Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 09.07.2008, Az.: L 2 R 45/08

Gewährung einer (großen) Witwenrente; Bestimmen der Lebensverhältnisse der Ehegatten regelmäßig nach den zusammengerechneten Einkünften beider Ehegatten zum Zeitpunkt der Scheidung; Bewertung der von den Ehegatten für die eheliche Gemeinschaft jeweils erbrachten Leistungen unabhängig von ihrer ökonomischen Bewertung innerfamiliär als gleichgewichtig; Berechnung des Unterhaltsanspruch eines vor dem Inkrafttreten des ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts (EheRG) geschieden Ehegatten im Wege der Differenzmethode

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
09.07.2008
Aktenzeichen
L 2 R 45/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 19099
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2008:0709.L2R45.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 07.12.2007 - AZ: S 23 RJ 179/04

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 7. Dezember 2007 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aus beiden Rechtszügen; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Mit ihren Berufungen wenden sich die Beklagte und die Beigeladene gegen die vom Sozialgericht ausgesprochene Verpflichtung, eine Witwenrente nach dem am 03. Oktober 2003 verstorbenen Versicherten K. allein der Klägerin und nicht anteilig der Klägerin und der Beigeladenen zu gewähren.

2

Der am 15. Dezember 1919 geborene Versicherte heiratete am 07. Februar 1948 die am 13. Januar 1928 geborene Beigeladene. Mit Urteil des Landgerichts L. vom 26. April 1972 (8-R-474/1972) wurde die Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Ehemanns geschieden. Aus der Ehe ist eine am 01. Juli 1949 geborene Tochter hervorgegangen.

3

Während der Ehe war der Versicherte fortlaufend als Elektriker bei den Stadtwerken in L. tätig, sein Bruttoeinkommen im Jahr 1972 betrug 17.652 DM. Die Beigeladene widmete sich zunächst dem Haushalt und der Kindererziehung. Ab 01. Juli 1970 nahm sie zunächst halbtags mit einem anfänglichen Bruttoeinkommen von monatlich 600 DM und ab 01. April 1972 ganztags eine Tätigkeit als Verwaltungsangestellte bei der M. auf.

4

Ein 1969 gemeinsam erworbenes Einfamilienhaus wurde 1980 veräußert; den Nettoerlös teilten sich der Versicherte und die Beigeladene. Unterhaltszahlungen des Versicherten an seine erste Ehefrau sind bis zu seinem Tode weder vereinbart noch erbracht worden.

5

Am 02. April 1974 heiratete der Versicherte Frau N ... Der Versicherte, der 1980 in den Ruhestand trat und seitdem die (vorgezogene) Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und eine Betriebsrente bezog, gewährte seiner zweiten Ehefrau nach der Scheidung dieser Ehe im Jahre 1993 laufende Unterhaltszahlungen bis zu seinem Tod in Höhe von 102 EUR monatlich.

6

Die Beigeladene trat 1992 nach einem schweren Verkehrsunfall in den Ruhestand.

7

Am 15. Februar 1993 erhielt der Versicherte von seiner damaligen nichtehelichen Lebensgefährtin O. ein lebenslängliches Wohnrecht an der dieser gehörenden ca. 75 qm großen Wohnung in dem in den 50er Jahren gebauten Haus P. im Stadtteil Q. bestellt. In dieser Wohnung lebte der Versicherte auch nach dem Tod von Frau R ...

8

Am 07. April 1997 heiratete der insbesondere an Diabetes und damit verbundenen Folgeerkrankungen leidende Versicherte die am 10. November 1943 geborene Klägerin. Diese hatte er zuvor in S. kennen gelernt. Sie siedelte 1997 in das Bundesgebiet über. Für die (nicht erwerbsmäßige) Pflege des Versicherten sind der Klägerin Beitragszeiten vom 18. September 1998 bis zum 31. Dezember 1999 und vom 22. Januar bis zum 15. Juni 2000 zuerkannt worden. Seit Mitte 2000 wurde der Versicherte, dem zuvor das zweite Bein amputiert werden musste, stationär gepflegt. Seitdem lebte in der Wohnung im Haus P. allein die Klägerin. Der Versicherte starb am 03. Oktober 2003.

9

Mit Zustimmung des Sohnes von Frau O., Dr. T., konnte die Klägerin die Wohnung noch bis Ende März 2004 gegen ein ab November 2003 zu entrichtendes monatliches Entgelt von 350 EUR (zuzüglich 68,42 EUR für Heizung, Müll- und Wassergebühren) bewohnen.

10

Im letzten Jahr vor seinem Tod bezog der Versicherte Netto-Renteneinkünfte in Höhe von 1.556,95 EUR; die Nettorenteneinkünfte der Beigeladenen, die nach der Scheidung nicht erneut geheiratet hat, beliefen sich in diesem Zeitraum bis zum 30. Juni 2003 auf 1224,45 EUR und ab dem 1. Juli 2003 auf 1.230,42 EUR. Weder die Klägerin noch die Beigeladene verfügte seinerzeit über Vermögen.

11

Am 13. Oktober 2003 beantragte die Klägerin und am 29. Oktober 2003 beantragte die Beigeladene die Gewährung einer (Geschiedenen )Witwenrente. Die Beklagte entsprach beiden Anträgen und sprach - unter Berücksichtigung der Dauer der jeweiligen Ehezeiten - jeweils mit Bescheid vom 18. Dezember 2003 der Klägerin eine große Witwenrente in Höhe von (ab Februar 2004) monatlich 161,19 EUR (brutto) und der Beigeladenen eine große Witwenrente an Geschiedene in Höhe von 597,85 EUR (brutto) zu.

12

Zur Begründung ihres am 19. Januar 2004 eingelegten Widerspruchs machte die Klägerin geltend, dass sie nur über geringe Rentenanwartschaften aus einer ausländischen Rentenversicherung verfüge und von der ihr zuerkannten Witwenrente nicht leben könne.

13

Mit Bescheid vom 27. Juli 2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Beigeladene habe unter Heranziehung der sog. Anrechnungsmethode nach den wechselseitigen Einkünften im letzten Jahr vor dem Tode einen Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten in Höhe von 106,57 EUR und damit von mehr als einem Viertel des Sozialhilfebedarfs gehabt. Dementsprechend habe sie nach § 243 SGB VI Anspruch auf eine Geschiedenen-Witwenrente.

14

Zur Begründung der am 27. August 2004 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass ihr verstorbener Ehemann und die Beigeladene übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass die Beigeladene keinen Unterhaltsanspruch habe. Sie wisse allerdings nicht, ob ein Verzicht ausdrücklich vereinbart worden sei. Jedenfalls sei ein etwaiger Anspruch durch unterbliebene Geltendmachung verwirkt worden.

15

Darüber hinaus habe die Beklagte die Mangelsituation verkannt. Ein etwaiger Anspruch der Beigeladenen hätte neben ihrem eigenen und dem Unterhaltsanspruch der zweiten Ehefrau U. gestanden und hätte daher nur pro rata erfüllt werden können. Ein danach verbleibender Anspruch hätte den Grenzwert von einem Viertel des Sozialhilfebedarfs unterschritten.

16

Mit Urteil vom 07. Dezember 2007 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin die große Witwenrente ohne Berücksichtigung der Beigeladenen zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Mangels eines Unterhaltsanspruchs gegen den Versicherten habe die Beigeladene keinen Witwenrentenanspruch aus § 243 SGB VI. Bei Zusammenrechnung der Renteneinkünfte der Beigeladenen und des Versicherten im letzten Jahr vor dessen Tode habe sich ein Gesamtbetrag von 2.787,37 EUR ergeben. Hiervon ausgehend habe der Bedarf der Beigeladenen unter Heranziehung der sog. Anrechnungsmethode allenfalls 3/7 des Gesamtbetrages, mithin 1.194,59 EUR betragen können und damit ihre eigenen Unterkünfte unterschritten.

17

Das Urteil ist der Beklagten am 27. Dezember und der Beigeladenen am 20. Dezember 2007 zugestellt worden.

18

Dagegen richten sich die Berufungen der Beigeladenen vom 18. Januar und der Beklagten vom 28. Januar 2008 (einem Montag).

19

Die Beklagte macht geltend, dass der Berechnung des Unterhaltsanspruchs der Beigeladenen die Hälfte des Gesamt-(Renten )Einkommens zugrunde zu legen sei.

20

Die Beigeladene weist auf die Dauer ihrer langen Ehe mit dem Versicherten hin. Entsprechend der damaligen Rechtslage sei bei der Scheidung noch kein Versorgungsausgleich durchgeführt worden. Zu den Renteneinkünften des Versicherten sei der Nutzungswert der Wohnung in dem in den 50er Jahren gebauten Haus hinzuzurechnen.

21

Von der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen habe sie nach der Scheidung abgesehen, weil sie angesichts der ihr im Zusammenhang mit der Trennung und Scheidung zugefügten seelischen Verletzungen buchstäblich nichts mehr mit dem Versicherten zu tun hätte haben wollen; weder sie noch ihre Tochter hätten zu ihm nach der Scheidung noch in näherem Kontakt gestanden. Im Übrigen hätten sich Unterhaltsansprüche von Rechts wegen erst dadurch ergeben, dass der BGH im Jahr 2001 den Wechsel von der Anrechnungs- zur Differenzmethode vollzogen habe.

22

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Bremen vom 7. Dezember 2007 die Klage abzuweisen.

23

Die Klägerin beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

24

Im letzten Jahr vor dem Tod ihres Mannes hätten aus dessen Nettorentenzahlungen von 1.556,95 EUR monatlich 1.242,54 EUR für den nicht von der Pflegeversicherung getragenen Anteil an den Heimkosten, im Durchschnitt 68,26 EUR für Rezeptgebühren, Zuzahlungen und Krankentransportkosten, 102 EUR für den Unterhalt der zweiten Ehefrau N. und ihr eigener Unterhalt finanziert werden müssen. Auch in Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes hätte sich für die Beigeladene kein Unterhaltsanspruch mehr ergeben.

25

Der Senat hat Unterlagen des Grundbuchamtes beim Amtsgericht L. betreffend die Wohnung in dem Haus P. beigezogen und eine Auskunft des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in L. zum Mietpreisniveau in L. im Jahr 2003 eingeholt.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

27

Die zulässigen Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen sind begründet. Das angefochtene Urteil ist unter Abweisung der Klage aufzuheben, weil die von der Klägerin angefochtenen Rentenbescheide keinen Rechtsfehler erkennen lassen. Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass nicht nur der Klägerin eine große Witwenrente nach § 46 Abs. 2 SGB VI, sondern auch der Beigeladenen eine Geschiedenen-Witwenrente nach § 243 SGB VI zusteht. Dies hat nach § 91 SGB VI zur Folge, dass der Witwenrentenanspruch auf die Klägerin und die Beigeladene als die beiden anspruchsberechtigten Witwen nach dem Verhältnis der Dauer der jeweiligen zwischen ihnen und dem Versicherten geführten Ehen aufzuteilen ist, wie dies die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zutreffend umgesetzt hat.

28

Vergeblich wendet sich die Klägerin gegen die Annahme der Beklagten, dass auf Seiten der Beigeladenen die Voraussetzungen für die Gewährung einer (großen) Witwenrente an vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten nach § 243 Abs. 2 SGB VI erfüllt sind.

29

§ 243 Abs. 2 SGB VI knüpft einen solchen Anspruch an folgende Voraussetzungen: Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente besteht auch für geschiedene Ehegatten,

  1. 1.

    deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist,

  2. 2.

    die weder wieder geheiratet noch eine Lebenspartnerschaft begründet haben und

  3. 3.

    die im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten Unterhalt von diesem erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf hatten und

  4. 4.

    die entweder

    1. a)

      ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erziehen (§ 46 Abs. 2 SGB VI),

    2. b)

      das 45. Lebensjahr vollendet haben,

    3. c)

      erwerbsgemindert sind,

    4. d)

      vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig (§ 240 Abs. 2) sind oder

    5. e)

      am 31. Dezember 2000 bereits berufsunfähig oder erwerbsunfähig waren und dies ununterbrochen sind,

    wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und nach dem 30. April 1942 gestorben ist.

30

Die Ehe der Beigeladenen mit dem Versicherten ist bereits 1972 und damit vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden, die Beigeladene hat nachfolgend weder erneut geheiratet noch ist sie eine Lebenspartnerschaft eingegangen. Im Jahr 2003 beim Tode des Versicherten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hatte, hatte die Beigeladene mit 75 Jahren das 45. Lebensjahr schon lange vollendet. Auch wenn sie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten am 03. Oktober 2003, d.h. in den vorausgegangenen zwölf Monaten (BSG, U. v. 19. März 1997 - 5 RJ 16/95 - SozR 3-2200 § 1265 Nr. 15) von Oktober 2002 bis September 2003, keinen Unterhalt von dem Versicherten bezogen hat, so stand ihr doch in dieser Zeitspanne ein Anspruch auf Unterhalt zu.

31

Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass nicht jeder Betrag, der sich rechnerisch nach den zivilrechtlichen Vorgaben zugunsten der geschiedenen Ehefrau ergibt, auch einen rentenrechtlich relevanten anspruchsbegründenden Unterhaltsbetrag im Sinne von § 243 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI darstellt. Dafür ist vielmehr erforderlich, dass der Unterhaltsanspruch wenigstens 25 v.H. des zeitlich und örtlich maßgebenden Regelsatzes der Sozialhilfe - ohne Aufwendungen für Unterkunft - erreichen muss (BSG, U. v. 17. Juli 1996 - 5 RJ 50/95 - SozR 3-2600 § 243 Nr. 3), bezogen auf den vorliegenden Fall sind dies 74 EUR (entsprechend 25% des im Zeitpunkt des Todes des Versicherten nach Maßgabe der vom Senat eingeholten Auskunft des Senators für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales vom 08. April 2008 geltenden Regelsatzes von 296 EUR). Der Unterhaltsanspruch der Beigeladenen im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten überstieg diesen Betrag.

32

Grundlage für einen solchen Anspruch ist auch über den 30. Juni 1976 hinaus der zu diesem Zeitpunkt allgemein außer Kraft getretene § 58 EheG (Art. 12 Nr. 3 des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976 - BGBl. I 1421).

33

Nach dieser Vorschrift hat der allein oder überwiegend für schuldig erklärte Mann der geschiedenen Frau den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und der Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen. Mit den "Lebensverhältnissen der Ehegatten" sind ihre Lebensverhältnisse zur Zeit der Scheidung - also noch während der Ehe - gemeint (BSG, U. v. 19. März 1997 a.a.O. m.w.N.). Da diese insbesondere durch das Einkommen geprägt werden, bestimmen sie sich in einer Ehe, in der - wie dies bei der Ehe zwischen dem Versicherten und der Beigeladenen jedenfalls in der Schlussphase der Fall war - beide Ehegatten erwerbstätig waren, regelmäßig nach den zusammengerechneten Einkünften beider Ehegatten zum Zeitpunkt der Scheidung (BSG, U. v. 19. März 1997 a.a.O. m.w.N.).

34

Für die Gewährung der Geschiedenenwitwenrente wird im Gesetz in zeitlicher Hinsicht allerdings auf einen Anspruch im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten abgestellt. Um die Anspruchstatbestände des Geschiedenenunterhalts gemäß § 58 Abs. 1 EheG und der Geschiedenenwitwenrente insoweit miteinander in Einklang zu bringen, ist der für den Augenblick der Scheidung festgestellte Lebensstandard der Eheleute auf den nach § 243 Abs. 2 SGB VI maßgebenden Zeitpunkt fortzuschreiben. Auf dieser Grundlage ist die Frage eines zur Witwenrente führenden Unterhaltsanspruchs zu beantworten.

35

Im Einzelfall kann dabei eine individuelle Fortschreibung der Einkommensverhältnisse entfallen, wenn die Einkommensentwicklung bei den Ehegatten im Wesentlichen der allgemeinen Entwicklung entsprochen hat, das spätere Einkommen mithin im großen und ganzen noch das eheliche Lebensniveau widerspiegelt. Dies trifft insbesondere in der Regel bei zwischenzeitlich angepassten Renten und Besoldungsbezügen zu. Sind für eine in diesem Sinn erhebliche Abweichung der konkreten Einkommensentwicklung bei den Ehegatten von der allgemeinen Entwicklung keine hinreichenden Anhaltspunkte gegeben, ist es mit Rücksicht auf die dann anzunehmende Gleichheit von früherem und späterem Lebensniveau angängig, die (detailliert zu ermittelnden) Einkommensverhältnisse im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand als Grundlage für die Entscheidung über die Geschiedenenwitwenrente heranzuziehen (BSG, U. v. 19. März 1997 a.a.O. m.w.N.).

36

Im vorliegenden Fall haben beide Ehegatten die (im Zeitpunkt der Scheidung bereits jeweils mit voller Stelle ausgeübten) Erwerbstätigkeiten als Elektriker bzw. Verwaltungsangestellte bis zum jeweiligen Eintritt in den Ruhestand kontinuierlich fortgeführt. Damit sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die konkrete Entwicklung der Einkünfte aus Erwerbstätigkeit bzw. nachfolgend in Form von Rentenbezügen bei den Ehegatten von der allgemeinen Entwicklung erheblich abgewichen sein könnte. Der Senat erachtet es daher für sachgerecht, die wechselseitigen Rentenbezüge im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Versicherten zugrunde zu legen.

37

Im letzten Jahr vor seinem Tod bezog der Versicherte Netto-Renteneinkünfte in Höhe von 1.556,95 EUR (1.162,60 EUR Altersrente und 394,35 EUR Betriebsrente). Die Nettorenteneinkünfte der Beigeladenen beliefen sich in diesem Zeitraum bis zum 30. Juni 2003 auf 1224,45 EUR und ab dem 1. Juli 2003 auf 1.230,42 EUR (Altersrente in Höhe von netto 679,83 EUR bis zum 30. Juni 2003 und von 685,80 EUR ab 1. Juli 2003 zuzüglich jeweils 544,62 EUR Netto-Betriebsrente, letztere entsprechend - ausweislich der von der Beigeladenen vorgelegten Bescheinigung der VBL vom 5. Dezember 2003 -: 596,19 EUR Bruttorente abzüglich der - bis zum 31. Dezember 1993 nur zu entrichtenden - Hälfte des Krankenversicherungsbeitrages, d.h. von 41,43 EUR, und des Beitrages zur Pflegeversicherung von 10,14 EUR). Aus den vorstehend dargelegten Beträgen von 1.556,95 EUR und 1.230,42 EUR ergab sich für den Versicherten und die Beigeladene ein Gesamtnettoeinkommen von 2.787,37 EUR.

38

Dieser Betrag ist nicht um den geldwerten Vorteil zu erhöhen, der sich für den Versicherten aus dem Wohnrecht an der Wohnung im Haus V. ergab. Dieses Recht hat der Versicherte erst viele Jahre nach der Scheidung aufgrund einer damaligen nichtehelichen Lebensgemeinschaft erworben; es war daher von vornherein nicht geeignet, die Lebensverhältnisse des Versicherten und der Beigeladenen im Zeitpunkt ihrer Scheidung zu prägen (vgl. zu diesem Erfordernis: BGH, U. v. 23. November 2005 - XII ZR 73/03 - NJW 2006, 1201) und damit für einen Unterhaltsanspruch der Beigeladenen unmittelbare Relevanz zu erlangen.

39

Nach der früheren Rechtsprechung des BSG (vgl. U. v. 17. Juli 1996 a.a.O. m.w.N.) waren in Anwendung der sog. Anrechnungsmethode bei einer Doppelverdienerehe die Einkommen beider Ehegatten zusammenzurechnen und der Frau ein bestimmter Bruchteil (1/3 bis 3/7) der Summe abzüglich ihres eigenen Einkommens zuzugestehen (kritisch allerdings bereits BSG, U. v. 12. Oktober 1993 - 13 RJ 55/92 - SozR 3-2200 § 1265 Nr. 11). Aufgrund einer zwischenzeitlich zu berücksichtigenden Änderung der rechtlichen Vorgaben in Form der - eine alle Gerichte und Behörden bindende Feststellungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG aufweisenden (vgl. Lechner/Zuck, BVerfGG , 5. Aufl., § 31 Rn. 28) - Entscheidung des BVerfG vom 05. Februar 2002 (1 BvR 105/95, 1 BvR 559/95, 1 BvR 457/96 - E 105, 1) kommt eine Heranziehung dieser Berechnungsmethode jedoch nicht mehr in Betracht. Nach dieser Entscheidung des BVerfG sind die von den Ehegatten für die eheliche Gemeinschaft jeweils erbrachten Leistungen unabhängig von ihrer ökonomischen Bewertung innerfamiliär als gleichgewichtig anzusehen. Daraus folgt der Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten nicht nur während der Ehe, sondern auch nach Trennung und Scheidung hinsichtlich Unterhalt, Versorgung und Aufteilung des gemeinsamen Vermögens.

40

Diese Grundsätze sind in gleicher Weise auf einen Unterhaltsanspruch nach § 58 EheG anzuwenden. Denn sie beruhen nicht auf den Unterschieden des geltenden Unterhaltsrechts gegenüber dem verschuldensabhängigen Unterhaltstatbestand des früheren Ehegesetzes. Der Begriff der ehelichen Lebensverhältnisse im Sinne des § 58 EheG ist mit demjenigen in § 1578 Abs. 1 BGB inhaltsgleich. Deswegen ist auch der Unterhaltsanspruch eines Ehegatten, dessen Ehe vor dem Inkrafttreten des ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts (EheRG) geschieden wurde und der sich gemäß dessen Art. 12 Ziff. 3 Abs. 2 weiterhin nach dem früheren Recht richtet, im Wege der Differenzmethode zu ermitteln (BGH, U. v. 23. November 2005 - XII ZR 73/03 - NJW 2006, 1201).

41

Hiervon ausgehend konnte die Beigeladene im Ansatz als Unterhalt nach § 58 EheG die Hälfte des Gesamtbetrages der ihr und dem Versicherten zustehenden Renteneinkünfte beanspruchen, soweit dieser ihre eigenen Renteneinnahmen überstieg. Die Hälfte des der Beigeladenen und dem Versicherten zustehenden Gesamtnettoeinkommens von 2.787,37 EUR betrug 1.393,69 EUR und überstieg ihre eigenen Renteneinkünfte von 1.230,42 EUR um 163,27 EUR.

42

Allerdings waren dem Versicherten der notwendige Selbstbehalt im Sinne von § 59 EheG zu belassen. Dieser setzte sich aus dem von ihm persönlich zu tragenden Anteil an den Heimkosten von monatlich 1201,87 EUR (täglich 81,34 EUR für Pflege, Unterkunft, Verpflegung und Beteiligung an den Investitionskosten ergibt bei durchschnittlich 30,5 Tagen im Monat monatlich 2480,87 EUR; dieser Betrag ist um die Leistungen der Pflegekasse in Höhe von monatlich 1.279 EUR zu reduzieren) und einem angemessenen - vom Senat unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen auf monatlich insgesamt 100 EUR veranschlagten - Betrag für nicht von der Krankenkasse gedeckte Gesundheitskosten (wobei Zuzahlungen für stationäre Krankenhausaufenthalte durch verminderte Heimkosten ausgeglichen wurden), Bekleidung und persönliche Bedürfnisse ("Taschengeld") zusammen. Auch nach Abzug dieses notwendigen Selbstbehaltes in Höhe von 1.301,87 EUR ermöglichte bereits das dem Versicherten zufließende monatliche Rentennettoeinkommen von 1.556,95 EUR für sich genommen die Zahlung des vorstehend im Ansatz ermittelten Unterhaltsanspruchs der Beigeladenen in Höhe von 163,27 EUR. Es ist daher nicht näher auf die Frage einzugehen, inwieweit auf einen solchen notwendigen Selbstbehalt auch ein geldwerter Vorteil in Form des Wohnrechts an der Wohnung im Haus V. anrechenbar sein könnte.

43

Allerdings ist in einem weiteren Schritt noch zu berücksichtigen, dass der Versicherte nicht nur gegenüber der Beigeladenen, sondern auch gegenüber der Klägerin und gegenüber seiner zweiten Ehefrau N. unterhaltspflichtig war. Der nach Abzug des erläuterten Selbstbehaltes von 1.301,87 EUR verbleibende Restbetrag seiner monatlichen Einkünfte reichte nicht aus, um die Unterhaltsansprüche aller drei Frauen in voller Höhe erfüllen zu können.

44

In einer solchen Mangelsituation waren auf der Grundlage nach dem im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten geltenden Gesetz familienrechtlich die betroffenen Unterhaltsansprüche pro rata zu befriedigen (OLG München, U. v. 15. März 1989 - 12 UF 1631/88 - FamRZ 1989, 1309). § 1582 BGB fand auf Altscheidungen keine Anwendung (OLG München, a.a.O.). § 1609 BGB in der erst ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung und die zu diesem Datum neu in Kraft getretene Regelung des § 1578b Abs. 1 BGB sind selbstverständlich für die Beurteilung der Rechtslage in den Jahren 2002/2003 nicht ausschlaggebend. Soweit das BSG demgegenüber eine Verteilung des einem Versicherten für den Unterhalt seiner geschiedenen Frau und seiner Ehefrau zur Verfügung stehenden Betrages nach dem - sehr wenig bestimmten - Maßstab der Billigkeit fordert (BSG, U. v. 25. Mai 2000 - B 8 KN 20/99 B -), führt dies jedenfalls für den vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis. Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalls erachtet der Senat eine solche Pro-rata-Verteilung auch als billig und angemessen. Dabei ist zum einen zugunsten der Klägerin deren Mittellosigkeit und ihr Einsatz bei der Pflege des Klägers und zum anderen zugunsten der Beigeladenen zu berücksichtigen, dass die von dem Versicherten während der langjährigen mit ihr geführten Ehe erworbenen (sich auch in den Witwenrentenansprüchen widerspiegelnden) Rentenanwartschaften maßgeblich auch auf ihren Anteil zurückzuführen sind. Die Beigeladene hat sich während der damaligen Ehe über viele Jahre hinweg der Kinderziehung und der Führung des Haushalts gewidmet und damit dem Versicherten ermöglicht, sich uneingeschränkt im Erwerbsleben einzusetzen.

45

In die Berechnung ist neben dem der zweiten Ehefrau N. zustehenden Unterhaltsanspruch von monatlich 102 EUR auf Seiten der Klägerin (zunächst unter Berücksichtigung ihrer eigenen Angaben zu ihren damaligen Einkommensverhältnissen) folgender Unterhaltsanspruch zu berücksichtigen: Bei einer isolierten Berechnung dieses Anspruchs als Ausgangswert (ohne Berücksichtigung der beiden weiteren Unterhaltsberechtigten) stand ihr nach § 1360 BGB (unter Vernachlässigung - zu ihren Gunsten - einer etwaigen Erwerbsobliegenheit) die Hälfte am Gesamteinkommen der beiden Ehegatten zu, soweit der notwendige Selbstbehalt des Ehemanns gesichert war. Diesbezüglich war das monatliche Rentennettoeinkommen des Ehemanns von 1.556,95 EUR um den geldwerten Vorteil der von der Klägerin aufgrund des Wohnrechts des Ehemanns bewohnten Wohnung zu erhöhen, da dieses die Vermögenslage der zwischen ihnen bestehenden Ehe prägte. Angesichts des Umstandes, dass dieses Wohnrecht nur für die Lebenszeit des Ehemanns bestellt war und das dessen Ableben innerhalb überschaubarer Zeiträume angesichts seines Alters von über 80 Jahren und seiner mit schweren Folgeerkrankungen verbundenen Diabeteserkrankung in Betracht zu ziehen war, kam eine Vermietung der Wohnung an Dritte (selbst unter der Annahme der nach § 1092 Abs. 1 S. 2 BGB erforderlichen Zustimmung des Eigentümers) nicht zu marktüblichen Bedingungen in Betracht. Hiervon ausgehend erachtet es der Senat für sachgerecht, an Stelle der sich rechnerisch unter Zugrundelegung der Auskunft des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in L. vom 21. Mai 2008 für eine ca. 75 qm große Wohnung in W. in einem Haus aus den 50er Jahren für das Jahr 2003 ergebenden Mietwert von monatlich ca. 400 EUR lediglich 300 EUR monatlich als geldwerten Vorteil für die Nutzung der Wohnung zu veranschlagen. Dies wäre auch in etwa der Betrag gewesen, den die Klägerin seinerzeit für die Anmietung einer für sie allein ausreichenden kleineren Zweizimmerwohnung von rund 50 qm auf der Grundlage der genannten Auskunft hätte aufwenden müssen.

46

Unter Einbeziehung dieses geldwerten Vorteils standen als Gesamteinkünfte 1.856,95 EUR zur Verfügung; die Klägerin selbst verfügte seinerzeit nach ihren eigenen Angaben weder über eigene Einkünfte noch über eigenes Vermögen. Unter Berücksichtigung des erläuterten notwendigen Selbstbehaltes des Ehemanns in Höhe von 1.301,87 EUR konnte sie als Unterhalt von ihm jedoch nicht die Hälfte des genannten Betrages von 1.856,95 EUR, sondern lediglich die Differenz zwischen diesem und dem Selbstbehalt in Höhe von 555,08 EUR beanspruchen. Von diesem Betrag hat sie im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten bereits 300 EUR in Form der für sie - bezogen auf die sonst zu zahlende Kaltmiete - kostenlose Überlassung der Wohnung im Haus V. erhalten.

47

Demnach hatte der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tode folgende Unterhaltsansprüche zu erfüllen: Gegenüber der Klägerin in Höhe von monatlich 555,08 EUR, gegenüber seiner zweiten Ehefrau in Höhe von monatlich 102 EUR und gegenüber der Beigeladenen in Höhe von 163,27 EUR. Diese addierten sich auf insgesamt 820,35 EUR und überstiegen damit den Betrag von 555,08 EUR, der dem Versicherten (unter Einschluss des geldwerten Vorteils in Form der Nutzungsmöglichkeit der Wohnung) zur Befriedigung der Unterhaltsansprüche zur Verfügung stand. Nach den erläuterten Grundsätzen konnten die Unterhaltsberechtigten eine Befriedigung ihrer Ansprüche nur pro rata, d.h. in einem Umfang von jeweils 67,67% (entsprechend der Relation von 555,08 EUR zu 820,35 EUR), verlangen. Damit reduzierte sich zwar der vorstehend zugunsten der Klägerin im Ausgangspunkt ermittelte Unterhaltsanspruch von monatlich 163,27 EUR um 32,33% auf 110,48 EUR. Auch dieser reduzierte Anspruch lag aber deutlich oberhalb des erläuterten Mindestbetrages von monatlich 74 EUR, ab dem ein solcher Anspruch für den Witwenrentenanspruch aus § 243 SGB VI Relevanz erlangt.

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Bei dieser Ausgangslage ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Senat die Angabe der Klägerin, wonach sie in den letzten 12 Monaten vor dem Tode des Versicherten über keine eigenen Einkünfte verfügt haben will, für nicht glaubhaft erachtet. Ihr Mann verfügte lediglich über Nettorenteneinkünfte von monatlich 1.556,95 EUR. Davon sollen nach Angaben der Klägerin sein notwendiger Selbstbehalt von ca. 1.301,87 EUR, der Unterhalt an seine zweite Frau in Höhe von monatlich 102 EUR und die Neben-, Heizungs-- und Stromkosten für die Wohnung im Haus V. (Gesamthöhe sicherlich ca. 80 EUR im Monat) beglichen worden sein. Der Klägerin wäre damit zum Leben nur ein völlig unzureichender Betrag von monatlich ca. 70 EUR verblieben, der nur einen Bruchteil des sozialhilferechtlich als notwendig anerkannten Regelsatzes ausgemacht hätte. Da die Klägerin einem entsprechenden Hinweis des Senates nicht plausibel und substantiiert entgegengetreten ist, kann sich der Senat aufgrund der geschilderten Umstände unter Berücksichtigung der Lebenserfahrung nur die Überzeugung bilden, dass die Klägerin im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten über verschwiegene eigene Einkünfte in Höhe von monatlich mindestens 250 EUR - die ihr beispielsweise aufgrund der Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung oder aus ihrem Heimatland zugeflossen sein mögen - verfügt hat. Unter Einbeziehung solcher eigenen Einkünfte hätte sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin vermindert und damit korrespondierend der Anspruch der Beigeladenen weiter erhöht.

49

Dem erläuterten Unterhaltsanspruch steht ein Unterhaltsverzicht der Beigeladenen nicht entgegen. Es liegen nicht einmal greifbare Anhaltspunkte dafür vor, dass ein solcher jemals zwischen der Beigeladenen und dem Versicherten vereinbart worden ist, insbesondere vermag auch die Klägerin diesbezüglich keine substantiierten Angaben zu machen.

50

Ebenso wenig lässt sich eine Verwirkung dieses Anspruchs feststellen. Nach dem im bürgerlichen Recht als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entwickelten Rechtsinstitut der Verwirkung entfällt eine Leistungspflicht, wenn der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG, U. v. 19. März 1997 a.a.O. m.w.N.). Diese zur Verwirkung führenden Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall nicht vor.

51

Ein Unterhaltsanspruch aus § 58 EheG wird nicht als solcher schon dadurch in Frage gestellt, dass eine Bedürftigkeit der Ehefrau erst lange nach Rechtskraft der Scheidung eingetreten ist (OLG München, U. v. 15. März 1989 - 12 UF 1631/88 - FamRZ 1989, 1309). Darüber hinaus ist weder ein Vertrauensverhalten des Versicherten erkennbar noch ersichtlich, dass die Erfüllung des vorstehend ermittelten Unterhaltsanspruchs etwa während des letzten Jahres vor seinem Tode für ihn mit einem unzumutbaren Nachteil verbunden gewesen wäre. Für eine solche Annahme ist um so weniger Raum, als die Beigeladene auch ihrerseits während der langjährigen Ehezeit durch die Übernahme der Haushaltsführung und der Kinderziehung einen wichtigen Beitrag zum Aufbau eben der Rentenanwartschaften geleistet hat, aus denen der Versicherte (mit einem relativ bescheidenen Anteil seiner Renteneinkünfte) den ermittelten Unterhaltsanspruch zu begleichen gehabt hätte. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Beigeladene bedingt insbesondere durch den Altersunterschied erst etwa zwölf Jahre nach dem Versicherten in den Ruhestand getreten ist. Während des Zeitraums, in dem sie noch erwerbstätig, der Versicherte aber bereits Rentner war, kam ein Unterhaltsanspruch schon unter Berücksichtigung der damaligen wechselseitigen Einkommensverhältnisse nicht in Betracht. Auch war die Beigeladene über viele Jahre hinweg durch die früher im Zivilrecht gebräuchliche - den verfassungsrechtlichen Anforderungen allerdings nur unzureichend Rechnung tragende - Anrechnungsmethode in der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen beeinträchtigt.

52

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind auch deshalb nicht gegeben, weil die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblich von der Beurteilung von Übergangsvorschriften abhängt (vgl. dazu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 160, Rn. 7b).