Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.06.2017, Az.: 5 K 210/15
Boote; Hafengelder; Liegeplätze; Vermietung von Grundstücken
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 15.06.2017
- Aktenzeichen
- 5 K 210/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 54064
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 98 Abs 2 S 1 MwStSystRL
- § 12 Abs 2 Nr 11 UStG
- § 4 Nr 12 S 2 UStG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Vermietung von Liegeplätzen für das Festmachen von Booten im Wasser unterliegt nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Umsätze aus der Vereinnahmung von Hafengeldern dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG unterliegen.
Der Kläger ist ein eingetragener, gemeinnütziger Verein, dessen Zweck die Förderung des Segel- und Motorwassersports ist.
Er unterhält in seinen Hafen über etwa 300 Liegeplätze, die in den Streitjahren zu ca. 50 % fest an Mitglieder vergeben wurden. Die Mitglieder sind verpflichtet, bei Abwesenheit die Nutzung ihrer Liegeplätze durch Gäste zu dulden. Die übrigen 50 % der Liegeplätze stehen den Gästen uneingeschränkt zur Verfügung.
Aus der Überlassung der Liegeplätze an Gäste erzielte der Kläger Bruttoentgelte in Höhe von 127.114,49 € in 2010, 137.770,04 € in 2011 und 142.651,47 € in 2012, die er dem ermäßigten Steuersatz unterwarf.
In 2014 fand beim Kläger eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung statt. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die vereinnahmten Hafengelder dem Regelsteuersatz unterlägen. Als Begründung wurde Abschnitt 12.16 Abs. 7 UStAE angeführt, wonach die kurzfristige „Vermietung von Campingplätzen“ ausschließlich Flächen zum Aufstellen von Zelten, von Wohnmobilien und Wohnwagen umfasst.
Bei der vermieteten Hafenfläche des Klägers handele es sich gerade nicht um eine mit einer Campingfläche vergleichbare Fläche, sondern um eine mit einem Parkplatz vergleichbare Fläche. Dementsprechend habe das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 29. Januar 2014 (14 K 418/13) zu Recht entschieden, dass die kurzfristige Vermietung von Bootsliegeplätzen dem Regelsteuersatz unterliege. Am 4. September 2014 ergingen entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2010 bis 2012.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage.
Der Kläger trägt folgendes vor: Nach dem Urteil des EuGH vom 3. März 2005 (C-428/02, Fonden Marselisborg, DStRE 2005, 658 [FG Rheinland-Pfalz 25.02.2005 - 4 K 1777/02]) sei Art. 13 Teil B der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) dahin auszulegen, dass die Vermietung von Grundstücken auch die Vermietung von Liegeplätzen für das Festmachen von Booten im Wasser umfasse. Damit sei höchstrichterlich klargestellt, dass umsatzsteuerlich zwischen einem Grundstück an Land und auf dem Wasser kein Unterschied gemacht werden dürfe.
Der ermäßigte Steuersatz gelte nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG für die kurzfristige Vermietung von „Campingflächen“. Eine Campingfläche müsse unter Berücksichtigung der o.g. Rechtsprechung des EuGH nicht zwangsläufig an Land sein, sondern könne auch auf dem Wasser liegen.
Das Urteil des FG Baden-Württemberg und die darauf fußende Rechtsauffassung des Beklagten sei unzutreffend: Dies orientiere sich nicht an der umsatzsteuerlichen Behandlung der streitigen Leistung (Vermietung einer Fläche), sondern nehme die Handlung/Tätigkeit des Leistungsempfängers (Abstellen eines Fahrzeugs) zum Anlass, die umsatzsteuerliche Leistung einzuordnen. Dieser Definition der umsatzsteuerlichen Leistung folgend müsste es sich auch bei den Flächen, auf den Wohnmobile abgestellt würden, um Flächen zum Abstellen von Fahrzeugen handeln.
Der UStAE regele aber in Abschnitt 12.16 Abs. 7 ausdrücklich, dass die Vermietung von Campingflächen auch Flächen zum Aufstellen von Wohnmobilen umfasse. Dementsprechend stelle die Finanzverwaltung beim ausdrücklich erwähnten Wohnmobil eben nicht den Fahrzeugcharakter in den Vordergrund, sondern den Beherbergungscharakter. Spätestens in dem Moment, in dem das Schiff des Gastes im Hafen des Vereins festgemacht werde, verliere dies für seinen Nutzer den Zweck als Fahrzeug. Es dienen ab diesem Zeitpunkt (Beginn der umsatzsteuerlichen Leistungserbringung) einzig und alleine dem Zweck der Beherbergung.
Es bestehe auch eine fast 100-prozentige Vergleichbarkeit der Ausstattung des Hafens im Vergleich zum Campingplatz an Land. So sei der Hafen mit folgenden Einrichtungen ausgestattet:
· Stromanschluss
· Grünanlage und Kinderspielplatz
· Grillplätze
· Gastronomie
· Miet-Fahrräder
· Toiletten und Duschen
· Waschmaschine
· WLAN
· Wäschetrockner.
Das zu zahlende Hafenentgelt der Gäste unterliege dem Kurbeitrag. Nach § 5 der Kurbeitragssatzung der Stadt X. seien alle Personen kurbeitragspflichtig, die in den entsprechenden Kurgebieten „Unterkunft nehmen“. Dementsprechend sei auch die Stadt X. der Auffassung, dass es sich bei der Bereitstellung der Bootsliegeflächen um Beherbergungsleistung handele.
Die Ungleichbehandlung von Campingplatz auf dem Land und Liegeplatz auf dem Wasser sei bei Betrachtung eines Luftbildes des Hafengeländes offensichtlich. Im unteren Teil sehe man die Stellplätze für Wohnmobile am Fährhafen der Stadt X. Gäste seien mit dem Wohnmobil für einen Urlaub nach X. gekommen und mieteten für einige Tage einen Einstellplatz auf diesem Gelände, um ihr Wohnmobil abzustellen.
Direkt oberhalb angrenzend liege der Hafen des Klägers. Hier vollziehe sich haargenau dasselbe Procedere. Die Urlauber mieteten eine Stellfläche im Hafen zum Abstellen ihres Schiffes. Sie übernachten darin und nähmen selbst zubereitete Speisen auf dem Boot zu sich.
Die heutigen Boote seien in ihrer Ausstattung mit Schlafplätzen, Küche, etc. mindestens genauso wie Wohnmobile zum Aufenthalt geeignet. Es gebe keine nachvollziehbare Begründung dafür, zwei komplett identische Sachverhalte, die in der Stadt X. auf angrenzenden Grundstücken stattfinden, steuerlich so verschieden zu behandeln.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide 2010, 2011 und 2012 vom 4. September 2014 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Juli 2015 zu ändern und darin die Bruttoumsätze aus der Vermietung an Gäste in Höhe 127.114,49 € in 2010, 137.770,04 € in 2011 und 142.651,47 € in 2012 mit dem ermäßigten Steuersatz zu erfassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
1. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2010-2012 vom 4. September 2014 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Juli 2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtordnung - FGO -).
a) Nach § 12 Abs. 1 UStG werden steuerpflichtige Umsätze dem Regelsteuersatz unterworfen, falls nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 UStG vorliegen. Diese Vorschrift ist als Ausnahme von dem Grundsatz, dass der normale Steuersatz gilt, eng auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Januar 2001 C-83/99, BFH/NV 2001, Beilage 2, 124 m.w.N.).
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7% für „die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen“.
Die ermäßigten Steuersätze sind nach Art. 98 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar. Zu diesen Dienstleistungen zählen nach Nr. 12 des Anhangs III die Beherbergung in Hotels und ähnlichen Einrichtungen, einschließlich der Beherbergung in Ferienunterkünften, und die Vermietung von Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen.
„Beherbergung in Ferienunterkünften“ umfasst gemäß Art. 43 der Mehrwertsteuer-Durchührungsverordnung (DVO zur MwStSystRL) „auch die Vermietung von Zelten, Wohnanhängern oder Wohnimmobilien, die auf Campingplätzen aufgestellt sind und als Unterkünfte dienen“
b) Die kurzfristige Überlassung von Bootsliegeplätzen kann nicht, wie vom Kläger vorgeschlagen, unter die Formulierung „kurzfristige Vermietung von Campingflächen“ nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG subsumiert werden.
Dem Wortsinn entsprechend handelt es sich bei einem Liegeplatz (einer genau abgegrenzten Wasserfläche) um ein Grundstück, wozu, nach dessen bürgerlich-rechtlicher Bestimmung, auch eine mit Wasser bedeckte Fläche, wie bspw. ein Bootsliegeplatz, gehört (BFH-Urteil vom 7. März 1996 V R 29/95, BStBl II 1996, 341).
Ein Boot ist ein Beförderungsmittel, also ein Fahrzeug. Dem steht nicht entgegen, dass viele Boote auch Einrichtungen zum Übernachten (Kajüten) haben und diese im Streitfall, nach dem Vorbringen des Klägers, auf den Gastliegeplätzen entsprechend genutzt werden können.
Die kurzfristige Überlassung von Bootsliegeplätzen fällt daher unter die Formulierung „Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen“ des auf Art. 135 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL beruhenden § 4 Nr. 12 Satz 2 Alt. 2 UStG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Januar 2014, 14 K 418/13, BeckRS 2014, 94991 unter Bezugnahme auf EuGH-Urteil vom 3. März 2005 C-428/02, BFH/NV 2005, Beilage 3, 175 [BFH 30.06.2004 - VII B 257/02] und BFH-Urteil vom 8. Oktober 1991 V R 46/88, BStBl II 1992, 368) und nicht unter die Formulierung „kurzfristige Vermietung auf Campingplätzen“ des auf Art. 135 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL beruhenden § 4 Nr. 12 Satz 2 Alt. 3 UStG.
Nachdem es sich bei § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG um eine Ausnahme von in § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG normierten Ausnahmen handelt und die Vorschrift neben der „kurzfristigen Vermietung von Campingflächen“ die „Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen“ nicht nennt, bezieht sich die Ermäßigung des Steuersatzes offenkundig nur auf die über § 4 Nr. 12 Satz 2 Alt. 1 und 3 UStG genannten zwingend steuerpflichtigen Vermietungsumsätze (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Januar 2014, 14 K 418/13, a.a.O.).
Dieses anhand der grammatikalischen und systematischen Auslegung gewonnene Ergebnis wird auch durch die Entstehungsgeschichte des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG sowie dessen Sinn und Zweck gestützt. Insoweit wird Bezug genommen auf die ausführliche Begründung im Urteil des FG Baden-Württemberg vom 29. Januar 2014 (a.a.O.).
c) Diesem Ergebnis steht der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht entgegen. Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn wesentlich Gleiches ungleich bzw. wesentlich Ungleiches gleich behandelt wird, ohne dass dafür ein vernünftiger, sachlich einleuchtender Grund gegeben ist, wenn also eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (Beschluss des BVerfG vom 26. März 1998 1 BvR 2341/95, UR 1998, 280). Für den erkennenden Senat ist eine solche Ungleichbehandlung nicht ersichtlich.
Die vom Kläger angeführte Vergleichbarkeit von Bootsliegeplätzen und Campingplätzen (für das Abstellen von Wohnmobilen) überzeugt den Senat im Ergebnis nicht.
Zum einen hat der Senat ernstliche Zweifel, ob „Plätze für das Abstellen von Wohnwagen und Wohnmobilen“ überhaupt „Campingplätze“ i.S.d. MwStSystRL und damit „Campingflächen“ im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG sein können. Insofern wird die Auffassung vertreten, dass die Vermietung von Flächen für Fahrzeuge grundsätzlich und in jedem Fall umsatzsteuerpflichtig ist, unabhängig davon, ob diese nur abgestellt oder als Unterkünfte genutzt werden (konsequent insofern: Klenk in Sölch/Ringleb, UStG, § 12 Rn. 896, demzufolge das Abstellen von Wohnmobilen nicht unter § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG fällt).
Selbst wenn man „Plätze für das Abstellen von Wohnwagen und Wohnmobilen“ noch als „Campingplätze“ bzw. „Campingflächen“ ansehen wollte, wäre diese Vorschrift (ermäßigter Steuersatz) als Ausnahme von der Regel (allgemeiner Steuersatzes) eng auszulegen mit der Folge, dass die Vermietung von Bootsliegeflächen jedenfalls nicht darunter fiele.
Es besteht nämlich - entgegen der Auffassung des Klägers - sehr wohl ein Unterschied zwischen der Vermietung von Flächen für Wohnmobile und der Vermietung von Flächen (Anlegeplätzen) für Boote.
Bei einem Segel- oder Motorboot handelt es sich um ein fahrendes Sportgerät. Hier stehen Sport und Vergnügen während der Fahrt auf dem Wasser im Vordergrund. Das Anlegen dient vorrangig der Sicherung des Bootes. Die Übernachtung auf dem Boot in der Kajüte mag möglich sein. Dies ändert aber nichts an der eigentlichen Bestimmung des Bootes als fahrendes Sportgerät.
Bei Wohnwagen und Wohnmobilen handelt es sich demgegenüber um Fahrzeuge, die vorrangig zur Unterkunft geeignet und bestimmt sind. Hier steht nicht die Fahrt im Vordergrund, sondern die Beherbergung im Fahrzeug am Urlaubsort.
2. Die Kostenscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revision ist gem. § 115 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.