Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 09.07.2008, Az.: L 2 KN 5/08
Rückwirkende Neuberechnung einer gewährten Altersrente unter weitergehender Berücksichtigung polnischer Beitragszeiten nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X); Bestimmung der Anlagen zum Fremdrentengesetz (FRG) als maßgebend für die Bewertung polnischer Versicherungszeiten
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 09.07.2008
- Aktenzeichen
- L 2 KN 5/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 19123
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2008:0709.L2KN5.08.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 44 SGB X
- Art. 4 Abs. 2 DPSVA 75
Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. Dezember 2007 und der Bescheid der Beklagten vom 30. April 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2003 werden geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, die dem Kläger gewährte Altersrente rückwirkend ab dem 1. Januar 1998 unter Abänderung des Rentenbescheides vom 20. März 1995 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23. August 1996 und 2. Juni 1998 mit der Maßgabe neu zu berechnen, dass a) die Zeiträume vom 21. Januar 1951 bis zum 14. März 1954, vom 23. März 1954 bis zum 31. Juli 1958 und vom 1. November 1958 bis zum 19. Dezember 1959 nicht nur als glaubhaft gemachte, sondern als nachgewiesene Beitragszeiten berücksichtigt werden und b) die Beitragszeiten vom 1. Februar 1956 bis zum 31. Juli 1958 und vom 1. September 1962 bis zum 30. August 1963 der Leistungsgruppe 3 für Angestellte im Sinne der Anlage 1 zum Fremdrentengesetz zugeordnet werden.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der am 31. August 1933 geborene Kläger begehrt im Wege eines Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X eine Neuberechnung der ihm gewährten Altersrente unter weitergehender Berücksichtigung polnischer Beitragszeiten.
Der aus Polen stammende Kläger hat ausweislich des ihm erteilten Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge A seit der Übersiedlung am 10. Dezember 1980 seinen ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet.
Zuvor hatte sich sein beruflicher Werdegang in Polen wie folgt gestaltet: Vom 1. September 1948 bis zum 20. Januar 1951 durchlief der Kläger eine Berufsausbildung zum Elektroinstallateur, anschließend bis Juli 1951 war er als Elektrohilfsarbeiter und nachfolgend bis zum 7. August 1955 als Elektriker beruflich tätig. Neben dieser beruflichen Tätigkeit besuchte der Kläger das Abendtechnikum für Berufstätige, welches er mit dem Abitur und der Technikerprüfung abschloss.
In der Zeit ab dem 8. August 1955 war der Kläger als sog. Obertechniker in einem Grobblechwalzwerk tätig, wobei er insbesondere mit der Optimierung der Walzvorgänge betraut war. Vom 1. Februar 1956 bis zum 31. Juli 1958 war der Kläger in dem Walzwerk als Ausrüstungsmeister tätig und leitete eine aus einem Hilfsmeister, drei Vorarbeitern, zwei Schleifern, einem Kranfahrer, zwei Schlossern und 14 Arbeitern bestehende Abteilung. Zu deren Aufgaben gehörte insbesondere die termingerechte Bereitstellung und Instandsetzung der Walzwerksätze.
Nach einer dreimonatigen Beschäftigungslosigkeit war der Kläger von November 1958 an wieder als Elektromonteur tätig. Von September 1962 bis Oktober 1963 arbeitete er als Abteilungsleiter für die Stadtstraßenbeleuchtung. Ihm waren ein Meister, vier Vorarbeiter, Handwerker, Fahrer und 15 Monteure unterstellt. Von November 1963 an war der Kläger als Betriebsleiter bzw. Betriebsingenieur tätig.
Für die Zeit ab dem 20. Dezember 1959 verfügt der Kläger über ein polnisches Legitimationsbuch; Zeiten der Arbeitsunfähigkeit von mindestens einem Monat Dauer sind dort nicht ausgewiesen.
Mit Rentenbescheid vom 20. März 1995 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23. August 1996 und 2. Juni 1998 gewährte die Beklagte dem Kläger ab Januar 1995 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.
Dabei berücksichtigte sie den Zeitraum vom 1. September 1948 bis zum 20. Januar 1951 als nachgewiesene Zeit der Berufsausbildung. Die Zeiträume vom 21. Januar 1951 bis zum 14. März 1954, vom 23. März 1954 bis zum 31. Juli 1958 und vom 1. November 1958 bis zum 19. Dezember 1959 wurden lediglich als glaubhaft gemachte Beitragszeiten berücksichtigt, und zwar die Zeiträume vom 21. Januar bis 31. Juli 1951 in der Leistungsgruppe 3, vom 1. bis 31. August 1951 in der Leistungsgruppe 2 und vom 1. September 1951 bis zum 14. März 1954 in der Leistungsgruppe 1 für Arbeiter unter Tage. Der Zeitraum vom 23. März 1954 bis zum 7. August 1955 wurde der Leistungsgruppe 1 für Arbeiter (über Tage) außerhalb der Land- und Forstwirtschaft und der nachfolgende Zeitraum vom 8. August 1955 bis zum 31. Juli 1958 der Leistungsgruppe 4 für Angestellte zugeordnet.
Der Zeitraum vom 1. November 1958 bis zum 31. August 1962 wurde wiederum in die Leistungsgruppe 1 für Arbeiter (über Tage) außerhalb der Land- und Forstwirtschaft eingruppiert. Die folgende Zeitspanne vom 1. September 1962 bis 30. August 1963 stufte die Beklagte nach der Leistungsgruppe 4 für Angestellte ein. Den nachfolgenden Zeitraum vom 31. August 1963 bis zum 1. Mai 1975 bewertete die Beklagte nach der Leistungsgruppe 3 für Angestellte, die Folgezeit bis zur Ausreise nach der Leistungsgruppe 1 für Arbeiter (über Tage) außerhalb der Land- und Forstwirtschaft.
Ab dem 11. Dezember 1980 weist das Versicherungskonto Beitragszeiten zur deutschen Rentenversicherung auf.
Vom Kläger gegen den o.g. Rentenbescheid eingelegte Rechtsbehelfe blieben (abgesehen von der mit Änderungsbescheid vom 2. Juni 1998 erfolgten Rentenneufeststellung) ohne Erfolg. Mit Beschluss vom 7. Dezember 1998 hat der 1. Senat des Gerichts (L 1 KN 2/98) die damalige Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat er insbesondere ausgeführt, dass in die Leistungsgruppe 3 für Angestellte grundsätzlich nur Versicherte ab dem 30. Lebensjahr einzustufen seien, da sie erst dann die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen besäßen. Soweit der Kläger eine unzureichende Berücksichtigung seines tatsächlich in Polen bezogenen Einkommens beanstande, übersehe er, dass das FRG darauf nicht abstelle, sondern eine Bewertung der im Vertreibungsland zurückgelegten Versicherungszeiten nach pauschalierten Tabellenwerten vorsehe.
Für den Zeitraum vor dem 19. Dezember 1959 habe der Kläger mangels Vorlage eines Legitimationsbuches auch nicht bewiesen, dass die Versicherungszeiten nicht durch Anrechnungszeiten oder andere Zeiträume unterbrochen gewesen seien.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat das BSG mit Beschluss vom 1. Februar 2000 (B 8 KN 1/99 B) mit der Begründung zurückgewiesen, dass sich der geltend gemachte Verfahrensfehler nicht habe feststellen lassen.
Im April 2002 begehrte der Kläger eine Neufeststellung seiner Altersrente. Die Beklagte lehnte dieses Begehren mit Bescheid vom 30. April 2003 ab.
Zur Begründung seines am 13. Mai 2003 eingelegten Widerspruchs machte der Kläger insbesondere geltend, dass er für die Zeit nach erfolgreichem Abschluss der Weiterbildung zum Techniker vom 8. August 1955 bis zum 31. Juli 1958 nicht schlechter eingestuft werden dürfe als zuvor als Arbeiter. Vom 1. September 1962 bis zum 1. Mai 1975 sei er zunächst als Abteilungsleiter und nachfolgend als Betriebsingenieur bzw. Betriebsleiter bzw. als Elektroenergetiker tätig geworden.
Darüber hinaus habe die Beklagte versäumt, seine zahlreichen Überstunden und Bereitschaftsdienste sowie ihm gewährte Zulagen als Kraftfahrer zu berücksichtigen. Es habe sich dabei zwar nicht um eine zweite Arbeitsstelle gehandelt, sein Einkommen sei jedoch im Ergebnis erheblich höher gewesen als das eines Hochschulabsolventen.
Der Zeitraum bis zum 19. Dezember 1959 müsse in vollem Umfang angerechnet werden. Er sei nie in nennenswertem Umfang krank gewesen. Im Übrigen hätten im Hüttenwesen selbst Krankheitszeiten von bis zu dreimonatiger Dauer den Lohnanspruch und die Mitgliedschaft in der polnischen Rentenversicherung nicht berührt.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 18. Juli 2003 zurück. Der Kläger habe keine Gründe dargetan, die die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes belegen könnten.
Zur Begründung der am 7. August 2003 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass er so gestellt werden müsse, als ob er sein Arbeitsleben im Bundesgebiet zurückgelegt habe. Die Beklagte habe seine Qualifikation als Obertechniker und Meister nicht ausreichend berücksichtigt, als Betriebsingenieur bzw. Betriebsleiter sei er für die operative Leitung des Betriebes zuständig gewesen.
Seine große Zahl an Überstunden und Bereitschaftsdiensten sei vernachlässigt worden; bei der Annahme nur glaubhaft gemachter Versicherungszeiten für den Zeitraum bis zum 20. Dezember 1959 habe die Beklagte die Bestätigung dieser Zeiten durch den polnischen Versicherungsträger außer Acht gelassen. Polnische Versicherungszeiten seien auch für Januar 1981 nachgewiesen.
Mit Urteil vom 18. Dezember 2007 hat das Sozialgericht Hannover die Klage unter Bezugnahme insbesondere auf die Begründung des Widerspruchsbescheides abgewiesen.
Gegen dieses ihm am 12. Januar 2008 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 29. Januar 2008. Der Kläger wiederholt und vertieft sein Vorbringen. Der Kläger fordert in erster Linie eine Bewertung der in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten nach Maßgabe des dort tatsächlich von ihm erzielten Einkommens (wohl in Relation zum jeweiligen polnischen Durchschnittseinkommen). Jedenfalls seien die zahlreichen Unterlagen und Dokumente nur unzureichend berücksichtigt worden.
Die von ihm geleistete Mehrarbeit müsse einer berücksichtigungsfähigen Zweittätigkeit gleichgesetzt werden.
Der Kläger beantragt,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. Dezember 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 30. April 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2003 aufzuheben und
- 2.
die Beklagte zu verpflichten, die ihm gewährte Altersrente rückwirkend ab dem 1. Januar 1998 unter Abänderung des Rentenbescheides vom 20. März 1995 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23. August 1996 und 2. Juni 1998 mit der Maßgabe neu zu berechnen, dass
- a)
die Zeiträume vom 21. Januar 1951 bis zum 14. März 1954, vom 23. März 1954 bis zum 31. Juli 1958 und vom 1. November 1958 bis zum 19. Dezember 1959 nicht nur als glaubhaft gemachte, sondern als nachgewiesene Beitragszeiten berücksichtigt werden und
- b)
die Beitragszeiten vom 8. August 1955 bis zum 31. Juli 1958 und vom 1. September 1962 bis zum 30. August 1963 der Leistungsgruppe 3 für Angestellte im Sinne der Anlage 1 zum Fremdrentengesetz zugeordnet werden,
- c)
die Beitragszeiten vom 1. November 1963 bis zum 1. Mai 1975 der Leistungsgruppe 1, hilfsweise der Leistungsgruppe 2 für Angestellte im Sinne der Anlage 1 zum Fremdrentengesetz zugeordnet werden,
- d)
für den Zeitraum vom 11. Dezember 1980 bis zum 31. Januar 1981 an Stelle der zuerkannten deutschen Versicherungszeiten die vom polnischen Versicherungsträger bestätigten Beitragszeiten berücksichtigt werden,
- e)
die Bewertung aller in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten unter Berücksichtigung des tatsächlich erhaltenen Zusatzverdienstes für geleistete Überstunden und Bereitschaftsdienste und erhaltener Kraftfahrerzulagen erfolgt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach Auffassung der Beklagten ergibt sich aus der zum 1. Juli 1990 wirksam gewordenen Änderung des Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zum deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen 1975 (DPSVA 1975) (durch Art. 20 Nr. 2 Rentenreformgesetz 1992), dass polnische Abkommenszeiten nur noch nach Maßgabe des Fremdrentenrechts anzurechnen seien. Im Hinblick auf § 22 Abs. 3 FRG sei daher zu prüfen, ob eine geltend gemachte polnische Beitragszeit tatsächlich nachgewiesen sei. Ein solcher Nachweis könne nur mit den mit Schriftsatz vom 6. Juni 2008 benannten Beweismitteln geführt werden. Solche geeigneten Nachweise lägen für den Zeitraum bis zum 19. Dezember 1959 nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Der auf § 44 SGB X gestützte auf eine Neufeststellung der Rente gerichtete Überprüfungsantrag vom April 2002 erweist sich nur teilweise als begründet.
Der Kläger hat seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland vor dem 1. Januar 1991 genommen, so dass sich seine Ansprüche hinsichtlich der in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten noch nach dem DPSVA 75 richten. Nach Art. 4 Abs. 2 DPSVA 75 berücksichtigt der Träger des jeweiligen Wohnsitzstaates bei der Feststellung der Rente nach den für ihn geltenden Vorschriften Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten im anderen Staat so, als ob sie im Gebiet des ersten Staates zurückgelegt worden wären. Diese Zeiten sind gemäß Art. 2 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes zum DPSVA 75 vom 12. März 1976 (BGBl. II 393) in der Fassung durch Art. 20 Nr. 2 und 3 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989 (RRG 1992, BGBl. I 2261) bei Feststellungen einer Rente nach dem 30. Juni 1990 in unmittelbarer Anwendung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG), dessen Art 1 das FRG bildet, zu berücksichtigen. Da dem Kläger bereits vor dem 1. Januar 1996 ein Rentenanspruch zustand, sind der Rentenberechnung nach Art 6 § 4 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 5 FANG weiterhin die Vorgaben der Anlagen zum FRG zugrunde zu legen.
1.
Soweit der Kläger eine Höhergruppierung von Beitragszeiten, die er in Polen als Angestellter zurückgelegt hat, in Anwendung der Anlage 1 zum FRG begehrt, dringt er mit seinem Begehren - bezogen auf den nach § 44 Abs. 4 S. 2 SGB X in Betracht kommenden Rentenbezugszeitraum ab Januar 1998 - nur in Teilen durch.
a)
Für die Zeiträume vom 1. Februar 1956 bis zum 31. Juli 1958 und vom 1. September 1962 bis zum 30. August 1963 steht dem Kläger eine Zuordnung zur Leistungsgruppe 3 für Angestellte im Sinne der Anlage 1 zum Fremdrentengesetz zu.
Nach § 22 Abs. 1 i.V.m. der Anlage 1 zum Fremdrentengesetz (FRG) sind bei ausländischen Versicherungsträgern zurückgelegte Beitragszeiten als Angestellter fünf Leistungsgruppen zuzuordnen. Diese werden im Ausgangspunkt in der Anlage 1 zum FRG wie folgt definiert:
aa)
Leistungsgruppe 1: Angestellte in leitender Stellung mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnis.
bb)
Leistungsgruppe 2: Angestellte mit besonderen Erfahrungen und selbständigen Leistungen in verantwortlicher Tätigkeit mit eingeschränkter Dispositionsbefugnis, die Angestellte anderer Tätigkeitsgruppen einzusetzen und verantwortlich zu unterweisen haben. Außerdem Angestellte, die als Obermeister, Oberrichtmeister oder Meister mit hohem beruflichem Können und besonderer Verantwortung großen Werkstätten oder Abteilungen vorstehen.
cc)
Leistungsgruppe 3: Angestellte mit mehrjähriger Berufserfahrung oder besonderen Fachkenntnissen und Fähigkeiten oder mit Spezialtätigkeiten, die nach allgemeiner Anweisung selbständig arbeiten, jedoch keine Verantwortung für die Tätigkeit anderer tragen. Außerdem Angestellte mit qualifizierter Tätigkeit, die die fachlichen Erfahrungen eines Meisters, Richtmeisters oder Gießereimeisters aufweisen, bei erhöhter Verantwortung größeren Abteilungen vorstehen und denen Aufsichtspersonen oder Hilfsmeister unterstellt sind.
dd)
Leistungsgruppe 4: Angestellte ohne eigene Entscheidungsbefugnis in einfacher Tätigkeit, deren Ausübung eine abgeschlossene Berufsausbildung oder durch mehrjährige Berufstätigkeit, den erfolgreichen Besuch einer Fachschule oder durch privates Studium erworbene Fachkenntnisse voraussetzt. Außerdem Angestellte, die als Aufsichtspersonen einer kleineren Zahl von überwiegend ungelernten Arbeitern vorstehen, sowie Hilfsmeister, Hilfswerkmeister oder Hilfsrichtmeister.
ee)
Leistungsgruppe 5: Angestellte in einfacher schematischer oder mechanischer Tätigkeit, die keine Berufsausbildung erfordert.
Diese allgemeinen Einordnungsvorschriften hat der Gesetzgeber in der Anlage 1 zum FRG um Regelbeispiele ergänzt: Sofern sich aus den Merkmalen der ausgeübten Beschäftigung nicht die Einstufung in eine andere Leistungsgruppe ergibt, sollen beispielsweise Betriebsingenieure bis zum Alter von 30 Jahren der Leistungsgruppe 4, Techniker und Betriebsingenieure im Alter von 30 bis 45 Jahren der Leistungsgruppe 3 und im Alter von über 45 Jahren der Leistungsgruppe 2 zugeordnet werden. Dabei hat der Gesetzgeber aber mit klaren Gesetzeswortlaut ("Ergibt sich nicht nach den Merkmalen der ausgeübten Beschäftigung die Einstufung in eine andere Leistungsgruppe ...") deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die im Einzelfall ausgeübte Beschäftigung im ersten Schritt an den dargelegten allgemeinen Einordnungsvorschriften für die fünf Leistungsgruppen zu messen sind. Erst wenn dieser Schritt zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, ist die Einordnung nach Maßgabe der Regelbeispiele vorzunehmen.
Die Einstufung nach den Beschäftigungsmerkmalen der Definition hat damit Vorrang vor der Einstufung nach der Berufsbezeichnung. Bei Auslegung einer jeden Definition ist das Gesamtgefüge zu beachten; die Definitionen stehen in einer Stufenfolge, wobei jeweils die höhere Stufe weitergehende Voraussetzungen fordert (BSG, U.v. 2. November 1983 - 11 RA 62/82 - SozR 5050 § 22 Nr. 15 m.w.N.).
Dementsprechend hat der Gesetzgeber insbesondere nicht normiert, dass eine Zuordnung zur Leistungsgruppe 3 von unter 30jährigen von vornherein ausscheidet. Vielmehr sind auch diese der Leistungsgruppe 3 zuzurechnen, sofern sie entweder
- (1)
über eine mehrjährige Berufserfahrung oder besondere Fachkenntnissen und Fähigkeiten verfügen oder
- (2)
Spezialtätigkeiten nach allgemeiner Anweisung selbständig verrichten (jedoch keine Verantwortung für die Tätigkeit anderer tragen) oder
- (3)
wenn sie über die fachlichen Erfahrungen eines Meisters, Richtmeisters oder Gießereimeisters verfügen, eine qualifizierte Tätigkeit verrichten und dabei bei erhöhter Verantwortung größeren Abteilungen vorstehen, sofern ihnen Aufsichtspersonen oder Hilfsmeister unterstellt sind.
In den Zeiträumen vom 1. Februar 1956 bis zum 31. Juli 1958 und vom 1. September 1962 bis zum 30. August 1963 erfüllte der Kläger die Voraussetzungen für eine Zuordnung zur Leistungsgruppe 3 in Form der vorstehend erläuterten 3. Variante: Der Kläger hatte sich nach der erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung weiter qualifiziert und die Prüfung zum Techniker bestanden (weshalb er nach Maßgabe der Bescheinigung des niedersächsischen Kultusministeriums vom 26. Mai 1981 im Übrigen auch im Bundesgebiet berechtigt ist, die Berufsbezeichnung "staatlich geprüfter Techniker" zu führen). Als Techniker stand er einem Meister im Sinne der erläuterten Bestimmung jedenfalls gleich. Nach Auffassung des BSG kennzeichnete die Qualifikation eines "Technikers" in Polen ein Ausbildungsniveau auf der Stufe der Meisterqualifikation (vgl. U.v. 23. September 2003 - B 4 RA 48/02 R -).
In den genannten Zeiträumen stand der Kläger auch bei erhöhter Verantwortung größeren Abteilungen vor, wobei ihm Aufsichtspersonen oder Hilfsmeister unterstellt waren. Daraus ergibt sich zugleich, dass er auch eine qualifizierte Tätigkeit ausgeübt hat. Der Kläger hat glaubhaft vorgetragen, dass er vom 1. Februar 1956 bis zum 31. Juli 1958 in dem Walzwerk als Ausrüstungsmeister tätig war und eine aus einem Hilfsmeister, drei Vorarbeitern, zwei Schleifern, einem Kranfahrer, zwei Schlossern und 14 Arbeitern bestehende Abteilung geleitet hat. Zu den wichtigen Aufgaben der von ihm geleiteten Abteilung gehörte insbesondere die termingerechte Bereitstellung und Instandsetzung der Walzwerksätze.
Konkrete Bedenken gegen diese inhaltliche Qualifizierung seiner Tätigkeit hat weder die Beklagte aufgezeigt noch lassen sich solche dem Urteil des 1. Senates vom 7. Dezember 1998 entnehmen.
Entsprechendes gilt für den Zeitraum vom 1. September 1962 bis zum 30. August 1963, während dessen der Kläger als Abteilungsleiter der Stadtstraßenbeleuchtung tätig war. Ihm waren ein Meister, vier Vorarbeiter, Handwerker Fahrer und 15 Monteure unterstellt, so dass der Kläger erhöhter Verantwortung trug und eine größere Abteilung leitete.
b)
Für den Zeitraum vom 8. August 1955 bis zum 31. Januar 1956 kann der Kläger hingegen keine Höherstufung in die Leistungsgruppe 3 beanspruchen. Seinerzeit war der Kläger als "Obertechniker" insbesondere mit der Optimierung der Walzvorgänge betraut, er war also mit Fachaufgaben befasst, leitete aber jedenfalls noch keine größere Abteilung. Ebenso wenig ist erkennbar, dass er über "besondere" Fachkenntnisse oder Erfahrungen für die Ausübung dieser Tätigkeit verfügte. Nach dem Gesamtzusammenhang der erläuterten Einordnungsvorschriften begründet sogar die Qualifikation als Ingenieur als solche - erst recht gilt dies für die Qualifikation als Techniker - noch nicht die Annahme solcher "besonderen" Fachkenntnisse oder Erfahrungen. Bezeichnenderweise ordnet das Gesetz Ingenieure bis zum Alter von 30 Jahren in den (nachrangigen) Regelbeispielen der Leistungsgruppe 4 zu.
Als besondere Fachkenntnisse oder Erfahrungen kommen vielmehr nur solche in Betracht, die sich aus dem im jeweiligen Beruf üblichen Niveau hervorheben. Dafür, dass der Kläger über solche Spezialkenntnisse im Zeitraum vom 8. August 1955 bis zum 31. Januar 1956 und damit erst kurze Zeit nach erstmaliger Erlangung der Technikerqualifikation verfügt haben könnte, ist nichts ersichtlich.
c)
Für den Zeitraum vom 1. November 1963 bis zum 1. Mai 1975 kann der Kläger keine höhere Einstufung beanspruchen als die von der Beklagten bereits zuerkannte Leistungsgruppe 3. Der Kläger verfügte im streitigen Zeitraum weder über eine "besondere Erfahrungen" im Sinne des Satzes 1 noch über ein "hohes berufliches Können" im Sinne des Satzes 2 der erläuterten für die Leistungsgruppe 2 maßgebenden Definition. Diese Tatbestandsmerkmale sind im Zusammenhang mit entsprechenden Merkmalen der Leistungsgruppen 3 und 4 zu sehen; die besonderen Erfahrungen in der Leistungsgruppe 2 bedeuten zwangsläufig mehr als die "mehrjährige Berufserfahrung" der Leistungsgruppe 3 und erst recht mehr als die "mehrjährige Berufstätigkeit".
Für den Umfang der jeweils geforderten Erfahrungen ist auch der jeweilige Berufsgruppenkatalog aufschlussreich. Bei den zur Leistungsgruppe 2 beispielsweise aufgeführten Berufen wird regelmäßig ein Alter von über 45 Jahren gefordert. Das beruht auf eingehenden Untersuchungen vor dem Erlass des FRG, die ergeben haben, dass die für Angestellte der Leistungsgruppe 2 geforderte Qualifikation normalerweise erst in einem solchen Lebensalter erreicht worden ist. Umgekehrt ist jedoch nicht allein aus dem Lebensalter auf das Fehlen oder das Vorliegen besonderer Erfahrungen zu schließen. Die regelmäßige Anführung des Lebensalters von 45 Jahren in den Berufsbezeichnungen der Leistungsgruppe 2 schließt nicht aus, dass auch Angestellte unter 45 Jahren schon die für diese Leistungsgruppe geforderten besonderen Erfahrungen haben können. Dies bestätigt auch der Berufskatalog, der für einige dort genannte Berufe von einer Altersgrenze absieht, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass bei diesen Berufen im Hinblick auf die Ausbildung die "besonderen Erfahrungen" schon früher erworben werden (BSG, U.v. 2. November 1983 a.a.O. m.w.N.).
Im vorliegenden Fall hat der Berufsweg des Klägers keinen kontinuierlichen Aufstieg gezeigt. Vielmehr war er nach der Ausübung einer Führungsposition bis Juli 1958 ab November 1958 wieder in eher untergeordneter Stellung als Elektromonteur tätig. Erst ab September 1962 sind ihm wieder mit der Übertragung der Aufgaben eines Ableitungsleiters Führungsaufgaben anvertraut worden. Hiervon ausgehend sind keine greifbaren Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die schon zum November 1963 im Alter von erst 30 Jahren erfolgte Bestellung zum Betriebsingenieur bzw. Betriebsleiter (der Kläger selbst gebraucht beide Bezeichnungen, vgl. etwa Schriftsatz vom 5. August 2003) "besondere Erfahrungen" oder ein "hohes berufliches Können" im Sinne der erläuterten Definition zum Ausdruck gebracht hätte. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass seine Kenntnisse das Niveau einer "mehrjährigen Berufserfahrung", wie sie bereits für die Leistungsgruppe 3 gefordert wird, überschritten haben. Damit ist die Frage nach der Reichweite seiner Dispositionsbefugnisse nicht mehr klärungsbedürftig.
In Anbetracht des erläuterten Stufenverhältnisses kommt hieran anknüpfend erst recht keine Zuordnung zur Leistungsgruppe 1 in Betracht.
2.
Die Zeiträume vom 21. Januar 1951 bis zum 14. März 1954, vom 23. März 1954 bis zum 31. Juli 1958 und vom 1. November 1958 bis zum 19. Dezember 1959 sind nicht nur als glaubhaft gemachte - nach § 22 Abs. 3 FRG mit 5/6 zu bewertende - Beitragszeiten, sondern als nachgewiesene Beitragszeiten gemäß Art 6 § 5 FANG i.V.m. mit den Anlagen zum FRG - und damit in vollem Umfang heranzuziehende - Beitragszeiten zu berücksichtigen. Auch die genannten Zeiträume sind von dem polnischen Versicherungsträger auf Ersuchen der Beklagten in seiner Auskunft vom 8. Januar 1996 in vollem Umfang bestätigt worden. Der Senat hat keinen Anlass an der Richtigkeit dieser amtlichen Auskunft zu zweifeln. Dazu besteht um so weniger Anlass, als diese Auskunft in Übereinstimmung steht mit dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten Arbeitsbuch und den vom Kläger vorgelegten Unterlagen zu seinen Prüfungen und Arbeitsverhältnissen.
Konkrete Zweifel hat auch die Beklagte nicht aufzuzeigen vermocht und lassen sich auch nicht dem Urteil des 1. Senats vom 7. Dezember 1998 entnehmen. Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass der Nachweis von Beitragszeiten nur mit anderen Beweismitteln geführt werden könne, widerspricht dies dem gesetzlichen Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG).
3.
Im Zeitraum vom 11. Dezember 1980 bis zum 31. Januar 1981 hatte der Kläger bereits als Vertriebener Aufnahme im Bundesgebiet gefunden und hier schon Beitragszeiten zurückgelegt. Er kann daher nicht die Bewertung dieser Zeiträume als polnische Beitragszeiten beanspruchen, da dies der Systematik des DPSVA 75 widerspräche.
4.
Die Bestimmung der Anlagen zum FRG, die im vorliegenden Fall für die Bewertung der polnischen Versicherungszeiten maßgebend sind, stellen nicht darauf ab, welches Einkommen der Versicherte tatsächlich in seinem Herkunftsland erzielt hat. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob er nach den damaligen Einkommensverhältnissen über- oder unterdurchschnittlich im Herkunftsland verdient hat. Maßgeblich sind vielmehr allein die sich aus den Anlagen zum FRG nach Maßgabe der bereits erörterten Einordnungskriterien ergebenden fiktiven - an Durchschnittswerten im deutschen Arbeitsleben gedanklich ausgerichteten - Bewertungen. Diese gelten für alle dem FRG unterfallenden Versicherten gleichmäßig, und zwar unabhängig davon, aus welchem Herkunftsland sie in das Bundesgebiet übergesiedelt sind und wie sie dort entlohnt wurden.
Das FRG sieht dementsprechend keine Möglichkeit vor, die Erbringung von Überstunden, die Ableistung von Bereitschaftsdiensten oder die Erzielung von Erschwerniszulagen o.ä. rentensteigernd zu berücksichtigen.
Da der Kläger selbst nicht geltend macht, dass er in Polen neben dem jeweiligen Hauptbeschäftigungsverhältnis noch eine eigenständige Nebentätigkeit ausgeübt hat, besteht kein Anlass, näher auf die Frage einzugehen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche rentensteigernd zu berücksichtigen sein könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.