Landgericht Lüneburg
Beschl. v. 06.11.1998, Az.: 1 T 177/98
Anspruch auf Unterlassung der Beeinträchtigung des Luftraumes über einem Grundstück durch den Schwenkarm eines Baukrans; Umfang des Hammerschlagrechts und Leiterrechts
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 06.11.1998
- Aktenzeichen
- 1 T 177/98
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1998, 30998
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:1998:1106.1T177.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Celle - 06.10.1998 - AZ: 12 C 537/98
Rechtsgrundlagen
- § 862 Abs. 1 S. 2 BGB
- § 858 Abs. 1 BGB
- § 47 Abs. 4 Nds. NachbarrechtsGes
- § 4 Nds. NachbarrechtsGes
Fundstellen
- BauR 1999, 425 (Volltext)
- IBR 1999, 271 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ...,
den Richter am Landgericht ... und
den Richter ...
am 06.11.1998
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluß des Amtsgerichts Celle vom 06.10.1998 wird geändert.
Im Wege der einstweiligen Verfügung wird es der Antragsgegnerin untersagt, den für ihre Bautätigkeit am Parkhaus ..., aufgestellten Baukran so zu benutzen, daß er in den Luftraum über dem Grundstück des Antragstellers, ... hineinragt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Beschwerdewert: 5.000,- DM
Gründe
Das Amtsgericht hat durch Beschluß vom 06.10.1998 den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfugung abgelehnt, weil ein Verfügungsgrund nicht vorliege. Es sei nicht ersichtlich, welche konkrete Beeinträchtigung durch den Kran verursacht werde.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat Erfolg.
Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegnerin gem. § 862 Abs. 1 S. 2 BGB ein Anspruch auf Unterlassung der Beeinträchtigung des Luftraumes Ober seinem Grundstück durch den Schwenkarm des Baukrans zu. Das Eindringen des Schwenkarms eines Baukrans in den Luftraum des Nachbargrundstücks ist als verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 Abs. 1 BGB anzusehen (OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 91 [OLG Karlsruhe 11.12.1991 - 6 U 121/91]; Staudinger-Bund, BGB, 13. Aufl., § 858 Rn. 33). Auch der über einem Grundstück befindliche Luftraum untersteht der Herrschaftsgewalt des Besitzers, der ein rechtlich schützenswertes Interesse hat, daß dieser nicht gegen seinen Willen beeinträchtigt wird. Dies läßt sich insbesondere auch der Vorschrift des § 21 Nds. NachbarrechtsGes. entnehmen, die bereits das Hineinragen fremder Bauteile in den Luftraum des Nachbargrundstücks vom Einverständnis des Nachbarn abhängig macht. Das Hineinragen des Kranarmes in den Luftraum des Grundstücks des Antragstellers bei Südwestwind stellt keine bloße Gebrauchshinderung ohne einen Eingriff in die Sachherrschaft dar. Daß von dem Kran eine konkrete Gefahrensituation für das Grundstück des Klägers ausgeht, ist nicht erforderlich. Die von dem Eindringen des Schwenkarms in den Luftraum des Nachbargrundstücks ausgehende Belästigungen, die auch mit der bloßen Befürchtung verbunden sein können, das Grundstück und seine Bewohner könnten durch herab fallendes Material gefährdet werden, gleichgültig ob diese Befürchtungen sachlich begründet sind, wie auch die Übernahme eines Gefahrdungsrisikos überhaupt, sind von den Nachbarn grundsätzlich nicht hinzunehmen (OLG Karlsruhe a.a.O.).
Eine verbotene Eigenmacht i.S. des § 858 Abs. 1 BGB ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Antragsgegnerin sich möglicherweise auf das sog. Hammerschlags- und Leiterrecht gem. § 47 Nds. NachbarrechtsGes. berufen kann. Zunächst ist festzustellen, daß die Antragsgegnerin insoweit ihrer gem. §§ 47 Abs. 4, 42 Nds. NachbarrechtsGes. bestehenden vorherigen Anzeigepflicht offensichtlich nicht nachgekommen ist. Unabhängig davon ist der Antragsgegnerin gem. § 863 BGB die Berufung auf das Hammerschlags- und Leiterrecht gegenüber dem Besitzstörungsanspruch aus § 862 BGB aber ohnehin versagt. Das Hammerschlags- und Leiterrecht räumt dem Berechtigten nur ein Recht auf Duldung ein, das grundsätzlich erst nach gerichtlicher Festsetzung gegenüber dem Besitzer des Nachbargrundstücks durchgesetzt werden kann. Eine unmittelbare gesetzliche Gestattung der Entziehung oder Störung des Besitzes liegt darin aber nicht (OLG Karlsruhe a.a.O.).
Der Glaubhaftmachung eines besonderen Verfügungsgrundes bedarf es nicht. Es handelt sich um einen Besitzschutzanspruch, für den im einstweiligen Verfügungsverfahren in der Regel kein besonderer Verfügungsgrund gefordert wird. Mit der einstweiligen Verfügung kann ein Zustand geschaffen werden, der der Befriedigung gleich kommt (Palandt-Bassenge, 56. Aufl., § 861 Rn. 11 und § 862 Rn. 6 a. E.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 5.000,- DM