Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 08.12.2004, Az.: 2 A 279/04
Alkoholmissbrauch; Atypik; Kündigung; Kündigungsschutz; Schwerbehinderte
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 08.12.2004
- Aktenzeichen
- 2 A 279/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50227
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 55 Abs 1 BAT
- § 85 SGB 9
- § 91 Abs 4 SGB 9
Tatbestand:
Die 51-jährige Klägerin ist schwerbehindert im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB IX. Ausweislich des Bescheides des Versorgungsamtes Braunschweig, Außenstelle Hildesheim, vom 21.03.2003 beträgt der Grad der Behinderung (GdB) 50. Folgende Funktionsbeeinträchtigungen wurden festgestellt:
1. umformende Wirbelsäulen - Veränderungen im Bereich von Hals- und Lendenwirbelsäule, wiederkehrende ausgeprägte Schmerzsymptomatik (Einzel-GdB: 40),
2. Depressionen (Einzel-GdB: 20).
Die Klägerin war seit dem 01.08.1968 bei der Beigeladenen als Verwaltungsfachangestellte beschäftigt und hatte seit dem 01.01.1998 ihren Arbeitsplatz im Einwohnermeldeamt/Bürgerbüro der Stadtverwaltung.
Mit Schreiben des Bürgermeisters der Beigeladenen vom 26.02.2004 wurde beim Beklagten die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Klägerin gemäß §§ 85 und 91 SGB IX beantragt und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe ein Alkoholproblem, es sei nicht zu erwarten, dass sie dieses in absehbarer Zeit lösen könne, zumal sie insoweit keinerlei Bereitschaft erkennen lasse. Deshalb solle der Klägerin gemäß § 54 BAT außerordentlich gekündigt werden. Zwischen dem 07.09.2001 und dem 26.02.2004 sei sie mehrfach wegen Alkoholmissbrauchs im Dienst abgemahnt worden. Mit Datum vom 30.12.2003 sei ihr schließlich eine Abmahnung mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass das Arbeitsverhältnis bei dem nächsten Fehlverhalten unweigerlich gekündigt würde, übergeben worden. Da die Klägerin am 26.02.2004 erneut alkoholisiert zum Dienst erschienen sei, müsse ihr gekündigt werden.
Das beklagte Amt führte am 15.03.2004 eine Einigungsverhandlung durch. Die Klägerin wies darin den Vorwurf, eine Alkoholproblematik zu haben, zurück. Zu irgendwelchen dienstlichen Beeinträchtigungen sei es niemals gekommen, solche hätten auch nie den vom Bürgermeister der Beigeladenen ausgesprochenen Beanstandungen zugrunde gelegen. Am 26.02.2004 sei sie wegen ihres Rückens arbeitsunfähig erkrankt gewesen und habe eine entsprechende Bescheinigung des Arztes der Beigeladenen vorgelegt. Der behandelnde Arzt - Dr. E. F. - könne bezeugen, dass sie an diesem Tag keinesfalls alkoholisiert gewesen sei. Wie die Beteiligten im Einigungsgespräch vereinbart hatten, legte die Klägerin sodann ein Attest ihres Arztes vom 15.03.2004 vor. Hierin heißt es: „Bei Frau B. wurde am 12.03.2004 eine Laboruntersuchung durchgeführt. Es liegen keine Hinweise auf eine Leberfunktionsstörung vor. (GPD, GOT, Y-GT, Quick-Wert, Kl. Blutbild in der Norm)“.
Daraufhin verweigerte das beklagte Amt nach Anhörung des Arbeitsamtes und der Personalvertretung der Beigeladenen - bei der eine Schwerbehindertenvertretung nicht vorhanden ist - mit Entscheidung vom 17.03.2004 die beantragte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Zur Begründung wurde im wesentlichen darauf abgestellt, dass im Rahmen der Offensichtlichkeitsprüfung (Evidenzkontrolle) der Kündigung nicht festgestellt werden könne, dass ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB vorliege. Der von der Beigeladenen vorgetragene Kündigungsgrund sei objektiv nicht geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Beendigung des seit 1968 bestehenden Beschäftigungsverhältnisses abzugeben. Die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin am 26.02.2004 sei mit der an diesem Tag durchzuführenden Schmerzbehandlung begründet worden. Hierfür spreche auch, dass sie ab dem 16.03.2004 in Köln eine Rehabilitationsmaßnahme zur weiteren Durchführung einer gezielten Schmerzbehandlung angetreten habe. Die Darlegungen der Klägerin würden durch die Aussage ihres Arztes bestätigt, dass keinerlei medizinische Anhaltspunkte für eine Alkoholproblematik vorlägen. Dem gegenüber behaupte die Beigeladene lediglich, dass die Klägerin schon in der Vergangenheit die ihr übertragenen Aufgaben nicht ordnungsgemäß habe erledigen können. Allein der Behauptung des Arbeitgebers, die Klägerin habe alkoholisiert ihren Dienst versehen, könne kein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung entnommen werden, zumal die vorgelegte ärztliche Bescheinigung gegen eine solche Annahme spreche. Sollte sich im Nachhinein noch herausstellen, dass entgegen den aktuellen Feststellungen doch eine Alkoholproblematik bestehe und die Klägerin keine Bereitschaft erkennen lassen würde, ein derartiges Problem zu lösen, bliebe es der Beigeladenen unbenommen, erneut eine Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung zu beantragen.
Hiergegen legte die Beigeladene unter dem 07.04.2004 Widerspruch ein und führte mit Schreiben vom 01.06.2004 aus, die außerordentliche Kündigung solle nicht wegen einer ggf. vorliegenden Alkoholabhängigkeit, sondern wegen des sich in unregelmäßigen Zeitabständen wiederholenden Alkoholgenusses und den damit verbundenen arbeitsvertragswidrigen Verhaltensweisen der Klägerin ausgesprochen werden. Die Klägerin sei aufgrund ihres immer wiederkehrenden Alkoholgenusses am Arbeitsplatz ausweislich der getroffenen Feststellungen und mehrerer Zeugenaussagen nicht in der Lage, ihre Arbeit ordnungsgemäß zu erfüllen und habe wiederholt Arbeitspflichtverletzungen begangen, die nach erfolgten Abmahnungen schlussendlich zur außerordentlichen Kündigung führten. Es sei für die Beigeladene jederzeit möglich darzulegen, wie sich der alkoholisierte Zustand der Klägerin konkret auf ihre Arbeitsergebnisse bzw. auf das Verhalten Dritten gegenüber ausgewirkt habe. Die vorgelegte ärztliche Bescheinigung attestiere zwar pauschal, dass keine Alkoholproblematik vorliege, eine spezifische Laborauswertung sei jedoch für den Arbeitgeber nicht möglich, so dass eine amtsärztliche Beurteilung im Rahmen einer separaten Untersuchung für erforderlich gehalten werde.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28.06.2004 trat die Klägerin weiterhin den Vorwürfen entgegen, alkoholisiert im Dienst erschienen zu sein und wies darauf hin, dass abweichend von der bisherigen Begründung des Zustimmungsantrags nun nicht auf eine „ggf. vorliegende Alkoholabhängigkeit“, sondern auf einen „sich in unregelmäßigen Zeitabständen wiederholenden Alkoholgenuss“ abgestellt werde. Der Kündigungsgrund sei deshalb unklar, was zu Lasten der Beigeladenen gehe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2004 hob der Widerspruchsausschuss beim beklagten Amt die Entscheidung vom 17.03.2004 auf und erteilte der Beigeladenen die beantragte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung. Für die Beurteilung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 91 Abs. 4 SGB IX vorlägen, sei von der durch den tatsächlichen Wortlaut des arbeitgeberseitigen Sachvortrags gedeckten Kündigungsbegründung auszugehen. Ein Zusammenhang zwischen der festgestellten Behinderung der Klägerin und den ihr vorgeworfenen arbeitsvertraglichen Verfehlungen sei nicht herzustellen. Ein solcher Zusammenhang sei im Übrigen von der Klägerin auch im Widerspruchsverfahren weder geltend gemacht worden noch erkennbar. Vielmehr weise die Klägerin ausdrücklich jeden Vorwurf im Zusammenhang mit Alkoholgenuss zurück und bestreite generell das Vorliegen einer Alkoholproblematik. Der arbeitgeberseitige Sachvortrag erscheine aber nicht lediglich vorgeschoben, um so ggf. einen verstärkten Sonderkündigungsschutz unterlaufen zu können. Folglich sei die Entscheidung des Amtes über den Zustimmungsantrag nach § 91 Abs. 4 SGB IX mit eingeschränktem Ermessen zu treffen. Nur bei Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung dürfte die Zustimmung zur Kündigung verweigert werden. Eine solche atypische Fallgestaltung liege hier jedoch nicht vor.
Bei der vorzunehmenden Evidenzkontrolle der beabsichtigten Kündigung sei entgegen der Ausgangsentscheidung nicht zugrunde zu legen, dass arbeitgeberseits der Klägerin Alkoholmissbrauch vorgeworfen werde, der sich medizinisch auch nicht attestieren lasse. In der angefochtenen Entscheidung sei aber fälschlicherweise der Begriff des Alkoholmissbrauchs nur im Sinne einer Alkoholerkrankung ausgelegt worden, für die sich aus dem vorgelegten ärztlichen Attest vom 15.03.2004 zutreffend kein Indiz ergebe. Hierbei sei aber verkannt worden, dass der arbeitgeberseitige Zustimmungsantrag eben nicht auf personenbedingten Gründen - einer möglichen Suchterkrankung -, sondern auf verhaltensbedingten Aspekten beruhe. Inhalt des Zustimmungsbegehrens sei der Vorwurf eines pflichtwidrigen Verhaltens der Klägerin, nämlich das alkoholisierte Erscheinen am Arbeitsplatz. Ob aber die Klägerin am 26.02.2004 und zuvor entgegen der arbeitgeberseitigen Behauptung im Dienst nicht alkoholisiert gewesen sei, vermöge das Attest nicht zu belegen. Eine offensichtliche Unrichtigkeit des arbeitgeberseitigen Sachvortrages lasse sich aus dem Attest daher nicht ableiten. Vielmehr sei die der Klägerin vorgeworfene schwerwiegende Pflichtverletzung - Alkoholmissbrauch am Arbeitsplatz - nach Überzeugung des beklagten Amtes grundsätzlich geeignet, einen wichtigen verhaltensbedingten Grund im Sinne von § 626 BGB darzustellen. Hierzu sei von der Beigeladenen schlüssig vorgetragen worden, dass es zu einer nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Arbeitsvertragsparteien gekommen sei, zumal der Vorwurf im Raume stehe, dass inhaltsgleiche Verhaltensauffälligkeiten bereits seit 1998 wiederholt aufgetreten seien. Die Klägerin bestreite pauschal alle Vorwürfe der Beigeladenen. Eine abschließende Aufklärung des Sachverhalts sei jedoch vom Widerspruchsausschuss mangels eines Zusammenhanges zwischen Kündigungsgrund und festgestellter Behinderung nicht zu leisten. Vielmehr obliege eine solche inhaltliche Prüfung der geltend gemachten Kündigungsgründe allein dem zuständigen Arbeitsgericht.
Mit Schreiben vom 29.07.2004 sprach daraufhin der Bürgermeister der Beigeladenen gegenüber der Klägerin eine fristlose außerordentliche Kündigung gemäß § 55 Abs. 1 BAT unter Einräumung einer Frist mit Ablauf des 31.07.2004 aus und stellte zur Begründung darauf ab, dass sie wegen wiederholten Alkoholgenusses im Dienst in unregelmäßigen Zeitabständen ihren arbeitsvertraglichen Pflichten nur mangelhaft bzw. nur eingeschränkt nachgekommen sei. Dieses Fehlverhalten sei bereits mehrfach abgemahnt worden.
Die Klägerin hat am 17.08.2004 gegen die Widerspruchsentscheidung Klage erhoben. Sie führt aus, dass im Widerspruchsbescheid unklar bleibe, welcher Kündigungsgrund nun der Entscheidung zugrunde gelegt werden solle, also ob ihr alkoholisiertes Erscheinen am Arbeitsplatz oder Alkoholmissbrauch vorgeworfen werde. Es sei jedoch erforderlich, den Grund, aus dem die Kündigung erfolgen solle, präzise festzustellen, da andernfalls gar nicht geprüft werden könne, ob die Kündigung aus einem mit der Behinderung im Zusammenhang stehenden Grund erfolgen solle und ob ein atypischer Fall vorliege. Der Widerspruchsausschuss des beklagten Amtes wäre gehalten gewesen, den eigentlichen Kündigungsgrund aufzuklären, diese dem Amt obliegende Aufklärungspflicht sei verletzt worden. Somit stehe gar nicht fest, ob die Kündigung aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen erfolgt sei. Lägen erstere Gründe vor, wäre zumindest ein mittelbarer Zusammenhang zwischen Behinderung und Kündigung nicht zu leugnen. Die vom beklagten Amt vorzunehmende Evidenzprüfung müsse schließlich zugunsten der Klägerin ausfallen, da aufgrund der durchgeführten Laboruntersuchung vom 12.03.2004 offenkundig sei, dass der behauptete Kündigungsgrund nicht bestehe.
Die Klägerin beantragt,
den Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses beim beklagten Amt vom 26.07.2004 aufzuheben.
Das beklagte Amt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und verteidigt den angefochtenen Widerspruchsbescheid. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides, also der 26.07.2004. Der Arbeitgeber habe eindeutig einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund geltend gemacht, der in keinerlei Zusammenhang mit der anerkannten Behinderung der Klägerin gebracht werden könne. Die Beigeladene als Arbeitgeber habe im Übrigen im Widerspruchsverfahren klargestellt, dass sie die Klägerin nicht wegen einer Alkoholabhängigkeit und somit wegen einer Krankheit, deren Vorliegen von der Klägerin bestritten werde, sondern aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt hätte. Ob die vom Arbeitgeber gegenüber der Klägerin erhobenen Vorwürfe in der Sache zuträfen oder nicht, sei nicht vom beklagten Amt, sondern allein vom Arbeitsgericht zu entscheiden, zumal die geltend gemachten Kündigungsgründe nicht „völlig aus der Luft gegriffen“ seien.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Sie tritt jedoch der Klage in der Sache entgegen und führt aus, dass sie die Kündigung nicht aus personenbedingten Gründen, sondern aus verhaltensbedingten Gründen ausgesprochen habe. Die Klägerin habe in der Vergangenheit wiederholt durch ihren Alkoholgenuss den ihr übertragenen Arbeitsbereich im Bürgerbüro nicht entsprechend den Anforderungen ausfüllen können. Im Vorfeld der Kündigung habe man der Klägerin vielfältige Hilfestellungen angeboten, die sie aber nicht angenommen habe. Dies gelte auch für Hilfestellungsangebote des Personalrates.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge des beklagten Amtes und der Beigeladenen sowie die Akte des Arbeitsgerichts Göttingen 2 Ca 539/04 Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
Der angefochtene Widerspruchsbescheid vom 26.07.2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die Vorschriften des für sie geltenden besonderen Kündigungsschutzes für Schwerbehinderte nach dem SGB IX wurden beachtet.
Nach § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. In § 89 SGB IX ist geregelt, dass über die Zustimmung vom Integrationsamt nach Ermessen zu entscheiden ist. Nach § 91 Abs. 4 SGB IX soll die Zustimmung jedoch erteilt werden, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht. In der Rechtsprechung zum Vorläufer dieser Regelung, dem § 21 Abs. 4 des Schwerbehindertengesetzes - einer wortgleichen Norm, die durch § 91 SGB IX abgelöst wurde - ist geklärt, dass diese Sollvorschrift allerdings nur anzuwenden ist, wenn keine atypische Fallgestaltung vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.07.1992 - 5 C 31.91 -, DVBl 1992, 1486 f [BVerwG 04.06.1992 - BVerwG 5 C 22/87]; daran anschließend Nds. OVG, Urteil vom 28.10.1992- 4 L 2706/92 - und Urteil vom 09.03.1994 - 4 L 3927/92 -, Nds. MBl. 1994, 1050). Der vorstehenden Rechtsprechung ist zudem zu entnehmen, dass das Integrationsamt seiner Entscheidung grundsätzlich den vom Arbeitgeber genannten Kündigungsgrund zugrunde zu legen und nicht, auch nicht im Wege einer „Schlüssigkeitskontrolle“, zu prüfen hat, ob die Kündigung arbeitsrechtlich gerechtfertigt ist. Etwas anderes kommt höchst ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn der Kündigungsgrund offensichtlich nur vorgeschoben ist.
In Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze ist die Widerspruchsentscheidung nicht zu beanstanden. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die ausgesprochene außerordentliche Kündigung bzw. der ihr zugrunde liegende Kündigungsgrund nicht mit der Behinderung der Klägerin, also den Wirbelsäulenveränderungen oder den Depressionen in Zusammenhang steht. Dies haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung noch einmal deutlich herausgestellt. Auch auf Fragen des Gerichts, ob die Depressionen der Klägerin in einem Zusammenhang mit dem der Klägerin vorgeworfenen Alkoholgenuss stehen könnten, ließ die Klägerin von ihrem Prozessbevollmächtigten eine solche Schlussfolgerung kategorisch verneinen.
Die Kammer teilt nicht den Vorwurf der Klägerin, dass von der Beigeladenen der eigentliche Kündigungsgrund nicht eindeutig und nachvollziehbar benannt worden sei. Denn von der Beigeladenen wurde mit Antragsschreiben vom 26.02.2004 als beabsichtigter Kündigungsgrund angegeben, die Klägerin habe nach vorherigen Abmahnungen in gleich gelagerten Fällen am 26.02.2004 erneut alkoholisiert ihren Dienst versehen. Ausgesprochen werden sollte damit eine außerordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten und nicht aus personenbedingten Gründen (Alkoholerkrankung). Dies macht zudem auch der Wortlaut der Widerspruchsbegründung vom 01.06.2004 (Blatt 60 f der Beiakte A) deutlich. Denn dort wird unmissverständlich ausgeführt, dass der Klägerin nicht wegen einer ggf. vorliegenden Alkoholabhängigkeit, sondern nur wegen des in unregelmäßigen Zeitabständen sich wiederholenden Alkoholgenusses vor bzw. während der Arbeitszeit und den damit einhergehenden arbeitsvertragswidrigen Verhaltensweisen der Arbeitnehmerin ausgesprochen, ihr also aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt werden soll.
Liegt also, wie oben dargelegt, ein Fall des § 91 Abs. 4 SGB IX vor, soll das Integrationsamt seine Zustimmung zur Kündigung erteilen. Dass hier atypische Gesichtspunkte vorliegen könnten, die eine andere Entscheidung als die Erklärung der Zustimmung zur Kündigung gerechtfertigt hätten, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Weder die von der Beigeladenen behaupteten Vorfälle noch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin bieten nämlich Raum für die Annahme, hier wäre ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt zu beurteilen. Zudem wurde auch von den Beteiligten keine Atypik geltend gemacht.
Zu Recht ging der Widerspruchsausschuss des beklagten Amtes schlussendlich davon aus, dass es nicht offen auf der Hand liegt, dass der von der Beigeladenen vorgetragene Kündigungsgrund nur vorgeschoben ist. Auch dafür bieten sich der Kammer keinerlei Anhaltspunkte. Wenn es tatsächlich zutreffen sollte, dass die Klägerin am 26.02.2004 - trotz vorheriger Abmahnungen - (erneut) alkoholisiert am Arbeitsplatz erschienen ist bzw. alkoholisiert ihren Dienst verrichtet hat, könnte dies arbeitsrechtlich durchaus die ausgesprochene außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Die verbindliche Antwort auf diese Frage muss indessen vom Arbeitsgericht gefunden werden. Zutreffend hat das beklagte Amt also erkannt, dass es keine Befugnis besitzt, hinsichtlich der streitigen Vorfälle am Arbeitsplatz eine Sachaufklärung zu betreiben und eine inhaltliche Prüfung der Richtigkeit der vom Arbeitgeber insoweit vorgebrachten Kündigungstatsachen vorzunehmen. Sähe man dies anders, liefe es darauf hinaus, dass wesentliche Teile der arbeitsgerichtlichen Überprüfung der Streitsache dann auch vom Integrationsamt - und daran anschließend - vom Verwaltungsgericht zu absolvieren wären. Für eine solche Verfahrensweise gibt es aber weder eine gesetzliche Grundlage noch entspräche sie dem Umfang des den Schwerbehinderten im SGB IX eingeräumten Schutzes, der ausschließlich auf dem Gedanken des Ausgleichs von behinderungsbedingten Nachteilen fußt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 und 188 S. 2 VwGO. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre eigenen Kosten selbst trägt.