Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 25.08.2022, Az.: 1 E 189/22

Abschiebung; Durchsuchung; Nachtzeit; Organisation; Wohnung; Zuständigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
25.08.2022
Aktenzeichen
1 E 189/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59764
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Zuständigkeit für die Durchführung der Abschiebung liegt in Niedersachsen bei der Landesaufnahmebehörde.

2. Eine Durchsuchung zur Nachtzeit kann nicht mit organisatorischen Aspekten begründet werden.

3. Für die Heranziehung der §§ 24, 25 NPOG besteht kein Raum, wenn die Durchsuchung zum Zweck der Sicherung der Abschiebung durchgeführt werden soll.

Gründe

Der Antrag vom 11.08.2022, über den das Verwaltungsgericht aufgrund der nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindenden Rechtswegverweisung des Amtsgerichts D. vom 19.08.2022 zu entscheiden hat, bleibt ohne Erfolg.

Es ist bereits zweifelhaft, ob der Antragsteller vorliegend antragsberechtigt ist. Nach § 58 Abs. 6 Satz 1 AufenthG kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen, soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert. Allerdings ist die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 4 AufenthG i. V. m. Ziffern 2.7.3 des Runderlasses des Innenministeriums vom 13.08.2019 die für die Durchführung von Abschiebungen in Niedersachsen zentral zuständige Stelle. Nach dem Rückführungserlass des Innenministeriums vom 07.07.2021 umfasst diese Zuständigkeit der Landesaufnahmebehörde auch die Abholung der Ausreisepflichtigen aus der Wohnung einschließlich der Aufforderung, sich der Abschiebung zu stellen. Die die Abschiebung durchführende Behörde im Sinne des § 58 Abs. 6 und 8 AufenthG dürfte damit nicht der Antragsteller, sondern die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen sein.

Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, weil die hier ausdrücklich zur Nachtzeit (um 3.30 Uhr) geplante Durchsuchung offensichtlich unzulässig ist. Der Antragsteller begründet die vorgesehene Uhrzeit mit den Vorgaben der dänischen Behörden, die eine Überstellung nur bis 14 Uhr akzeptieren würden, so dass der einzige in Betracht kommende und bereits terminierte Flug ab E. um 9.45 Uhr sonst nicht rechtzeitig zu erreichen sei. Nach § 58 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darf die Wohnung zur Nachtzeit (d.h. zwischen 21 und 6 Uhr, vgl. § 104 Abs. 3 StPO) nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. In § 58 Abs. 7 Satz 2 AufenthG wird klargestellt, dass die vom Antragsteller ausschließlich zur Begründung angeführte Organisation der Abschiebung gerade keine solche Tatsache ist. Andere Tatsachen, die eine Durchsuchung zur Nachtzeit erfordern, hat der Antragsteller nicht dargelegt.

Für eine Anwendung der vom Antragsteller für seinen Antrag hilfsweise herangezogenen §§ 24, 25 NPOG bleibt vorliegend kein Raum, da die neu geschaffenen § 58 Abs. 6 bis 10 AufenthG für die Durchsuchung zum Zweck der Sicherung der Abschiebung (und nicht mit dem Ziel der Gefahrenabwehr) spezielle Regelungen vorsehen (vgl. BGH, Beschluss vom 12.07.2022 – 3 ZB 6/21 –, juris Rn. 14 ff.). Im Übrigen wäre die geplante Durchsuchung zur Nachtzeit hier nach § 24 Abs. 4 NPOG ebenfalls unzulässig, weil die in § 24 Abs. 2 Nrn. 3, 4 und Abs. 3 NPOG genannten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Verfahren gerichtskostenfrei ist und die Auslagen des Antragstellers nicht erstattungsfähig sind. Angesichts der fehlenden Beteiligung des Betroffenen handelt es sich nicht um ein kontradiktatorisches Verfahren (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 30.09.2019 – 2 S 262/19 –, juris Rn. 24).