Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.04.2009, Az.: 20 ZD 2/09

Eingriff in die Rechte eines Beamten durch Beschlagnahme von auf dienstlichen Speichermedien abgelegten Dateien; Folgen eines verbotswidrigen Herunterladens von pornografischen Schriften auf eine dienstliches Speichermedium durch einen Beamten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.04.2009
Aktenzeichen
20 ZD 2/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 14860
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2009:0428.20ZD2.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 03.02.2009 - 10 E 1/09

Fundstellen

  • DRiZ 2010, 142
  • DVBl 2009, 863
  • DÖV 2009, 683
  • K&R 2009, 596 (amtl. Leitsatz)
  • MMR 2009, 800
  • NVwZ-RR 2009, 636-637
  • ZBR 2009, 319

Amtlicher Leitsatz

In die Rechte eines Beamten, der pornografische Schriften im Sinne der §§ 184 und 11 Abs. 3 StGB verbotswidrig auf dienstliche Datenträger heruntergeladen hat, wird grundsätzlich nicht unverhältnismäßig eingegriffen, wenn seine sämtlichen auf dienstlichen Speichermedien abgelegten Dateien, einschließlich des E-Mail-Verkehrs, beschlagnahmt und durchsucht werden, um das genaue Ausmaß der Dienstpflichtverletzung zu bestimmen.

Gründe

1

Der Senat weist die gemäß § 62 Abs. 1 NDiszG statthafte Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Vorsitzenden der Kammer für Disziplinarsachen (der Landesbeamten) des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 3. Februar 2009 über die Beschlagname und Durchsuchung von Dateien (§§ 28, 26 Abs. 7 NDiszG) aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück, sodass dies gemäß den §§ 63 Abs. 1 Satz 1 NDiszG und 4 NDiszG i. V. m. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO keiner weiteren Begründung bedarf.

2

Gleichwohl gibt das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners Anlass zu folgenden Ausführungen: Es kann dahinstehen, ob die Maßnahmen der Durchsuchung und Sicherstellung im Dienstzimmer des Beamten, die am 29. August 2008 (vgl. den Bericht vom 30. 8. 2008, Bl. 10 der Beiakte - BA - A) durch den Leiter der Polizeiinspektion D. vorgenommen wurden, insgesamt rechtswidrig waren (so: Landgericht E. , Beschl. v. 16. 4. 2009 - 26 Qs 87/09 -) und inwieweit im Zuge ihrer Durchführung erfolgte Verstöße gegen Rechtsvorschriften ein Verwertungsverbot nach sich ziehen (vgl. dazu: Gansen, DiszR in Bund und Ländern, Stand: März 2009, § 27 BDG Rn. 10b, 10c und 27). Denn aufgrund der eigenen Einlassungen des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren ist davon auszugehen, dass er einräumt, seinen dienstlichen Internetzugang verbotswidrig privat genutzt und mehrfach Bilder sowie Daten "erotischen Inhalts" heruntergeladen zu haben, zu deren Auswertung er - allerdings nur insoweit, als es die in seinem Arbeitszimmer gefundenen Unterlagen, seinen persönlichen Arbeitsplatzrechner und seinen Account angeht - am 4. September 2008 selbst sein Einverständnis erklärt hat (SH 5 in BA A). Unter den Bilddateien "erotischen Inhalts", deren Herunterladen der Antragsgegner nicht in Abrede stellt, befinden sich auch eindeutig (vgl. etwa die Bilddateien 10, 11, 38, 59 und 112 unter SH 5 Ziff. 1 in BA A) pornografische Schriften im Sinne der §§ 184 und 11 Abs. 3 StGB (vgl. zum strafrechtlichen Pornografiebegriff: BVerwG, Urt. v. 20. 2. 2002 - BVerwG 6 C 13.01 -, BVerwGE 116, 5 [18 ff.] sowie zur Funktion des § 11 Abs. 3 StGB: Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 11 Rn. 78). Jedenfalls wenn ein Beamter selbst einräumt, dass er mehrfach verbotswidrig über seinen dienstlichen Internetzugang Dateien heruntergeladen hat, die objektiv - auf seine eigene Einschätzung kommt es insoweit nicht an - als pornografische Schriften im Sinne der §§ 184 und 11 Abs. 3 StGB betrachtet werden müssen, sind grundsätzlich die Beschlagnahme und Durchsuchung seiner sämtlichen auf den Datenträgern des Dienstherrn gespeicherten privaten Dateien, einschließlich des E-Mail-Verkehrs, gerechtfertigt, um das genaue Ausmaß der Dienstpflichtverletzung zu bestimmen (vgl. Gansen, a. a. O., § 27 BDG Rn. 3k und 27). Es gilt dabei insbesondere festzustellen, ob der Beamte seinen dienstlichen Internetzugang zu Verstößen gegen § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB, aber auch gegen die 184a und 184b StGB (sowie ggf. seit dem 5. November 2008 gegen 184c StGB n. F.) missbraucht hat. Bei den gewalt- oder tierpornografischen, kinderpornografischen oder jugendpornografischen Schriften, deren Verbreitung etc. in den §§ 184a, 184b und 184c StGB i. V. m. § 11 Abs. 3 StGB unter Strafe gestellt ist, handelt es sich nämlich um qualifizierte Formen der pornografischen Schriften im Sinne der §§ 184 und 11 Abs. 3 StGB. Oftmals gehen daher (nach dem Strafgesetzbuch) strafloses und strafbares Handeln ineinander über, sodass es eine aus der disziplinarrechtlichen Praxis gerichtsbekannte Tatsache ist, dass nicht wenige der Beamten, die pornografische Schriften im Sinne der §§ 184 und 11 Abs. 3 StGB verbotswidrig auf dienstliche Datenträger herunterladen, das Strafrecht ebenfalls missachten - und sich dann eines besonders schweren Dienstvergehens schuldig machen, das zur Entfernung aus dem Dienst führen kann (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 4. 9. 2007 - 20 LD 14/06 -, Nds. VBl. 2008, 19 = NJOZ 2008, 2100 [2109 ff.]). In die Rechte eines Beamten, der seinem Dienstherrn die Speicherung pornografischer Schriften im Sinne der §§ 184 und 11 Abs. 3 StGB auf dienstlichen Datenträgern zugemutet hat, wird vor diesem Hintergrund grundsätzlich nicht unverhältnismäßig eingegriffen, wenn seine privaten Dateien auf den dienstlichen Speichermedien insgesamt beschlagnahmt und durchsucht werden. Diese Maßnahmen stehen weder zur Bedeutung der Sache noch zu der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme außer Verhältnis. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners bedarf es insbesondere nicht eines zusätzlichen, konkreten Anhaltspunktes für Straftaten im Zusammenhang mit der Nutzung des dienstlichen Internetanschlusses.

3

Offen bleiben mag, ob eine Beschlagnahme und Durchsuchung hier auch dann anzuordnen wäre, wenn die Bilddateien, deren verbotswidriges Herunterladen der Antragsteller selbst einräumt, nicht ihrerseits teilweise als pornografische Schriften im Sinne der §§ 184 und 11 Abs. 3 StGB zu qualifizieren wären. Dahinstehen mag außerdem, ob vorliegend solche Maßnahmen zulässig wären, die in das Grundrecht des Antragstellers auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) eingriffen (vgl. hierzu: VG Meiningen, Beschl. 22. 1. 2009 - 6 D 60001/09 Me -, [...]; VGH BW, Beschl. v. 16. 3. 2009 - DB 16 S 57/09 -, [...]; BVerfG, Beschl. v. 21. 6. 2006 - 2 BvR 1780/04 -, NVwZ 2006, 1282 ff.).