzt Hilfebedürftigkeit voraus (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 9 SGB II), d.h. die Unmöglichkeit, den eigenen Lebensunterhalt aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen bestreiten zu können (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 9 SGB II). Nach § 12 Abs 1 SGB II sind alle verwertbaren Gegenstände als Vermögen zu berücksichtigen (vgl. zu den Ausnahmen: § 12 Abs 3 SGB II).

In Übereinstimmung mit dem Antragsgegner und dem SG stellt das Einfamilienhaus in Thailand auch nach Auffassung des erkennenden Senats zu berücksichtigendes Vermögen dar. Es handelt sich nicht um ein von den Antragstellern selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe iSd § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II, da die Antragsteller derzeit in Deutschland und nicht in ihrem Haus in Thailand leben. Ebenso wenig ist die Auslandsimmobilie nach § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II geschützt, da die Antragsteller zu 1. und 2. nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit worden sind. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Verwertung der Auslandsimmobilie unwirtschaftlich sein oder für die Antragsteller eine besondere Härte darstellen könnte (§ 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II). Angesichts der Subsidiarität der Leistungen nach dem SGB II sowie der Obliegenheit zur Selbsthilfe sind die Antragsteller gehalten, ihre von ihnen derzeit nicht bewohnte Auslandsimmobilie für ihren Lebensunterhalt einzusetzen.

Angesichts des damaligen Kaufpreises und des anschließend von den Antragstellern vorgenommenen wertsteigernden Innenausbaus bestehen keine Zweifel daran, dass der Wert der Auslandsimmobilie bei mindestens 25.000,00 Euro liegen dürfte und damit den den Antragstellern zustehenden Vermögensfreibetrag (16.800,00 Euro bei Antragstellung, vgl. zur altersabhängigen Berechnung: § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II) deutlich übersteigt. Insoweit sind auch die Ausführungen des SG, wonach der damalige Kaufpreis nach derzeitigem Umrechnungskurs mehr als 27.000,00 Euro entspricht, im Beschwerdeverfahren unwidersprochen geblieben. Neben der Auslandsimmobilie verfügten die Antragsteller zumindest bis Anfang April 2019 noch über Barvermögen (ursprünglich: ca. 4.300,00 Euro).

Der Berücksichtigung der Auslandsimmobilie als verwertbares Vermögen steht nicht entgegen, dass das Haus der Antragstellerin zu 2. mittlerweile zu einem monatlichen Mietzins von 98,59 Euro vermietet worden sein soll. Zwar bleibt einem Leistungsberechtigten die Art der Verwertung grundsätzlich selbst überlassen. Aus dem Grundsatz der Subsidiarität staatlicher Fürsorge folgt jedoch, dass der Leistungsberechtigte nur zwischen den Verwertungsarten wählen kann, die den Hilfebedarf in etwa gleicher Weise decken, und er regelmäßig die Verwertungsart wählen muss, die den höchsten Deckungsbeitrag erbringt (vgl BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 4 AS 99/11 R, SozR 4-4200 § 12 Nr 18, Rn 29; Lange in: Eicher/Luik, 4. Auflage 2017, SGB II § 12 Rn 40 mwN). Die Verwertungsart mit dem höchsten Deckungsbeitrag ist im vorliegenden Fall der Verkauf der Auslandsimmobilie (Wert: mindestens 25.000,00 Euro), nicht dagegen die Vermietung zu einem monatlichen Mietzins von unter 100,00 Euro, der den Antragstellern zudem nicht zeitnah sondern allenfalls unregelmäßig zufließt.

Entgegen der Auffassung der Antragsteller entfällt die Obliegenheit zur Verwertung der Auslandsimmobilie auch nicht aus verfahrensrechtlichen Erwägungen. Der Hinweis des Antragsgegners auf die Verwertungsobliegenheit erfolgte weder verspätet noch zu unbestimmt (vgl. zu dieser Beratungspflicht des Jobcenters: BSG, Urteil vom 24. Mai 2017 - B 14 AS 16/16 R -, Rn 36). Unabhängig davon, dass es sich jedem billig und gerecht Denkenden von vornherein aufdrängen dürfte, dass das Eigentum an einer Auslandsimmobilie im Wert von mehr als 25.000,00 Euro mit einem Bezug von Grundsicherungsleistungen nicht vereinbar ist, hat der Antragsgegner die Antragsteller sowohl im Telefongespräch vom 25. Juni 2018 als auch nochmals im Widerspruchsbescheid vom 27. September 2018 verständlich und deutlich darauf hingewiesen, dass die Gewährung von SGB II-Leistungen erst nach Verwertung der Auslandsimmobilie in Betracht kommt.

b. Über weiteres verwertbares Vermögen verfügen die Antragsteller nach derzeitigem Sach- und Streitstand mittlerweile nicht mehr. Ihr Barvermögen hatte zwar bei Antragstellung noch einen Wert von ca. 4.300,00 Euro, wurde aber bis Anfang April 2019 weitestgehend aufgebraucht (Restbetrag: ca 500,00 Euro, vgl Beschwerdebegründung vom 8. April 2019). Aufgrund des weiteren Zeitablaufs muss der Senat davon ausgehen, dass aktuell überhaupt kein nennenswertes Barvermögen mehr existiert. Schließlich stand den Antragstellern aufgrund der Ablehnung von SGB II-Leistungen auch weiterhin lediglich das geringe Erwerbseinkommen der Antragstellerin zu 2. sowie das Barvermögen für den Lebensunterhalt zur Verfügung.

c. Trotz des Eigentums an der Auslandsimmobilie kann ein Leistungsanspruch der Antragsteller nicht insgesamt verneint werden. Bei der Auslandsimmobilie handelt es sich nämlich derzeit nicht um ein sog "bereites Mittel", aus dem die Antragsteller ihren aktuellen Lebensunterhalt finanzieren können. Der Einsatz dieses Vermögens setzt vielmehr zunächst den Verkauf des Hauses in Thailand, die tatsächliche Zahlung des Kaufpreises und den Transfer des Verkaufserlöses nach Deutschland voraus. Allein die - bislang allerdings noch nicht realisierte und somit derzeit lediglich theoretische - Möglichkeit der "Versilberung" von Auslandsvermögen lässt nicht die aktuell tatsächlich bestehende Hilfebedürftigkeit der Antragsteller entfallen. Bei fehlenden bereiten Mitteln darf nicht auf lediglich fiktiv vorhandenes Einkommen verwiesen werden (vgl BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 14 AS 43/14 R -, SozR 4-4200 § 11 Nr 74, Rn 18). Dass die Antragsteller das Fehlen bereiter Mittel infolge unzureichender Verkaufsbemühungen selbst zu vertreten haben dürften, steht ihrer tatsächlichen Hilfebedürftigkeit nicht entgegen, sondern führt allenfalls zu einem Ersatzanspruch des Antragsgegners nach § 34 SGB II (vgl unten Abschnitt 4).

2. Der Anordnungsgrund (Eilbedürfnis) ergibt sich aus dem tatsächlichen Fehlen hinreichender Mittel zur Bestreitung des aktuellen Lebensbedarfs. Nach dem Vorbringen der Antragsteller sind ihre sämtlichen finanziellen Rücklagen mittlerweile aufgebracht.

3. Die Verpflichtung zur vorläufigen Zahlung von SGB II-Leistungen erfolgt für die Zeit ab Verbrauch des Barvermögens, d.h. ab dem 1. Mai 2019.

In der Zeit vom 6. März 2019 (Eingang des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz beim SG) bis Ende April 2019 konnten die Antragsteller ihren Lebensunterhalt noch aus dem zu verwertenden Barvermögen sowie dem Erwerbseinkommen der Antragstellerin zu 2. bestreiten. Für die Zeit vor dem 6. März 2019 (Tag der Beantragung von einstweiligem Rechtsschutz beim SG) sind ebenfalls keine vorläufigen Leistungen zuzusprechen, da nach der ständigen Rechtsprechung des Senats einstweiliger Rechtsschutz grundsätzlich erst für die Zeit ab Eingang des Eilantrages beim SG gewährt werden kann, nicht dagegen für die Vergangenheit (vgl. Beschlüsse des erkennenden Senats u.a. vom 26. Juli 2010 - L 11 AY 128/09 B ER, vom 9. Februar 2011 - L 11 AS 1105/10 B ER; vom 19. September 2011 - L 11 AL 105/11 B ER - m.w.N.). Eine besondere, sich auch derzeit noch auswirkende Notlage, aufgrund derer ausnahmsweise auch für die Zeit vor der Antragstellung einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden könnte, ist weder ersichtlich noch vom Antragsteller glaubhaft gemacht worden. Auch die Vermieterin hat bislang noch keinerlei Konsequenzen aus dem - angeblichen - Mietrückstand gezogen.

Bei der Höhe der den Antragstellern vorläufig zu zahlenden Leistungen wird einerseits der Bedarf der Antragsteller (Regelbedarfe nach § 20 SGB II zzgl. Bedarfe für Kosten der Unterkunft und Heizung) und andererseits das Erwerbseinkommen der Antragstellerin zu 2. iHv 422,00 Euro pro Monat berücksichtigt. Angesichts der bislang unzureichenden Bemühungen um den Verkauf der Auslandsimmobilie (vgl hierzu unten Abschnitt 4.) erscheint die Einräumung von Freibeträgen für das Erwerbseinkommen nicht geboten (vgl zur generellen Möglichkeit, im sozialgerichtlichen Eilverfahren Leistungen auch nur mit einem Abschlag zuzusprechen: BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -, Rn 26; ebenso: Beschluss des erkennenden Senats vom 16. Mai 2018 - L 11 AS 333/18 B ER -). Insgesamt hält der Senat daher im Wege einer Schätzung (vgl. zur Zulässigkeit einer Schätzung: § 202 SGG iVm § 287 ZPO) einen vorläufigen monatlichen Betrag von 650,00 Euro für geboten, aber auch für ausreichend.

Die Befristung der vorläufig zugesprochenen Leistungen bis zum 31. August 2019 verschafft den Antragstellern hinreichende Gelegenheit, ihre Auslandsimmobilie zu veräußern und den Verkaufserlös nach Deutschland zu transferieren.

Die Verpflichtung zur Leistungsgewährung erfolgt lediglich vorläufig, d.h. vorbehaltlich des Ausgangs des Rechtsstreits in der Hauptsache (Klageverfahren S 24 AS 1775/18 - SG Braunschweig). Bestätigt sich der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorläufig zugesprochene Zahlungsanspruch im Hauptsacheverfahren nicht, resultiert hieraus ein entsprechender Erstattungsanspruch des Antragsgegners (in entsprechender Anwendung des § 50 Abs 2 SGB X bzw iS eines allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs).

Anlass für die Übernahme von Mietschulden besteht derzeit nicht, da die Selbsthilfemöglichkeiten der Antragsteller noch nicht erschöpft sind (vgl. zur Obliegenheit zur Selbsthilfe und zum Vorrang der Verwertung von Schonvermögen im Rahmen der Mietschuldenübernahme: Beschluss des erkennenden Senats vom 29. Dezember 2017 - L 11 AS 1012/17 B ER -). Schließlich können die Antragsteller ihre Mietschulden zu gegebener Zeit aus dem für die Auslandsimmobilie zu erzielenden Verkaufserlös tilgen. Es ist auch nicht glaubhaft gemacht worden, dass den Antragstellern aufgrund der von ihnen behaupteten Mietschulden eine fristlose Kündigung oder sogar Wohnungslosigkeit droht.

4. Die Antragsteller haben sich bislang nur unzureichend um die Verwertung ihrer Auslandsimmobilie bemüht. Es ist weder erkennbar noch glaubhaft gemacht worden, dass die Antragsteller tatsächlich gewillt sind, ihre Auslandsimmobilie zu verkaufen. Ihr Vortrag zu den Verkaufsbemühungen ist - auch auf Nachfrage des Senats (vgl. richterliche Verfügung vom 2. Mai 2019) - pauschal geblieben. Über das (angebliche) Aufhängen eines Schildes ("Sale/Hire") und Mundpropaganda hinaus scheinen die Antragsteller bislang keinerlei Verkaufsbemühungen unternommen zu haben. Sie haben auf Nachfrage eingeräumt, dass ihr Haus an einer von der Hauptstraße abgehenden reinen Anliegerstraße liegt, in der es keinen Durchgangsverkehr gibt. Zwar darf die Post die Straße befahren, nicht aber die Müllabfuhr. Auch befinde sich die Straße in einem "desolaten Zustand". Es erschließt sich dem Senat dementsprechend nicht, wie ein Verkaufsschild an diesem nicht allgemein zugänglichen und kaum frequentierten Ort zu einem Erfolg führen könnte. Ebenso hält es der Senat für ausgeschlossen, dass - wie die Antragsteller behaupten - Immobilien in Thailand nicht auch über das Internet angeboten werden. Eine entsprechende Verkaufsanzeige auf einer Online-Plattform haben die Antragsteller jedoch offensichtlich bis heute nicht geschaltet. Soweit die Antragsteller behauptet haben, sich bereits seit August 2018 um den Verkauf bemüht zu haben, steht dem ihr eigener Vortrag zB aus dem Schriftsatz vom 17. September 2018 entgegen. Dort wurden Verkaufsbemühungen mit keinem Wort erwähnt, sondern stattdessen im Einzelnen dargelegt, weshalb es sich bei der Auslandsimmobilie um geschütztes Vermögen handeln soll. Auch im Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vom 6. März 2019 haben die Antragsteller vortragen lassen, dass die Nutzung der Auslandsimmobilie durch ua die Mutter der Antragstellerin zu 2. eine Veräußerung "unwirtschaftlich, sogar unmöglich" mache. Etwaige Verkaufsbemühungen seit Anfang August 2018 wurden damals (dh im März 2019) weder erwähnt noch glaubhaft gemacht.

Angesichts fehlender bereiter Mittel berechtigen die unzureichenden Verkaufsbemühungen der Antragsteller den Antragsgegner jedoch nicht, den Leistungsantrag vollständig abzulehnen (vgl Abschnitt 1.c.). Stattdessen wird der Antragsgegner zu prüfen haben, ob die Antragsteller durch ihre unzureichenden Verwertungsbemühungen ihre Hilfebedürftigkeit vorsätzlich oder fahrlässig aufrechterhalten (haben), so dass sie die ihnen zu gewährenden Leistungen zu erstatten haben (§ 34 SGB II).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt einerseits den Teilerfolg der Antragsteller, andererseits aber auch deren Verhalten (Verletzung der Obliegenheit zur zeitnahen und effektiven Verwertung der Auslandsimmobilie; Mutwilligkeit eines einstweiligen Rechtschutzverfahrens, wenn gleichzeitig das Hauptsacheverfahren über Monate nicht betrieben wird).

Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Sie verfügen über einzusetzendes Vermögen, durch dessen Verwertung sie ihre Hilfebedürftigkeit selbst überwinden könnten. Das vorsätzliche bzw grob fahrlässige Unterlassen naheliegender Selbsthilfe schließt die Gewährung von Prozesskostenhilfe aus, ebenso wie der Umstand, dass das zum vorliegenden Eilverfahren geführte Hauptsacheverfahren über Monate nicht betrieben wurde (Mutwilligkeit der Prozessführung, § 73a SGG in Verbindung mit § 114 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).