Amtsgericht Lüneburg
Beschl. v. 13.01.2003, Az.: 46 IN 51/02
Vergütung des Insolvenzverwalters; Erstattungsanspruch des Verwalters gegen die Staatskasse; Sicherung der Existenzbedürfnisse eines Insolvenzverwalters
Bibliographie
- Gericht
- AG Lüneburg
- Datum
- 13.01.2003
- Aktenzeichen
- 46 IN 51/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 32558
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGLUENE:2003:0113.46IN51.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 63 Abs. 2 InsO
- § 207 InsO
- § 2 Abs. 2 InsO
Fundstellen
- Rpfleger 2003, 208-209 (Volltext mit red. LS)
- ZInsO 2003, 121-122 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
Tenor:
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des werden die Vergütung und Auslagen des Insolvenzverwalters festgesetzt auf:
- 1.
1.520,00 EUR Nettovergütung nach Insolvenzrechtlicher Vergütungsverordnung (InsVV)
- 2.
243,20 EUR Umsatzsteuer darauf in Höhe von 16% sowie
- 3.
500,00 EUR Auslagen zuzüglich
- 4.
80,00 EUR Umsatzsteuer darauf in Höhe von 16 %
- 5.
2.343,20 EUR Gesamtbetrag
Dem Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Henning Sämisch, Zippelhaus 4, 20457 Hamburg wird gestattet, den festgesetzten Betrag nach Rechtskraft des Beschlusses einer etwaigen Insolvenzmasse zu entnehmen, sofern kein Ausgleich gem. § 63 Abs. 2 InsO erfolgt.
Gründe
Mit Antrag vom 09.10.2002 begehrt der bestellte Insolvenzverwalter die Festsetzung der ihm zu gewährenden Vergütung sowie Ersatz entstandener Auslagen. Da im vorliegenden Fall eine Insolvenzmasse nicht vorhanden ist, ist nach § 2 Abs. 2 InsVV von der Regelmindestvergütung auszugehen. In seinem umfassend begründeten Antrag führt der Insolvenzverwalter nachvollziehbar auf, dass diese Vergütung nicht den tatsächlichen Aufwand abdeckt. Die Durchführung des Verfahrens hat bei der Insolvenzverwaltung einen Aufwand von 19 Arbeitsstunden erfordert, sodass bei Zugrundelegung eines Stundensatzes von EUR 80,- Geschäftskosten von EUR 1.520,- entstanden sind. Dazu trägt er weiter vor, dass nach allgemein angestellten Ermittlungen (s. Ausführungen: Syrbe, AG Neuruppin, in ZlnsO 2002, 667) der Kostenaufwand eines Verwalters in einem durchschnittlich gelagerten Insolvenzverfahren sich auf rd. EUR 2.390,- beläuft.
Unter ausführlicher Darlegung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beantragt der Insolvenzverwalter daher eine von § 2 Abs. 2 InsVV abweichende Festsetzung seiner Vergütung.
Für entstandene Auslagen setzt der Insolvenzverwalter einen Betrag von EUR 500,- an, den er auf gerichtliche Nachfrage mit Schreiben vom 16.12.2002 hinreichend und als noch unter den tatsächlich entstandenen Auslagen liegend begründet.
Dem Schuldner wurde Gelegenheit zur Stellungnahme geboten. Erklärungen hat er nicht abgegeben.
Da der Insolvenzverwalter unter Hinweis auf die fehlende Insolvenzmasse eine Erstattung der beantragten Vergütung und Auslagen nach § 63 Abs. 2 InsO aus der Landeskasse begehrt, ist sein Antrag vom 09.10.2002 dem Bezirksrevisor bei dem Landgericht Lüneburg übermittelt worden. Mit Stellungnahme vom 14.11.2002 legt die Vertreterin der Landeskasse u.a. dar, dass eine Vergütungsfestsetzung nach Stunden- bzw. Zeitaufwand nicht möglich sei, da die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV) eine Abrechnung nach Stunden nicht vorsehe. Mithin kann nach ihrer Auffassung in Insolvenzverfahren mit Stundung der Verfahrenskosten gemäß § 4 a InsO nur § 2 Abs. 2 InsVV beachtet werden, "nach dem (auch in Verfahren, in denen keine Masse vorhanden ist) die Vergütung mindestens 500,- Euro beträgt. Ein höherer Anspruch lässt sich aus dem Gesetz und dessen Entwurf (BT-Drucksache 14/5680) nicht herleiten."
Wegen des Auslagenersatzes bezieht sich die Vertreterin" der Landeskasse auf § 8 Abs. 3 InsVV mit den sich daraus ergebenden Beträgen nach der Regelvergütung von 500,- Euro."
Der Verwalter; von dieser Stellungnahme unterrichtet, verweist in seiner Antwort vom 29.11.2002 auch darauf, dass der InsVV ein Stundensatz nicht unbekannt sei. Weiter bezieht er sich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 12.09.2002 (ZInsO 2002, 967[BGH 12.09.2002 - IX ZB 39/02]), nach der bei einer die Berufsausübung beeinträchtigenden Vergütung die "Gerichte vorrangig zu versuchen (haben), im Wege verfassungskonformer Auslegung der Norman eine angemessene Vergütung sicherzustellen"
Zu diesem Vortrag erklärt sich die Vertreterin der Landeskasse nicht mehr.
Ein Insolvenzverwalter, der auf Grund der gerichtlichen Bestellung zur Verfahrensabwicklung als ein im Allgemeininteresse beauftragter Treuhänder tätig wird, hat nach § 63 InsO einen Rechtsanspruch auf Gewährung .einer Vergütung für seine Geschäftsführung und auf Erstattung angemessener Auslagen. Die Höhe der regelmäßig zu gewährenden Vergütung ergibt sich auf der Grundlage der im Verfahren angefallenen Insolvenzmasse nach den Bestimmungen der InsVV (§ 65 InsO).
§ 2 Abs. 1 InsVV ermöglicht nach den dort aufgeführten Stufen die Ermittlung einer Regelvergütung, die als angemessen für die Abwicklung eines durchschnittlich gelagerten Insolvenzverfahrens anzusehen ist. Sofern eine Staffelvergütung mangels Teilungsmasse nicht ermöglicht wird, soll einem Insolvenzverwalter nach § 2 Abs. 2 InsVV im Regelfall eine - pauschale - Vergütung von mindestens 500,- Euro zugebilligt werden.
Diese Mindestregelvergütung ist im vorliegenden Fall nicht geeignet, den aufgezeigten Tätigkeitsaufwand des Insolvenzverwalters auch nur hinreichend zu entgelten.
Es ist allgemein anerkannt, dass der Vergütungsanspruch eines Insolvenzverwalters nicht nur verfassungsrechtlichen Schutz genießt (vgl. BVerfG, ZIP 1989, 382), sondern dass ihm für seine Tätigkeit eine auskömmliche Vergütung zu gewähren ist (BGH, ZIP 1992, 120), da nur so die Existenzbedürfnisse eines Insolvenzverwalters gedeckt werden können. § 3 InsVV ermöglicht die Festsetzung einer von der Regelvergütung abweichenden Vergütung nach Lage des Einzelfalls. Diese Bestimmung soll die Gewährung einer angemessenen Vergütung ermöglichen, wenn die Regelvergütung konkret tätigkeitsbezogene Besonderheiten in der Geschäftsführung des Verwalters nicht hinreichend berücksichtigt und damit kein angemessenes Einkommen gewährleistet.
Die danach zu ermittelnde Vergütung fußt auf dem Vorhandensein einer Insolvenzmasse, aus der nach § 53 InsO die Kosten des Insolvenzverfahrens, zu denen gemäß § 54 Ziff. 2 InsO auch die Vergütung eines Verwalters zählt, vorrangig zu bedienen sind. Sofern eine Masse nicht vorhanden ist und ein Vorschuss nicht gezahlt wird, erfolgt entweder nach § 26 InsO die Abweisung des Eröffnungsantrags bzw. nach § 207 InsO die Einstellung des eröffneten Verfahrens mangels Masse. Nach der Verfahrenseröffnung obliegt es also dem Verwalter, rechtzeitig die Massearmut dem Insolvenzgericht anzuzeigen, um einen ausreichenden Vorschuss zur Verfahrensfortführung zu erlangen oder aber im Rahmen des § 207 Abs. 3 InsO die Masseverteilung zu ermöglichen.
Diese Möglichkeiten ergeben sich nicht in Insolvenzverfahren, die auf Grund einer gewährten Stundung der Verfahrenskosten gem. § 4 a InsO eröffnet werden. Folgerichtig ist dem Verwalter nach § 63 Abs. 2 InsO ein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse eingeräumt worden. Dieser Anspruch, ist jedoch sekundär, da er erst dann zum Tragen kommt, wenn die Insolvenzmasse zum Ausgleich der Vergütung und Auslagen des Verwalters nicht ausreicht. Folge ist, dass bereits während der Wohlverhaltensperiode der bestellte Treuhänder verpflichtet ist, aus gezogenen Einnahmen über § 292 Abs. 1 Satz 2 folg. Halbsatz InsO trotz bestehender Stundung entstandene Verfahrenskosten vorrangig zu bedienen. Kann dies während der Wohlverhaltensperiode nicht geschehen, hat das Insolvenzgericht nach erteilter Restschuldbefreiung die gestundeten Kosten nach § 4 b InsO einzufordern; auf KV-GKG Nn 9017 sei hingewiesen.
Somit erscheint die Einziehung der - vorübergehend - aus der Staatskasse, verauslagten Vergütung und Auslagen gesichert. Daher kann im vorliegenden Fall der Argumentation der Vertreterin der Landeskasse, die sich strikt am Wortlaut der Bestimmung hält und offenbar fiskalische Überlegungen einfließen lässt, nicht gefolgt werden; Die in § 2 Abs. 2 InsO angegebene Mindestvergütung ist nach den oben angeführten Ausführungen nicht angemessen und stellt keinen Ausgleich für die vom Verwalter in diesem Verfahren entfalteten Tätigkeiten dar. Wenn die InsVV auch keine Regelung wie die des § 26 ZwVerwVO enthält, kann dennoch dem Antrag des Verwalters gefolgt werden. Dieser hat ausführlich und nachvollziehbar den erbrachten Arbeitsaufwand sowie das Anfallen entstandener Auslagen dargelegt; letztere sind ihm auch deshalb entstanden, dass ihm die Durchführung von Zustellungen nach § 8 Abs. 3 InsOübertragen worden ist.
Dazu erscheint die Höhe des vom Verwalter angeführten "Stundensatzes" angemessen. Dem unterzeichnenden Rechtspfleger sind Ergebnisse durchgeführter Erhebungen hamburgischer Insolvenzverwaltungen bekannt, nach denen ein durchschnittlich gelagertes Insolvenzverfahren mit etwa 20 Gläubigern einen Kostenaufwand von rd. 2.500,- Euro verursacht. Die bei dem Amtsgericht Neuruppin getroffenen Feststellungen werden somit bestätigt.
Daneben hat eine in Hamburg durchgeführte Arbeitsplatz- und -zeiterhebung aufgezeigt, dass ein durchschnittlicher Stundensatz von 130,- Euro anfällt. Am Rande soll nur bemerkt werden, dass für Zwangsverwalter im Rahmen des § 26 ZwVerwVO - auf die letztlich die InsVV aufbaut - durch die Rechtsprechung Stundensätze bis zu 250,--DM zugelassen worden sind.
Im vorliegenden Fall begehrt der Insolvenzverwalter eine Vergütung für 19 erbrachte Arbeitszeitstunden, deren Anfall nach den vorgelegten Verwalterberichten und der Aktenlage als zutreffend anzusehen ist. Da im Hinblick auf die nach § 2 Abs. 2 InsVV vorgesehene Vergütung ein erhebliches Missverhältnis zur entfalteten Tätigkeit vorliegt, kann entgegen der Auffassung der Vertreterin der Landeskasse diese Mindestregelvergütung nicht zugebilligt werden. Zudem untersagt es der Wortlaut dieser Bestimmung nicht, auch eine abweichende Vergütung festzusetzen. Zu diesem Ergebnis kommt auch das Amtsgericht Husum (ZInsO 2002, 1135[AG Husum 12.11.2002 - 10 IN 37/02]), das durch Vervielfachung des nach § 2 Abs. 2 InsVV vorgesehenen Betrags den vom Insolvenzverwalter erbrachten Stundenaufwand entschädigen will.
Bei den Auslagen weist der Verwalter auf gerichtlichen Hinweis nach, dass ihm mehr als der begehrte Betrag entstanden ist. Da er über seinen gestellten Antrag nicht hinausgeht, besteht für eine anderweitige gerichtliche Entscheidung kein Anlass.
Mithin war dem Antrag des Verwalters vom 09.10.2002 im vollen Umfange zu entsprechen.
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten gemäß § 64 Abs. 3 InsO die sofortige Beschwerde zu, die binnen zwei Wochen seit Zustellung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts oder bei dem Landgericht Lüneburg einzulegen ist.