Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 15.12.2004, Az.: 2 B 372/04
Asylbewerberleistung; Einreise; Leistungsmissbrauch; leistungsmissbräuchliche Einreise
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 15.12.2004
- Aktenzeichen
- 2 B 372/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 50228
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1a Nr 1 AsylbLG
Gründe
I. Der 1984 geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 22. August 1999, mit dem LKW kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier einen Asylantrag. Zu dessen Begründung gab er bei der Anhörung am 15. Februar 2000 an, er habe seinen Schulbesuch in seiner Heimatstadt Kabul nicht fortsetzen können. Die Umstände seien sehr schwierig gewesen. Es habe Gewalt geherrscht. Auch sei er persönlich von Taliban geschlagen worden. Er habe den Wunsch, in der Bundesrepublik Deutschland die Schule zu besuchen und eine Ausbildung zu machen. Der Antragsteller zog nach D. zu seiner hier lebenden Schwester, die zur damaligen Zeit als Bäckereiangestellte tätig war.
Seit dem 16. November 1999 erhielt der Antragsteller Leistungen nach § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes - AsylbLG -.
Mit Urteil des beschließenden Gerichts vom 10. Februar 2004 (4 A 4101/00) wurde die auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft nach § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung der Entscheidung führte das Gericht aus, es fehle in Afghanistan an einer staatlichen Gewalt, von der eine politische Verfolgung ausgehen könne. Ein Abschiebungshindernis gemäß § 53 AuslG wurde verneint, weil durch den Runderlass des Nds. Ministeriums für Inneres und Sport vom 6. Januar 2004 die Abschiebung afghanischer Staatsangehöriger nach Afghanistan ausgesetzt sei und der Kläger deshalb des Schutzes nach § 53 Abs. 6 AuslG nicht mehr bedürfe.
Diese Entscheidung nahm die Antragsgegnerin zum Anlass, dem Antragsteller mit Bescheid vom 30. März 2004 ab dem 3. März 2004 nur noch Leistungen gemäß § 1 a Nr. 1 AsylblG zu gewähren. Für eine Einreise des Antragstellers mit dem Ziel, Leistungen nach dem AsylblG zu erlangen, spreche die rechtskräftige Ablehnung seines Asylgesuchs. Ferner sei er über einen sicheren Drittstaat eingereist. Daneben habe der Antragsteller erklärt, sich aufgrund fehlender Zukunftsperspektiven zur Ausreise aus Afghanistan entschlossen zu haben. Daraus sei zu schließen, dass er primär aufgrund fehlender Zukunftsperspektive im Heimatland sowie der schlechten Wirtschafts- und Versorgungslage ausgereist sei. Durch seine in Deutschland lebende Schwester sei ihm bekannt gewesen, dass der Lebensunterhalt in Deutschland durch staatliche Leistungen sichergestellt würde. Da er in Deutschland eine Schule habe besuchen wollen, müsse ihm bewusst gewesen sein, dass er den Lebensunterhalt hier nur durch staatliche Mittel habe sicherstellen können. Unerheblich sei, dass er im Alter von 15 Jahren in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Er habe nämlich klare Vorstellungen für seine Zukunft gehabt.
Hiergegen legte der Antragsteller am 19. April 2004 Widerspruch ein, den die Bezirksregierung Braunschweig mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2004 zurückwies. Am 12. Oktober 2004 hat der Antragsteller dagegen Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen 2 A 341/04 vor er beschließenden Kammer geführt wird.
Am 9. Juli 2004 heiratete der Antragsteller die am 3. Mai 1986 geborene deutsche Staatsangehörige E. F.. Frau F. ist Schülerin der 12. Klasse an der G. schule in D.. Sie erhält finanzielle Unterstützung von ihren Eltern und erzielt ein geringes Einkommen aus Nebentätigkeiten. Der Antragsteller selbst besucht seit dem 25. August 2003 einen Abendrealschulkurs für Erwachsene bei der Volkshochschule D., der am 17. Februar 2005 endet. Es handelt sich um einen Lehrgang des 2. Bildungsweges, der nach fernmündlich eingeholter Auskunft der Mitarbeiterin H. der Volkshochschule nicht nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähig ist.
Am 31. Juli 2004 zog Frau F. in die seinerzeit noch gemeinsam von dem Antragsteller und seiner Schwester genutzte Wohnung ein. Die Schwester des Antragstellers verzog am 1. Oktober 2004 nach Hannover und leistet seitdem nach der anwaltlichen Versicherung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers keine Mietzahlungen mehr.
Wegen der durch die Heirat mit Frau F. und deren Einzug in die gemeinsame Wohnung entstandenen veränderten persönlichen Verhältnisse forderte die Antragsgegnerin vom Antragsteller und dessen Ehefrau ab Juli 2004 diverse Unterlagen, um die Bedürftigkeit des Antragstellers feststellen zu können. In dem vor dem Berichterstatter am 2. Dezember 2004 durchgeführten Erörterungstermins gab die Mitarbeiterin des Fachbereichs Soziales der Antragsgegnerin, Frau I., zu Protokoll, es fehlten nunmehr nur noch Verdienstbescheinigungen der Ehefrau des Antragstellers aus ihren Arbeitsverhältnissen bei der Diskothek J. und bei K.. Diese Unterlagen wurden vom Antragsteller mittlerweile eingereicht. Daneben legt er einen Kontoauszug vom 10. Dezember 2004 vor, aus dem sich ein Kontostand von 2,56 € ergibt.
Ab Juli 2004 leistete die Antragsgegnerin lediglich noch Abschlagszahlungen, da die erforderlichen Unterlagen nicht bzw. nicht vollständig vorgelegt wurden.
Am 8. November 2004 hat der Antragsteller um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Zu Begründung trägt er vor, er erhalte seit 4 Monaten keine Leistungen mehr und habe bei Freunden Schulden in Höhe von ca. 1.000,- €, die er zurückzuzahlen habe. Er sei nicht in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen. Seine Ausreise aus Afghanistan habe vielmehr auf einem Beschluss seiner Familie beruht, denn er sei zu jener Zeit noch ein Kind gewesen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie bestreitet das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Ein zu deckender Bedarf sei mangels Mitwirkung des Antragstellers nicht feststellbar. Unabhängig davon scheide ein Anspruch des Antragstellers in Anwendung von § 26 BSHG aus, da dieser einen Tagesrealschulkurs für Erwachsene besucht und damit eine Ausbildung unternehme, die dem Grunde nach nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähig sei. Selbst wenn der Antragsteller einen sozialhilferechtlich relevanten Bedarf habe und § 26 BSHG nicht einschlägig sei, könnten Unterkunftskosten für den Antragsteller lediglich in Höhe von 1/3 der gezahlten Miete berücksichtigt werden. Denn die Schwester des Antragstellers, die mit diesem bis zu ihrem Auszug in der gemeinsamen Wohnung gelebt habe, habe ihre Kündigung nicht nachgewiesen. Deshalb sei davon auszugehen, dass sie sich nach wie vor an der Miete beteilige. Schließlich habe der Antragsteller, wie sich aus ihrem Bescheid vom 30. März 2004 und dem Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 7. September 2004 ergebe, lediglich einen Anspruch auf Leistungen nach § 1 a AsylblG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Beschlussfassung gewesen.
II. Der Antragsteller hat für seinen auf die Gewährung von Asylbewerberleistungen in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes in gesetzlicher Höhe gerichteten Antrag sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Der Anordnungsgrund, das heißt das Bedürfnis, zur Deckung des Lebensunterhaltes auf gerichtliche Hilfe angewiesen zu sein, scheitert nicht daran, dass der Antragsteller erforderliche Unterlagen nicht vorgelegt hat. Ausgehend von den Erörterungen im Erörterungstermin vom 2. Dezember 2004 sind zum Zeitpunkt der Beschlussfassung alle erforderlichen Unterlagen (Verdienstbescheinigungen der Ehefrau) vorgelegt worden. Daneben hat der Antragsteller einen Kontoauszug für sein bei der Sparkasse D. geführtes Girokonto vorgelegt, dessen Existenz erst nach dem Erörterungstermin bekannt geworden ist. Zwar liegt insoweit nur ein Kontoauszug vor; aus ihm ergibt sich jedoch für den Stichtag 10. Dezember 2004 mit hinreichender Deutlichkeit, dass der Antragsteller nur über ein zu vernachlässigendes finanzielles Guthaben verfügt.
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, denn nach der in diesem auf die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes gerichteten Verfahren allein möglichen, aber auch gebotenen summarischen Rechtsmäßigkeitsprüfung erfüllt der Antragsteller die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylblG.
Der Antragsteller zählt zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 1 Abs. 1 AsylblG, denn er besitzt nach wie vor trotz seiner Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen lediglich eine Duldung nach § 55 des AuslG (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylblG).
Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, gemäß § 2 Abs. 1 AsylblG einen Anspruch auf Asylbewerberleistungen in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes zu haben. Danach ist abweichend von den §§ 3 bis 7 das Bundessozialhilfegesetz auf Leistungsberechtigte entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 erhalten haben, wenn die Ausreise nicht erfolgen kann, und aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, weil humanitäre, rechtliche oder persönliche Gründe oder das öffentliche Interesse entgegenstehen.
Da der Antragsteller seit dem 16. November 1999 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhält, ist die Frist von 36 Monaten erfüllt.
Auch stehen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen oder der freiwilligen Ausreise rechtliche Gründe entgegen. Diese ergeben sich aus dem auch im Urteil der 4. Kammer des beschließenden Gerichts vom 10. Februar 2004 zitierten Runderlass des Nds. Ministeriums für Inneres und Sport vom 6. Januar 2004 (Nds. MinBl., Seite 100), der durch Runderlass vom 19. Juli 2004 (Nds. MinBl., Seite 517) zunächst bis zum 31. Dezember 2004 verlängert worden ist. Demzufolge ist die Abschiebung afghanischer Staatsangehöriger aus humanitären Gründen ausgesetzt.
Der Leistungsgewährung steht nicht § 26 Abs. 1 BSHG entgegen. Danach haben Auszubildende, deren Ausbildung u.a. im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Zwar besucht der Antragsteller einen Abendrealschulkurs für Erwachsene, für den gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG - Ausbildungsförderung geleistet werden kann. Dies setzt jedoch gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 BAföG dem Grunde nach voraus, dass die Ausbildung an einer öffentlichen Einrichtung oder einer genehmigten Ersatzschule durchgeführt wird oder dass es sich gemäß § 2 Abs. 2 BAföG um eine Ergänzungsschule oder nichtstaatliche Hochschule handelt, für die die zuständige Landesbehörde anerkennt, dass der Besuch der Ausbildungsstätte dem Besuch einer in Absatz 1 bezeichneten Ausbildungsstätte gleichwertig ist. Bei der Volkshochschule D. handelt es sich hinsichtlich des vom Antragsteller besuchten Kurses weder um eine öffentliche Einrichtung noch um eine genehmigte Ersatzschule; es fehlt darüber hinaus an einer Gleichwertigkeitsbescheinigung im Sinne von § 2 Abs. 2 BAföG. Mithin ist die Ausbildung des Antragstellers nicht dem Grund nach nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähig.
Schließlich liegen die Voraussetzungen für eine Anspruchseinschränkung nach § 1 a Nr. 1 AsylblG entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht vor. Danach erhalten u.a. Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4, wie der Antragsteller, Leistungen nach diesem Gesetz nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist, wenn sie sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen. Der Antragsteller hat sich voraussichtlich nicht mit dem Ziel, Leistungen nach dem AsylblG zu erhalten, in die Bundesrepublik Deutschland begeben.
Ob von einer leistungsmissbräuchlichen Einreise des Ausländers auszugehen ist, bedarf einer umfassenden Prüfung der Umstände der Einreise. Dabei sind alle für und gegen eine leistungsmissbräuchliche Einreiseabsicht sprechenden Umstände des konkreten Einzelfalles zu würdigen (vgl. Urteile der erkennenden Kammer vom 19.03.2003 - 2 A 2/03 -; und vom 01.09.2003 - 2 A 14/03 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 07.10.2002 - 12 ME 632/02 -; GK-AsylblG, Band 1, § 1 a RN 54 f, 64 ff).
Bei der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles misst die Antragsgegnerin der rechtskräftigen Ablehnung des Asylgesuchs des Antragstellers und dessen Einreise über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland zu hohe Bedeutung bei.
Die Kammer lässt bei ihrer entgegenstehenden Würdigung die Frage offen, ob der Antragsteller in Anbetracht seines Alters zum Zeitpunkt der Einreise von noch nicht einmal 15 Jahren überhaupt fähig war, eine ziel- und zweckgerichtete Handlung vorzunehmen, wie sie § 1 a Nr. 1 AsylblG voraussetzt. Immerhin regelt § 68 Abs. 1 AuslG ein Mindestlebensalter von 16 Jahren für die Handlungsfähigkeit nach diesem Gesetz. Selbst wenn man davon ausginge, dass § 68 Abs. 1 AuslG bei der Anwendung des § 1 a AsylbLG keine Anwendung findet und der Antragsteller im Zeitpunkt seiner Einreise die nötige geistige Reife für einen leistungsmissbräuchlichen Einreiseentschluss gehabt haben sollte, lässt sich ein solcher hier nicht feststellen.
Dagegen spricht zunächst, dass der Antragsteller nicht aus eigenem Entschluss, sondern auf Betreiben seiner in Afghanistan verbliebenen Eltern ausgereist ist. Hinter dem für Minderjährige maßgeblichen Elternwillen treten etwaige eigene Einreisemotive zurück.
Ferner kann die vom Antragsteller bekundete Absicht, in Deutschland die Schule besuchen und eine Ausbildung abzuschließen zu wollen, nicht mit der Absicht gleichgesetzt werden, Leistungen nach dem AsylbLG zu erhalten. Denn diese Absicht muss mindestens mitbestimmendes Motiv für die Einreise gewesen sein. Ein Rückschluss, wie ihn die Antragsgegnerin vornimmt, ist zur Ermittlung der Motivationslage des Antragstellers bei Einreise unzulässig.
Auch sonst liegen gewichtige Indizien für eine leistungsmissbräuchliche Einreise des Antragstellers nicht vor.
So trägt insbesondere nicht die rechtskräftige Ablehnung seines Asylgesuchs mit Urteil der 4. Kammer des beschließenden Gerichts vom 10.Februar 2004 die entgegenstehende Ansicht der Antragsgegnerin (vgl. dazu, dass dies ein Gesichtspunkt für die leistungsmissbräuchliche Einreise sein kann, GK-AsylbLG § 1 a Rdnr. 56). Die Ablehnung dieses Gesuchs beruhte nicht darauf, dass der Antragsteller ein persönliches Verfolgungsschicksal nicht erlitten hat, sondern darauf, dass es in Afghanistan an einem verfolgungsmächtigen Staatsgebilde fehlt, von dem Gefahren im Sinne von Art. 16 a GG oder § 51 Abs. 1 AuslG ausgehen könnten. Auch ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG ist nicht deshalb abgelehnt worden, weil eine konkrete Lebens- oder Leibesgefahr im Falle der Rückkehr des Antragstellers nach Afghanistan konkret nicht bestehe. Die Ablehnung des Rechtsschutzbegehrens insoweit beruhte vielmehr allein auf der Erwägung, dass dem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers durch die geltende Erlassregelung Genüge getan ist. Dies ändert indes nichts an dem Umstand, dass auch jetzt in Afghanistan noch eine unsichere Situation besteht und diese schon gar im Zeitpunkt der Ausreise des Antragstellers aus seiner Heimat bestanden hat. Denn seinerzeit herrschten dort bürgerkriegsähnliche Zustände und eine alltägliche Diskriminierung durch die Taliban. Solche Umstände sprechen indes gegen eine leistungsmissbräuchliche Einreise (vgl. GK-AsylbLG, a.a.O. Rdnr. 69.2, 72).
Schließlich spricht für die Anwendung des § 1 a AsylbLG nicht, dass der Antragsteller zu seiner ebenfalls sozialleistungsbedürftigen Schwester in die Bundesrepublik gereist ist. Der Fall des Antragstellers unterscheidet sich von den klassischen Fällen leistungsmissbräuchlicher Einreise zu sozialhilfebedürftigen Verwandten (vgl. dazu GK-AsylbLG, a.a.O. Rdnr. 66) dadurch, dass seine Schwester zum Zeitpunkt seiner Einreise in einem Arbeitsverhältnis als Bäckereiangestellte stand. Zwar erhielt sie - jedenfalls ab November 1999 - ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von ca. 70 DM. Sie hat jedoch anders als in der gerichtsbekannten Vielzahl der Fälle leistungsmissbräuchlicher Einreise erheblich durch eigenes Einkommen zum Lebensunterhalt beigetragen.
Alles in allem kann nach Würdigung der Einzelfallumstände ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller in der Absicht eingereist ist, Leistungen nach dem AsylblG zu erlangen. Selbst wenn die Einreiseabsicht als nicht endgültig aufzuklären anzusehen wäre, träfe dies die Antragsgegnerin. Denn ihr obliegt die Darlegungslast für den Nachweis leistungsmissbräuchlicher Einreise; gleichsam trifft sie bei Nichterweislichkeit die objektive Beweislast (vgl. GK-AsylblG, § 1 a RN 77).
Bei der Berechnung der dem Antragsteller zustehenden gesetzlichen Leistung hat die Antragsgegnerin zu beachten, dass die vom Antragsteller genutzte Wohnung von diesem und seiner Ehefrau alleine bewohnt wird, die insoweit allein die Mietkosten tragen. Infolgedessen geht es nicht an, für den Antragsteller mit Rücksicht auf das ehemals bestehende Mietverhältnis seiner Schwester lediglich 1/3 der Mietkosten als Bedarf zuzuerkennen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 S. 2 VwGO.