Amtsgericht Lüneburg
Beschl. v. 10.09.2003, Az.: 46 IK 74/02

Festsetzung der Vergütung eines Treuhänders in einem Verbraucherinsolvenzverfahren

Bibliographie

Gericht
AG Lüneburg
Datum
10.09.2003
Aktenzeichen
46 IK 74/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 31928
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGLUENE:2003:0910.46IK74.02.0A

Tenor:

In dem Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen der ..wird die Vergütung des Treuhänders festgesetzt auf:

  1. 1.

    800,00 EUR Nettovergütung nach Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsW)

  2. 2.

    128,00 EUR Umsatzsteuer darauf in Höhe von 16 %

  3. 3.

    40,00 EUR Auslagen zuzüglich

  4. 4.

    6,40 EUR Umsatzsteuer darauf in Höhe von 16 %

  5. 5.

    974,40 EUR Gesamtbetrag

    Dem Treuhänder Rechtsanwalt ..., wird gestattet, den festgesetzten Betrag nach Rechtskraft des Beschlusses einer vorhandenen Insolvenzmasse zu entnehmen.

Gründe

1

Mit Antrag vom 25.07.2003 begehrt der bestellte Treuhänder die Festsetzung der ihm zu gewährenden Vergütung sowie Ersatz entstandener Auslagen, wobei er, da die nach § 13 Abs. 1 InsW vorgesehene "Regelmindestvergütung" keinen angemessene Vergütung darstellt, eine abweichende Vergütung mit EUR 800,00 beantragt. Als Auslagenersatz macht er über § 8 Abs. 3 InsW insgesamt EUR 40,00 geltend.

2

Zum Antrag sind sowohl die Schuldnerin wie die Bezirksrevisorin als Vertreterin der Landeskasse gehörte worden; letztere deshalb, da die Verfahrenskosten nach § 4 a InsO gestundet wurden. Stellungnahmen wurden bisher nicht abgegeben.

3

Dem Antrag des Treuhänders auf Festsetzung einer von § 13 InsW abweichenden Vergütung war zu folgen.

4

Der Gesetzgeber verfolgt mit der zum 01.12.2001 eingeführten Stundung der Verfahrenskosten gem. §§ 4 a ff. InsO das rechtspolitische Ziel, allen mittellosen Personen, die eine Restschuldbefreiung nach den §§ 286 ff. InsO erlangen können, durch ein Insolvenzverfahren den Weg zu einem wirtschaftlichen Neuanfang zu ebnen. Mit der Stundung wird das System, die anfallenden Gerichtskosten sowie die Vergütung des Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders (§ 54 InsO) aus einer vorhandenen Masse gem. § 53 InsO zu entnehmen, nicht berührt. Lediglich für den Fall, dass die Vergütung des Verwalters bzw. Treuhänders durch die Masse nicht gedeckt ist, entsteht der sich aus § 63 Abs. 2 InsO ergebende sekundäre Anspruch gegen die Staatskasse. Durch die Einführung des Auslagentatbestandes Nr. 9017 KV-GKG ist gesichert, dass die gestundeten, aus der Staatskasse - vorübergehend -verauslagten Beträge wieder eingezogen werden. Dies obliegt dem Treuhänder bereits während der Wohlverhaltensperiode gem. § 292 Abs. 1 S. 2 InsO.

5

Grundlage der Gewährung einer Vergütung ist die Bestimmung des § 63 InsO. Dazu hat nach dem Prinzip der InsW der Treuhänder einen Anspruch auf eine kostendeckende Vergütung (§ 4 Abs. 1 InsW). Hinzukommt, dass selbst eine sog. Regelsatz - Vergütung noch einen Gewinnanteil für den Treuhänder beinhalten muss, da sonst eine angemessene Vergütung nicht erreicht wird. Somit ist das Insolvenzgericht gehalten, durch eine entsprechende Auslegung der Vergütungsvorschriften im jeweiligen Einzelfall diese angemessene Vergütung zu ermitteln. Dies hat das Insolvenzgericht nach der vom Bundesverfassungsgericht (vgl. ZIP 1989, 382) wie Bundesgerichtshof (zuletzt ZlnsO 2002, 967) in ständiger Rechtsprechung zugebilligten Anspruch eines Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders auf Gewährung einer angemessenen Vergütung für die entfaltete Tätigkeit zu berücksichtigen.

6

Untersuchungen haben gezeigt, dass für die Tätigkeit eines Insolvenzverwalters in einem durchschnittlich gelagerten Fall Geschäftskosten von EUR 2.006,81 (so Heyrath - ZinsO 2003, 215) bzw. EUR 2.389,09 (so Syrbe - ZlnsO 2002, 668) entstehen, während im Bereich des AG Hamburg auf Grund der dortigen besonderen Gegebenheiten Kosten von EUR 1.403,49 in "Regel-Insolvenzverfahren" bzw. von EUR 1.023,75 in Verbraucherinsolvenzverfahren ermittelt wurden (vgl. Frind - ZlnsO 2003, 639). Bei Zubilligung der nach § 13 Abs. 1 InsW angegebenen "Regelvergütung" müsste ein Treuhänder auf jeden Fall einen erheblichen Betrag aus seinem Privatvermögen "zuschießen", um die entstandenen Geschäftskosten zu decken. Das würde einen enteignungsgleichen Eingriff darstellen, der im Gegensatz zur der genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und BGH steht.

7

Im vorliegenden Fall hat der Verwalter durch Hinweis auf die entfaltete Tätigkeit die entstandenen allgemeinen Geschäftskosten nachvollziehbar belegt. Der zur Ermittlung dieser Geschäftskosten angenommene Stundensatz ist nicht zu beanstanden, da einem Zwangsverwalter - der ein vergleichbares Treuhänderamt, jedoch regelmäßig nur über einen Vermögensgegenstand des Schuldners mit einer überschaubaren Zahl von Beteiligten ausübt - nach der beabsichtigten Neufassung des ZwVerwVO für ca. 1,5 Stunden seiner Tätigkeit bereits dann eine Vergütung von EUR 200,00 erhalten soll, wenn es nicht zur Inbesitznahme des Objekts gekommen ist, und, sofern die Inbesitznahme erfolgt ist, das Verfahren jedoch sogleich beendet wird, eine Vergütung von EUR 600,00 vorgesehen ist.

8

Daher kann die in § 13 Abs. 1 InsW angeführte Vergütung nicht als angemessen betrachtet werden, da einem Treuhänder regelmäßig die Verwaltung des gesamten schuldnerischen Vermögens und dessen Verwaltung bis hin zur Verwertung unter Beteiligung einer Vielzahl von Gläubigern übertragen wird.

9

Zudem ist dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 InsW zu entnehmen, dass es sich nicht um eine starre Vorgabe handelt, sondern dem Insolvenzgericht signalisiert wird, dass ein Ermessensspielraum verbleiben soll, um die qualifizierte Tätigkeit eines Treuhänders angemessen zu vergüten (vgl. dazu LG Flensburg - ZlnsO 2003, 368, LG Hanau - ZlnsO 2003, 652; AG Göttingen - ZlnsO 2003, 651).

10

Die vom Treuhänder beantragte Vergütung stellt sich im Hinblick auf diese Entscheidungen als maßvoll heraus, sodass ihre Festsetzung - wie die der pauschalierten Auslagen -uneingeschränkt erfolgen konnte.

11

Gegen diesen Beschluss ist für Beteiligte i.S. des § 64 Abs. 3 InsO die sofortige Beschwerde zulässig, die binnen 2 Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses schriftlich oder zur Protokoll der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts oder bei dem Landgericht Lüneburg einzulegen ist.