Abschnitt 2 OK-RdErl - Begriff, Erscheinungsformen und Indikatoren der Organisierten Kriminalität
Bibliographie
- Titel
- Richtlinie über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität
- Redaktionelle Abkürzung
- OK-RdErl,NI
- Normtyp
- Verwaltungsvorschrift
- Normgeber
- Niedersachsen
- Gliederungs-Nr.
- 21021
2.1 OK ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig
- a)
unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,
- b)
unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder
- c)
unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft
zusammenwirken. Der Begriff umfasst nicht Straftaten des Terrorismus.
2.2 Die Erscheinungsformen der OK sind vielgestaltig. Neben strukturierten, hierarchisch aufgebauten Organisationsformen (häufig zusätzlich abgestützt durch ethnische Solidarität und Abschottung, Sprache, Sitten, sozialen und familiären Hintergrund) finden sich - auf der Basis eines Systems persönlicher und geschäftlicher kriminell nutzbarer Verbindungen - Straftäterverflechtungen mit unterschiedlichem Bindungsgrad der Personen untereinander, deren konkrete Ausformung durch die jeweiligen kriminellen Interessen bestimmt wird.
2.3 OK kann insbesondere in folgenden Kriminalitätsbereichen auftreten:
Rauschgifthandel und -schmuggel,
Waffenhandel und -schmuggel,
Kriminalität im Zusammenhang mit dem Nachtleben (vor allem Zuhälterei, Prostitution, Menschenhandel, illegales Glücks- und Falschspiel),
Schutzgelderpressung,
Cybercrime,
unerlaubte Arbeitsvermittlung und Beschäftigung,
illegale Einschleusung von Ausländerinnen und Ausländern,
Warenzeichenfälschung (Markenpiraterie),
Kapitalanlagebetrug,
Subventionsbetrug und Eingangsabgabenhinterziehung,
Fälschung und Missbrauch unbarer Zahlungsmittel,
Herstellung und Verbreitung von Falschgeld,
Verschiebung insbesondere hochwertiger Kraftfahrzeuge und von Lkw-, Container- und Schiffsladungen,
Betrug zum Nachteil von Versicherungen,
Einbruchsdiebstahl in Wohnungen mit zentraler Beuteverwertung,
Arznei- und Lebensmittelgesetzverstöße,
Geldwäsche.
Neben diesen Kriminalitätsbereichen zeichnen sich Ansätze von OK auch auf den Gebieten der Umweltkriminalität wie der illegalen Entsorgung von Sonderabfall und verbotenem Handel mit gefährlichen Abfällen sowie des illegalen Technologietransfers ab.
2.4 Indikatoren, die einzeln oder in unterschiedlicher Verknüpfung Anlass geben können, einen Sachverhalt der OK zuzurechnen, sind in der Anlage 1 genannt. Die Aufzählung ist nicht abschließend und nicht auf spezielle Deliktsbereiche abgestellt. In Zweifelsfällen stellen die einander zugeordneten Strafverfolgungsbehörden umgehend Einvernehmen darüber her, ob sie einen Sachverhalt als OK bewerten.
2.5 In Niedersachsen werden von der Polizei schwerpunktmäßig Kriminalitätsphänomene in Strukturen folgender Bereiche der OK bekämpft:
Russisch-Eurasische Kriminalität (REOK); die hierunter fallenden Täterinnen und Täter treten deliktisch vor allem in Bereichen wie dem organisierten Laden- und Einbruchsdiebstahl sowie im Bereich der Rauschgiftkriminalität in Erscheinung;
Clankriminalität; hierunter fallen durch ethnische Zugehörigkeit geprägte Gruppierungen oder Familienstrukturen, welche sich durch ein hohes kriminelles Potenzial und häufig praktizierter, rechtsstaatlich problematischer Paralleljustiz (Einsetzen von Familienoberhäuptern, Clanältesten als "Schlichter", den staatlichen Strafverfolgungsanspruch konterkarierend) kennzeichnen;
Rockerkriminalität; Schwerpunkte der sogenannten Outlaw Motorcycle Gangs (OMCG's) liegen vor allem in den Bereichen Gewalt- und Waffendelikte, Betäubungsmittelkriminalität, Erpressung, Milieukriminalität und Menschenhandel. Auch die OMCG's zeichnen sich durch Abschottung und Nicht-Akzeptanz rechtsstaatlicher Prinzipien aus;
Cybercrime; in diesem höchst dynamischen Kriminalitätsphänomen sind zunehmend Strukturen der OK festzustellen, sodass dieser Bereich ab 2015 in das bundesweite polizeiliche Erhebungsraster zur OK-Lagebilderstellung aufgenommen wurde.