Sozialgericht Braunschweig
Urt. v. 17.02.2009, Az.: S 18 AS 1463/08
Aufhebung und Rückforderung überzahlten Arbeitslosengeldes II; Teilweise Aufhebung der Leistungsgsgwährung für einen bestimmten Zeitraum für die Vergangenheit
Bibliographie
- Gericht
- SG Braunschweig
- Datum
- 17.02.2009
- Aktenzeichen
- S 18 AS 1463/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 14926
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGBRAUN:2009:0217.S18AS1463.08.0A
Rechtsgrundlage
- § 45 SGB X
Tenor:
Die Bescheide der Beklagten vom 24.7.2007 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 20.5.2008 werden aufgehoben. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Aufhebung und Rückforderung überzahlten Arbeitslosengeldes II.
Der 1947 geborene Kläger zu 1. und die 1951 geborene Klägerin zu 2. leben in eheähnlicher Gemeinschaft. Sie beziehen seit dem 10.6.2005 Arbeitslosengeld II von der Beklagten.
In ihrem Erstantrag vom 10.6.2005 gaben sie u.a. an, der Kläger zu 1. beziehe Arbeitslosengeld und die Klägerin zu 2. erhalte Lohn. Im Zusatzblatt 2 "Einkommenserklärung/Verdienstbescheinigung" konkretisierten sie ihre Angaben wie folgt: Die Klägerin zu 2. erhalte neben einer Witwenrente von 488,99 EUR monatlich Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung. Der Arbeitgeber der Klägerin zu 2., die Shell Station G. GmbH, bescheinigte der Klägerin zu 2. unter dem 7.6.2005 ein monatliches Einkommen von 855,04 brutto sowie steuerfreien Sonn- und Feiertagszuschlägen von 50,38 EUR. Das Einkommen werde in schwankender Höhe bezogen.
Die Beklagte gewährte den Klägern laufende Leistungen ab Juni 2005.
Am 12.7.2005 erklärte der Kläger zu 1. anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten, er sei nicht damit einverstanden, dass die Klägerin zu 2. bei ihm mit angerechnet werde. Die Beklagte erklärte dem Kläger, dies sei geschehen, weil der Kläger zu 1. die Klägerin zu 2. im Antrag mit angegeben habe und den Vordruck "eheähnliche Gemeinschaft" unterschrieben habe. Der Kläger zu 1. erklärte, dass er damals falsch aufgeklärt worden sei. Die Klägerin zu 2. sei nur eine gute Freundin, mit der er ab und zu das Bett teile. Der Widerspruch sei unterwegs.
Am 7.10.2005 übersandte der Kläger zu 1. der Beklagten die Einkommensbescheinigungen der Klägerin zu 2. für Juli bis September 2005 mit der Anmerkung, da sein Widerspruch immer noch nicht bearbeitet sei, übersende er anbei die Unterlagen seiner Mitbewohnerin zur Berechnung. Mit Schreiben vom 30.7.2005 bekräftigte der Kläger zu 1. nochmals, er und die Klägerin zu 2. lebten nicht in eheähnlicher Gemeinschaft.
Auch in der Folgezeit übersandten die Kläger stets zeitnah aktuelle Einkommensbescheinigungen der Klägerin zu 2. Im Mai 2006 übersandten sie letztmalig die Einkommensbescheinigung der Klägerin zu 2. für April 2006.
Am 24.5.2006 stellten die Kläger einen Fortzahlungsantrag. Im Zusatzblatt 2 hinsichtlich der Klägerin zu 2. gaben sie an "unverändert".
Die Beklagte gewährte den Klägern mit Bescheid vom 26.5.2006 Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 in Höhe von monatlich 557,40 EUR. In diesem Leistungsbescheid war das Erwerbseinkommen der Klägerin zu 2. nicht mehr enthalten. Mit Änderungsbescheiden vom 22.8.2006 änderte die Beklagte die Leistungsgewährung ab 1.10.2006 bis 30.11.2006 auf 621,89 EUR ab (Darlehenstilgung ab 1.10.) und ab 1.8.2006 bis 30.11.2006 auf 621,89 EUR ab (neue Abschlagshöhe). Auch in diesen Bescheiden fehlte jeweils eine Anrechnung des Einkommens der Klägerin zu 2.
Am 31.10.2006 stellten die Kläger einen weiteren Fortzahlungsantrag, in dem sie wiederum "keine Änderungen" angaben.
Mit Bescheid vom 2.11.2006 gewährte die Beklagte den Klägern monatliche Leistungen in Höhe von 621,89 EUR für die Zeit vom 1.12.2006 bis 31.5.2007. Mit Änderungsbescheid vom 9.3.2007 änderte die Beklagte ihre Gewährung für die Zeit vom 1.3.2007 bis 31.5.2007 auf 694,80 EUR (März 07) und 724,80 EUR (April und Mai 07) ab (Ende des Arbeitslosengeldes des Klägers zu 1.). Auch hier fehlte durchweg eine Anrechnung des Erwerbseinkommens der Klägerin zu 2.
Im April 2007 stellten die Kläger erneut einen Fortzahlungsantrag, in dem sie wiederum das Arbeitsentgelt der Klägerin zu 2 und ihre Witwenrente angaben. Mit Änderungsbescheid vom 19.4.2007 setzte die Beklagte die Leistungen für April und Mai 2007 neu auf 717,63 EUR fest (Änderung der Witwenrente der Kl. zu 2.), aber erneut ohne Anrechnung des Erwerbseinkommens der Klägerin zu 2.
Mit Bescheid vom 19.4.2007 gewährte die Beklagte den Klägern Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1.6.2007 bis 30.11.2007 in Höhe von 717,63 (Juni bis September) und in Höhe von 648,84 EUR (Oktober und November) ohne Anrechnung von Erwerbseinkommen.
Im Mai 2007 bemerkte die Beklagte ihren Fehler und forderte die Kläger mit Schreiben vom 11.5.2007 dazu auf, Verdienstbescheinigungen ab April 2006 bis laufend für die Klägerin zu 2. vorzulegen.
Als daraufhin zunächst keine Antwort erfolgte, da die Kläger unbekannt verzogen waren, fragte die Beklagte bei dem Arbeitgeber der Klägerin zu 2., der H. GmbH an und bat um Mitteilung des Arbeitsentgelts der letzten 12 Monate.
Im Mai 2007 übersandte der Kläger zu 1. die angeforderten Unterlagen, allerdings ohne die Verdienstbescheinigungen für April bis August 2006 sowie eine Ummeldebescheinigung zum 1.6.2007 nach I ... Mit diesem Umzug war die Beklagte für die Kläger nicht mehr zuständig.
Mit Schreiben vom 15.6.2007 teilte der Arbeitgeber der Klägerin zu 2. ihre Verdienste ab Juni 2006 mit.
Am 2.7.2007 schrieb die Beklagte die Kläger an und teilte mit, nach ihren Erkenntnissen hätten die Kläger in der Zeit vom 1.6.2006 bis 31.5.2007 Arbeitslosengeld II in Höhe von 6.184,31 EUR zu Unrecht bezogen. Die Klägerin zu 2. habe Einkommen erzielt, was nicht angerechnet worden sei. Es ergebe sich ein überzahlter Betrag für den Kläger zu 1. von 3.092,15 EUR und für die Klägerin zu 2. von 3.092,16 EUR.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24.7.2007 hob die Beklagte ihre Entscheidungen vom 26.5.2006 und 2.11.2006 über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1.6.2006 bis 31.5.2007 ganz auf. Es seien Arbeitslosengeld II (Regelleistung) in Höhe von 492,89 EUR und Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 2.599,27 EUR, insgesamt 3.092,16 EUR überzahlt worden. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Klägerin zu 2. habe während des genannten Zeitraums Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen seien der Kläger zu 1. und die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nicht hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II, so dass ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht mehr bestehe.
Der Kläger zu 1. habe Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt habe (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X). In der Zeit vom 1.6.2006 bis 31.5.2007 seien ihm Leistungen nach dem SGB II in der genannten Höhe zu Unrecht gezahlt worden. Diese Beträge seien vom Kläger zu 1. gemäß § 50 SGB X zu erstatten.
Ein wortgleicher Bescheid über eine Forderung von 3.092,15 EUR (Regelleistung: 492,79 EUR, Leistungen für Unterkunft und Heizung: 2.599,36 EUR) erging unter dem 24.7.2007 an die Klägerin zu 2.
Die Kläger erhoben Widerspruch gegen die Bescheide vom 24.7.2007. Der Kläger zu 1. begründete seinen Widerspruch vom 20.8.2007 damit, er habe seine Folgeanträge immer ordnungsgemäß gestellt. Er habe immer, wie man ihm gesagt habe, "keine Veränderungen" hineingeschrieben. Bis zum 1.7.2006 habe er die Verdienstabrechnungen seiner Lebensgefährtin eingereicht. Zum 1.6.2007 habe er den neuen Bescheid bekommen und gedacht, dass das so in Ordnung sei. Seine Lebensgefährtin sei zu keiner Zeit arbeitslos gemeldet gewesen, so dass die Beklagte nicht hätte davon ausgehen dürfen, dass sie arbeitslos sei. Zudem seien die Bescheide für einen normal gebildeten Menschen kaum zu verstehen.
Die Klägerin zu 2. begründete ihren Widerspruch vom 24.8.2007 damit, sie hätten die Anträge ihres Lebensgefährten immer ordnungsgemäß ausgefüllt. Bis zum 1.7.2006 habe sie regelmäßig Verdienstbescheinigungen eingereicht, so dass sie davon hätten ausgehen müssen, dass der Bescheid von Juni 2006 so in Ordnung sei. Sie sei zu keiner Zeit arbeitslos gemeldet gewesen, so dass die Beklagte nicht hätte annehmen dürfen, dass sie arbeitslos sei. Sie könne sich nicht erklären, wie die Beklagte zu der Annahme gelangt sei, dass sie nicht mehr arbeite.
Die Beklagte wies die Widersprüche der Kläger mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 20.5.2008 zurück, jeweils gerichtet an den Kläger zu 1. und an die Klägerin zu 2.
Darin änderte sie ihre Bescheide vom 24.7.2007 dahingehend ab, dass von dem Kläger zu 1. noch 2.790,94 EUR und von der Klägerin zu 2. noch 2.791,73 EUR zu erstatten waren. Die Beklagte stützte ihre Aufhebung nunmehr auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X. Die Kläger hätten die Rechtswidrigkeit der Bescheide erkennen müssen; ihnen sei diesbezüglich grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Hierzu führte die Beklagte unter anderem aus, grundsätzlich handele ein Leistungsempfänger grob fahrlässig, wenn er einen erhaltenen Bewilligungsbescheid nach den ihm möglichen Sorgfaltsmaßstäben nicht überprüfe; er dürfe sich nicht darauf verlassen, dass die Leistungsbewilligung dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig sei. Vielmehr habe er die im Bescheid enthaltenen Angaben und Berechnungen nachzuvollziehen und ggf. beim Leistungsträger hinsichtlich unklarer Punkte nachzufragen. Nehme er Leistungen lediglich entgegen, ohne den Bewilligungsbescheid entsprechend zu prüfen, liege bei offensichtlichen Fehlern grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB X vor.
Der Bewilligungsbescheid vom 26.5.2006 z.B. enthalte auf den Seiten 4-6 die Berechnung für die Ermittlung des Bedarfs der Bedarfsgemeinschaft und das Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft. In der Einkommens-Tabelle auf Seite 5 seien aufgeführt in der Spalte J. "Arbeitsagentur Einkommen 102,90 EUR abzüglich der Einkommensbereinigung" und in der Spalte K. "Renten Einkommen 488,99 EUR". Bei Durchsicht des Bewilligungsbescheides habe sich den Klägern aufdrängen müssen, dass das Erwerbseinkommen der Klägerin zu 2. nicht berücksichtigt worden sei.
Gem. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB II sei der Bescheid für die Vergangenheit zurückzunehmen, ohne dass es einer Ermessensentscheidung bedürfe.
Die Kläger haben am 11.6.2008 Klage erhoben. Sie tragen vor, sie hätten nie angegeben, dass die Klägerin zu 2. arbeitslos geworden sei. Ihr Erwerbseinkommen hätten sie ebenfalls durchgehend mitgeteilt, indem sie in den Fortzahlungsanträgen jeweils "keine Änderungen" angekreuzt hätten. Der Kläger zu 1. trägt vor, er habe sich die Berechnungsbögen der Leistungsbescheide nie durchgelesen. Für ihn sei der Gesamtbetrag auf Seite 1 allein erheblich gewesen. Als die Beklagte ab dem 1.6.2006 höhere Leistungen gewährt habe, sei er davon ausgegangen, sie sei seinem Begehren gefolgt, die Klägerin zu 2. aus seiner Leistungsgewährung außen vor zu lassen. Die Klägerin zu 2. trägt vor, sie sei erst stutzig geworden, als sie von der Beklagten zu einem Gespräch über ihren beruflichen Werdegang eingeladen worden sei. Sie hätten sich zudem eine Zeitlang verkracht. Während dieser Zeit hätten sie zwar noch zusammen gewohnt, aber der Kläger zu 1. habe sich nicht mehr um die Angelegenheiten der Klägerin zu 2. gekümmert und deswegen auch keine Verdienstbescheinigungen der Klägerin zu 2. mehr eingereicht.
Sie beantragen sinngemäß,
die Bescheide vom 24.7.2007 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 20.5.2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt ihr Vorbringen aus den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen und weist zudem darauf hin, den Klägern seien bis zum 31.5.2006 Leistungen in Höhe von ca. 23 bis 184 EUR monatlich gewährt worden, in schwankender Höhe, da auch das Einkommen der Klägerin zu 2. jeden Monat unterschiedlich hoch gewesen sei. Wenn die Kläger ab dem 1.6.2006 plötzlich monatlich ca. 400 EUR mehr erhalten hätten, und das auch in monatlich gleich bleibender Höhe, so hätte sich ihnen aufdrängen müssen, dass die Leistungsgewährung rechtswidrig war.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Die Beklagte war nicht berechtigt, ihre Leistungsgewährung für die Zeit vom 1.6.2006 bis 31.5.2007 teilweise aufzuheben und überzahltes Arbeitslosengeld II von den Klägern in Höhe von 2.790,94 bzw. 2.791,73 EUR zurück zu fordern.
Die teilweise Aufhebung der Leistungsgewährung für die Zeit vom 1.6.2006 bis 31.5.2007 richtet sich dabei nicht nach § 48 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch (SGB X), da sich an den Verhältnissen nichts geändert hat. Die Klägerin zu 2. bezog durchweg seit Beginn der Leistungsgewährung Erwerbseinkommen. Es liegt daher ein Fall der anfänglichen Rechtswidrigkeit gemäß § 45 SGB X vor.
Die Voraussetzungen für eine Aufhebung für die Vergangenheit nach § 45 SGB X sind jedoch nicht erfüllt. Nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X wird ein Verwaltungsakt nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.
§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X lautet wie folgt:
Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
- 1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
- 2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
- 3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Weder haben die Kläger die Leistungsgewährung durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt, noch haben sie unvollständige Angaben gemacht. Sie haben die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes auch nicht gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit verkannt.
Dies hat die Beklagte, die hierfür die Darlegungs- und Beweislast trägt, den Klägern nicht nachweisen können. Die Kläger haben vielmehr plausibel erklärt, sie hätten sich aufgrund der richtigen und vollständigen Angaben, die sie gemacht hatten, nichts Böses gedacht. Der Kläger zu 1. hat erklärt, er habe angenommen, die Beklagte sei seinen Erklärungen, wonach keine eheähnliche Gemeinschaft vorliege, gefolgt und habe die Klägerin zu 2. deswegen aus der Leistungsberechnung herausgenommen. Er hat zudem plausibel erklärt, sich die Berechnungsbögen der Leistungsbescheide nicht genauer angesehen zu haben. Alle diese Einlassungen sind nicht zu widerlegen. Sie sind auch plausibel und sprechen gegen eine grobe Fahrlässigkeit der Kläger. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1. über eine einfache Schulausbildung und keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt und dass die Leistungsbescheide allein an den Kläger zu 1. adressiert waren. Es ist daher zweifelhaft, ob die Klägerin zu 2. die Bescheide überhaupt gelesen hat und sich eine Meinung zu den konkreten Berechnungsschritten gebildet hat.
Da die Kläger allerdings vollständige und richtige Angaben gemacht haben, und der Fehler allein auf Seiten der Beklagten liegt, waren die Kläger auch nicht zur Überprüfung der Leistungsbescheide der Beklagten verpflichtet. Wenn Leistungsempfänger allen ihren Pflichten nachkommen, besteht keine Verpflichtung, die Behörde auf die Richtigkeit ihrer Gewährung hin zu kontrollieren. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der wenig aussagekräftigen, überwiegend aus Satzbausteinen bestehenden Begründung der Bescheide sowie der an die Bescheide angehängten, für den Laien unverständlichen Berechnungsbögen. Es kann von sozialrechtlich ungebildeten Laien, wie die Kläger es sind, nicht erwartet werden, die Berechnungsbögen von Arbeitslosengeld II-Bescheiden zu lesen und dort Unrichtigkeiten zu erkennen, die offenbar selbst den sozialrechtlich geschulten Sachbearbeitern der Beklagten über 12 Monate hinweg nicht aufgefallen sind.
Auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X sind nicht erfüllt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.