Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.01.2020, Az.: 10 WF 186/19

Beschwerde gegen den ein Befangenheitsgesuch gegen eine Sachverständige zurückweisenden Beschluss; Wechselseitige Entbindung einer Beratungsstelle von der Schweigepflicht

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
28.01.2020
Aktenzeichen
10 WF 186/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 13893
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2020:0128.10WF186.19.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 05.11.2019 - AZ: 618 F 5185/18

Amtlicher Leitsatz

Die Ablehnung einer Sachverständigen kann nicht darauf gestützt werden, dass diese sich nach dem Scheitern der bei einem Dritten vereinbarten Elterngespräche dort nach dem Grund des Scheiterns erkundigt hat, wenn die Kindeseltern im Rahmen einer zwischen ihnen getroffenen wechselseitigen Vereinbarung diese Beratungsstelle wechselseitig von der Schweigepflicht entbunden haben. (vgl. hierzu auch die weiteren zur Veröffentlichung bestimmten Senatsentscheidungen in den Verfahren 10 UF 270/19, 10 UF 10/20 und 10 UF 16/20)

Tenor:

Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den ihr Befangenheitsgesuch gegen die Sachverständige G. G. zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 5. November 2019 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Kindeseltern streiten vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Hannover in einer Vielzahl von Verfahren um verschiedene, ihre gemeinsamen Kinder betreffende Angelegenheiten. Die elterliche Sorge wurde zunächst weiter gemeinsam ausgeübt; hinsichtlich des - auch wiederholt in Verfahren der einstweiligen Anordnung betreffend das Aufenthaltsbestimmungsrechts - streitigen Aufenthalts der Kinder hatten die Kindeseltern in zwei Verfahren betreffend die elterliche Sorge am 6. Dezember 2018, am 10. Januar 2019 sowie am 5. Dezember 2019 jeweils zu Protokoll Vereinbarungen über einen wöchentlichen Wechsel der Kinder abgeschlossen, die das Amtsgericht mit Beschluss vom 9. Dezember 2019 familiengerichtlich gebilligt hat; zugleich hat es die Beteiligten auf die Folgen etwaiger Zuwiderhandlungen hingewiesen. Im ausführlichen Anhörungstermin zum vorliegenden Hauptsacheverfahren betreffend die elterliche Sorge hat die insofern vom Amtsgericht hinzugezogene Sachverständige G. teilgenommen und auf ihr gestellte Fragen eine vorläufige Stellungnahme abgegeben. Im Anschluss daran haben die - jeweils anwaltlich vertretenen - Beteiligten die bereits angesprochene Vereinbarung geschlossen, mit der sie sich u.a. auf die Fortdauer des näher bestimmten wöchentlichen Aufenthaltswechsels der Kinder einigten. Beide Kindeseltern haben sodann - wozu sie sich in der Vereinbarung ausdrücklich verpflichtet hatten - die Sachverständige G. sowie die Beratungsstelle der A. bzw. des W.-Instituts, bei der vereinbarungsgemäß eine Beratung der Eltern durchzuführen war, wechselseitig von der Schweigepflicht entbunden. Ein neuer Termin sollte in der Folge auf entsprechenden Antrag der Beteiligten anberaumt werden. Über die Anhörung sowie die Ausführungen der Sachverständigen sind ein Protokoll sowie ein ausführlicher Vermerk erstellt und den Beteiligten zugeleitet worden.

Erstmals im Juli machte die Kindesmutter schriftsätzlich geltend, dass aus ihrer Sicht eine Fortsetzung des abwechselnden Aufenthalts der Kinder in beiden elterlichen Haushalten nicht sinnvoll erscheine. Nach wechselseitigen Stellungnahmen der Kindeseltern im Rahmen der Fortsetzung des Verfahrens hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 8. Oktober 2019 sodann die Einholung eines umfassenden schriftlichen Gutachtens der zuvor bereits tätigen Sachverständigen angeordnet. Daraufhin hat die Kindesmutter mit Anwaltsschriftsatz vom 22. Oktober 2019 die Anberaumung einer erneuten Anhörung beantragt und die Auffassung vertreten, es sei im Wege einstweiliger Anordnung ein Aufenthalt der Kinder bei der Kindesmutter anzuordnen. Nachdem das Amtsgericht darauf hingewiesen hatte, dass es eine erneute Anhörung vor Erstellung des in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens nicht für sinnvoll erachte und eine etwaige Eilentscheidung in einem gesonderten Verfahren zu beantragen sei, hat die Kindesmutter mit Anwaltsschriftsatz vom 25. Oktober 2019 die Sachverständige als befangen abgelehnt. Sie stützt ihre Ablehnung darauf, dass sich die Sachverständige nach dem Scheitern der bei der A. vereinbarten Elterngespräche dort nach dem Grund dafür erkundigt habe. Darin sieht sie eine einseitige Parteinahme zugunsten des Kindesvaters. Eine solche einseitige Parteinahme ergebe sich weiter aus den Ausführungen der Sachverständigen im Anhörungstermin vom 10. Januar 2019.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 5. November 2019, auf den auch zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, das Befangenheitsgesucht als unbegründet zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Kindesmutter, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

Parallel zum vorliegenden Beschwerdeverfahren hat das Amtsgericht nach wiederholten massiven Verstößen der Kindesmutter gegen die bestehende Regelung zum Aufenthalt der Kinder mit Beschluss vom 14. Januar 2020 im Wege einstweiliger Anordnung ohne vorherige mündliche Verhandlung dem Kindesvater das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein übertragen und die Herausgabe der Kinder an diesen angeordnet. Seit 16. Januar 2020 leben die Kinder demzufolge im Haushalt des Kindesvaters. Die Durchführung der von der Kindesmutter beantragen mündlichen Verhandlung im besagten Anordnungsverfahren kann erst nach der Erledigung des von der Kindesmutter über ihre neuen Verfahrensbevollmächtigten eingelegten Befangenheitsgesuchs gegen die zuständige Amtsrichterin erfolgen.

Auch im vorliegenden Verfahren haben sich die im Rubrum angegebenen neuen Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter legitimiert und vorab um Akteneinsicht nachgesucht. Sie haben zugleich unter Bezugnahme auf die Begründung im Anordnungsverfahren gegen die zuständige Amtsrichterin auch in diesem Hauptsacheverfahren ein Befangenheitsgesuch angebracht.

II.

Den neuen Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren keine Akteneinsichtnahme zu gewähren, weil die Kindesmutter durch ihre bisherigen Verfahrensbevollmächtigten bis in das Beschwerdeverfahren abschließend vertreten war und neues Vorbringen betreffend das vom Amtsgericht bereits zurückgewiesene Befangenheitsgesuch gegen die Sachverständige ausgeschlossen ist.

III.

Die zulässige Beschwerde der Kindesmutter kann in der Sache keinen Erfolg haben. Mit zutreffenden Erwägungen, denen der Senat ausdrücklich beitritt, hat bereits das Amtsgericht das Befangenheitsgesuch gegen die Sachverständige zurückgewiesen.

Lediglich ergänzend ist insofern Folgendes auszuführen:

Das Befangenheitsgesucht ist bereits unzulässig, soweit es auf ein Verhalten der Sachverständigen im Anhörungstermin am 10. Januar 2019 gestützt werden soll, da die Beteiligten nach der entsprechenden Stellungnahme der Sachverständigen zur Sache verhandelt und eine Vereinbarung abgeschlossen haben. Im Übrigen wird auch insofern von der Kindesmutter kein Verhalten der Sachverständigen aufgezeigt, welches bei einer vernünftigen Verfahrensbeteiligten den Verdacht einer Voreingenommenheit rechtfertigen könnte.

Eine Befangenheit der Sachverständigen ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass sie sich - entsprechend der von den Kindeseltern sogar ausdrücklich zu Protokoll erklärten Schweigepflichtsentbindung - bei der A. zum Stand bzw. Scheitern der dort vereinbarten Elterngespräche erkundigt hat.

IV.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Aufgrund des Befangenheitsgesuches der Kindesmutter gegen die zuständige Amtsrichterin wird auch das vorliegende Hauptsacheverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des diesbezüglichen Zwischenverfahrens nicht betrieben werden können. Anschließend wird das Amtsgericht im Hinblick auf die zwischenzeitlichen Entwicklungen und Erkenntnisse vor der weiteren Umsetzung des Gutachtensauftrages zu prüfen haben, ob und ggf. unter welcher Fragestellung es (noch) der ursprünglich in Auftrag gegeben Begutachtung bedarf. Dies gilt umso mehr, als nach dem bisherigen Verfahrensverhalten der Kindesmutter erhebliche Zweifel daran bestehen, dass diese an einer entsprechenden Begutachtung durch die beauftragte Sachverständige mitzuwirken bereit ist.