Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 23.01.2013, Az.: 2 W 11/13
Umfang der Inanspruchnahme eines vermögenden Streitgenossen für Gerichtskosten bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen anderen Streitgenossen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 23.01.2013
- Aktenzeichen
- 2 W 11/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 10307
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2013:0123.2W11.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 13.11.2012
Rechtsgrundlagen
- § 122 ZPO
- § 31 GKG
Fundstellen
- AGS 2013, 130-131
- MDR 2013, 495
Amtlicher Leitsatz
Mit Rücksicht auf den Schutzzweck des § 122 ZPO kann der vermögende Streitgenosse wegen der Gerichtskosten von der Landeskasse nur mit dem Anteil in Anspruch genommen werden, den er auch im Innenverhältnis gegenüber der bedürftigen Partei zu tragen hat.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Klägers vom 6. Dezember 2012 werden der die Erinnerung des Klägers zurückweisende Beschluss der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 13. November 2012 und die Zweitschuldnerkostenrechnung der Kostenbeamtin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 20. Juni 2012 - A 711 J/Z - aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Das als zulässiges Rechtsmittel bezeichnete Schreiben des Klägers vom 6. Dezember 2012 war als Beschwerde im Sinne von § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG auszulegen.
2. Die Beschwerde ist begründet. Voraussetzung für eine Zweitschuldnerhaftung nach § 31 Abs. 2 S. 1 GKG ist eine ordnungsgemäße Erstschuldnerkostenrechnung. Daran fehlt es vorliegend bereits, weil der Beklagte zu 2 von der Landeskasse nur auf die Hälfte des von dem Beklagten zu 1 und dem Beklagten zu 2 geschuldeten Betrages hätte in Anspruch genommen werden können, also in Anbetracht der im Schlussurteil des Landgerichts vom 25. Oktober 2011 angeordneten Kostenaufhebung auf ein Viertel der gesamten Gerichtskosten.
a) Wegen der Gerichtskosten kann der vermögende Streitgenosse von der Landeskasse nämlich nur mit dem Anteil in Anspruch genommen werden, den er auch im Innenverhältnis gegenüber der bedürftigen Partei zu tragen hat (vgl. MüKo/ZPO-Motzer, 4. Auflage, § 122, Rn. 3). Bei Gesamtschuldnern haftet im Innenverhältnis jeder im Zweifel nur für die Hälfte (§ 426 Abs. 1 BGB). Die Inanspruchnahme des Beklagten zu 2 auf den vollen geschuldeten Betrag würde es dagegen dem Kläger als Zweitkostenschuldner ermöglichen, den Beklagten zu 1 im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs in Anspruch zu nehmen. Das würde den Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe konterkarieren, weil der Beklagte zu 1 im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 Abs. 1 BGB mittelbar mit Kosten belastet werden würde, von dessen Zahlung er nach § 122 ZPO gerade befreit ist (vgl. MüKo/ZPO aaO.).
b) Daher ist, soweit dem Beklagten zu 1 Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG anzuwenden (vgl. zu § 5 KostO Lappe in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 18. Aufl., § 5 Rn. 2 ff., zitiert nach beck-online; Waldner in Rohs/Wedewer, KostO, Loseblattsammlung, Stand: April 2010, § 5 KostO und OLG Dresden, Beschluss vom 11. Oktober 2012, 23 WF 124/12, Rn. 40). § 31 Abs. 3 Satz 1 soll gerade verhindern, dass derjenige, dem Prozesskostenhilfe bewilligt ist, über den Gesamtschuldnerausgleich doch die Kosten des Verfahrens tragen muss (Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., § 31 GKG Rn. 17).
In Übereinstimmung mit dem Oberlandesgericht Dresden (aaO.) lehnt der Senat die Gegenauffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 02.04.2009, 10 W 23/09) ab, dass § 31 Abs. 3 GKG nicht für mehrere Erstschuldner untereinander gelte, sondern nur im Verhältnis von Erstschuldner zu Zweitschuldner. Die vom Oberlandesgericht Düsseldorf vorgenommene Einschränkung lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Dieser spricht lediglich von einem Kostenschuldner und der Haftung eines anderen Kostenschuldners. Eine Einschränkung dahingehend, dass der andere Kostenschuldner ein Zweitschuldner sein muss, folgt daraus nicht (vgl. MüKo aaO.).
Weiterhin würde eine einschränkende Auslegung auch dem Grundgedanken der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 1999 (BVerfG NJW 1999, 3186 [BVerfG 23.06.1999 - 1 BvR 984/89]) widersprechen, welche zur Einführung des § 31 Abs. 3 GKG führte. Danach soll die Partei, welcher Prozesskostenhilfe gewährt wurde, vor einer unter Umgehung des § 122 ZPO im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs erfolgenden mittelbaren Inanspruchnahme geschützt werden. Dieses Schutzbedürfnis besteht jedoch unabhängig davon, ob der Zweitschuldner oder der Erstschuldner im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs gegen die Partei vorgeht, welcher Prozesskostenhilfe gewährt wurde.
3. Daher war die auf einer fehlerhaften Erstschuldnerrechnung beruhende streitgegenständliche Zweitschuldnerrechnung aufzuheben.
Es bleibt der Landeskasse unbenommen, auf Grund einer unter Beachtung der obigen Ausführungen zu erstellenden neuen Zweitschuldnerrechnung den Kläger erneut gemäß § 31 Abs. 2 GKG in Anspruch zu nehmen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.