Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 20.06.2018, Az.: 1 Ausl 28/18
Zulässigkeit der Verfolgung einer weiteren Tat oder der Vollstreckung einer weiteren Strafe nach Auslieferung des Verfolgten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 20.06.2018
- Aktenzeichen
- 1 Ausl 28/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 33124
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- IRG § 29
- IRG § 35
- IRG § 78 Abs. 1
Amtlicher Leitsatz
Die ergänzende Prüfung der Zulässigkeit der Verfolgung einer weiteren Tat oder der Vollstreckung einer weiteren Strafe unterliegt nach Auslieferung des Verfolgten dann nicht den Voraussetzungen des § 35 IRG, sondern richtet sich nach § 78 i.V.m. § 29 IRG, wenn dem Verfolgten die Auslieferungsunterlagen nebst Entschließung der Generalstaatsanwaltschaft unter Gewährung rechtlichen Gehörs bereits vor der Auslieferung eröffnet worden sind.
Tenor:
Die Auslieferung des Verfolgten an Tschechien zur Strafvollstreckung aus dem Urteil des Bezirksgerichts in Prag vom 2. Juni 2015 (Az.: 9 To 205/2015) wird für zulässig erklärt.
Gründe
Der Verfolgte, der sich bei seiner Vernehmung durch das Amtsgericht Vechta am 24. November 2017 mit einer vereinfachten Auslieferung nicht ausdrücklich einverstanden erklärt und auf die Beachtung des Grundsatzes der Spezialität nicht verzichtet hatte, ist in dem Verfahren 400 Ausl A 226/17 der Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg auf Grund des Europäischen Haftbefehls des Bezirksgerichts in N. vom 25. Februar 2016 (Az.: 4 T 191/2014) zum Zwecke der Strafvollstreckung wegen der durch das Urteil des Bezirksgerichts in N. vom 17. Dezember 2014 in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts in Prag vom 24. März 2015 (Az.: 13 To 113/2015) verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr nach Bewilligung durch die Generalstaatsanwaltschaft vom 6. März 2018 am 16. März 2018 an Tschechien ausgeliefert worden.
Zuvor hatte der Senat mit Beschluss vom 26. Februar 2018 (Az.: 1 Ausl 65/17) die Auslieferung für zulässig erklärt. Hinsichtlich einer zudem ersuchten Auslieferung im Zusammenhang mit dem Urteil des Bezirksgerichts in Prag vom 2. Juni 2015 (Az.: 9 To 205/2015) hatte die Generalstaatsanwaltschaft zur Klärung eines etwaig bestehenden Auslieferungshindernisses zunächst den Eingang weiterer Auskünfte abwarten wollen. Nach Eingang dieser Informationen beantragt die Generalstaatsanwaltschaft nunmehr, die Auslieferung auch in Bezug auf dieses Urteil für zulässig zu erklären.
Da dem bereits ausgelieferten Verfolgten die Auslieferungsunterlagen nebst der Entschließung der Generalstaatsanwaltschaft noch während seiner Inhaftierung in der Bundesrepublik Deutschland eröffnet wurden und ihm hierzu rechtliches Gehör gewährt worden ist, von dem er mit Schreiben vom 18. Januar 2018 Gebrauch gemacht hat, handelt es sich um ein sogenanntes unechtes Nachtragsersuchen. Hierfür bedarf es keines Rückgriffs auf eine Nachtragsbewilligung gemäß § 35 IRG. Die Entscheidung kann vielmehr im Verfahren nach § 78 Abs. 1 IRG i.V.m. §§ 29 IRG ergehen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6. Februar 2012 -1 AK 67/10 -, n.v.; G/P/K/G-Böhm, 3. Aufl., § 35 IRG Rn. 5, § 32 IRG Rn. 13, Stand: Dezember 2014).
Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ist zu entsprechen, weil die Voraussetzungen vorliegen.
Der Europäische Haftbefehl des Bezirksgerichts in Prag vom 28. Februar 2017 (Az.: 3 T 17/2015) und die ergänzenden Auskünfte und Informationen der tschechischen Behörden genügen den gesetzlichen Anforderungen. Die dem Verfolgten vorgeworfene Tat ist ferner auslieferungsfähig, wie der Senat bereits im die Auslieferungshaft anordnenden Beschluss vom 5. Dezember 2017 ausgeführt hat.
Die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft vom 9. Januar 2018, ein Bewilligungshindernis gemäß § 79 Abs. 2 IRG in Verbindung mit § 83b IRG nicht geltend zu machen, ist aus den fortgeltenden Erwägungen des Beschlusses vom 26. Februar 2018 (Az.: 1 Ausl 65/17) nicht zu beanstanden.
Der Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten nach Tschechien steht nicht entgegen, dass es sich bei diesem der Auslieferung zugrundeliegenden Erkenntnis um ein Abwesenheitsurteil gegen den Verfolgten handelt. Denn ausweislich der von den tschechischen Behörden übersandten Unterlagen wurde der Verfolgte zu den Verhandlungen persönlich geladen und auf die Folgen seines Ausbleibens hingewiesen.
Dass der Verfolgte zu den Terminen trotz Kenntnis nicht erschienen, gleichwohl aber ein Urteil gegen ihn ergangen ist, führt nach § 83 Abs. 2 Nr. 1 IRG nicht zu einem Bewilligungshindernis nach § 83 Abs. 1 Nr. 3 IRG.