Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 12.10.2007, Az.: 3 B 366/07
Antragsrecht; Beteiligungsrecht; Dienststelle; Dienstunfähigkeit; Entlassung; Entlassungsverfügung; Gesetzeslücke; Hinweispflicht; Mitbestimmung; Personalrat; Personalratsbeteiligung; Personalratsmitbestimmung; Personalvertretungsrecht; Rechtsfortbildung; Ruhestand; Versetzung; Vorbereitungsdienst; Widerrufsbeamtenverhältnis; Widerrufsbeamter
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 12.10.2007
- Aktenzeichen
- 3 B 366/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 71829
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 37 Abs 1 Nr 3 BG ND
- § 65 Abs 1 Nr 13 PersVG ND
- § 46 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Hinsichtlich der nicht selbst beantragten Entlassung eines nach Ansicht der Dienststelle dienstunfähigen Widerrufsbeamten im Vorbereitungsdienst nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 NBG weist das niedersächsische Personalvertretungsrecht eine echte Gesetzeslücke auf, die im Wege richterrechtlicher Fortbildung dadurch zu schließen ist, dass die in § 65 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG enthaltene Regelung über die Mitbestimmung des Personalrats bei vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand entsprechend anzuwenden ist.
Die Entlassung eines Widerrufsbeamten im Vorbereitungsdienst wegen Dienstunfähigkeit nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 NBG ist entscheidungserheblich verfahrensfehlerhaft und rechtswidrig, wenn der Beamte
vor der beabsichtigten Entlassung von der Dienststelle nicht entsprechend § 65 Abs. 1 Nr. 11 Halbs. 2 NPersVG auf sein Recht, die Beteiligung der Personalvertretung zu beantragen, hingewiesen worden ist. Die Aufhebung einer solchen rechtswidrigen Entlassungsverfügung ist nach dem Rechtsgedanken des § 46 VwVfG nur dann ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn offensichtlich ist, dass ein noch vor der Entlassung erfolgter rechtzeitiger Hinweis auf das Antragsrecht die Entscheidung in der Sache zu Gunsten des betroffenen Beamten nicht beeinträchtigt hätte.
Gründe
Die am J. geborene Antragstellerin, die verheiratet ist und drei Kinder im Alter von 20, 15 und 12 Jahren hat, wurde mit Wirkung vom 01. November 2004 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Studienreferendarin des Lehramts an Gymnasien ernannt. In der Zeit vom 13. September 2006 bis zum 20. Oktober 2006 sowie vom 30. Oktober 2006 bis jedenfalls zum 31. August 2007 war sie dienstunfähig erkrankt. Unter dem 31. Januar 2007 beauftragte die Antragsgegnerin das Gesundheitsamt der Stadt E., zur Frage der Dienstfähigkeit der Antragstellerin amtsärztlich Stellung zu nehmen und zu prüfen, ob diese gesundheitlich in der Lage sein werde, ihre Prüfungen zum Zweiten Staatsexamen bis zum 05. März 2007 abzulegen. Mit amtsärztlichen Gutachten vom 04. April 2007, 04. Mai 2007 und 15. August 2007 wurde eine Erkrankung aus dem depressiven Formenkreis mit Erschöpfungssymptomatik diagnostiziert. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass die Dienst- und Prüfungsunfähigkeit noch länger als sechs Monate andauern werde.
Die Antragstellerin zweifelte das in den amtsärztlichen Gesundheitszeugnissen bescheinigte Untersuchungsergebnis an. Ihr Privatarzt attestierte, dass sie nicht an einer psychiatrische Erkrankung, sondern an einer vorübergehenden reaktiven Störung leide. Es zeige sich eine gute Besserung, so dass die Dienstunfähigkeit bis Ende Juni 2007 befristet werden könne.
Nachdem die Antragstellerin weitere Dienstunfähigkeitsbescheinigungen ihres Privatarztes - zunächst befristet bis zum 18. Juli 2007, später bis zum 13. August 2007 - vorgelegt hatte, entließ die Antragsgegnerin die Antragstellerin durch Bescheid vom 15. August 2007 mit Ablauf des 30. September 2007 gemäß §§ 37 Abs. 1 Nr. 3, 41 Abs. 6 NBG wegen Dienstunfähigkeit aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf und ordnete gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung an. Auf Grundlage des amtsärztlichen Gesamtgutachtens sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sein werde, die Ausbildungsveranstaltungen sowie den eigenverantwortlichen Unterricht zu absolvieren und sich innerhalb der nächsten sechs Monate der Prüfung zum Zweiten Staatsexamen zu unterziehen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege im besonderen öffentlichen Interesse, da die Antragstellerin einen Ausbildungsplatz besetze, der nicht an andere Bewerber vergeben werden könne. Die Ausbildungsplätze für Referendare/Referendarinnen würden unter Berücksichtigung einer möglichst sachgerechten Inanspruchnahme öffentlicher Ausbildungskapazitäten dringend benötigt. Zuvor hatte die Antragsgegnerin weder den Schulbezirkspersonalrat um Zustimmung zu der beabsichtigten Entlassung gebeten noch die Antragstellerin auf ein mögliches Antragsrecht hinsichtlich der Mitbestimmung des Schulbezirkspersonalrats hingewiesen; die Antragstellerin hatte dessen Beteiligung auch nicht beantragt.
Am 10. September 2007 hat die Antragstellerin Klage (3 A 365/07) erhoben und am 11. September 2007 um gerichtlichen einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Es liege bereits keine ordnungsgemäße Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vor, da sich die Antragsgegnerin formelhafter Wendungen bedient habe. Wegen unzureichender Berücksichtigung der privatärztlichen Stellungnahmen sei die Antragsgegnerin fehlerhaft von einer dauerhaften Dienstunfähigkeit ausgegangen. Insbesondere beruhe die Dienstunfähigkeit der Antragstellerin seit Anfang Mai 2007 nicht mehr auf einer psychischen Erkrankung, sondern auf einer Borreliose-Erkrankung.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (3 A 365/07) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. August 2007 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hält ihren Bescheid für rechtmäßig und tritt den Ausführungen der Antragstellerin im Einzelnen entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Gerichtsakte zu dem Verfahren 3 A 365/07 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Der gemäß § 80 Abs. 5 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zulässige Antrag ist begründet.
Im Rahmen eines Antrages nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Dabei ist zu prüfen, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind und sich ergibt, dass das Interesse des Antragstellers/der Antragstellerin, von einer Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zur Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit in einem Verfahren zur Hauptsache verschont zu bleiben, das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Durchsetzung überwiegt. Bei der in diesem Rahmen zu treffenden eigenen Ermessensentscheidung des Gerichts kommt es maßgeblich darauf an, ob der Rechtsbehelf, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden soll, voraussichtlich Erfolg haben wird. Bei angenommener Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts ist dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stattzugeben, weil der Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht im öffentlichen Interesse liegen kann. Ein überwiegendes öffentliches Interesse ist in der Regel dann gegeben, wenn bereits im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu erkennen ist, dass der Rechtsbehelf des Antragstellers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet; denn an der sofortigen Vollziehung eines offenbar zu Unrecht angefochtenen Verwaltungsaktes besteht regelmäßig ein besonderes öffentliches Interesse. Ist jedoch der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache bei der im Aussetzungsverfahren grundsätzlich nur gebotenen summarischen Überprüfung offen, so kommt es auf eine Abwägung der widerstreitenden Interessen an (ständige Rechtsprechung, statt aller: OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. September 2007 - 15 MF 13/07 -, Entscheidungsdatenbank des OVG Lüneburg).
Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen, unter denen die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf wiederhergestellt werden kann, gegeben.
Zwar ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die Antragsgegnerin hat diese Vorschrift beachtet, indem sie die entsprechende Anordnung damit begründet hat, dass der von der Antragstellerin besetzte Ausbildungsplatz nicht an andere Bewerber vergeben werden könne. Die Ausbildungsplätze für Referendare/Referendarinnen würden jedoch unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes einer möglichst sachgerechten Inanspruchnahme öffentlicher Ausbildungskapazitäten dringend benötigt. Damit liegt eine auf den Einzelfall abgestellte, substantiierte und nicht lediglich formelhafte Begründung des besonderen Vollzugsinteresses vor. Ob diese Darlegungen der Antragsgegnerin zutreffend und die Anordnung der sofortigen Vollziehung inhaltlich zu rechtfertigen vermögen, ist im Rahmen der Formvorschrift des § 80 Abs. 3 VwGO ohne Bedeutung.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist aber in materieller Hinsicht nicht gerechtfertigt, da das Interesse der Antragstellerin, die Vollziehung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens einstweilen auszusetzen, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf überwiegt. Das überwiegende private Aussetzungsinteresse ergibt sich daraus, dass nach der gebotenen summarischen Prüfung der angefochtene Bescheid offensichtlich rechtswidrig ist.
Vorliegend kann es dahin gestellt bleiben, ob die amtsärztlichen Gutachten tatsächlich die von der Antragsgegnerin festgestellte Dienstunfähigkeit der Antragstellerin tragen. Aus Sicht der Kammer bestehen insoweit Zweifel an der Überzeugungskraft der Ausführungen des Amtsarztes, als dieser in seinem Gutachten vom 04. April 2007 einerseits eine zwischenzeitlich eingetretene „Beschwerdelinderung“ bescheinigt, andererseits aber eine „Therapieresistenz“ diagnostiziert.
Die Rechtswidrigkeit der Entlassungsverfügung ergibt sich für die Kammer aus dem nicht ordnungsgemäß durchgeführten Entlassungsverfahren. Die Entlassung eines Beamten/einer Beamtin auf Widerruf unterfällt nämlich in erweiternder Auslegung dem personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmungstatbestand des § 65 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG. Nach dieser Bestimmung bestimmt der Personalrat bei der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand mit, sofern die Beamtin oder der Beamte die Beteiligung des Personalrats beantragt; die Dienststelle hat auf das Antragsrecht rechtzeitig hinzuweisen. Die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand ist gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 NBG die regelmäßige Rechtsfolge, wenn ein Beamter auf Lebenszeit oder auf Zeit infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig, § 54 Abs. 1 Satz 1 NBG) ist. Lediglich bei einem nach dem 31. Dezember 1976 begründeten Beamtenverhältnis tritt an die Stelle der Versetzung in den Ruhestand die Entlassung, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BeamtVG nicht erfüllt sind (§ 37a NBG). Hingegen ist für Beamte auf Widerruf eine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit im NBG nicht vorgesehen. Vielmehr muss bei Dienstunfähigkeit von Widerrufsbeamten das Beamtenverhältnis gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 3 NBG durch Entlassung beendet werden; auch im Hinblick auf § 40 Abs. 1 Satz 2 NBG ergibt sich bei vorliegender Dienstunfähigkeit keine andere Rechtsfolge. Zwar soll dem Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst hiernach Gelegenheit gegeben werden, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die für seine Laufbahn vorgeschriebene Prüfung abzulegen. Ist der Beamte jedoch dienstunfähig und deshalb voraussichtlich auf Dauer nicht in der Lage, den Vorbereitungsdienst zu durchlaufen und sich mit Aussicht auf Erfolg der Laufbahnprüfung zu unterziehen, kann § 40 Abs. 1 Satz 2 NBG dem Entlassungsgebot des § 37 Abs. 1 Nr. 3 NBG nicht entgegen stehen (Kümmel, BeamtenR, Stand: Juli 2007, § 37 NBG, Rdn. 8). Demzufolge wäre die Antragstellerin tatsächlich wegen Dienstunfähigkeit gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 3 NBG mit Ablauf des 30. September 2007 zu entlassen gewesen, sofern die Voraussetzungen des § 54 NBG vorgelegen haben sollten.
Nach § 65 Abs. 1 Nr. 13 NPersVG bedarf die Entlassung eines Beamten auf Widerruf ausdrücklich nur dann der Mitbestimmung des Personalrats, wenn sie gemäß § 40 NBG erfolgt. Gemäß § 64 Abs. 3 Satz 2 NPersVG regeln die §§ 65 bis 67 und 75 NPersVG die dort aufgeführten Sachverhalte - also auch den vorliegenden Fall der Entlassung einer Widerrufsbeamtin - abschließend mit der Folge, dass im Katalog bestehende ausfüllungsfähige Lücken insoweit grundsätzlich nicht vorhanden sind, und die in den Katalogtatbeständen aufgeführten Sachverhalte grundsätzlich auch nicht unter Rückgriff auf die Generalklausel des § 64 Abs. 1 NPersVG im Wege der Analogie erweitert werden können (Dembowski/Ladwig/Sellmann, Das Personalvertretungsrecht in Niedersachsen, Stand: Juni 2007, § 64, Rdn. 31). Diese Sperrwirkung der Katalogtatbestände soll ein Ausufern der in § 64 Abs. 1 enthaltenen Mitbestimmungs-Generalklausel verhindern und den in § 64 Abs. 3 Satz 1 NPersVG bestimmten beispielhaften Charakter der Mitbestimmungskataloge begrenzen. In dieser Funktion wird die Sperrwirkung durch eine Rechtsanwendung, bei der die Mitbestimmungstatbestände nach den in der Rechtslehre allgemein anerkannten Methoden ausgelegt werden, aber nicht berührt (Dembowski/Ladwig/Sellmann, a.a.O., § 64, Rdn. 35 und § 65, Rdn. 4; OVG Lüneburg, Beschluss vom 19. März 1997 - 18 L 850/96 - juris; BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 1999 - 2 C 4.99 -, BVerwGE 110, 173).
Im vorliegenden Fall ist gemessen an diesen Grundsätzen eine erweiternde Auslegung des Mitbestimmungstatbestandes des § 65 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG geboten. Denn die aus dem Wortlaut des § 65 Abs. 1 Nr. 13 NPersVG grundsätzlich resultierende Konsequenz einer nicht erforderlichen Mitbestimmung bei den in anderen Vorschriften des NBG enthaltenen Entlassungstatbeständen für Widerrufsbeamte vermag jedenfalls hinsichtlich einer Entlassung nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 NBG nicht zu überzeugen. Bereits die Entstehungsgeschichte des § 65 Abs. 1 Nr. 13 NPersVG ergibt, dass der Gesetzgeber durch die dort erfolgte Benennung der §§ 39 und 40 NBG solche Tatbestände hat erfassen wollen, die eine Entlassung gegen den Willen des Beamten rechtfertigen. Denn der im Gesetzesentwurf ursprünglich vorgesehene Nachsatz „wenn sie ihre Entlassung nicht selbst beantragt haben“ wurde unter Hinweis darauf gestrichen, die Entlassung auf Antrag sei - auch für Probe- und Widerrufsbeamte - in § 38 NBG geregelt (LT-Drs. 12/6206, S. 46). Die nicht selbst beantragte Entlassung eines Widerrufsbeamten wegen Dienstunfähigkeit gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 3 NBG ist nicht in geringerem Maße belastend als eine solche, die auf § 40 Abs. 1 NBG gestützt ist und insoweit ausdrücklich eine Mitbestimmung erfordert. Eine erweiternde Auslegung der Katalogtatbestände ist damit erforderlich. Hierbei muss nach Auffassung der Kammer nicht § 65 Abs. 1 Nr. 13 NPersVG, sondern § 65 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG über seinen ausdrücklichen Gesetzeswortlaut hinaus auch für eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf Anwendung finden (so auch H. Sommer in: Fricke u.a., NPersVG, 2. Auflage, 2005, § 65, Rdn. 49). Denn zum einen setzt materiellrechtlich die Entlassung gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 3 NBG in gleicher Weise wie die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand die Dienstunfähigkeit des Beamten voraus. Darüber hinaus erscheint der Kammer das Antragserfordernis des § 65 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG auch bei einer Entlassung wegen Dienstunfähigkeit aus Gründen des Schutzes der Persönlichkeitssphäre der/des Betroffenen sinnvoll; denn für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist regelmäßig die Kenntnis solcher Fakten unentbehrlich, die aufgrund ihres Bezugs zum Gesundheitszustand des Beamten höchstpersönlich sind. Wäre die Annahme der Antragsgegnerin richtig, eine auf § 37 Abs. 1 Nr. 3 NBG gestützte und von der/dem Betroffenen nicht selbst beantragte fristgemäße (vgl. § 41 Abs. 6 Halbs. 1 NBG) Entlassung könne in Niedersachsen völlig losgelöst von jeglicher Personalratsbeteiligung (Mitbestimmung, Benehmensherstellung) erfolgen, wäre dies eine eindeutige Unterschreitung des im Bund und in sämtlichen Bundesländern üblichen personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsstandards (vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Satz 2 BPersVG; § 80 Abs. 1 Nr. 6 LPVG Bad-Württ; Art 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Satz 3 BayPVG; § 88 Nr. 11 PersVG Berlin; § 65 Abs. 1 Buchst. b) BremPersVG; § 87 Abs. 1 Nr. 13 HambPersVG; § 77 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h) HessPersVG; § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 und Satz 4 LPVG NW; § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 15 LPersVG Rheinl-Pf; § 80 Abs. 1 Buchst. a) Nr. 9 SaarlPersVG; § 51 Abs. 1 Satz 1 Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein; § 68 Abs. 1 Nr. 5 PersVG Brandenburg; § 68 Abs. 2 Nr. 4 PersVG Meckl-Vorp; § 81 Abs. 1 Nr. 11 SächsPersVG; § 66 Nr. 10 PersVG Sachsen-Anhalt; § 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 und Satz 2 ThürPersVG). Dafür, dass der niedersächsische Landesgesetzgeber mit § 65 Abs. 1 Nr. 13 und Nr. 11 NPersVG - beließe man es jeweils bei der schlichten Wortlautinterpretation - einen den üblichen Standard (vgl. hierzu auch § 104 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. § 78 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Satz 2 BPersVG) unterschreitenden „niedersächsischen Sonderweg“ hat einschlagen wollen, gibt es nach Ansicht der Kammer schlechterdings keinerlei Anhaltspunkte. Die Kammer ist im Gegenteil davon überzeugt, dass der niedersächsische Landesgesetzgeber - wäre ihm die hier in Rede stehende Problematik bewusst gewesen - eine Personalratsbeteiligung in dem hier von ihr vertretenen Sinne angeordnet hätte. Der Umstand, dass die auf § 37 Abs. 1 Nr. 3 NBG gestützte Entlassung einer Widerrufsbeamtin oder eines Widerrufsbeamten im Vorbereitungsdienst - anders als diejenige nach § 40 Abs. 1 NBG - eine gebundene und keine Ermessensentscheidung ist, steht einer Personalratsbeteiligung (sofern von der/dem Betroffenen gewünscht) nicht entgegen. Der inhaltliche Gehalt der Personalratsbeteiligung ist insoweit die zusätzliche Kontrolle der Richtigkeit des Normenvollzuges im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 54 Abs. 1 NBG, insbesondere des im konkreten Fall zugrunde liegenden Sachverhalts sowie der einzelfallbezogenen Feststellungen und Wertungen der Dienstbehörde. Ist der Vorbereitungsdienst wie bei Lehrern sowohl Voraussetzung für die - endgültige - Übernahme in den Staatsdienst als auch für die Ausübung des Berufes außerhalb des öffentlichen Dienstes und damit als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG zu qualifizieren, ist für die Beurteilung der Dienstfähigkeit nicht auf die gesundheitliche Eignung für die mit dem Bestehen der Laufbahnprüfung eröffnete Beamtenlaufbahn abzustellen, sondern in erster Linie auf die Anforderungen des Vorbereitungsdienstes (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 24.1.2007 - 6 B 2339/06 - Rdn. 2 f., Beschluss vom 12.1.2007 - 6 A 3305/06 -, Rdn. 15, und Beschluss vom 31.8.2005 - 1 B 922/05 -, Rdn. 14 ff.). Wenn die Personalvertretung auch nicht dienstbehördliche Einschätzungen durch eigene Einschätzungen ersetzen darf, ist sie personalvertretungsrechtlich nicht mit der Rüge ausgeschlossen, im konkreten Fall habe die Dienstbehörde bei der Feststellung der Dienstunfähigkeit eine falsche - weil zu hohe - „Messlatte“ angelegt.
Gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG wird der Personalrat nur auf Antrag des Beschäftigten beteiligt. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragstellerin einen solchen Antrag gestellt hat. Weil die Antragsgegnerin ihrer personalvertretungsrechtlichen Hinweispflicht nicht nachgekommen ist, ist das Entlassungsverfahren gleichwohl fehlerhaft durchgeführt worden. Denn - wie bereits dargelegt - war die Antragstellerin gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 11, HS 2 NPersVG auf ihr diesbezüglich bestehendes Antragsrecht rechtzeitig hinzuweisen. Mit Schreiben vom 25. April 2007 wurde der Antragstellerin durch die Antragsgegnerin zwar Gelegenheit gegeben, sich zu der beabsichtigten Entlassung zu äußern; ein Hinweis auf die mögliche Beteiligung des Schulbezirkspersonalrates erfolgte jedoch nicht.
Aufgrund des fehlenden Hinweises nach § 65 Abs. 1 Nr. 11, HS 2 NPersVG ist die Entlassungsverfügung rechtswidrig. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Mitbestimmung des Schulbezirkspersonalrats nur deshalb unterblieben ist, weil die Antragstellerin über ihr Antragsrecht nicht informiert worden war. Das Unterlassen der gebotenen Beteiligung des Personalrats hat nach ständiger Rechtsprechung die Aufhebung der als Verwaltungsakt ergehenden Maßnahme aufgrund einer Anfechtungsklage zur Folge. Auch wenn nicht das Wohl einzelner, sondern das aller Beschäftigten auch bei personellen Einzelmaßnahmen Richtschnur des personalvertretungsrechtlichen Handelns ist, dient dieses jedoch zugleich den Interessen des einzelnen Beamten (statt aller: BVerwG, Urteil vom 12. März 1987 - 2 C 39.85 -, ZBR 1987, 286).
Der Fehler der mangelnden Unterrichtung über das Antragsrecht ist nicht aufgrund einer entsprechenden Anwendung von § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 46 VwVfG unbeachtlich. Zwar kann nach dem in § 46 VwVfG zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken auch die Aufhebung einer dienstlichen Maßnahme ausgeschlossen sein, die wegen eines Fehlers des personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahrens rechtswidrig ist (BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 1999, a.a.O.). Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin im Falle einer ordnungsgemäßen Unterrichtung die Mitbestimmung des Personalrats beantragt, dieser gegen die beabsichtigte Entlassung Einwendungen erhoben und die Antragsgegnerin aufgrund der Einwendungen von der Entlassung abgesehen hätte.