Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.11.2018, Az.: L 6 U 60/17

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
26.11.2018
Aktenzeichen
L 6 U 60/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 43413
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - 25.04.2017 - AZ: S 3 U 48/15

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 25. April 2017 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) Nr 4103 (Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura) streitig.

Der 1951 geborene Kläger erlernte von September 1967 bis August 1970 den Beruf des Schornsteinfegers und war von November 1973 bis Dezember 1982 und von Januar 1990 bis Dezember 2011 in diesem Beruf tätig. In diesem Zeitraum war er von Januar 1992 bis 8. März 1999 und vom 1. Oktober 2002 bis 3. Februar 2004 selbständig tätig ohne Unternehmerversicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung. Vom 1. Juli 2001 bis 30. September 2002 war er arbeitsunfähig erkrankt. Vom 24. Januar 1983 bis 28. Mai 1984 arbeitete der Kläger als Heizer (Leiter) im Braunkohleheizkraftwerk der Deutschen Reichsbahn in F ... Vom 3. Juli 1984 bis 28. Februar 1985 war er als Heizer in der Großbäckerei G. beschäftigt, vom 1. März 1985 bis 31. Dezember 1988 ebenfalls als Heizer beim Q. in H ...

Im Januar 2012 erfolgte ein stationärer Aufenthalt in den I. in J., dort wurde ein CT des Thorax durchgeführt und der Verdacht auf eine Lungenfibrose erhoben (Bericht vom 20. Januar 2012). Am 19. August 2013 zeigte der Kläger der Beklagten eine BK an. Der Mitarbeiter K. des Präventionsdienstes der Beklagten ermittelte für die (versicherten) Tätigkeitszeiträume als Schornsteinfeger auf der Grundlage des BK-Reports 1/2013 1 Faserjahr Dipl-Ing L. (Eisenbahn-Unfallkasse) errechnete für die Tätigkeit bei der Deutschen Reichsbahn 0,5 Faserjahre. Dr M. (Geschäftsbereich Prävention der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN)) verneinte eine Asbestexposition in der Großbäckerei F. und im Q. Die Beklagte holte das Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr N. vom 13. Februar 2014 ein. Die Gutachterin bejahte eine Asbestose und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab Januar 2012 auf 30 vom Hundert (vH). Zur Begründung führte sie aus: Lungenasbestosen kämen auch nach niedriger Asbestexposition vor. Die wichtigste verbleibende Differenzialdiagnose sei die idiopathische Lungenfibrose, die Häufigkeit liege zwischen 0,4-23/10000. Die Häufigkeit einer asbestbedingten Lungenfibrose bei Asbestexponierten liege hingegen im Prozentbereich, sei also sehr viel häufiger. Die im CT des Thorax sichtbaren pleuralen Veränderungen seien für eine asbestbedingte Pleuraerkrankung nicht beweisend, sprächen aber eher für eine Asbestose als für eine idiopathische Lungenfibrose. Auch der relativ stabile Verlauf über gut 2 Jahre spreche gegen eine idiopathische Lungenfibrose.

Dr O. regte in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 10. März 2014 eine weitere medizinische Sachaufklärung an: Beim Kläger liege fraglos eine interstitielle Lungenerkrankung vor, die Ursache sei jedoch unklar. Aus dem radiologischen Befund lasse sich nicht ableiten, dass die Asbeststaubexposition zur Entwicklung der Erkrankung geführt habe. Es fehlten pleurale Asbestinhalationsfolgen, so dass es eine triftige Begründung dafür geben müsse, dass die sehr geringe Asbestexposition ursächlich sei. Neben Asbest gebe es weit über 100 andere mögliche Ursachen für die Entstehung einer interstitiellen Lungenerkrankung. Er empfahl die Einholung einer radiologischen Stellungnahme.

Im radiologischen Gutachten vom 13. August 2014 bewerteten Dr P. und Dr Q. die vorliegenden CT-Aufnahmen: Es gebe keine eindeutigen Hinweise auf eine Asbestfaserstaubassoziation, für eine Asbestexposition hoch signifikante hyaline oder verkalkte Pleuraplaques seien nicht nachweisbar. Die Veränderungen entsprächen dem Bild einer reaktiven Pleurafibrose bei angrenzender Lungenfibrose. Es zeige sich eine Lungenfibrose vom UIP-/IPF-Muster, diese Veränderungen seien radiologisch nicht eindeutig einzuordnen. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 6. September 2014 fasste Dr O. zusammen, dass keine konkreten Hinweise einer Manifestation einer Asbesteinwirkung an den Atemwegen erkennbar seien. Es bestehe die Möglichkeit, nicht jedoch die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges.

Mit Bescheid vom 23. Oktober 2014 lehnte die Beklagte eine BK Nr 4103 und Leistungen ab: Die Ursache für die Lungenfibrose habe nicht geklärt werden können. Es fehlten typische radiologische Hinweise auf eine asbestbedingte Lungenerkrankung, es habe auch keine sehr hohe Asbestexposition bestanden. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2014 stimmte die staatliche Gewerbeärztin des Landesamtes für Gesundheit und Soziales R. S. dieser Bewertung zu.

Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, er habe während seines ganzen Arbeitslebens in direktem Kontakt mit Asbest gestanden. Erforderlich seien weitere Ermittlungen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2015 zurück: Das Erkrankungsbild im Sinne der BK Nr 4103 müsse im Vollbeweis gesichert sein. Speziell den Röntgenbildern komme bei der Diagnose einer BK Nr 4103 eine entscheidende Bedeutung zu. Sie werde aufgrund der röntgenologisch sichtbaren asbestosetypischen Veränderungen an Lunge und/oder Pleura gestellt. Im vorliegenden Fall gäbe es keine eindeutigen Hinweise auf eine Veränderung durch Asbeststaub. Die für eine Asbestexposition typischen Pleuraplaques seien nicht gefunden worden. Allein der Ausschluss von Differentialdiagnosen oder deren geringere statistische Häufigkeit genügten nicht.

Dagegen hat der Kläger am 23. März 2015 Klage beim Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben.

Das SG hat Befundberichte des den Kläger behandelnden Internisten Dr T. sowie der U. und anschließend das Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin Prof Dr V. vom 10. Dezember 2015 eingeholt. Der Sachverständige hat eine Asbestose diagnostiziert und die MdE ab 1. Juni 2012 auf 40 vH geschätzt. Die von den Berufsgenossenschaften ermittelte Exposition gegenüber Asbest bei den Tätigkeiten als Heizer sei zu gering. Für die Tätigkeit im Braunkohlekraftwerk F. (Reichsbahn) hat der Sachverständige 7,4 Faserjahre und für die Tätigkeit beim VE Einzelhandelsbetrieb 24,6 Faserjahre errechnet. Insgesamt seien 33 Faserjahre festzustellen. Vor dem Hintergrund der erheblichen Asbestexposition des Klägers sei die Lungenfibrose eindeutig asbestbedingt. Eine idiopathische Lungenfibrose als Ursache scheide aufgrund der hohen Asbestexposition als mögliche Ursache aus. Die vorhandenen Pleuraveränderungen unterstützten die Diagnose der asbestbedingten Ursache.

Die Beklagte hat die neue Berechnung der Prävention der Unfallversicherung Bund und Bahn vom 26. Januar 2016 eingereicht, unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers gegenüber dem Sachverständigen ergebe sich nunmehr eine Belastung von 1,5 Faserjahren. Die BGN ist bei ihrer Berechnung geblieben.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21. August 2016 hat der Sachverständige ausgeführt, auch bei einer Exposition von nur 2,5 Faserjahren sei die Kausalität zu bejahen. Es existierten keine Grenzwerte für die Anerkennung einer Asbestose, auch geringe kumulative Asbestfaserbelastungen könnten zu asbestbedingten Erkrankungen führen. Im Einzelfall könnten die für die Asbestbelastung kennzeichnenden pleuralen Veränderungen, insbesondere die umschriebenen Pleuraplaques, sogar fehlen. Beim Kläger ließen das typische Erkrankungsalter, die langjährige Exposition und der langsam progrediente Verlauf der Erkrankung weniger auf eine idiopathische Form der Lungenerkrankung als vielmehr auf eine typisch verlaufende Asbestose schließen. Auch wenn die für eine Asbestexposition hochsignifikanten Pleuraplaques nicht vorlägen, unterstützten die vorhandenen Pleuraveränderungen die Diagnose einer asbestbedingten Ursache der Lungenfibrose.

Dazu hat die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr O. vom 18. September 2016 eingereicht: Die pleuralen Veränderungen seien von den Radiologen klar und nachvollziehbar als reaktive Veränderungen bezeichnet worden und könnten somit nicht als Brückensymptom einer Asbeststaubexposition gewertet werden. Außerdem seien die klinischen Befunde uncharakteristisch und die gesicherte Exposition zu gering, um als wahrscheinliche Ursache der Lungenfibrose in Frage zu kommen.

In seiner weiteren Stellungnahme vom 19. Dezember 2016 hat der Sachverständige unter Bezugnahme auf die Leitlinie "Diagnostik und Begutachtung asbestbedingter BK" darauf hingewiesen, dass es für die Beurteilung einer asbestbedingten Lungenfibrosierung keinen konkreten Grenzwert gebe. Im vorliegenden Fall seien konkurrierende Ursachen (einschließlich eines Zigarettenkonsums) ausgeschlossen worden. Eine idiopathische Lungenfibrose scheide wegen des Erkrankungsalters, des weiteren zeitlichen Krankheitsverlaufes und der äußerst niedrigen Prävalenz aus.

Die Beklagte hat die weitere beratungsärztliche Stellungnahme des Dr O. vom 20. Januar 2017 übersandt: Die Asbeststaubexposition könne nicht als gültige Ursache herangezogen werden, nur weil keine anderweitige Ursache verfügbar sei.

Das SG hat sich der Beurteilung des Sachverständigen angeschlossen und mit Urteil vom 25. April 2017 eine BK Nr 4103 festgestellt.

Gegen das am 8. Mai 2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. Mai 2017 Berufung eingelegt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Lüneburg vom 25. April 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Lüneburg vom 25. April 2017 zurückzuweisen, hilfsweise, dass der Sachverständige Dr W. zu der Frage ergänzend Stellung nimmt: Ist in der Auswertung der CT-Untersuchungen vom 30.09.2016, 04.09.2017 und 21.08.2018 sowie der Bronchoskopie vom 20.05.2018 ein stabiler bzw nicht wesentlich geänderter Befund der Lungenfibrose und damit allein eine Asbestose als Erkrankung festzustellen?

Im vorbereitenden Verfahren hat der Senat das pneumologische Gutachten nach Aktenlage des Dr W. vom 28. November 2017 eingeholt. Nach dessen Auffassung ist die Entstehung der Lungenfibrose des Klägers als Folge der beruflichen Asbestexposition zum jetzigen Zeitpunkt zwar als möglich, aber wenig wahrscheinlich anzusehen. Der Sachverständige hat Studien benannt, wonach bei einer Exposition von bis zu 5 Asbestfaserjahren die Ausbildung einer radiologisch sichtbaren Lungenfibrose unwahrscheinlich sei. Eindeutige röntgenologische Hinweise auf eine asbestinduzierte Erkrankung lägen nicht vor. Im Einzelfall ließen sich aber auch Veränderungen im Sinne einer Asbestose ohne Pleuraplaques feststellen. Nach der Literatur lasse sich allerdings nicht angeben, wie oft bei einer Asbestose ein UIP-Muster ohne Pleuraplaques zu beobachten sei. Als konkurrierende Ursache komme (nur) eine idiopathische Lungenfibrose in Betracht. Die Entwicklung der Lungenfunktion des Klägers (keine klare Veränderung im Zeitraum von Januar 2012 bis September 2015) passe besser zu einer Asbestose als zu einer idiopathischen Lungenfibrose.

Anschließend hat der Kläger die Arztbriefe der X. vom 8. Februar 2018 und 31. August 2018 sowie der Y. vom 9. Mai 2018 und 13. Juni 2018 vorgelegt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes, des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Prozessakte Bezug genommen. Der Entscheidungsfindung haben die Verwaltungsakten der Beklagten zugrunde gelegen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung erweist sich auch als begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass bei ihm eine Erkrankung im Sinne der BK Nr 4103 der Anlage zur BKV vorliegt. Denn es ist schon die tatbestandliche Voraussetzung einer Asbestose nicht bewiesen.

Nach § 7 Abs 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle und BKen Versicherungsfälle iSd SGB VII. BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII).

Voraussetzung für die Feststellung jeder Erkrankung als BK ist, dass die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankung, für die Entschädigungsleistungen beansprucht werden, im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sind. Erforderlich ist eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit (BSG Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 25/03; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 128 Rn 3b mwN). Dagegen reicht für den Ursachenzusammenhang zwischen schädigender Einwirkung und Krankheit der Beweismaßstab der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht jedoch die bloße Möglichkeit (BSG stRspr, vgl zuletzt Urteil vom 30. März 2017 - B 2 U 6/15 R - BSGE 123, 24 Rn 12 mwN).

Die vom Kläger geltend gemachte BK Nr 4103 ist vom Verordnungsgeber in der Anlage zur BKV wie folgt bezeichnet worden: "Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura".

1. Gemäß dem genannten Beweismaßstab setzt die Anerkennung der BK Nr 4103 zwingend voraus, dass der Vollbeweis für das Vorliegen sowohl der schädigenden Einwirkungen als auch der Erkrankung Asbestose erbracht ist (BSG Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 25/03 R - juris Rn 13). Beides muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Gelingt dieser Nachweis nicht, geht dies nach dem auch im Sozialrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Versicherten, wenn er aus diesen Voraussetzungen eine für ihn günstige Rechtsfolge herleiten will (BSG Urteil vom 12. Mai 1992 - 2 RU 26/91 - juris Rn 19, SozR 3-2200 § 548 Nr 14). Die Grundsätze der objektiven Beweislast (Feststellungslast) greifen erst ein, wenn der Tatrichter keine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer streitigen und entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung gewinnen kann - "non liquet" - (BSG Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 11/14 R - BSGE 120, 230 Rn 30). Das ist hier der Fall.

Es steht fest, dass der Kläger während seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Schornsteinfeger und Heizer gegenüber Asbest exponiert war. Nach der Beurteilung der im Verfahren gehörten Ärzte leidet er an einer Lungenfibrose. Allerdings liegt zur Überzeugung des Senats nicht das Erkrankungsbild einer Asbestose im Sinne des Vollbeweises vor.

Die Diagnose einer Asbestose basiert entscheidend auf dem röntgenologischen Befund (so schon das Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK Nr 4103 - III (Bek d BMA vom 1. Juni 1988, BArbBl 7-8/1988 S 122); Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S 1077 f; Seite 20 f der Empfehlung für die Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten - Falkensteiner Empfehlung -). Als richtungweisend für die Diagnose "Asbestose" gelten Pleuraverschwielungen und kalkhaltige Pleuraplaques. Auch der Sachverständige Dr W. hat - gestützt durch Studien - bekräftigt, dass eine Asbestose in vielen Fällen mit asbestinduzierten Pleuraplaques einhergeht.

Im vorliegenden Fall ist indes aus dem radiologischen Befund eine Asbestose nicht gesichert. Dr P. und Dr Z., in deren Fachgebiet die Beurteilung von CT-Aufnahmen fällt, haben eindeutige Hinweise - insbesondere hoch signifikante hyaline oder verkalkte Pleuraplaques - auf eine Asbestose verneint. Nach ihrer Beurteilung besteht eine Lungenfibrose nach dem UIP-Muster, diese Veränderungen seien ätiologisch nicht eindeutig einzuordnen. Die Veränderungen entsprächen dem Bild einer reaktiven Pleurafibrose bei angrenzender Lungenfibrose. Auch Dr N. und Dr W. haben darauf hingewiesen, dass typische Pleuraveränderungen fehlen. Der Sachverständige Dr W. hat unter Hinweis auf einschlägige Studien herausgearbeitet, dass neben Pleuraplaques auch diffuse Veränderungen des Rippenfells iVm sog Parenchymbänder oder auch sog Rundatelektasen des Lungengewebes charakteristisch für eine Asbestose sind, die hier radiologisch nicht beschrieben werden. Die Annahme des Sachverständigen Prof Dr V., die beim Kläger radiologisch nachgewiesenen pleuralen Veränderungen (diskrete unregelmäßige Verdickungen der Pleura viszeralis, Rippenfellüberzug der Lungen) über den Mittel- bis Unterfeldern (Seite 3 des Gutachtens von Dr P. und Dr Z.) seien ein eindeutiger Hinweis auf eine Erkrankung durch Asbest (Seite 20 des Gutachtens), ist nicht überzeugend. Dr W. hat dazu unter Hinweis auf Studien dargelegt, dass diffuse Pleuraverdickungen nur bei 2 % der untersuchten Patienten mit Asbestose und ebenso bei gesicherter idiopathischer Lungenfibrose vorkamen, so dass von einem eindeutigen Hinweis keine Rede sein kann.

Derartige eindeutige Hinweise ergeben sich auch nicht aus den Beurteilungen der neueren CT-Aufnahmen vom Januar 2017, Januar 2018 und August 2018. Vielmehr heißt es in den vom Kläger eingereichten Berichten der AA. vom 9. Mai 2018 "keine hyalinen Verkalkungen" und vom 13. Juni 2018 "possible UIP". Auch im Bericht der X. vom 31. August 2018 werden keine Pleuraplaques mitgeteilt.

Ergebnisse einer feingeweblichen Untersuchung, die ebenfalls Hinweise auf die Ursache einer Lungenfibrose geben kann (Seite 12 des Gutachtens von Dr W., Falkensteiner Empfehlung Seite 21 ff), liegen nicht vor.

Entgegen der im Schriftsatz vom 5. Juli 2018 geäußerten Auffassung des Klägers ist bei der während des Berufungsverfahrens durchgeführten Bronchoskopie keine Asbestose nachgewiesen worden, sondern eine schwere Lymphozytose (Bericht der AA. vom 9. Mai 2018).

Da der radiologische Nachweis charakteristischer Lungen- oder Pleuraveränderungen nicht geführt werden kann, sind die Kriterien der BK Nr 4103 nicht erfüllt (Medizinisches Prüfschema zur BK Nr 4103 Teil 1, Falkensteiner Empfehlung Seite 125).

2. Da ein eindeutiger radiologischer (oder feingeweblicher) Befund nicht gesichert ist, kommt es in diesem Rechtsstreit nicht darauf an, in welchem Umfang der Kläger während der versicherten Zeiten seines Berufslebens gegenüber Asbest exponiert war. Dies wäre erst für den nächsten Prüfungsschritt - hinreichende Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Befund und beruflicher Exposition - zu ermitteln. Allein die Höhe der Asbestexpositionen erfüllt nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen der BK Nr 4103 im Gegensatz zu der BK Nr 4104 (Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren, Falkensteiner Empfehlung Seite 26).

Im Übrigen ist eine Asbeststaubexposition von 33 Faserjahren, wie sie der Sachverständige Prof Dr V. annimmt, nicht gesichert: Bei der Berechnung für die Tätigkeit als Heizer im Braunkohleheizkraftwerk der Deutschen Reichsbahn vom 24. Januar 1983 bis 28. Mai 1984 (Entfernung von Asbestverkleidungen bei der Reinigung der Kessel, Wartungsarbeiten am Kessel als Bystander) hat der Sachverständige den höchsten Wert der Tabelle 7.11 des BK Reports 1/2013 Faserjahre (Demontage von asbesthaltigen Matten und Kissen im Ofenbau, 10 F/cm³) zugrundegelegt und damit auch die Bearbeitung von Materialien berücksichtigt, die nur bei einer Neuanfertigung auftritt, mit der der Kläger nicht befasst war. Darauf hat Dipl-Ing L. in seiner Stellungnahme vom 26. Januar 2016 hingewiesen, dem hat der Sachverständige nichts entgegengesetzt. Gleiches gilt für die Einwände hinsichtlich eines Korrekturfaktors von 1,5 (Seite 57 BK-Report) für Arbeiten in geschlossenen Räumen. Denn es handelte sich um ein ausreichend großes Gebäude und der Kläger hat kein Asbest verarbeitet, sondern nur fertige Teile montiert und demontiert.

Es ist auch nicht bewiesen, dass der Kläger bei der Reinigung von Gliederkesseln während seiner Tätigkeiten als Heizer in der Großbäckerei und beim VE Einzelhandelsbetrieb HO Gaststätten mit Asbest in Berührung kam. Vielmehr ist nach den Ermittlungen der Beklagten eher davon auszugehen, dass an der oberen Beschickungsöffnung (wie bei der Seitenverkleidung der Kessel) gegen die erhebliche thermische Abstrahlung ein Fließstreifen aus asbestfreien Glasfasermatten aufgelegt worden war. Dagegen entnimmt der Sachverständige Tabelle 8 des BIA-Reports 3/95 (Asbest an Arbeitsplätzen in der DDR), dass bei Heizern in der DDR überproportional häufig asbestbedingte Erkrankungen durch Umgang mit Asbestdichtungen und -packungen auftraten. Das ersetzt jedoch nicht die Feststellung der Asbestbelastung im Vollbeweis in diesem Einzelfall. Selbst wenn man eine - der früheren Tätigkeit im Braunkohleheizkraftwerk entsprechende - Asbestbelastung unterstellt, ergeben sich allenfalls knapp 5 Asbestfaserjahre (4,5 Jahre x 0,25 Expositionsanteil x 4,0 F/cm³ + 4,5 Jahre x 0,25 Expositionsanteil x 0,40 F/cm³).

Entgegen der Darstellung des Klägers lässt sich eine extrem hohe Exposition gegenüber Asbest nicht aus anderen medizinischen Unterlagen herleiten. In den im Berufungsverfahren vorgelegten Arztbriefen der MHH vom 9. Mai 2018 und 13. Juni 2018 findet sich unter der Diagnose interstitielle Lungenerkrankung, Asbestose zwar "Asbest-Exposition beruflich, 33 Faserjahre". Dieser Vermerk beruht jedoch ersichtlich allein auf den Angaben des Klägers ("Eine Exposition mit Asbest wird berichtet, BG-Meldung erfolgt").

3. In diesem Rechtsstreit ist schließlich nicht aufzuklären, ob andere mögliche (Mit)Ursachen für die Entstehung der Lungenfibrose ausscheiden. Selbst wenn es gelänge, die vom Sachverständigen Dr W. als alleinige konkurrierende Ursache angesehene idiopatische Lungenfibrose auszuschließen, hätte dies kein für den Kläger positives Ergebnis zur Folge. Denn allein das Fehlen anderweitiger Ursachen reicht nicht aus, eine Astbestose als gesichert anzusehen, wenn - wie hier - eindeutige radiologische Hinweise fehlen. Darauf hat Dr O. hingewiesen. Deshalb hatte der Senat keine Veranlassung, dem Hilfsantrag des Klägers nachzugehen und den Sachverständigen Dr W. zu fragen, ob wegen eines weiterhin stabilen Erkrankungsverlaufs eine idiopatische Lungenfibrose als Ursache ausgeschlossen werden kann. Allerdings weist die Lungenfunktionsprüfung im August 2018 auf eine erhebliche Verschlechterung hin (Arztbrief vom 31. August 2018). Davon abgesehen wäre dann weiter zu überprüfen, inwieweit ein Tabakkonsum zur Entstehung der Lungenfibrose beigetragen hat. Zwar hat der Kläger bei den Begutachtungen jeweils angegeben, nie geraucht zu haben. Dazu im Widerspruch steht aber die Angabe im Bericht des Dr AB. vom 1. August 2013: seit 1983 Exraucher.

Eine für den Kläger positive Beurteilung folgt auch nicht aus den Gutachten von Dr N. und Prof Dr V ... Denn diese Gutachten überzeugen den Senat nicht. Dr N. stellt im Wesentlichen darauf ab, dass eine idiopathische Lungenfibrose statistisch seltener ist als eine asbestbedingte. Allein die Unwahrscheinlichkeit anderer Ursachen reicht - wie ausgeführt - jedoch nicht aus, um eine Asbestose zu beweisen. Dem Gutachten des Sachverständigen Prof Dr V. vermochte der Senat nicht zu folgen, weil dieser eine - nicht bewiesene - hohe Exposition gegenüber Asbest annimmt sowie pleurale Veränderungen, die nicht signifikant auf eine Asbestexposition hinweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), sind nicht gegeben.