Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 15.11.2018, Az.: L 7 AS 73/17 B
fiktiv; Terminsgebühr; gerichtlich; Missbrauchsverbot; Treu und Glauben; Vergleichsbeschluss
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 15.11.2018
- Aktenzeichen
- L 7 AS 73/17 B
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 74023
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG - 09.08.2017 - AZ: S 34 SF 42/17 E
Rechtsgrundlagen
- Nr 3106 RVG-VV
- § 101 Abs 1 S 2 SGG
- § 278 Abs 6 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die im jeweiligen Einzelfall ggf. gewollte Entstehung einer Terminsgebühr kann in jedem Verfahrensstadium vor der Beendigung eines Rechtsstreits herbeigeführt werden durch die Abhängigmachung der Vergleichsannahme vom vorherigen Erlass eines Beschlusses gemäß § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG bzw. nach § 202 SGG iVm. § 278 Abs. 6 ZPO.
2. Aufgrund des - auch das gesamte Kostenrecht beherrschenden - Grundsatzes von Treu und Glauben und des daraus abgeleiteten Missbrauchsverbots ist jede Prozesspartei allerdings verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt.
3. Es müssen objektiv Gründe vorliegen, die es als geboten erscheinen lassen, den gerichtlichen Vergleichsbeschluss auch unabhängig von "gebührenrechtlichen Gründen" zu beantragen.
Tenor:
Der Beschluss des Sozialgerichts Stade vom 9. August 2017 wird unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Erinnerung und die Anschlusserinnerung werden zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung in einem Prozesskostenhilfeverfahren.
Der Beschwerdeführer wurde in einem auf die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter dem Aktenzeichen S 32 AS 595/14 gerichteten, am 3. Dezember 2014 anhängig gewordenen Klageverfahren den dortigen vier Klägern als Prozessbevollmächtigter mit Beschluss des Sozialgerichts Stade (SG) vom 6. Februar 2017 beigeordnet. Mit Verfügung vom 6. Februar 2017 unterbreitete das SG den dortigen Beteiligten einen Vergleichsvorschlag, wonach der dortige Beklagte als angemessene Unterkunftskosten für den streitgegenständlichen Zeitraum 660,00 € zuzüglich Heizkosten zahlen sollte und die Kläger die darüberhinausgehende Klage zurücknehmen sollten. Mit Schriftsatz vom 8. März 2017 nahm der Beschwerdeführer den Vergleichsvorschlag für die dortigen Kläger an. Der dortige Beklagte unterbreitete dagegen mit Schriftsatz vom 7. April 2017 ein davon abweichendes Vergleichsangebot. In diesem war lediglich die Zahlung von 602,00 € als angemessene Unterkunftskosten für den streitgegenständlichen Zeitraum zuzüglich Heizkosten vorgesehen. Mit Schriftsatz vom 18. April 2017, beim SG eingegangen am 19. April 2017, stimmte der Beschwerdeführer dem modifizierten Vergleichsvorschlag für die dortigen Kläger zu. In dem gleichen Schriftsatz bat er jedoch das Gericht, aus gebührenrechtlichen Gründen einen ausdrücklichen schriftlichen Vergleich zu formulieren. Dieser Bitte kam das SG nach und erließ am 25. April 2017 einen Beschluss, in dem es den modifizierten Vergleichsvorschlag gerichtlich feststellte.
Am 3. Mai 2017 beantragte der Beschwerdeführer beim SG die Erstattung der Gebühren und Auslagen für seine Tätigkeit in dem Klageverfahren. Abgerechnet wurden dabei nach dem Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102,1008 VV RVG in Höhe von 780,00 €, eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG in Höhe von 360,00 €, eine Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG in Höhe von 400,00 €, die Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 € sowie Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 292,60 €, insgesamt also 1.832,60 €. Nach Abzug des bereits erhaltenen Vorschusses auf die Prozesskostenhilfevergütung in Höhe von 702,10 € errechnete er so einen von der Staatskasse noch zu zahlenden Betrag in Höhe von 1.130,50 €.
Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 3. Mai 2017 setzte die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle beim SG die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 1.380,40 € fest. Sie setzte dabei die Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr an, was bei einem wegen der Tätigkeit für insgesamt vier Auftraggebern gemäß Nr. 1008 VV RVG um 90 % erhöhten Gebührenrahmen einem Betrag von 570,00 € entsprach. Die Terminsgebühr sei ebenfalls unstreitig angefallen. Diese betrage hier 90% der Verfahrensgebühr, mithin 270,00 €. Auch die Einigungsgebühr sei unstreitig angefallen. Sie sei in Höhe der Verfahrensgebühr anzusetzen, also in Höhe von 300,00 €. Hinzu kamen die Post- und Telekommunikationspauschalen in Höhe von 20,00 € und die Umsatzsteuer in Höhe von 220,40 €. Nach Abzug des bereits erhaltenen Vorschusses auf die Prozesskostenhilfevergütung in Höhe von 702,10 € ergab sich ein von der Staatskasse noch zu zahlender Betrag in Höhe von 678,30 €.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 15. Mai 2017 beim SG Erinnerung eingelegt. Die von ihm beantragte Kostenfestsetzung sei sachgerecht gewesen. Für den Umfang der Bearbeitung seien auch tatsächlich durchgeführte Besprechungen maßgeblich. Zu diesem Punkt verhalte sich die Urkundsbeamtin überhaupt nicht. Die alleinige Anzahl der angefertigten Schriftsätze sei sowohl ohne Berücksichtigung deren Inhalts als auch ohne Berücksichtigung der gegnerischen Schriftsätze, die ja auch zur Kenntnis genommen werden müssten, inhaltsleer.
Am 18. Juli 2017 hat der Beschwerdegegner Anschlusserinnerung eingelegt. Die Verfahrensgebühr und die Einigungsgebühr seien von der Urkundsbeamtin zutreffend festgesetzt worden. Die Festsetzung der Terminsgebühr sei dagegen problematisch. Der Beschwerdeführer habe den Vergleichsbeschluss lediglich aus „gebührenrechtlichen Gründen“ veranlasst, um auf diese Weise die Terminsgebühr zu erhalten. Durch dieses Handeln habe der Beschwerdeführer das Gebot der kostensparenden Prozessführung verletzt. In der Konsequenz habe er daher keinen Anspruch auf eine Terminsgebühr.
Das SG hat mit Beschluss vom 9. August 2017 die Erinnerung zurückgewiesen, auf die Anschlusserinnerung hin den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des SG vom 3. Mai 2017 jedoch geändert und die dem Beschwerdeführer noch aus der Staatskasse zusätzlich zu dem bereits erhaltenen Vorschuss zu gewährenden Gebühren und Auslagen auf 357,00 € festgesetzt. Hinsichtlich der Höhe der Verfahrens- und der Einigungsgebühr folgte es den Ausführungen der Urkundsbeamtin in deren Beschluss und machte sich diese zu Eigen. Die Festsetzung der Terminsgebühr sei dagegen zu Unrecht erfolgt. Obwohl das SG am 25. April 2017 das Zustandekommen des außergerichtlichen Vergleichs protokolliert habe, löse dies hier keine Terminsgebühr aus. Denn der Beschwerdeführer habe am 19. April 2017 dem modifizierten Vergleichsvorschlag des dortigen Beklagten zugestimmt und damit das Verfahren für erledigt erklärt. Das Verfahren sei damit bereits beendet gewesen, bevor das SG den Vergleich protokollierte. Die Festsetzung der fiktiven Terminsgebühr komme bei dieser Sachlage nicht mehr in Betracht. Der schriftliche (gerichtliche) Vergleich habe nicht mehr zur Beendigung des Klageverfahrens führen können.
Gegen den am 11. August 2017 zugestellten Beschluss richtet sich die am 15. August 2017 eingelegte Beschwerde des Beschwerdeführers. Er stelle die gesamte Kostenfestsetzung zur erneuten Überprüfung.
Der Beschwerdegegner hat zu der Beschwerde keine Stellungnahme abgegeben.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Beiakte Bezug genommen.
II.
Die aufgrund eines Beschwerdewerts von mehr als EUR 200,00 nach § 1 Abs. 3 iVm § 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthafte und fristgemäß eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 9. August 2017 ist teilweise begründet. Der Beschwerdeführer hat - wie von der Urkundsbeamtin in ihrem Beschluss vom 3. Mai 2017 festgesetzt - zusätzlich zu dem bereits erhaltenen Vorschuss in Höhe von 702,10 € Anspruch auf weitere 678,30 €.
1.
Über die Beschwerde entscheidet der Senat in der Zusammensetzung der drei Berufsrichter gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG, nachdem der Berichterstatter das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat übertragen hat. Ehrenamtliche Richter wirken nicht mit (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 8 Satz 3 RVG).
2.
Der Rechtsstreit richtet sich nach der ab 1. August 2013 gültigen Rechtslage, da der Auftrag zur Klageerhebung an den Beschwerdeführer nach dem 1. August 2013 erteilt worden war (§ 60 RVG).
3.
Nach §§ 3, 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt Rahmengebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit, der Einkommens- und der Vermögensverhältnisse des Auftraggebers sowie ggf. eines besonderen Haftungsrisikos nach billigem Ermessen, wobei das geringere Gewicht eines Bemessungsmerkmals das überwiegende Gewicht eines anderen Merkmals kompensieren kann. Ausgangspunkt bei der Bemessung einer Rahmengebühr ist grundsätzlich die so genannte Mittelgebühr, d.h. die Hälfte von Höchst- zzgl. Mindestgebühr als Mitte des gesetzlichen Gebührenrahmens (vgl. Bundesozialgericht <BSG>, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R - SozR 4-1935 § 14 Nr. 2; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24. April 2006 - L 4 B 4/05 KR SF -; Mayer in Gerold/Schmidt, Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 22. Aufl. 2015, § 14 Rn. 18 ff.). Bei von einem Dritten zu ersetzenden Gebühren ist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich und entsprechend zu korrigieren, wenn sie unbillig ist. Dies ist der Fall, wenn die geltend gemachten Gebühren die Toleranzgrenze von circa 20% zur tatsächlich objektiv angemessenen Gebührenhöhe überschreiten (vgl. BSG, aaO.).
Unter Berücksichtigung der ausgeführten Kriterien ist die vom Beschwerdeführer erfolgte Gebührenansetzung unbillig und zutreffend von der Urkundsbeamtin korrigiert worden. Die Änderung des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses der Urkundsbeamten vom 3. Mai 2017 durch den Beschluss des SG vom 9. August 2017 aufgrund der Anschlusserinnerung des Beschwerdegegners ist dagegen zu Unrecht erfolgt.
a)
Für die Tätigkeit im Klageverfahren ergibt eine Gesamtbetrachtung für die zwischen den Beteiligten streitige Verfahrensgebühr den Ansatz der Mittelgebühr, also in Höhe von 300,00 €, erhöht um 90% für drei weitere Auftraggeber nach Nr. 1008 VV RVG, also erhöht um weitere 270,00 €, mithin insgesamt in Höhe von 570,00 €.
Maßgeblich für diese Beurteilung ist zunächst, dass der ersichtliche anwaltliche Tätigkeitsumfang vor dem SG als durchschnittlich einzustufen ist. Er umfasste die Klageeinreichung, Prüfung der Klageerwiderung, Abgabe der Replik, Prüfung und Abstimmung des gerichtlichen Vergleichsvorschlags mit den Mandanten, Abgabe der Zustimmungserklärung zu dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag, Prüfung des modifizierten Vergleichsvorschlags des Beklagten und Annahme des modifizierten Vergleichsvorschlags für die Mandanten. Bei diesem, einem normalen sozialgerichtlichen Verfahren entsprechenden Verfahrensablauf kann nicht von einem überdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ausgegangen werden, wie der Beschwerdeführer meint. Die Einreichung von drei Schriftsätzen mit Rechtsausführungen entspricht ohne weiteres noch dem Durchschnitt. Auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist als durchschnittlich anzusehen. Die Frage, unter welchen Umständen eine unangemessene Wohnung angemietet werden kann, ist eine Standardfrage bei Verfahren aus dem Bereich des SGB II. Die Bedeutung der Streitsache ist für die Kläger als Empfänger von existenzsichernden Leistungen als überdurchschnittlich einzustufen. Die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit wird jedoch durch die deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger kompensiert.
b)
Die Einigungsgebühr ist von der Urkundsbeamtin ebenfalls zutreffend angesetzt worden. Sie entspricht gem. Nr. 1006 VV RVG der Höhe der Verfahrensgebühr (ohne die Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG), war also in Höhe von 300,00 € anzusetzen.
c)
Entgegen der Auffassung des SG in dessen Beschluss vom 9. August 2017 ist für die Tätigkeit des Beschwerdeführers in dem Klageverfahren auch eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 Satz 1 Nr. 1 VV RVG in Höhe von 270,00 € entstanden.
Gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 1 VV RVG entsteht die Terminsgebühr sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, wenn nichts anderes bestimmt ist. Nr. 3106 VV RVG sieht in Satz 1 vor, dass die Terminsgebühr auch entsteht, wenn 1. in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird, 2. nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann oder 3. das Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, nach angenommenen Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.
Im vorliegenden Fall endete das Klageverfahren, ohne dass zuvor eine mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht stattgefunden hatte, durch einen schriftlichen Vergleich iSd Nr. 3106 Satz 1 Nr. 1 VV RVG.
Ein „schriftlicher Vergleich“ iSd Nr. 3106 Satz 2 Ziffer 1 VV RVG ist nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 17. Oktober 2017 – L 7 AS 49/17 B - und vom 20. Juli 2015 - L 7/14 AS 64/14 B) nur ein unter Mitwirkung oder auf Veranlassung des Gerichts geschlossener Vergleich nach § 202 SGG in Verbindung mit § 278 Abs. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) und ab dem 25. Oktober 2013 auch nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG. Die eindeutige und ausnahmslose Abstellung auf einen Vergleichsbeschluss vermeidet etwaige Unklarheiten und Abgrenzungsfragen, z.B. auch in Fällen von durch Beteiligte oder das Gericht geänderte oder ergänzte Vergleichsvorschläge, und ermöglicht den Beteiligten zudem im Rahmen der wirtschaftlichen Beurteilung einer Vergleichswirkung die Steuerung und ggf. Verminderung der Gesamthöhe der anfallenden außergerichtlichen Kosten. Die im jeweiligen Einzelfall ggf. gewollte Entstehung einer Terminsgebühr kann in jedem Verfahrensstadium vor der Beendigung eines Rechtsstreits herbeigeführt werden durch die Abhängigmachung der Vergleichsannahme vom vorherigen Erlass eines Beschlusses gemäß § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG bzw. nach § 202 SGG iVm. § 278 Abs. 6 ZPO.
Genau diese Situation lag hier entgegen der Auffassung des SG vor. Der Beschwerdeführer hat in seinem Schriftsatz vom 18. April 2017 zeitgleich mit der Zustimmung zu dem modifizierten Vergleichsvorschlag des Beklagten um den Erlass eines gerichtlichen Vergleichsbeschlusses gebeten. Die Zustimmungserklärung war bei verständiger Auslegung dabei mit dem Antrag auf Erlass des Vergleichsbeschlusses verknüpft, so dass das Verfahren noch nicht beendet war, als der gerichtliche Vergleichsbeschluss erging. Anders stellt sich die Sachlage dar, wenn zunächst in einem Schriftsatz dem Vergleichsvorschlag zugestimmt wird und dann zeitlich später in einem weiteren Schriftsatz der gerichtliche Vergleichsbeschluss erbeten wird. In einem solchen Fall wäre das Verfahren dann in der Tat bereits beendet, so dass der gerichtliche Vergleichsbeschluss die Terminsgebühr nicht mehr auslösen könnte (vgl. z.B.: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 25. Juni 2018 - L 7 AS 9/18 B - und Beschluss vom 7. März 2018 - L 7 AS 10/16 B). Diese Fallgestaltung lag hier jedoch nicht vor.
Der Entstehung der Terminsgebühr steht im vorliegenden Fall auch nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer den gerichtlichen Vergleichsbeschluss aus „gebührenrechtlichen Gründen“ erbeten hat. Zwar trifft aufgrund des - auch das gesamte Kostenrecht beherrschenden - Grundsatzes von Treu und Glauben und des daraus abgeleiteten Missbrauchsverbots jede Prozesspartei die Verpflichtung, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20. Mai 2014 – VI ZB 9/13 – NJW 2014, 2285 = juris RdNr. 6). Hier lagen jedoch objektiv Gründe vor, die es als geboten erscheinen lassen, den gerichtlichen Vergleichsbeschluss auch unabhängig von den genannten „gebührenrechtlichen Gründen“ zu beantragen. Denn der letztlich geschlossene Vergleich stellte eine Modifizierung des zuvor gerichtlich vorgeschlagenen Vergleichs dar. Um spätere Unklarheiten über den tatsächlich letztlich geschlossenen Vergleich zu vermeiden, bot sich hier der abschließende gerichtliche Vergleichsbeschluss geradezu an, mit der Folge, dass trotz der Formulierung des Beschwerdeführers in seinem Schriftsatz vom 18. April 2017 hier keine missbräuchliche Herbeiführung der Entstehung der Terminsgebühr anzunehmen ist.
Hinsichtlich der Höhe der Terminsgebühr, die hier als fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Satz 1 Nr. 1 VV RVG entstanden ist, gibt Nr. 3106 Satz 2 VV RVG vor, dass sie in Höhe von 90% der Verfahrensgebühr (ohne die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG) entstanden ist. Sie war daher hier mit 270,00 € anzusetzen.
d)
Danach ergibt sich folgende Berechnung:
Verfahrensgebühr Nr. 3102, 1008 VV RVG: | 570,00 € |
---|---|
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG: | 270,00 € |
Einigunggebühr Nr. 1006 VV RVG: | 300,00 € |
Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG | 20,00 € |
Zwischenergebnis | 1.160,00 € |
19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG | 220,40 € |
Zwischenergebnis | 1.380,40 € |
Abzgl. bereits erhaltenem Vorschuss | - 702,10 € |
Ergebnis | 678,30 € |
Diese Berechnung deckt sich mit der Berechnung der Urkundsbeamtin in ihrem Beschluss vom 3. Mai 2017. Sowohl die Erinnerung als auch die Anschlusserinnerung gegen die Entscheidung der Urkundsbeamtin bleiben insofern erfolglos. Der Beschluss des SG war daher entsprechend zu korrigieren.
4.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).