Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 27.06.2018, Az.: 11 WF 110/18

Geltendmachung von Elternunterhalt vor Anerkennung oder rechtskräftiger Feststellung der Vaterschaft

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
27.06.2018
Aktenzeichen
11 WF 110/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 26284
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 06.06.2018 - AZ: 71 F 68/18 UK

Fundstellen

  • FamRB 2018, 346
  • FamRZ 2018, 1511
  • MDR 2018, 1321
  • NZFam 2018, 702

Amtlicher Leitsatz

Die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen der Mutter nach § 1615l BGB setzt das Bestehen der rechtlichen Vaterschaft infolge Anerkennung oder rechtskräftiger Feststellung voraus.

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichtes - Familiengericht - Osnabrück vom 06.06.2018, mit dem der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen wurde, wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die nicht ermäßigte Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§§ 113 Absatz 1 FamFG, 97 Abs. 1, 127 Abs. 4 ZPO i. V. m. Nr. 1912 KV zum FamGKG).

Gründe

I.

Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 31.05.2018 Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag auf Zahlung von Elternunterhalt im Wege des Stufenantrages und avisierte zugleich für die Leistungsstufe auch einen Zahlungsantrag des (damals noch ungeborenen) Kindes. Als Vater des Kindes komme ausschließlich der Antragsgegner in Frage. Dieser sei von der Antragstellerin mit der Schwangerschaft konfrontiert worden und habe dieses lediglich gleichgültig hingenommen.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Osnabrück hat die beantragte Verfahrenskostenhilfe durch Beschluss vom 06.06.2018 versagt und zur Begründung ausgeführt, einen Unterhaltsanspruch gegen einen nur mutmaßlichen Vater kenne das Gesetz nicht.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 12.06.2018 verfolgt die Antragstellerin die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe weiter und führt zur Begründung insbesondere aus, der Antragsgegner habe die Vaterschaft nicht bestritten.

In seinem Nichtabhilfebeschluss vom 14.06.2018 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Osnabrück unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Celle, Beschluss vom 20.10.2008, 10 WF 336/08, ausgeführt, die Anerkennung der Vaterschaft sei auch vorgeburtlich möglich und das bloße Nichtbestreiten der Vaterschaft sei nicht ausreichend.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig aber unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht - Familiengericht - den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Geltendmachung von Elternunterhalt im Wege des Stufenantrages - hier also für die Auskunftsstufe und die unbezifferten Anträge der Antragstellerin - zurückgewiesen.

Für die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 1615l BGB ist es erforderlich, dass die Vaterschaft entweder nach den §§ 1592 Nr. 3, 1600d Absatz 1 und 2 BGB rechtskräftig festgestellt oder nach den §§ 1592 Nr. 2, 1594ff BGB anerkannt ist (Reinken in: BeckOK BGB, Stand 01.11.2017, § 1615l Rn 5; Klinkhammer in: Staudinger BGB, Neubearbeitung 2018, § 1615l Rn 25; Schilling in: Kaiser/Schnitzler/Friederici/Schilling Nomos Kommentar BGB, 3. Auflage 2014, § 1615l Rn 5; Wever/Schilling "Streitfragen zum Unterhalt nicht miteinander verheirateter Eltern wegen Kindesbetreuung" in: FamRZ 2002, S. 581ff; Huber "Unterhaltsverpflichtung des nichtehelichen Vaters gegenüber Kind und Mutter" in: FPR 2005, 189 ff; Grün, "Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung", 2. Auflage 2010, Rn 138; OLG Celle, Beschluss vom 20.10.2008, 10 WF 336/08, FamRZ 2009, 704; OLG Köln, Urteil vom 13.10.2005, 12 UF 67/05, NJW-RR 2006, S. 218ff; OLG Celle, Beschluss vom 17.11.2004, 15 WF 273/04, FamRZ 2005, 747; OLG Hamm, Urteil vom 03.10.1988, 6 UF 107/88, FamRZ 1989, S. 619ff).

Auch die Gesetzgebungsmaterialien, etwa zum Nichtehelichengesetz, gehen davon aus, dass die Geltendmachung der Ansprüche nach § 1615l BGB von der vorherigen Anerkennung oder rechtkräftigen Vaterschaftsfeststellung abhängig ist (vgl. etwa BT.-Drucks. V/2370, S. 35).

Zwar hält eine Gegenmeinung die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 1615l BGB auch für bereits dann - ggf. mittels einer inzidenten Feststellung- möglich, wenn die Vaterschaft nicht bestritten wird (Born in: MüKo BGB, 7. Auflage 2017, § 1615l Rn 3; Viefhus in: jurisPK-BGB, Stand: 19.03.2018, § 1615l Rn 9; OLG Schleswig vom 19.12.2007, 15 UF 142/07, FamRZ 2008, 2057f, auch Palandt in den Vorauflagen, jedenfalls etwa Diederichsen in: Palandt BGB, 66. Auflage 2007, § 1615l BGB Rn. 3, der aktuelle Palandt (Brudermüller in Palandt/BGB, 77. Auflage 2018, § 1615l Rn 2) weist lediglich darauf hin, dass diese Frage streitig ist).

Die zur Begründung dieser Meinung herangezogene Rechtsprechung (OLG Zweibrücken, Urteil vom 05.08.1997, 5 UF 126/96, FamRZ 1998, S. 554ff, und OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.09.1994, 3 UF 41/94, FamRZ 1995, S. 690) befasst sich allerdings mit einer anderen Konstellation und dürfte daher nicht einschlägig sein. Oben genannte Entscheidungen behandeln die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein auf Unterhalt in Anspruch genommener Ehemann oder geschiedener Ehemann den Umstand, dass ein rechtlich ihm zugeordnetes Kind von einem Dritten abstammt, dem Anspruch entgegenhalten kann. Dies wird bereits für den Fall bejaht, dass die Vaterschaft des anderen Mannes zwischen den Beteiligten unstreitig ist, insoweit bedürfe es nicht der Anerkennung oder rechtskräftigen Feststellung.

Die Entscheidung des Oberlandesgericht Schleswig (OLG Schleswig vom 19.12.2007, 15 UF 142/07, FamRZ 2008, 2057f), die tatsächlich einen mit der hier vorliegenden Konstellation vergleichbaren Fall behandelt, stützt sich zur Begründung ebenfalls auf die oben genannte Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Zweibrücken und Düsseldorf sowie die darauf fußenden Kommentierungen aus dem Palandt der 66. Auflage (2007) und dem jurisPK-BGB.

Soweit auch der Bundesgerichtshof ausnahmsweise eine inzidente Feststellung der Vaterschaft zulässt, betrifft dies Fälle, in denen etwa das Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne des § 1579 Nr. 7 BGB zu prüfen war (etwa BGH, Urteil vom 15.02.2012, XII ZR 137/09, FamRZ 2012, S. 779ff) oder den Scheinvaterregress (etwa BGH, Beschluss vom 22.03.2017, XII ZB 56/16, FamRZ 2017, S. 900ff) und in denen die Nichtabstammung des Kindes vom rechtlichen Vater bzw. die Vaterschaft eines anderen Mannes unstreitig war. Hier besteht die Gefahr, dass etwa der Scheinvater der Willkür der Kindesmutter und des wahren Erzeugers ausgesetzt ist (etwa BGH, Urteil vom 16.04.2008, XII ZR 144/06, FamRZ 2008, 1424ff).

Diese Ausnahme lässt sich mithin gerade nicht auf den vorliegenden Fall übertragen, ist doch die den Anspruch aus § 1615l BGB geltend machende Kindesmutter über § 1615l Absatz 3 Satz 1 i.V.m. § 1613 Absatz 2 Nr. 2a BGB und die §§ 247 - 248 FamFG hinreichend geschützt.

Zudem widerspricht die Gegenmeinung dem Wortlaut der §§ 1594 Absatz 1, 1600d Absatz IV BGB, wonach die Rechtswirkungen der Vaterschaft erst vom Zeitpunkt der Feststellung geltend gemacht werden können (Bömelburg in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Auflage 2015, § 7 Rn. 195).

Auch die verfahrensrechtlichen Vorschriften der §§ 247-248 FamFG sprechen systematisch gegen eine Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen der Mutter nach § 1615l BGB ohne Anerkennung oder rechtskräftige Feststellung. Denn gerade für den Fall vor der Geburt und bis zur Anhängigkeit eines Feststellungsverfahren (§ 247 FamFG) bzw. während eines Verfahrens nach § 1600d BGB (§ 248 FamFG) gibt das Gesetz der Mutter eine besondere verfahrensrechtliche Möglichkeit an die Hand, ihre Unterhaltsansprüche gerade ohne Feststellung oder Anerkennung erfolgreich geltend zu machen (vgl. BT-Drucks 16/6308, S. 260; Bömelburg in Prütting/Helms, FamFG, 4. Auflage 2018, § 247 Rn 10 und § 248 Rn 8).

Danach setzt die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen der Mutter nach § 1615l BGB richtigerweise das Bestehen der rechtlichen Vaterschaft infolge Anerkennung oder rechtskräftiger Feststellung voraus. Die sofortige Beschwerde war zurückzuweisen.