Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 31.01.2020, Az.: 10 UF 16/20
Vereitelung eines Umgangsrechts; Anwendung unmittelbaren Zwanges zur Durchsetzung der Herausgabe eines Kindes
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 31.01.2020
- Aktenzeichen
- 10 UF 16/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 13897
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2020:0131.10UF16.20.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 14.01.2020 - AZ: 618 F 264/20
Rechtsgrundlage
- § 47 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Vereitelt die Kindesmutter die Abholung der Kinder aus der Schule durch den Kindesvater zu einer Zeit, zu der ein Umgang dem Kindesvater zustand und zu der ihr nach der wirksamen Anordnung des Amtsgerichts auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht gänzlich entzogen war, liegen ganz offenkundig die Voraussetzungen dafür vor, auf den ausdrücklich gestellten Antrag des Kindesvaters hin auch die Anwendung unmittelbaren Zwanges zur Durchsetzung der Herausgabe der Kinder zu genehmigen bzw. anzuordnen. (vgl. hierzu auch die weiteren zur Veröffentlichung bestimmten Senatsentscheidungen in den Verfahren 10 UF 270/19, 10 UF 10/20 und 10 WF 186/19)
Tenor:
Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 14. Januar 2020 in der Fassung der Ergänzung vom 16. Januar 2020 wird, soweit sie sich gegen die Billigung der Anwendung von Zwangsmitteln im Rahmen einer Vollstreckung mit Ergänzungsbeschluss vom 16. Januar 2020 wendet, auf ihre Kosten als jedenfalls unbegründet zurückgewiesen und im Übrigen als unzulässig verworfen.
Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren sowie - insofern in amtswegiger Änderung der amtsgerichtlichen Wertfestsetzung - für das erstinstanzliche Verfahren auf jeweils 1.500 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Kindeseltern streiten vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Hannover in einer Vielzahl von Verfahren um verschiedene, ihre gemeinsamen Kinder betreffende Angelegenheiten. Die elterliche Sorge wurde bis zuletzt gemeinsam ausgeübt; hinsichtlich des streitigen Aufenthalts der Kinder hatten die Kindeseltern in zwei Verfahren betreffend die elterliche Sorge am 10. Januar 2019 sowie am 5. Dezember 2019 jeweils zu Protokoll Vereinbarungen über einen wöchentlichen Wechsel der Kinder abgeschlossen, die das Amtsgericht mit Beschluss vom 9. Dezember 2019 familiengerichtlich gebilligt hat; zugleich hat es die Beteiligten auf die Folgen etwaiger Zuwiderhandlungen hingewiesen.
Gegen diesen Billigungsbeschluss hat die - insofern von anderen Verfahrensbevollmächtigten vertretene - Kindesmutter Beschwerde eingelegt, die der Senat mit parallelem Beschluss zurückgewiesen hat.
Nachdem die Kindesmutter wiederholt gegen die - ungeachtet ihrer Beschwerdeeinlegung - wirksame Vereinbarung verstoßen und die Kinder in der Betreuungszeit des Kindesvaters diesem vorenthalten hatte, hat der Kindesvater die vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts allein auf sich sowie die Anordnung der Herausgabe der Kinder an ihn im Wege einstweiliger Anordnung beantragt. Dem hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 14. Januar 2020 ohne vorherige mündliche Anhörung entsprochen und die sofortige Wirksamkeit angeordnet. Nachdem sich die Kindesmutter der Vollstreckung dieses ebenfalls wirksamen Beschlusses tätlich widersetzte und der Kindesvater am 16. Januar 2020 nachmittags in der Schule demzufolge auch in Anwesenheit der von der Schule hinzugezogenen Polizei nicht die vereinbarungsgemäße Herausgabe der Kinder bewirken konnte, hat das Amtsgericht den Beschluss am selben Tage gegen 15:00 Uhr dahin ergänzt, dass den Vollzugsorganen für die Durchsetzung der Herausgabe auch die Anwendung von Zwang/Gewalt gestattet wurde.
Für die Kindesmutter hat sich ebenfalls am Nachmittag des 16. Januar 2020 die nunmehrige Verfahrensbevollmächtigte gemeldet und Antrag auf mündliche Anhörung gestellt. Sie hat zugleich - allerdings ohne jegliche Begründung - die zuständige Amtsrichterin wegen Befangenheit abgelehnt.
Nach dem tatsächlich erfolgten Wechsel der Kinder zum Kindesvater im Verlaufe des 16. Januar 2020 hat die Kindesmutter gegen die Anordnung unmittelbaren Zwangs sofortige Beschwerde eingelegt und den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 93 FamFG dahin begehrt, dass die Anwendung unmittelbaren Zwanges aufgehoben, die Herausgabe an die Kindesmutter angeordnet und die Vollstreckung des Beschlusses vom 14. Januar 2020 im Übrigen einstweilen eingestellt werden solle. Diese Beschwerde hat sie sowohl beim Amtsgericht, als auch noch einmal beim Senat angebracht, der die Akten daraufhin angezogen hat.
II.
Die Beschwerde ist jedenfalls unzulässig, soweit sie sich gegen mehr als die mit Ergänzungsbeschluss vom 16. Januar 2020 ausgesprochene Billigung bzw. Anordnung der Anwendung von unmittelbarem Zwang im Rahmen einer Zwangsvollstreckung als einer möglichen Maßnahme der Vollstreckung im Sinne von § 87 FamFG wendet und insbesondere eine weitergehende Regelung durch den Senat begehrt, da die Voraussetzungen des § 93 FamFG insofern ersichtlich nicht vorliegen. Im Übrigen kann hier auch dahinstehen, ob es sich bei der durch einen Ergänzungsbeschluss in die Sachentscheidung aufgenommenen Billigung überhaupt um eine gesondert anfechtbare Vollstreckungsentscheidung handelt und die insofern allenfalls zulässige sofortige Beschwerde nach dem tatsächlich erfolgten Wechsel der Kinder in die Obhut des Kindesvaters noch unzulässig geworden ist, da sie jedenfalls unbegründet ist.
Das Amtsgericht hatte den am 9. Dezember 2019 von den Kindeseltern im einstweiligen Anordnungsverfahren betreffend die elterliche Sorge (erneut) geschlossenen Vergleich dahin, dass der Aufenthalt der Kinder bei ihnen wochenweise abwechselnd, beginnend jeweils montags nach der Kita bzw. der Schule durch Abholung des jeweiligen Elternteils, erfolgen sollte, ausdrücklich familiengerichtlich gebilligt, so dass diese Regelung verbindlich und wirksam geworden ist. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Kindesmutter, die ohnehin keinen Einfluss auf die Wirksamkeit hatte, hat der Senat mit parallelem Beschluss zurückgewiesen. Dabei waren ausgehend von dem in der Vereinbarung vom 10. Januar 2019 festgehaltenen Beginn während der zweiten Kalenderwoche 2019 bei der Kindesmutter die Zeiten jeweils ab Montagmittag in den ungeraden Kalenderwochen der Jahre 2019 und 2020 dem Kindesvater zugewiesen, so insbesondere auch die Wochen ab dem 16. Dezember 2019 sowie ab dem 13. Januar 2020, in denen die Kindesmutter die Kinder dem Kindesvater jedoch unberechtigt vorenthielt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Kindesmutter gerade erst im Termin vom 9. Dezember 2019 diese Regelung noch ausdrücklich bekräftigt hatte, war damit einer Fortdauer der getroffenen Vereinbarung jegliche Grundlage entzogen, so dass das Amtsgericht völlig zutreffend dem Antrag des Kindesvaters auf Beendigung des bisherigen Zustandes durch Beschluss vom 14. Januar 2020 mit Erlass einer einstweiligen Anordnung - zunächst ohne mündliche Verhandlung - entsprochen hat, ihm das bislang in der vereinbarten Form gemeinsam ausgeübte Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zu übertragen, damit zugleich das Wechselmodell zu beenden und die Herausgabe der Kinder an den Kindesvater sowie die sofortige Wirksamkeit anzuordnen.
Nachdem das Amtsgericht am 16. Januar 2020 gegen 14:35 Uhr davon Kenntnis erhielt, dass die Kindesmutter seit 13:00 Uhr die Abholung der Kinder aus der Schule durch den Kindesvater vereitelte - also zu einer Zeit, zu der ihr bereits nach der ursprünglichen Vereinbarung sowohl eine Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes als auch nur ein Umgang mit den Kindern untersagt war und zu der ihr nach der wirksamen und ihr am 16. Januar 2020 auch bereits zugestellten einstweiligen Anordnung vom 14. Januar 2020 das Aufenthaltsbestimmungsrecht gänzlich entzogen war und sie weitergehend sogar zur Herausgabe der Kinder verpflichtet war, lagen ganz offenkundig die Voraussetzungen dafür vor, auf den ausdrücklich gestellten Antrag des Kindesvaters hin auch die Anwendung unmittelbaren Zwanges zur Durchsetzung der (sorgerechtlichen) Herausgabe der Kinder zu genehmigen bzw. anzuordnen. Dieser Beschluss ist vom Amtsgericht alsbald in schriftlicher Form erlassen und ausweislich des bei der Akte befindlichen Fax-Protokolls (Bl. 21 d. A.) um 16:15 Uhr der örtlichen Polizei übermittelt worden. Insofern war die zuständige Amtsrichterin auch keinesfalls an dem Erlass dieser Maßnahme durch eine beachtliche Befangenheitsablehnung der Kindesmutter gehindert. Denn in dem Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter vom 16. Januar 2020, mit dem Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt und eine Befangenheitsablehnung erklärt wurde, lag von vornherein kein zulässiges Ablehnungsgesuch im Sinne von §§ 6 FamFG, 44 ZPO vor, da es an jeglicher Begründung fehlte (vgl. nur Zöller33-G. Vollkommer, ZPO § 44 Rz. 4 m.w.N.).
III.
Für das weitere Verfahren im Hinblick auf die von der Kindesmutter beantragte Neuentscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung weist der Senat im Hinblick auf die weiteren Ausführungen des Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter darauf hin, dass eine solche bis zum rechtskräftigen Abschluss des (nunmehr näher begründeten) Ablehnungsgesuchs der Kindesmutter gegen die zuständige Abteilungsrichterin nicht möglich sein wird, da es sich insofern nicht um eine unaufschiebbare Amtshandlung im Sinne von § 47 ZPO handelt und der abgelehnte Richter erst mit der gerichtlichen Erklärung seiner Ablehnung als begründet aus dem Verfahren ausscheidet; ein - allerdings offenbar vom Vertreter der Kindesmutter erwartetes - vorheriges Tätigwerden des geschäftsplanmäßigen Vertreters ist gesetzlich auch in einem Eilverfahren nicht vorgesehen.